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Full text of "blatter des vereines dur landeskunde fur niederosterreich"

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landeskunde für niederosterreich 




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Blätter 



des 



Vereines für Landeskunde 



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Nieder ö st erreich. 



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Neue Folge. V^r^ 

IX. Jahrgang 1875. 



Wien, 1875. 

Verlag und Eigentum des Vereines. 



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Vereines 

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LandeskundevonNiederösterreich. 



_ Neue Folj?e. 

IX. Jahrg. Ausgegeb. am 15. März 1875. Nr * ^ ™ U ' *• 



Inhalt. Mitteilungen: Die Osterburg in Niederösterreich. 'V. 0. W. W.) Historisch und 
topographisch dargestellt von Prof. Arabros H o 1 1 e r. — Zur Geschichte des Zunftwesen» 
in Niederösterreich. L 8t. Pölten. Aus dem Sailer'schen Nachlasse von Dr. A. H o r a w i t z. 

— Beiträge zur Kulturgeschichte Niederösterreichs in der Zeit Leopold des Heiligen. Von 
Prof. AmbroB Heller. — Das grosso FroiBchiessen in Wien im Jahre 1563. Besungen 
durch den Augsbnrger-Pritechenmeistor Lienhart Flexal. Von A. Cam e s i n a H. v. Hanvit- 
tore, k. k. Uegi« rungsrath. — Flagellanten in Waidhofen a. d. Thaja im XVII. Jahrh. 
Von Fr. Eichmayer. — Zur Geschichte der Vesto Hartenstein. (0. M. B.) Von Fr. 
Eich mayer. — Entgegnung. — Besprechungen. — Vereinsleben: Pratobevera. f. 

— General-Versammlung am 29. Jänner. — Neu erschienene Blätter der Adrainistativ- 
karte. — Auszeichnung, — Mitglieder. — Geschenk an die Vereinsbibliothek. — 
Vereinsabende. 



Mitteilungen. 

Die Osterburg; in Niederösterreich V. 0 W. W. 

Topographisch und historisch dargestellt von Prof. Ambros Heller. 

Der kleinen Ortschaft Haunoldstein gegenüber, in der Nähe der 
durch Sirning — eine Viertelstunde von Haunoldstein — führenden Strasso 
von St. Pölten nach Melk liegt das verfallene Schloss Osterburg auf 
einem meist mit Waldungen bedeckten Felsen nahe der Biolach. Die Ansicht 
dieser verwitterten Burg giebt besonders von der östlichen Seite aus ein land- 
schaftlich interessantes Bild. Vorn ragt an dem kahlen Felsen der in seinem 
oberen Teile zusammengestürzte Wartturni empor, die an den steilen 
Felsen mit gemauerten Pfeilern unterstützten Vormauern ziehen sich 
gegen den runden Turm hin, dessen Gipfel ein Gebüsch von Tannen 
deckt und der einst zur Hauptwehr gegen die flachere Nordseite diente. 
Zu seinen Füssen sieht man tiof im Thale die Bielach sich ergiessen, die 
bald in ihren Krümmungen von Bergen verborgen wird; südwärts öffnet 
sich jedoch eine freiere Aussicht in die Ebene. Der Weg zu dieser Ruine 
ist selbst zum Fahren bequem, und an dem Felsenabhange mit gemauerten 
Pfeilern, die durch hölzerne Geländer verbunden sind, gesichert, auch 
durch Absprengung der hervorragenden Felsenklötze erweitert. Unbewohnt, 

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2 



aber nicht so einsam und öde, als sie sich von Forne und selbst noch 
am dem Fusso des Berges zeigt, findet der Besuchende diese Ruine. 
Der befahrene Weg selbst weiset schon auf die Gegenwart von Menschen, 
deren Häuser und Hütten um die Kuine herum an den Felsen und 
unter Bäumen ein Dörfchen bilden, das man nicht zu finden vermutet 
hätte und welches mit der alten zerfallenen Ostorburg ein düsteres, 
romantisches Ansehen hat. 

In ein gar graues Altertum müssen wir unsere Blicke versenken, wenn 
wir den Namen „Osterburg" erklären wollen. Ostar war eine germa- 
nische Gottheit, doren Verehrung namentlich bei den alten Sachsen sehr 
allgemein war. Oster und Ost, englisch Easter und East, scheinen eins, 
und auch der Morgenstern — die Venus — dürfte untor dem Namen 
Oster und Oststern gemeint sein. Er hiess JwrVeljjox^v n der Stern", 
englisch „a Stare", persisch Stare. Man findet im Gebiete von Bremen 
ein Osterholz, wo vermutlich der vorzüglichste Ostergötzendienst 
gehalten worden, und Ostorstade, vielleicht von einem Teile der 
Stedingischon Nation, die mit den andern Sachsen die Göttin Oster ver- 
ehrt hatten. Oster war übrigens die Göttin oder das Symbol der Liebe 
(Freja, Frigga), und als solche zugleich das Sinnbild der im Frühlinge 
sich erneuernden und auflebenden Natur, welche in Wäldern und Hainen 
verehrt und der dort auch geopfert wurde. Daher giebt es in Deutsch- 
land so viele Osterwälder, Ostorberge 1 ), und von den Opfern mögen noch 
die Osterfeuer auf den Bergen, die sich bis auf unsere Zeiten noch hie 
und da erhalten haben, als Ueberbleibsel von der heidnischen Verehrung 
der Oster geblieben sein 3 ). Nachdem die germanischen Völker — zuletzt 
die Sachsen — zum Christentum bekehrt worden, mussten sie diesem 
Feste, das in den Anfang des Aprilmonates fiel, entsagen. Wie schwer 

*) Ein uraltes Bergachloss der Grafen von Henneberg, im Koburgischen 
gelegen, trägt gleichfalls den Namen „Osterburg. tt Es ist beschrieben im V. 
Bande von Gottschal k's „Ritterburgen und Bergschlösser Deutschlands". 

2 ) Aber merkwürdig ist es, dass auch die Römer eine ähnliche Feier 
hatten, die uns bei Lesung der horazischen Ode beifallen muss (C. I. 4. 6.): 

„Solvitur acris hiems, grata vice veris 

Jam Cytherea ducit choros Venus 

Vulcanus ardens urit officinas." 

Merkwürdig ist auch die grosse Aehulichkeit des ganzen Festes und sein 
Zubehör mit dem, was wir von der römischen Geburtsfeier der Venus wissen. 
Sie geschah unter nächtlichen Tänzen in mondhellen Nächten (pervigilium 
Veneria); auch konnte ganz wol Feuer angelegt worden sein, den Horizont zu 
erleuchten, um das „Vulcanus ardens urit officinas" symbolisch anzudeuten, 
weil es nicht allenthalben vulcitnische Schauspiele wie beim Aetna und 
Vesuv giebt. 



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3 

mag ihnen das gefallen sein, da es ein Freudenfest war, nach welchem 
sich das Volk dou langen Winter hindurch sehnte! Doch zum Glück 
fiel auf den nämlichen Monat, den deswegen auch Karl der Grosso den 
Oster monat genannt haben soll, das Hauptfest der neuen Religion, 
das Fest der Auferstehung des Erlösers, gleichfalls ein Freudenfest 1 ). Nun 
konnten die alten geliebten Namen und die alten Freuden — auch die 
lodernden Feuer auf den Bergen — beibehalten werden; nur die Opfer 
mussten unterbleiben, doch auch dafür fand man ein Mittel, indem an 
Eier, Schinken, Kuchen u. s. w. weihte und sie beim fröhlichen Mahle ver- 
zehrte. 

Vielleicht kann daher der Name Oster bürg, dio unstreitig sehr 
alt ist, abgeleitet werden, weil in dem Platze erbaut, wo die alten heid- 
nischen Bewohner dieser Gegenden der ,,Eostra a geopfert haben. Einige 
Geschichtsforscher älterer und neuerer Zoit, namentlich v. Muchar 2 ), 
y. Koch - Sternfeld 3 ) und J. F. Keiblinger 4 ) haben , wol dem 
Klange des Namens folgend, die Ostorburg an der Bielach mit jenem 
Astura indentificiert, wo der heil. Severin um das Jahr 454 zuerst den 
Boden von Niederösterreich betrat und sich auch späterhin häufig aufhielt. 
Ohne mich in eine kritische Untersuchung dieser Frage, die, wie wenige, 
sich einer überaus roichen Literatur erfreut, einzulassen, halte ich 
die Beweisführung des Professor Öembera 5 ) für sehr glücklich, der 



1 ) Adelung ist wider diese Ableitung. „Es sei am wahrscheinlichsten," 
meint er, „dass es das veraltete Beiwort oster, östlich ist, in so fern osten 
und oster in dem allgemeinen Begriff des Erhebens (also Ostern von Urständ), 
resurrectio, Aufgehens und Auferstehens mit einander übereinkommen.* S. 
Correspondent von und für Deutschland, 1816. N. 85. 

2 ) Das römische Noricum, 2. T. S. 163. 

a ) Münchner gelehrte Anzeigen, 1842, N. 8. Er widerspricht sich aber 
selbst in den Beiträgen zur deutschen Länder- und Völkerkunde, 1. Band, 
S. 317. 

4 ) Geschichte des Benediktinerstiftes Melk, L S. 38. 

B ) Ueber die Lage der Wohnstätten des h. Severin Comageni, Astura 
und Faviana in Niederösterreich. Wien 1871 Blätter des Vereines für Landes- 
kunde von Nieder-Oesterreich, Jahrgang 1869 p. 69 ff. 

Ein verfallenes Schloss Osterberg auf einem hohen steilen Berge 
bei Laibach in Krain hat den Namen von seinem Erbauer; deun Oster heisst 
auf deutsch „scharf, also soviel als Scharfenberg: sostro (wio es eigentlich 
krainerisch lautet) oder Ostervercho ist soviel als Scharfenberg. Nun 
schreibt aber Schön leben (Genealog. Gallenberg p. 12): „Ortolphus II. de 
S c h ä r f f en be r g, author lineae 0 ste rberg i c a e, circa an num 1015 primus 
condidit aliud Castrum, dictum Osterberg, in confluentia fluviorum Savi et 
Labaci, a quo posteri denominari coeperunt Osterberger sivo slavice 0 a t e r- 
v e r c h e r. quod item sonat ac germanice Schär Ifen berge r. u 

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0 

Astura in die Nähe des zu St. Andrä gehörigen Dorfes Altenberg ver- 
setzt, wo einst Eystorf bestand, welcher Ort seit 1572 von der Donau 
hinwoggeschwemint wurde. 

Osterburg steht schon seit Menschengedenken unbewohnt; die Tore, 
die Zugbrücke, die Gebäude der Vorhöfe sind ganz zerfallen und mit Rasen 
und Bäumen bedeckt. DasHauptgebäude — die eigentliche, innere Burg 
— von gehauenen Steinon erbaut und an den wenigen, kleinen und unregel- 
mässigen Fenstern und der engen Pforte noch des alten Baues (von 
beiläufig 1400) einfache Gestalt darstellend, zeigt über dem Eingange 
einen länglichen grauen Stein mit einem Wappen und einer nicht deutlich 
und vollständig lesbaren Inschrift: rucdoff oon tierenstain das purcft 
angcfanyc: nacfi chri. gepard vier ^enenhundcrt jar darnacftc n>ar. 

Wegen der letzten Zeile entsteht der wichtige Zweifel, ob zu lesen 
sei: dama<6ain iar — das wäre 1401 — oder darnach ioior — 1404 — 
oder aber darnadi »iar — 1405? Jedenfalls gehört also dieser Bau durch 
Rudolf von Tiernstein dem Anfange des XV. Jahrhunderts an 1 ). 

Ein schmaler Gang, zu dessen beiden Seiten eine Tür in grosse 
Gewölbe sich öffnet, führt von diesem Eingange in den Schlosshof, der 
von drei Seiten von dem Hauptgebäude und dessen vorspringenden zwei 
Flügeln, an der vierten von einer Mauer geschlossen ist. Hier sind an 
der Hauptwand sieben runde, aus Stein gehauene Wappenschilde einge- 
mauert, und zwar in folgender Weise: Ganz zu oberst unter dem Ge- 
simse ist ein Schild mit zwei wellenförmig geschobenen Querbalken oder 
Bändern. Auf dem gekrönten Turnierhelme ist eine nackte, gekrönte Jungfrau. 
Dann das vierfeldige Weltzerische Wappen und das vierfeldige Gey e r i- 
sche Wappen. Dazwischen ist die Jahreszahl 1672 geschrieben. Unter der 
Jahreszahl befindet sich ein Topf oder eine Vase mit einem Deckel im 
Schilde. Preuhafen von Klingenberg?? Tulfer? Daneben ist das vier- 
feldige Geyer ische Wappen angebracht. In der untersten Reihe ist 
das vierfeldige Wappen der Herren Greyssen zum Wald und das ein- 
fache Gey er isch e Stammwappen — der Geier mit ausgebreiteten Flügeln. 

Sämmtliche sieben Wappenschilde sind mit den dazu gehörigen 
Helmen, Helmzierden u. 8. w. versehen. 



l ) Der Chorherr von St. Pölten Duellius (excerpt. geneal. hist. p. 361. Tab. 
antiquitatum VII. Fig. 27) gab zwar eine Abbildung dieses Steines, von der 
Schrift jedoch nur die Worte rucdoff oon ticrcnjlcio, mit der Bemerkung, dass das 
Uebrige selbst dem bewaffneten Auge nicht weiter lesbar, und das Wappen der 
Familie Tiernstein hier „von einer abweichenden Gestalt" (diveria ab aliis 
forma) sei. 



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5 

Eechts führt eine Tür in ein grosses, ziemlich finsteres Gewölbe, 
über dessen Bestimmung nichts bekannt ist, und über eine bedeckte 
Stiege auf eben dieser Seite gelangt man in die geräumigen Säle und 
Gemächer des ersten und zweiten Stockwerkes, welche, wie die an einem 
Ende des Gebäudes gelegene Kapelle, ganz ohne Merkwürdigkeiten und 
von der einfachsten Bauart sind. 

Noch ist in der Kapelle der steinerne Altartisch (Tumba) vor- 
handen, auf welchen man die verstümmelten Kümpfe von zwei aus Stein 
gehauenen Eitterfiguren nebst einem Bruchstücke eines geharnischten 
Armes gelegt hat, welcher einen Schild hält, worin ein Doppeladler mit 
der Kaiserkrone darüber, jedoch ohne Brustschild, Schwert und Scepter 
zu sehen ist. Auch ein steinerner, mit einer Zinkenkrone bedeckter Kopf, 
der ebenfalls auf dem Altare liegt, scheint zu diesen Statuen, welche 
übrigens höchstens aus dem XVI. Jahrhundert herrühren, gehört zu haben. 
Endlich liegt hier am Boden ein runder Schild aus gebranntem Thon, 
mit dem (vierfeldigen) Geyerischen Wappen mit Helm und Helm- 
zierden, welcher wol nur zufallig hier ein Plätzchen gefunden hat. 

Dem Altare gegonüber steht unter einem schmalen, in einen Spitz- 
bogen auslaufenden Fenster eine kloine, mit einer Steinplatte bedeckte 
Säule, welche wahrscheinlich einst einen kleinen Seitenaltar getragen 
haben mag. 

Das Gewölbe der Kapelle ist durch Untermauerung niedriger 
gemacht worden; denn über derselben — im zweiten Stockwerke — 
befindet sich ein eben so grosses leeres Gemach, dessen Wölbung mit den 
durchkreuzenden Gurten augenscheinlich das Gewölbe der Kapelle bildete, 
wie es bei dem neuen Baue der uralten Burg zu Anfang das XV. Jahr- 
hundertes durch Rudolf von Tiernstein aus der Hand des Baumeistors 
hervorgieng. Doch möglich, dass Osterburg — wio wenige Burgen 
— schon damals eine Doppelkapelle - eine über der andern — 
besass?? 1 ). 

1 ) Doppelkapellen sind meist nur auf Burgen um des Raumes willen ange- 
bracht — keine Krypten, sondern beide Kapellen über der Erde, nur 
eine über der andern, so dass das Gewölbe der untern teils viereckig, teils 
achteckig, in der Mitte der Kapelle zwischen den vier Hauptpfeilern oder an 
einer der Seiten durchbrochen ist. Solche Kapellen finden sich unter andern 
in der Burg zu Eger, im Schlosse zu Freiburg an der Unstrut, in der Burg 
zn Landsberg bei Halle. Auch in der Burg zu Nürnberg und in der Konrads- 
burg bei Enensleben sind Doppelkapellen, aber nicht durch Gewölbedurchbruch 
zum gemeinsamen Gottesdienste verbunden. In Znaim ist eine sehr alte höchst 
merkwürdige Doppelkirche zunächst der Pfarkirche St. Nikolaus. Vgl. auch 
Böheim, in der Beschreibung der ehemaligen Doppelkapelle in der Burg zu 
Wiener-Neustadt, in den Beiträgen zur Landeskunde u. d. Enns. IV. G8. 



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Auf einer Wendeltreppe von Stein, welche die Verbindung der 
Stockwerko des Gebäudes im Innern herstellt, gelangt man auf den 
Dachboden und von diesem in einen kleinen, niedrigen Wartturm, dessen 
Gewölbe und Dachung längst eingestürzt ist. Auf dem Dachboden zeigt 
man eine Nische in dem Gemäuer, welche die schreckliche Bestimmung, 
Menschen hier lebendig einzumauern, gehabt haben soll *). 

In einem handschriftlichen Werke der Bibliothek zu Göttweig — 
„Miscellanea" (Siegel, Wappen, Grabmäler und dgl.), Signat. Num. 895, 
nach der Mitte des XVIII. Jahrhunderts zusammengetragen — findet sich 
Fol. 151 die genaue Zeichnung einer metallenen Tafel von einem Sarg- 
deckel, mit Wappen der Grafen von Tattenbach, derer von Saurau, Neu- 
haus, Spanstein, Wucherer, Galler von Gallenstein u. a. und folgender 
Id Schrift : 

DAS WALT GOTT. 
Hior Buh ich Foin in meinen Sc hlaf kemmerlein, ach wie 
bin ich in Angst gewesen, Nun aber hat mein Seel genesen, 
Die lebt in Christo meinem Herren, in allen Freuden, Wohn 
und Ehren, Wann Gottes Posaun wird angehen, Werd ich 
aus meinem Grab Aufstehen, nicht Krank Wiest und 
Heslich, sondern Schön, Clar und Unverweslich, mein Gott 
und Herrn Ewig sehen, Sein Wort Leügt nit, es wird Ge- 
schehen. 

HIERINNEN RVHET. 

DieHochundWohlgebohrneFrauFrau Maria Salome 
Geyerin Edle Frau von und zu Osterburg eine Gebohrne 
Graefin von und zu Tattenbach See liehen welche Gebühren, 
war den 4. Tag July Anno 1604. und in Gott Seeli glich 
endschlaffen in Osterberg den 8. Octobris 1638, und in 
Ehestand Fridlich Gelebt in das fünfzehende Jahr. 

„Praecedentia insignia (bemerkt der Verfasser des citierten Werkes) 
delineavi ex lamina cuprea deaurata, cui insculpta fuere; que lamina 
desumpta fuit ex aliquo sarcophago in Ecclosia in Osterburg, in qua 
Domini de Geyer suam cryptam familiärem, utpote possessores hujus 
arcis, habuere." 

Wann die alte Burg erbaut worden und welche ersten Besitzer sie 
gehabt, darüber fehlen uns zuverlässliche Angaben. 

In einer handschriftlichen Zusammenstellung von Notizen aus dem 
herrschaftlichen Archive zu Mitterau, vorfasst von dem vormaligen 

*) Vgl. die Sage von dem eingemauerten Burgfräulein von Wolfseck 
im Lande ob der Enns in Hormayr's Archiv. 



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Kanzellisten daselbst N. Hirsch im Jahre 1842, fand der Verfasser 
„von der Entstehung des ersten Schlosses," welches gegenwärtig die 
Stelle eines Schüttkastens vertritt, nichts, als was die Steinschrift über dem 
Eingange meldet, welche er so giebt: „Miedulf v. F ur c u sf aun hat 
dieselb Bergfest im Jahr nach Christi Geburt 1114 ein Jahr später 
darnach zu bauen angefangen." Ebenso unbestreitbar ist, dass jener 
Otto v. Osterberg, der in den Jahren 1268 bis 1282 in Urkunden 
häufig unter den Zeugen erscheint *), nicht nach Osterburg unter der 
Enns gehört, sondern nach Osterberg einem kleinen, nach Offenhausen 
eingepfarrten Dorfe, das zwei Stunden von Lambach, im Hausruck-Kreise 
von Oesterreich ob der Ens liegt, in welchem Lande auch die übrigen Zeugen 
ansässig waren 2 ). Als erster urkundlich beglaubigter Besitzer von Oster- 
burg findet sich um das Jahr 1200 Graf Friedrich v. Beilstein, 3 ) 
dessen Vater, der Hallgraf Konrad v. Boilstein, Vogt von St. Zeno bei 
Reichenhall war, um das Jahr 1199 verstorben, nachdem er sich mit dem 
Bistum Freising um Conradsheim und Waidhofen in Oesterreich gestritten; 
seine Witwe, mit beilsteinischem Allod ausgestattet, nam einen Grafen 
von Vohburg zum zweiten Gemahl und sie blieben in Oesterreich. Schon 
frühzeitig waren die Beilsteine mit der Familie Eiseubeutel in 
Verbindung, wie aus einem Testamente erhellt, welches der Letzte seines 

*) Urkundenbuch des Landes ob. d. Enns. III. Bd. S. 358. 384. 394. 
420. 547. 

s ) Dietricus longus de Osteirperge circa a. 1110, Dietrich de Osterberge 
c. 1115, Albertus de Osterberge c. 1150, Hainrich de Ostriberc c. 1140, Salcho 
de Osterberc c. 1150, Luipoldus de Osterbergen Uber homo, c. 1170, kommen 
im Saalbuche von Ranshofen, Roudegerus de Osterenberge c. 1180 im Saalbuche 
v. Reichersberg als Zeugen vor (M. B. III. 245 — 261, 494). Sie gehören in 
das Innviertel oder nach Baiern. Ebenso auch Kunigund v. Osternberge und 
ihre Tochter Frau Alhaid, die zwischen 1154 und 118(5 im Saalbuche von 
Tegernsee erschienen. (M. B. VI. 138.) 

8 ) Koch-Sternfeld, Beiträge etc. 3. Bd. S. 128. 129. Der Verfasser 
bezieht sich auf Urkunden in Meichelbeck Hist. Frising. II. p. 572 n. 1300 und M. 
B. III. 558 n. 24. In der Stammtafel ad. p. 133 kommt vor: Cornea Conradus 
Hallensis Advoc. Salisburg. et S. Zenonis etc. in Charlstein f c. 1198. (Ge- 
schwister: C. Fridericus in Scala? c. 1180. Itha, nupta in Playn, Henricus in 
Austria.) Kinder Konrads: 

1. C. Fridericus t Qbiit in Osterburg c. 1200. uxor: C. (Cunigunda?) 
dein nupta Vohburgensis in Austria. 

2. C. N. filia, nupta Comiti de Mörn in Austria. 

3. C. Sifridus f c. 1205 ux. c. Elisabet in Charlstein f c. 1218 (der 
Gräfin v. Mörn Sohn Friedrich f c. 1230. ux. Alheidis possidet Gastunam in 
morit). Der Sohn des Grafen Sifrid — Friedrich d. J. f c. 1207 — war der letzte 
Graf v. Beilstein. 



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Stammes, Graf Friedrich von Beilstein, abfasste, und worin Sigfried 
Eisenbeutel Hauptzeuge ist 1 ). 

Früher schon — um das Jahr 1190 — kommt Sigfridus Isen- 
butel in einer Urkunde des Bischofs Diepold von Passau für das Stift 
Waldhausen unter den Zeugen vor 2 ) ; S igfridus Isinputel et f rater 
ejus Carolus kommen auch bei einer früheren Verhandlung zwischen 
den Jahren 1160 und 1190 im Saalbuche von Michaelbeuern vor 3 ). 
, Diese Familie war es auch, welche von den Brüdern Wernhard Friedrich 
und Otto Marquard Häusler von Purgstall Anfangs des XIV. Jahr- 
hunderts Osterburg erkaufte. 

Wenigstens nennt sich Chunrad Eisenbeutel Herr v. Oster- 
burg, als er und seine Hausfrau Agnes dem Stifte Lilienfeld jährlich© 
Zinsen und Einkünfte zu Wilhelmsburg verschreiben und dem Kloster anstatt 
der Gewährleistung (evictionis loco) ihren Hof zu Innige (Inning) geben, 
wobei ihr Vetter Wigand Eisenbeutel und ihr Oherm Albero von 
Mainberg als Zeugen erscheinen: „ddo. datz Wienne an Sant Johannis 
Oele tag 1312." Die Siegel Chunrads und Wigands zeigen im Schilde 
zwei etwas gekrümmte Schrägbalken, die im Siegel Chunrads von der 
Linken zur Rechten, im Siegel Wigands rechts schräg gezogen sind 4 ). 
Nicht lange darauf, gewiss vor 1367, kam Osterburg in den Besitz der 
Türs v. Tiernstein. Die Burg Arva in Ungarn ist eine der wenigen 
noch im bewohnbaren Zustande erhaltonen Vesten des Landes, der Sitz 
dieser mächtigen Thurzo's oder Turs, die wahrscheinlich ursprünglich 
Polen schon unter den Babenbergern nach Oesterreich eingewandert, 
dort auf Rauhenstein und Rauheneck bei Baden & ) und auf Lichtenfels bei 
Zwetl herrschten, auch Dürren st ein (Tiernstein) und Aspern erwarben. 

*) „Noverit omnis Christianitas — quod comes Fridericus de Pil- 
stein pro reinedio aniinae snae et omnium parentutn suorum in hora mortis 
8 uae traditit propriam famulam suam nomine Alheid de Techsin (Texing) 
cum liberis suis et cum ommi posteritate sua, super altare S. Michaelis archan- 
geli in Biwern (Michaelbäuern) ad censum V. denariorium, singulis annis per- 
solvendum. Actum est hoc in Castro suo Osterp erch, ubi infirmitate 
decubuit. Huius rei testes sunt: Sifridus Isenputel et alii plures. Filz. 
Geschichte d. Klosters Michaelbeuern, II. T. cod trad. S. 723 — 724. Vergl. 
L T. S. 168—170. 

s ) Urkundenbuch d. Landes ob der Enns, II. Band. S. 421. 

3 ) Filz a. a. 0. S. 709. 

4 ) Hanthaler Recens. dipl. archivi Campilil. T. I. p. 302 und Sigill. 
Tab. XXXI. Num. 2 und 3. 

5 ) S. über die Thurzo's das in vieler Beziehung ausgezeichnete Werk 
von Leber „Die Ritterburgen Rauheneck, Scharfeneck und Rauhenstein" Wien, 
1844. S. 168 ff. 



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Somit in Oesterreich zu weitgedehnten Gütern gelangt, erscheinen die 
Türs von Tiernstein in zahlreichen Urkunden als Zeugen; am 
18. September 1235, vor dem Schlosse Sitzenberg, nimmt Herzog Friedrich 
IL von Oesterreich das Kloster Garsten gegen einige genannte Adelige 
in Schutz, welche sich mit Unrecht die Vogtei über dasselbe angemasst 
haben. Unter den Zeugen sind Hugo et Otto Tursones 1 ). 1241, 10. 
Februar, in der Kirche St. Johannes des Täufers zu Wels, belehnt der 
Bischof Rudiger von Passau den Albero von Kuenring mit dem Schlosse 
Steyereck; unter den Zeugen: Otto der Turs (domino Ottone Tursen) 2 ) 
Otto von Tiernstein und Conrad sein Sohn sind auch im Jahre 1277 
Zeugen in einer Kuenringischen Urkunde 3 ). Chunrad von Tiernstein 
bekennt in seinem und seiner Brüder Leutold und Heinrich Namen einen dem 
Stifte Lilienfeld zugefügten Schaden und erlaubt dem Stifte, zum Ersatz 
über seinen (Konrads) Grund zu Wilhelmsburg Graben und Mauer zur 
Befestigung des Marktes Wilhelmsburg zu führen, 1312. 4 ) Derselbe 
K o n r a d nebst seiner Hausfrau Jeut verkaufte mit Einstimmung seiner 
Tochter Jeuta (der Gemahlin des Dietrich Ladendorfer), seines Bruders 
Leutold und seines Veters Konrad Eisenbeutel von Osterburg, 
dem Stifte Lilienfeld jährliche Einkünfte zu Wilhelmsburg, ddo. Wien 
am St. Urbanstag 1315. — Ein Chunrad v. T. ist oft Zeuge in 
Lilienfelder Urkunden von 1312 bis 1331. — Chunrad v. T. exequitur 
legatum et satisfacit pro expensis funeris uxoris suae Elspet, Campililii 
sepultae, quae huic monasterio legavit annuos reditus sex libramm ex 
variis fundis ac mansis ob (sie Hanthaler) Dretigist juxta Wilhelmsburg" 
am St. Margarethentag 1330. „Idem socio Dietmaro Praeposito Sanhip- 
politane celebravit laudum inter Campililienses et Rugerum Merl" am 
St. Niklastag 1337. 

Von seinem Verwandten , dem genannten Konrad Eisenbeutel , über- 
kam endlich Marquard Türs von Tiernstein das Schloss und die 
Herrschaft Osterburg wahrscheinlich durch Erbschaft. Sein hohes An- 
sehen, das er im Lande unter der Enns genoss, erhellt daraus, dass er 
in den beiden Stiftbriefen der Wiener Universität, pag. 32 und 58: 
„Marichardus de Tirnstain" und „ Marchart der Turs von Tyrnstain", 



l ) Kurz, Beiträge zur Geschichte des Landes ob der Enni, 2. Theil 
S. 546. 

a ) Urkundenbuch des Landes ob der Enns, III. B. S. 97. 
3 ) Friess, die Herren von Kuenring, Begesten und Urkunden 
S. XXXIX. 

*) Diese und die folgenden Notizen sind aus Hanthaler Recens. dipl. 
T. IL p. 283. 



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wie auch mit seinem Siegel l ) in der Urkunde des Herzogs Albrecht III. 
über die Universitäts-Privilegien, pag. 115, „Marquardus de Tyernstain 
Judex Curie" sich unterfertigt; als Hofrichter erscheint er auch 1387 
als Zeuge, und im nämlichen Jahre am Erchtag vor dem heil. Pfingsttag 
vertauschten er und seine Hausfrau Agnes mit dem Stifte Lilienfeld 
einen Acker in Wenigfeld gegen Wolkersdorf für einen andern Acker 
bei Osterburg; derselbe österr. Hofrichter und seine Hausfrau Agnes 
verkauften am Sonntage vor Sonnwenden 1388 an Lilienfeld den kleinen 
Wald Lindenberg ober Schranbach Marichart von Tyernstain, Agnes seine 
Hausfrau und alle ihre Erben beurkunden „datz Sand Pulten an sand 
Urbanstag" (25. Mai) 1367, dass Propst Ulrich Veyrtager und der ge- 
sammte Convent zu St. Pölton „von sundern trewn und lieb, und auch 
durich dor begir und andacht, di wir haben zu sand Michels Chirichen 
zu Hawnoltstain gelegen in unser gepiet, under unser vest zu Oster- 
berch an der Pylach mit der erwelung unser begrebnizz, die wir dahin 
getan haben, und auch durich des Gotzdinsts willen daselbs, den wir 
allzeit ze füdern und ze meren mainend, und durich frid und aufhebung 
willen etlicher chiieg und stözz, die vormals, von derselben chirchen 
zwischen uns gewesen sind, uns dasselbe Chirchenlehen datz Haunolt- 
stain, datz ir recht aigens gewesen ist, gegeben habent, mit gunnst 
und willen des Hochwirdigen Fürsten, unsers gnedigen Herrn, Pyschof 

Albrechts zu Passaw und habent auch sew die aygenschaft an 

demselben Chirchenlehen datz Hawnoltstain aufgegeben den hochgeporn 
Fürsten, unseren genedigcn Herrn , Herzog Alber zu Oesterreich.... 
von dem wir das ze lehen genomen haben , und fürbas in Lehensweis 
haben schullen" 2 ). 

Unter den Nachfolgern Marquards fesselt unsere Aufmerksamkeit 
der Erbauer der jetzigen Feste Osterburg Rudolf vonTiernstein. 



*) Das Siegel Marquards von Tiernstein ist vollständig erhalten an 
einer Urkunde vom Jahre 1349 beim D u e 1 1 i u s (Excerpt. Lib. II. Sigill. Tab. 
XIX. num. 250). 

2 ) Duellius Excerpt. geneal. hist. lib. L p. 49. Fräst sagt mit Bezug 
auf diese Urkunde Folgendes; „Aus nicht bekannten Gründen ist das Patro- 
natsrecht über die Pfarre Haunoldstein den Herzogen von Oesterreich über- 
geben worden. Von diesen gelangte es an Marquard v. Tiernstein, in dessen 
Gebiete als Herr der Fest« Osterburg an der Bielach sie lag. Er erwählte 
sich diese Pfarrkirche des heiligen Michael zur Familiengruft, befürchtete aber, 
das Stift St. Pölten , früher Patron darüber , möchte die Ansprüche darauf 
erneuern. Er verlangte also vom Propste Ulrich, er möchte ihm das Recht 
auf Haunoldstein gänzlich abtreten. Ulrich that es mit Einwilligung des Bi- 
schofs von Paasau 1367." (Kirchl. Topogr. v. Oesterr. 7. Bd. S. 120.) 



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11 



Dieser, der Sohn Marquards, hat das neugebaute Osterburg zum Sitz 
seiner Herrschaft erhoben und viele Jahre sich des ungestörten Be- 
sitzes erfreut; so lesen wir, dass Johann, Propst des Stiftes unser 
Lieben Frauen zu Tiernstein , auf Ansuchen des Abtes Johann von Melk 
ein Vidimus ausstellt (dd. am Freitag vor S. Marcellen Tag des heiligen 
Bapsts 1461) über eine andere vidimierte Abschrift: nämlich über eine 
vom Kaiser Friedrich IV. ddo. Neustadt am Montag — nach dem Suntag 
Reminiscere in der Fasten 1453 dem Jörig Seusenecker auf dessen Bitte 
vidimirte ürfede des Rudolf von Tirnstein, des Inhalts: Rudolf von 
Tirnstein hatte dem Kaiser Friedrich als dem Vormunde des Königs 
von Ungarn und Böhmen Ladislaus, „Ingriffe in das Landgericht, die 
Vogtey und Fischwaide" die ehemals der Scheck leibgedingni ssweise ge- 
habt, gethan, weswegen ihn der Kaiser zu Händen und in Vängnuss 
nehmen lassen." Nach seiner Loslassung verspricht nun Rudolf von 
Tiernstein, weder gegen den Kaiser und den Prinzen Ladislaus, noch 
gegen Jörig Sausenecker, der ihn auf des Kaisers Befehl gefangen ge- 
nommen, etwas Feindseliges zu unternemen. Als Zeugen mit ihren 
Siegeln werden von Rudolf von Tiernstein angeführt : Erhard von Main- 
berg und Wolfgang von Ror. Gegeben zu Osterberg, am Montag vor 
S. Stephanstag als er erfunden warde, 1452 l ). Schon früher — 1433 — 
wird derselbe Rudolph von Tiernstein durch das Urteil des Herzogs 
Albrecht V. zur Entrichtung der dem Stifte Lilienfeld gehörigen Maut 
zu Wilhelmsburg verhalten *). Zwei Mitglieder dieser altberühmten Fa- 
milie blieben noch im Besitze der Osterburg bis zum Ende des fünf- 
zehnten Jahrhunderts: Bernhard und Leutold; der Erstere wird 
unter den Adeligen des Herrenstandes gelesen, welche am 10. Sept. 1465 
und am 26. Februar 1470 um die Heiligsprechung des österreichischen 
Markgrafen Leopold IV. ansuchten 3 ), Leutold und seine Hausfrau 
Margareth verkauften 1483 dem Kaspar Pürringer und dessen Hausfrau 
Anna jährliche Einkünfte zu Weissen kirchen und befreiten sie von ihrer 
Lehenschaft; welche Einkünfte hernach der Kirche zu Gföhl geschenkt 



l ) Archiv. Mellic. Scrin. 45. Fase. 2. 

*) Der Stein zu Osterburg mit dem Wappen und Namen des Rudolf 
v. Tiernstein enthält auch das Wappen der Familie Rabenstein und Weissen- 
berg ; höchst wahrscheinlich war also dieser Rudolf mit einer gebornen Raben- 
steinerin oder Weissenbergerin vermählt. Im alten Todtenbuche von Lilienfeld 
liest man auf den 16. August: „Pilgrimus de Dyrnstain, qui sepultus est in 
monte Tannberch ad S. Annam" (zu Annaberg). Welcher Zeit dieser angehört, 
blieb mir unbekannt. 

3 ) Scharrer, oesterreychische Marg-Graffen u. s. w. Wien 1670. S. 256- 




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12 



wurden 1 ). Kaiser Friedrich in. erliess endlich an seinen Oberbeamten 
in Oesterreich, Bernhard von Tiernstein, den Befehl, mit den 
bischöflichen Leuten zu St. Pölten nicht zu schaffen und auch jedes 
Spruches über sie sich zu enthalten 2 ). Nach einer nur wenige Jahre 
dauernden Besitzung der Osterburg durch die Grafen von Hardegg 
kam sie im Jahre 1514 in den Besitz der Familie Geyer, die 
bis 1662 im ununterbrochenen Besitze blieb 8 ). — Nach dem — im 
Anhange zu erwähnenden — Auszug aus dem Herrschaft Osterburger 
Urbarium und Kaufbüchern vom Jahre 1622 bis incl. 1643 hat Hanns 
Adam Geyer die Herrschaft Osterburg, welche ein landesfürstliches 
Lehen war, zu Lehen bekommen, was in* das sechzehnte Jahr- 
hundert fällt. Diesem folgte Albrecht Geyer als Besitznachfolger, 
dann dessen Sohn Maximilian Albrecht Geyer unter der Regie- 
rung des Kaisers Ferdinand II. 

Die Geyer von Osterburg bekannten sich sehr eifrig zur lutheri- 
schen Religion, und wir finden bereits Albrecht Geyer unter den 
Adeligen von Niederösterreich, welche das Bündnis zu Horn mit unter- 
zeichneten ; dem gemäss wurde auch die zur Herrschaft Osterburg gehörige 
Pfarre Haunoldstein schon frühzeitig mit lutherischen Pastoren 
besetzt. Schon 1566 kommt Andreas Stark als evangelischer Pfarrer 
zu Haunoldstein vor 4 ); im Jahre 1580 war Polykarp Komperger 
lutherischer Pfarrer von Haunoldstein unter dem Patronate des Chri- 
stof Ferdinand G e y e r zu Osterburg , von dessen Vater V i k t o r 
Geyer er berufen worden; er hatte einen Schulmeister, aber nur 
fünf Knaben in der Schule 5 ). Auf eine Vorstellung des Bischofs von 
Wien wurde auf Kaiser Rudolfs II. Befehl der öffentliche lutherische 
Gottesdienst in Haunoldstein, im Jahre 1586 scheint es, wieder abge- 
stellt. Hanns Christof Geyer blieb auch als Protestant seinem 
Landesfürsten getreu und erhielt dafür die Bestätigung des Titels: „Edler 
Herr von Osterburg", worauf die Brüder Hanns und Christof 
Adam mit ihrer gesammten Descendenz vom Kaiser Ferdinand III. im 
Jahre 1650 in den Freiherrnstand mit dem Ehrentitel: „von 
Geyer sberg" erhoben wurden. Das Geschlecht der Geyer von Geyers- 
berg erlosch mit Albert Karl Graf und Herr von Geyersberg und Oster- 



») Aus Hanthaler Recens. dipl. T. II. p. 283 sqq. 

3 ) Buchinger, Geschichte des Fürstenth. Passau, 2. Bd. S. 168. 

8 ) Duellius liefert eine Stammtafel mit der Aufschrift „Stamm- Daum 
derer HH. Geyer, anjetzo Graven von Geyersperg" p. 293, auf die wir verweisen. 

4 ) Raupach's evang. Oesterreich, S. 77. 

' 8 ) Raupach's evang. Oesterreich, 2. Fortsetzung. S. 241, 242, 264, 265. 



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13 



bürg, der in der Schlacht bei Piacenza den 16. Juni 1746 fiel *). Die 
Osterburg wechselte noch einige Male ihre Herren , bis sie in den blei- 
benden Besitz derjenigen Familie kam , welche sie noch gegenwärtig inne 
hat: Nach Fol. 1 aus dem Urbarium vem J. 1662 überkommt Georg 
Freiherr von Vertema, Edler von Adlers berg, wegen einer 
Geyerischen Forderung von dem löblichen Landniarschalls-Gericht die 
Herrschaft Osterburg; aber bald darauf - am St. Georgi Tag 1663 — 
verkauft genannter Georg von Adlersberg diese Herrschaft dem Frei- 
herrn von Beichenberg, Regenten der n. ö. Landschaft, darüber 
er auch vom Kaiser Leopold I. das Lehen bekommt. 1668 verkauft 
Herr Julio Buccelini Freiherr seine Herrschaft Osterburg an 
Herrn ßaimund Graf (dann später Fürst) von Montecucolli um 
einen Kaufpreis von 68062 fl. 7 Schilling 20 Pfennige und 600 Thaler 
Leitkauf. Unter dessen Nachfolgern liess Graf Zeno das Schloss - im 
Jahre 1766 abbrechen und den festen schönen Bau zerstören; Oster- 
burg verfiel seitdem so, dass selbst die Aussenmauern zum grossen Teil 
zertrümmert sind und ein düsteres Bild des Verfalles darbieten. 

Anhang. 

Auszug aus dem Herrschaft Osterburger Urbarium und 
Kaufbüchern vom Jahre 1622 bis inclusive 1640 über die 
von und zu benannter Herrschaft angekauften und ver- 
kauften Realitäten und Gerechtigkeiten, so weit die wenig 
vorhandenen Documente reichen. 

Schloss Osterberg. Fol. 1 heisst es: „Das Obere und Un- 
ter e Schloss , oder alte und neue Schloss ist ein Perkhaus , so mit 
einem Hoff im obern alten Schloss, dann einen Hoff im Neuen untern 
Schloss, dann vor dem Schloss mit einem äussern Vorhoff, dreyen 
Thören, und einer Aufzugeprukhen , dann einem abgesonderten Thor in 
das alte Schloss. — Zieh- und Rörprunnen, aufgefierten und ausgemauer- 
ten Graben, gueten Khollern, Kästen, Preü- und Presshaus, Rossstal- 
lungen , Valien untern (?) in den neuen Schloss , dann in alten Schloss 
öbern (?) Gewölbein und Gemächern , sowoll in alten Schloss mit seinen 
zur Wohnung bequemlichen Stuben und Kammern, auch ob des Schloss 
einen alten hohen storkheu Thurm , daraus das Schlpss und der Mayr- 
hoff ob des Schloss gelegen, wohl tefentirt, sowohl als von einer am 



*) Nach Schweickhard t's Darstellung des Erzherzogtums Oesterreich 
unter der Eons, 3. Bd. S. 41, der auch eine ziemlich gelungene Abbildung der 
Osterburg beigegeben ist. 



14 



Spizen des Schloss gelegenen Pasteyen, das Schloss etwas geschitzt wer- 
den khan, versehen. 

Der Mayrhof zu dem Schloss Osterburg, so ob des Schloss auf 
der Höh gelegen, ist gemauert, gross und woll erpaut, und mit Mayr- 
stäben, Kämmern, geweihten Pierhauss, Khuchel, Stadl, Stallen, un- 
terschiedlichen woll versehen. 

Also ist nebst dem Schloss ein gemauertes Haarhaus und Haus 
zum Obstdörren, sowohl unter dem Schloss auf der Eben bey der Puel- 
lach ein gemauertes Waschhaus. 

Ein Ziegelstadel und Ziegelofen, so auf der Höh nechst hinder 
dem Mayrhoff gelegen, Hofmühl, welche zu Haunoldstein nechst der 
Kirchen gelegen, ist mit vier Gängen , einem Stampf und einer Saag. 
Auf dem Mühlgebäude ist ein Stock, einem Edelmannssitz gleich, erpaut 
mit Städeln und Stalin wohl versehen, unten durch und durch gewölbt 
auf dem Flez ein kleines Stübel , Item ein grosses langes Gewölb , Item 
zwei khleine Gewölbe, so anstatt Kheller zu gebrauchen, Item ein ge- 
wölbtes Füerhaus, oben auf mehr ein gewölbtes Fierhauss, daran ein 
Stuben und Kammer, auf der andern Seite dos Fierhauss mehr ein 
grosse Stuben, Item ein gewölbte Khuchel wieder ein khleines Fürhäusel, 
daran wieder ein Stuben und Kammer, Item ein Kundel daran, so ein 
absonderliches Zimmerl , und oben auf Pöden ; und ist die Müll (?), und 
gehören zu dieser Müll Vi Tagwerk, Garten und 4 Tagwerk Wiesen." 
Fol. 4. „Ist die Herrschaft auf der Tafern zu Sierning, welche mit 
der obrigkeitl. Jurisdiction nach Osterburg gehörig ist, des Umgelds 
befreyt. 

Gärten. Hofgarten ob des Schlosses darin am Khränzel-, 
Kuchel- und Krautgarten gelegen , und eine ziemliche Anzahl Pelzer 
verpflanzt sind — 10 Tagwerk. 

Der Khelper garten, darin derzeit wenig Obstbäume und zu 
einer Khelperwaid gebraucht wird — 4 Tagwerk. 

Der Weixelgarten zu Eidlassberg, darin derzeit wenig Obst- 
paum, und zum abfuerdern gebraucht — 4 Tagwerk. 

Der Zw espengar ten vor dem Schlossthor — 1 Tagwerk. 

Der Hofgarten zu Haunoldstein — l*/ a Tagwerk. 

Hoffelder. Das erste Hoffeld nächst dem Mayerhof linker Hand 
sammt dem einen Fleckel, so bei Ranersdorf gelegen, das Feldhofsfeld 
genannt — 45 Joch. 

Das untere Feld nächst dem Mayerhof vom Schloss hinaufgehend 
auf der Rechten, sammt dem einen Fleckel gegen ßanersdorf gelegen 
Feldhofsfeld genannt (sie) — 40 Joch. 



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■ ■ . 



15 

Das dritte Feld bey dem langen Holz , ausserhalb Eidletzberg 
sammt dem Fleckel Feldhofsfeld genannt (sie) — 50 Joch." 

Fol. 6. „Wiosmadt." Zu Sirning eine Hofwiesen 9 Tagwork. 

» » » Wiesen 5 „ 

Heystatel Wiese nächst dem Hofperg unter dem Schloss , davon 8 
Osterberger Ünterthanen zu Hauno Idstein zur Waydt klassen (sie ! glassen, 
gelassen), davon die Piellach zwei Tagwerk weggenommen, verbleiben 
noch 2 Tagwerk. 

Gegen Doppel die Zukhawitzwiese genannt — 2 Tagwerk. 

Auwiesen — 15 Tage. 

Zu Eidletzberg das gross und khlein pimass genannt — 12 Tage. 
Oberhalb Eidletzberg das Sauheitelwiesel — 2 Tage. 
Am Polting — 12 Tage. Zusammen 57 Tage. 

Fol. 6. Viehweiden. Hat die Herrschaft die Nothdurft, und 
werden solche Viehweiden dieser Art mit donen Eidletzberger Ünterthanen 
und sonsten Niemand in Gemein gebraucht." 

Fol. 7. „Forst und Gehölz.« 
Das Holz bey dem Fischersteig bis auf den Sollerpach gegen 



Neuhofen 200 Joch 

Das Langholz ausser Eidiitzberg . . . . 60 „ 
Das Schelsenholz nächst Kunersdorf und Doppel , und gegen 
der Heustadelwiesen und gegen dem Schloss des stei- 
nernen Thor 140 „ 

Der Steinrügel enthalb der Pillach gegen dem Schloss . 20 „ 

Das Haagholz am Wald ungefähr 1000 „ 

Der Aich berg nächst bey Wein bürg 100 p 

Die Steinleithen'; 30 „ 

Das Tannenholz genannt 20 n 

Das Dürmauerholz 30 „ 

1600 Joch. 



NB. Diese Hölzer sind aber nur beiläufig ausgeworfen worden, es 
befinden sich in allem mehr Maass. 

An Weingärten besitzt die Herrschaft dermalen 21 „Vierth " 

Fisch wasser. Fol. 8. verso. „Das Fischwasser an der Pillach 
fangt sich oben her beim luketen Stein an , da sich das Osterbergerische 
Landgericht mit Hohenegg scheidet, und gehet herab bis zum Mauer- 
pächel, unterhalb Neuhofen, einer halben Meile lang. 

Das Fisch wasser an der Sirning, wolches Inhalt Kaisor Ferdinand 
des Ersten 1522 ausgefertigten Lehenbriefes ordentlich spocificiit, gehet 



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16 

oberhalb des Margarether Steg, da sich das Haindorferische endet, so 
weit aufwärts, als die Osterburger Gründe reichen. 

Ein Fischwasser an der Sirning, Inhalt obigen kaiserlichen Lehen- 
briefs von der Haindorfer Brucken bis zur Hauno Idsteiner Mühle." 

Fol. 4. verso beschreibt die Gränze der Wildbahn und Reiss- 

» 

gejaidt. 

Fol. 10. verso beschreibt „den Begründer (sie) des Landge- 
richts und dessen Begränzungen, welches Ferdinand Christoph Geyer 
vom Kaiser Rudolph erkhauft den 20. September 1584." 

Fol. 12. verso die Dorfobrigkeit. 

Fol. 13. „Kirchtäg und Standgeld. Haunoldsteiner Kirchen 
St. Michael hat jährlich zween Kirchtäg, der Erste den Montag in 
Pfingstfeyertagen ; der Andere am Sonntag nach Michaelis, an welchen 
beden Kirchtagen die Herrschaft das Standgeld einzufordern, und die 
Kirchtagshuet hat. 

Am Feste St. Jacobi zu Haag in der St. Jacobs-Kapellen , ist 
jährlich ein Kirchtag , an welchem die Herrschaft das Standgeld einzu- 
fordern hat, und die Khirchtags-Huet zu versehen." 

Fol. 182. „Amt Sirning ober Kilb, so vor Alters den behausten 
Geld- und Kucheldienst , wie auch Burgrecht, der Kirchen St. Michael 
Haunoldstein, die Steuer, Hausgulden, Robot, auch die Gefall in Hand- 
lungen und Verwandlungen, das Brief- und Siegelgeld der * Herrschaft 
Osterburg als Vogtobrigkeit reichen, und von da aus die Abfertigung 
der Brief allda ersuchen und erheben, und sind deren 37. Der Dienst 
beträgt von diesen für den Pfarrer 1627 — 5 fl. , dann diesem jährlich 
alte Hühner 4, junge Hanen 4." 

Fol. 254. giebt Auskunft von den Lehen zu Donaudorf — „6 Hof- 
stätt zu Reuttern , auch von der Geissmühl bei Purgstall, sowohl der 
Hofstatt zu Neusiedl und den Hof zu Wieselburg, jetzt der Pratternhof 
oder Steghof genannt, Item der Grubhof am Hengstberg»" 

Fol. 335. bestimmt das jährliche Einkommen des jeweiligen Pfar- 
rers zu Haunoldstein. | 

Fol. 348. verso bestimmt das Einkommen des Schullehrers 
daselbst. 

Fol. 11. vom Hofkeller zu Haunoldstein, welcher 1000 Eimer 
Wein fasst, auf welchem Keller eine grosse Stuben, 2 Kammern, Kü- 
chel und Fürhaus ist; dieses Haus kann nach Belieben zu einer Tafern 
dienen. 

Die Zechleute hat ein Inhaber Osterburgs, sowohl zu Hau- 
noldstein als bei der Kapelle St. Jacobi zu Haag jedesmal aufzu- 



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nehmen; die Kirchenraitung im Schloss, jedoch im Beisein Herrn Pfar- 
rers, vorzunehmen und zu ratificiren. 

Fol. 14. Das Schulhaus zu Haunold stein , „so vor diesem 
ein Hauerhaus gewesen und von der Herrschaft gestiftet, worzu ein 
Hausgarten, 1 Viertel Weingarten , bey der Kirch 1 j 2 Joch Acker, mehr 
l j % Joch Acker und ein Krautgartel im Sirningerfeld. Und wird jeder- 
zeit ein Schulmeister von der Herrschaft aufgenommen und dem Pfarrer 
vorgestellt." 

Nota. Hanns Adam Geyer war noch ^Besitzer der Herrschaft 
Inzersdorf, Albrecht und Maximilian nebst Osterburg noch von 
Rotthaus und Wolfsberg. 

Bestandäcker und Wiesen in dem Amte Winkelsdorf 

pro 1626: 

Folio 144. verso — 145. „sind von der Herrschaft Osterburg von 
ihren eigentümlichen Haager-Gründen gegen jährlichen Bestand in Geld 
und gegen ein gewisses Quantität (sie, soll heissen Quantum) Getreide 
in Pacht gegeben worden." 

Folio 49. Verkaufen die Gebrüder Melchior — Albrecht — Ro- 
manus — und Ernst Wilhelm v. Geyer die Burgwiese und einen Wein- 
garten um 300 fl. Actum den 4. 7ber 1597. 

Folio 348. Verkauft die Herrschaft Osterburg Ein Tagwerk Wiese 
im Tricht, welche zum Sitz Haag gehört, dem Lorenz Panz um 100 fl. 

Dorfobrigkeit hat die Herrschaft Osterburg zu Haunoldstein, 
Sirning, Eidletzberg, Pottschall und „sonsten aller Orten, soweit sich 
das Landgericht erstreckt." 

Fol. 241. „Sind folgende Unterthanen zu Pierpaumb nächst 
Podensee gelegen, welche von dem Haus Oesterreich, Inhalt alten und 
neuen Lehenbriefes vom Kaiser, wie auch ich alt Leo Schneckenreiter 
datirt am Montag nach Colmani 1509 Khaufbriefes zu Lehen gegeben 
worden. An der Zahl 7; als: Andreas Eggenberger, Partholomä Pai- 
ritsch, Ambros Berger, Georg Schrieger, Paul Mayer, Hanns Pock, 
Georg Mentz." 

(Aus einer handschriftlichen Zusammenstellung von Notizen aus 
dem herrschaftlichen Archive zu Mitterau , verfasst von dem vormaligen 
Kanzellisten daselbst N. Hirsch, im Jahre 1842.) 



2 



18 

Zur Geschichte des Zunftwesens In Nieder Österreich. I. St. Pölten. 

Mitgeteilt aus dem Nachlasse Heinrich Friedrich Sailer's 
von Dr. Adalbert Horawitz 1 ). 

Nach den trefflichen Ausführungen Gustav Schön b er g's, (in Hilde- 
brand's Jahrbüchern für Nation ai-Oekonomie IX.) und den übereinstimmenden 
Forderungen aller Vertreter der geschichtlichen Nationalökonomie wird es wol 
begreiflich sein, dass ich es unternam, die folgenden gewiss nicht uninteres- 
santen und instruktiven Beiträge zur Geschichte der volkswirtschaftlichen 
Verhältnisse Niederösterreichs aus dem Nachlasse Sailer's zu redigieren und 
durch einige Zusätze vermehrt zu veröffentlichen. 

Es sind — wie man sieht — verschiedenartige Mitteilungen aus Archi- 
valien des k. k. Geh. Haus-, Hof- und Staatsarchives , dann der Stadtarchive 
von Wien und St. Pölten. Jedesfalls dürften damit brauchbare Ergänzungen 
unserer bisherigen Kenntnis geboten sein, das Lückenhafte der Mitteilung 
aber wird schon in dem Umstände seine Erklärung finden, dass Sai ler durch 
schwere Krankheit inmitten der Vorarbeiten abgezogen ward. 



Frühe schon genoss die Stadt St. Pölten den Ruhm eines behäbigen 
und gut geordneten Gemeinwesens; das „Poltinger Tuch" ward schon im vier- 
zehnten Jahrhunderte exportiert, und vielfach begegnen wir Kaufleuten oder Gold- 
schmieden jener Stadt auch anderswo. Nachdem es im zwölften und drei- 
zehnten Jahrhunderte zu nennenswertem Reichtum gekommen war, hob ei 
sich namentlich durch seine Besitzer, die Passauer Bischöfe, welche häufig nach 
St. Pölten kamen. Freilich führte auch hier — wie in den meisten mittelalter- 
lichen Städten — das Nebeneinanderbestehen der verschiedenen Gewalten zu 
mannigfachen Collisionen. Sorgsam und oft eigensinnig sahen der Bischof von 
Passau, der Propst des Chorherrnstiftes, der Vogt und die Bürgerschaft von St. 
Pölten auf ihren Wirkungskreis, ihre ßechtssphäre und suchten diese begierig 
zu erweitern. 

Betrachten wir zuerst das Kloster der Chorherren. Aus einer Notiz 
über den Brand von 1474 (bei Duellius II. 18) können wir den Bestand 
seiner Baulichkeiten um diese Zeit entnemen. Es werden da genannt: das Kloster 
mit dem Ziegelhof, dem Pfister, der Mühle dem Mairhof mit den „Stadeln", 
dem Marstall, Viehstall, Kasten, zwei Bädern, dem Werkhaus der Zimmerleute, 
der Binderei, dem Oblayhaus, dem Spital, dem Siechhaus, dem Schlafhaus 
der jungen Herren (Dormitorium), Aerzte und Chorherren, der Dechantei, dem 
„Refat" und „Servet", dem Münster mit seinem „zynem Knopf, der heil. Geist- 
Kirche, dem Zimmer des Kastner's und Schafiner's, dem Schaukhaus", das 
man heist in dem „Lueglein", Sanct Margarethen, dem Karner, dem Gusterbof, 
dem Schul- und Mesnerhäusl. Ueber die Zahl der Kleriker erfahren wir, 
dass sie im Jahre 1380 (24. Februar) durch Herzog Albrecht wegen der grossen 

*) Es mag gleich hier am Platze sein , die Abonnenten der Vereinsbiatter wegen der Un- 
terbrechung der Edition des preisgeschichtlichen Nachlasses Sailer's u n Entschuldigung zu 
bitten. Anderweitige literarische Arbeiten und Berufspflichten des Herausgebers, wie im Stoffe 
selbst liegende, bisher nicht überwundene Schwierigkeiten verschuldeten diese Vereogerang , die 
aber bald ein Ende finden soll. A. Horawitz. 



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19 



Ausgaben und Steuer auflagen auf vier und zwanzig beschränkt ward; nach 
einem Inventar von 1426 (Staatsarchiv 317. f. 461 und 698) stellt sie sich für 
dieses Jahr — den Pröpsten mit eingeschlossen — auf 23, daneben gab es noch 
4 oder 5 Fratres *). 

Aengstlich sorgte das Kloster um seine Gerechtsame und sein Eigen- 
tum am „Gries", um die Mühlhöfe und alle Güter in und ausser St. Pölten, 
und es sah genau auf seine Weiden, Amthäuser, auf Schranne und Gericht, 
kurz auf alle die Rechte, für die es sich u. a. am 15. Juui 1463 von 
Rudolf IV. eine Bestätigung erwirkte. Auch zu St. Pölten besaBs das Kloster 
zwei Teile an den Zöllen und Mauthen, den „Fürvängen", dem Metzenrecht, 
an Vogtei — und Hochzeitipfennigeu. Rudolf musste ihm damals auch alle 
Grund- und Burgrechte und Ueberzinse bestätigen , besonders „das recht, 
das si habent auf dem praitenmarchkt auf irem 'grund, da si ze urchund 
iärleich den mist aufgeben mügen." Aber auch sonst war der Besitz nicht 
gering, wie dies das Verzeichnis der Lehen des Gotteshauses zu St. Pölten von 
1413 (Staatsarchiv 316 f. 114 u. 176) oder das vom Jahre 1420 (?) (das Staats- 
archiv 316 f. 114 ff.) zeigt. Bezeichnend für das Verfahren beim Verkaufe ist 
ein Verkauf vom Jahre 1410; man macht dabei die Bedingung, dass im Falle 
des Wiederverkaufes das Gut — es ward um 90 Pfd. veräussert — zuerst 
dem Kloster, dann aber Jedem, nur keinem Edelmann angeboten werden 
solle -). Im Jahre 1383 (19. August) kaufte das Kloster die Feste Ochsenburg 
um 1550 Pfd. Wiener Pfennige. Und sehr zahlreich waren die Einnams- 
quellen, die ihm aus den mannigfachen Diensten erflossen*). 

Das Verhalten des Propstes und Convents zur bischöflichen Macht war nun in 
den verschiedenen Zeiten verschieden ; meist war es freundlich, dann erscheint das 
Kloster wie ein Delegierter des Bischofs, so wenn z. B. Bischof Albert (1. Juli 1321) 
dem Kloster den Auftrag giebt, die Zehenden einzucassieren (nou alium cultorum et 
adhuc colendorum. Staatsarchiv) oder Bischof Gottfried (25. Juli 1349) dem 
Convente das Recht einräumt „den Tuern ze ChremsärTor und die Maur und 
den graben vcn dann unz an Wiennär tor innehaben ze pawn und pezzern 
wo des dürft ist und uns , noch ein nachkommen und unserem gotzhaus damit 
warten, wann wir des bedürfen." Aber nicht immer waren die Verhältnisse so 
günstig, hie und da kam es zu argem Zusammen stoss. Ein Anlass zum Streite 
lag in der Rechtsbestimmung, dasB wenn die Amtsleute des Bischofs dem 
Convent nicht Grund- und Burgrecht und Ueberzins geben würden, so sollte 
der Propst und der Vogt des Gotteshauses ;die Stadt „dar zu nötten." Auch 



') Frater Thomas , der 8. 464 erwähnt wird, fehlt im Verzeichnisse der Fratres. 

») Eine Angabe ans dem Jahre 1410 (916 f. 112) bemerkt: „Von der muH und dem müllbof; 
vor dem chremsertor (mit 2 Aeckern) diente man in das prälatenamt am sand Gilgentag: 1 mut 
waizen , 70 8 für witpfennig und seczpfennig für Stenrpfennig ; in der Lichtmes : 4 genB 8 hniner; 
ze S. Michelstag: 4 chaes jeglichen für 6 pfennig; ze den ostern: 60 ayr. Von den obigen Aeckern 
diente man am 8. Michelstag dem Gustreyamt des Gotteshauses SO Pfd. 0 zerechten purkrecht. 

*) So u. a. aus der Verleihung der Badstube auf der Steinbrücke in der Le- 
derergassen (nr. 816 fol. 121 o. nr. 188 dos Wiener Staatsarchivs). Gedient wird am Hippolyttage 
6 ß 10 8, ze Weihnachten 5 ß 16 8, 2e ostern 5 ß 10 8, am h. martenstag eine gans ; alle iar von 
derselben padstuben 1 albs Pfd. wiener pfenning ze unser oblay , zwie in dem jar ; 60 an dem 
mertenstag, 60 cze der vaschang. Ausserdem darf der pfleger des Spitals sammt einem Knecht 
umsonst baden, bei Unglück und Brand muss sich der Bader sein Haus Halbst aufbauen. Unter 
den Zeugen lesen wir Niklas den Kramer und Wolfhart den chunter. 

2 * 



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20 

das „Recht Her Freiung M in seinem Spital und seineu Amtshäusern , sowie das 
an dem „Turn zu St. Pölten auf Chremsartor unz gen Wienertor" machte der 
Convent öfter geltend. Da kam es denn z. B. 1357 zu argen Auftritten, wobei 
es sehr tamultuarisch zugieng ; wol zwei paasauische ünterthanen wurden wol vor 
der Türe des Bischofs , der eben zu St. Pölten war , erichlagen, ein armer 
Arbeiter miashandelt, ein Wirt verwundet etc. Endlich wurde zwischen dem 
Bischöfe Gottfried von Passau und dem Propste Dietmar von St. Pölten 
(3. Januar) Frieden geschlossen. So weit war es gekommen, dass der Propste — 
wenn es nicht anders ginge — nach Passau hätte kommen müssen, um Verzei- 
hung zu erbitten (Wiener Staatsarchiv B. 17, p. 123 u. 202). Am 8. April 1365 
aber Hess sich der Biscbof herbei, die Rechte des Stiftes in der Stadt zu be- 
stätigen, u. a. dessen Ünterthanen gleiches Recht mit den passauischen Bür- 
gern im Handel und im übrigen Erwerbe und auch das Baurecht auf passauischem 
Grunde einzuräumen. Ausserdem wird das Klostergebiet von der Jurisdiction 
des passauischen Richters eximiert, die ünterthanen des Stiftes unterstehen» 
auch wenn sie auf passauischem Gebiete ein Verbrechen begehen , nur dem 
Urteilsspruche des Klosterrichters. Eine Ausname machen nur Capital- 
Verbrecher. 

Mit dem Landesherrn stand das Kloster — wie es scheint — stets in 
gutem Einvernemen, das zeigen schon die Privilegien und Gunstbeweise der- 
selben. Albrecht I. , Friedrich der Schöne , Rudolf der Stifter , sie alle wareu 
dem Kloster geneigt, bei dem Letzteren war Abt Ulrich II. sehr beliebt und 
konnte sogar durch den Herzog auf den Bischof von l'assau einwirken. Her- 
zog Rudolf war denn auch des Klosters Vogt; der jährliche Dienst an ihn 
betrug 26 Pfund und war nach Lengpach zu liefern. 

Leider kann über das Verhältnis zwischen der Bürgerschaft und dem 
Stifte fast nichts ermittelt werden, aber allerdings zeigt eben der Mangel der 
Berichte über Streitigkeiten und Zusammenstösse und die Fülle von Vermächt- 
nissen der Bürger an das Kloster — über die an seinem Orte eingehender ge- 
sprochen werden soll — dass gute Beziehungen zwischen beiden Teilen 
bestanden haben. Nur einer Notiz begegnen wir um 1371, in welcher eines 
Auftrittes zwischen dem Stadtrichter Heinrich Prunner und dem Kloster 
erwähnt wird. Der Stadtrichter hatte die Freiung (Asyl) des Gotteshaüses 
verletzt, indem er auB dem Gusterhof desselben zwei Leute mit Gewalt weg- 
führte — er musste sich aber am 12. März desselben Jahres sammt seinen 
Knechten reumütig stellen (Wiener Staatsarchiv 317). 

Doch all diese Weiterungen konnten das Anwachsen der fleissig schaf- 
fenden Stadt nicht stören; Handel und Wandel gediehen, nebenbei freilich 
auch die Auswüchse der Spekulation. So entzündeten u. a. die Juden durch 
ihre Wuchergeschäfte hior — wie in allen Orten — den Hass des Volkes gegen 
sich, einen Hass, der in furchtbarer Weise im Jahre 1306 zum Ausbruche 
kam. Für die Stadt war er Ursache schwerer Gefahr; deun Albrecht I. wollte 
sie vernichten und nur die entschiedene Fürsprache Verschiedener und die 
schwere , für die Finanzverhältnisse St. Pöltens keineswegs geringe Strafzahlung 
von 3550 Pfund beschwichtigten den Zorn des Herzogs. 

Leider besitzen wir über das änssere Ansehen der Stadt nnr allzu dürftige 
Notizen, so dass wir kein vollständiges Bild entwerfen können. Um 1367 
erscheint sie als in Viertel geteilt, nemlich in das Kloster-, das Markt-, 



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21 



Holz- und das Lederer- Viertel. Ausser der Stadtmauer vor dem Wiener-Tore war 
noch eine Vorstadt von etlichen dreissig HäuBern, die zum Besitze des Chorherrn- 
stiftes gehörte. Allen Bewohnern war es gestattet, Handel und Gewerbe zu treiben. 
Wie hoch man den Wert der Stadt um jene Zeit anschlug, beweist die An- 
gabe, dass Bischof Leonhard die Stadt um 20641 fl. und 3175 Pfd Pfenninge 
(6 ß zu einem ungarischen Gulden) an den Reirabert von Wallsee l ) verkaufte. 

Das fünfzehnte Jahrhundert brachte schlimme Zeiten für St. Pölten. Die 
Wirren unter der Regierung Friedrich's, Kriege, Pest, Theurung, besonders aber 
die Räubereien sogar der Söldner jenes Kaisers wüteten uuter der bedrängten 
Bevölkerung; vor welch' furchtbare Scenen führt uns doch u.a. Ebendorfer's 
schmucklose Darstellung! Das schwerste Unglück abor traf die aufstrebende 
Stadt am 28. Juni 1474 durch eine verheerende Feuersbrunst ; der gleichzeitige 
Bericht giebt uns einen Einblick in die äussere Gestalt der Stadt 2 ). Sie war 
schon mit Mauern und Türmen versehen (die Tuern auf der mawr, Ariker 
und Wer auf der grossen mawr; der Zwinger mit allen Halbturn und Arri- 
kern), besonders wird der „grosse Kremserturm mit dem Polwerkh - hervorge- 
hoben. Wir hören von einem „praiten Markth", vom täglichen Markt, dem 
Milchmarkt, von der Hafnergassen, Holzgassen, Protgassen, am Püchel, 
Kremsergassen, Sporrergassen, Schreinergassen, Klostergassen, das Kirchgassel^ 
Lederergasse. Aber auch von dem Kloster der „Minnern Brüder", von dem 
Kloster der Chorherren mit dem Ziegelhof, Pfister, Mühle, Mairhof und den 
früher erwähnten Gebäuden ist die Rede und es lässt sich daraus ein Schluss 
auf die Grösse der Stadt ziehen. 

Das St. Pöltner Gescheff tbuch. Aber auch für die Behäbigkeit 
und 'das solide Leben der St. Pöltner Bürger treten uns die Beweise aus 
scheinbar trockenen und unbrauchbaren Denkmalen entgegen. Ich meine das 
sogenannte Gescheff tb uch von St. Pölten aus dem fünfzehnten Jahrhun- 
derte, das auf 67 Blättern die Testamente von Bürgern und Bürgerinnen der 
Stadt St. Pölten enthält 3 ). Es beginnt mit den Worten : „Vermerkcht 
das puch der Stat ze Sandpolten das durch Ambtman, Richter und Rat vnd 
gemain gemacht ist worden, darumb das man der stat nutz und ere und alle 
ander vadürst der Stat damit petracht das da der Stat zugehoret um)) 
welherlay Handlung, das ist Geschriben am Heiligen phingst abent, Anno 
ab incarnatione 1438. u Ausser den testamentarischen Bestimmungen findet 
sich auch häufig die Bemerkung , dass Leute vor dem Rath durch Eides- 
helfer „mit aufgerackhten eiden" die Verwandtschaft, die gerade und ehliche 
Abstammung beweisen las en. Interessante Einblicke gewähren nun die ein- 
zelnen Angaben. Genau wird bemerkt, dass die Erblasser „mit guter Vernunft, 
witzen und synnen" die Legate ausgestellt haben. Die meisten Legate sind 
dem Kloster zugewendet, sie haben den Beisatz: „durch Irer Sei Hail und trost 
willen.* Man kann übrigens nicht sagen, dass sich die Geistlichen aufdring- 



») cf. Duellius II. 307, Hansiz 8. 536 giebt das Jahr 1U6 und die Verkauf B uinme von 
25000 Uoldgulden. Vgl. über die spätere Verpfändung von St. Pölten und Meutern an Math. Corvinus 
1481 v. Th. M a y e r im Archiv I, 3. u. 4. Heft. 

*) Duellius 1. c. II. 118. f. 

s ) Es befindet sich im Archive der Stadt St. Pölten und wurde mir mit anerkennenswerter 
Liberalität, für die ich meinen herzlichsten Dank sage, wie das StadtUuch zur lehrreichen Be- 
nutzung überlassen. 




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22 



lieh benommen hätten. Schade nur , dans meist kein vollständiges Inventar 
der „varunden habe" angegeben ist, sondern nur beiläufig derselben Erwäh- 
nung gethan wird. 

Der fromme und kirchliche Sinn der Bürger spricht sich mannigfach in 
den Legaten aus, von denen uns jene Aufzeichnungen berichten. Bürger und Bür- 
gerinnen überbieten sich in Spenden für das Kloster, in Stiftungen für „ein 
Seelenbad", für den Ankauf von Messgewändern, Glocken , z. B. für die grosse 
Glocke 5 Pfd. und andere Notdurft, und namentlich für Messen. So stiftete 
ein Zinngiesser um 1449 ein und ein halb tausend Messen; dreiisig 
Messen ist das Gewöhnliche, wofür man meist 1 Pfund zahlt *), Aber zahlreich 
sind auch die Schenkungen an einzelne Geistliche, an den Pfarrer und die drei 
Herren in der Pfarre, für jeden Vi Pfd., an die Chorherren und verschiedene andere 
Klöster, auch für den Bau der Pfarre werden z. B. um 1441 und 1443 je 
10 Pfd. gegeben , ebenso für den Bau des neuen „Spital". Eine Frau Agnes 
Scheibser schenkt um 1446 der Pfarr „irn rauch Rock und irn pesseren Silber- 
pecher" , Kathrey des Messner Niklas Wittwe testiert um 1460 u. a. folgender- 
massen : „Zu Hilff, stewr und Furdrung zu ainem Kelich in das bemelt kloster 
schaff ich mein silbernen pecher , der da hat 14 lot oder dapey und 1 Pfd. 
Safiran. Besunders schaff ich den Herrn und prudern mein zineine Kandel ze 
2 echterin." Wie zahlreich die Schenkungen waren , zeigt u. a. das Testament 
des Hanns Part von 1454 ; derselbe stiftete „in der purger spital, in das new, das 
sy jetz pawnnt, 20 Pfd. , den sundersiechen vor der stat 2 Pfd. , den Convent- 
herrn im Kloster 2 Pfd., dass sy für In bitten sullen und Irr Andacht In Mess- 
lesen und sullen Im ausleutten mit der grossen Glocken , ... zu der pfarr hie 
2 Pfd., gen Krembs hintz unser frawen auf den perg 3 Pfd., hintz S. Nicla 
gen Stain auch 3 Pfund, gen Stain zu Sand Bernhard in alter 2 Pfd. , den Sun- 
dersiechen ze Sand Anthoni ze Krembs 2 Pfd. , in die messrerzech ze S. Pölten, 
das sy Ims auf der Zech pegen sullen als gehört 2 Pfd., das man ausrichten 
scholl 30 mess, das man das gantz Jar auf dem letter (?) für In pitten soll.* 
Die Zechen 2 ) waren es namentlich, an die beträchtliche Schenkungen kamen. 
So spendet um 1451 „Margaretha die Sundersiechin (!) a — eine Leprose also — 
„dem Siechenhof 4 Pfd., den Herrn in die Bruderschaft 1 Pfd., zu unser frawen 
zech 2 Pfd.", eine Andere vererbt ihre Wiese, „davon man ze Purkrecht dient 
in das Ambt ze Sand Pölten 5 d. an sand Michelstag zur unser lieben frawen 
zech , dafür soll man jerlich des suntags als man singt „Ad te leuani. In dem 
Advent am Abent mit ainer gesungen Vigili und am Suntag morgen mit einem 
gesungen selambt und mit dreien Messen, die darunder gesprochen sollen 
werden und mit aufzünnten sich dankbar beweisen.* Ein Schmiedegesell stiftet 
aussen zum neuen Spital (1463) 5 Pfd., in die Schmiedezech 2 Pfd. und noch 
vieles Andere. — Auch die armen Leute wurden gut bedacht. Kathrei des Ro- 
senauers Hausfrau giebt armen Leuten umb ain tuch 2 Pfd., „um Selpadt 2 Pfd., 
ze notdurften und ze Hilf 6 Pfd.* Vielfach wird auch Geld für Pilgerfahrten 
angelegt, so z. B. überlässt eine Lederersfrau die Bestreitung einer Fahrt nach 
S. Wolfgang und einer nach Maria Zell ihrem „lieben Manne", Anna die Kog- 
lerin ordnet eine solche nach Rom an, Konrad Viechtner weist 13 ungarische 

') 1447 kommt dafür »och die Zahlung von S ß vor. 

•J Vgl. A. Horawitz die Klosterneuburger Bruderschaften im Mittelalter (Bericht des 
Wiener AlWtumsvereines 1861). 



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23 , 



Gulden auf sein Haus an, damit man eine Romfahrt inner Jahresfrist unver- 
züglich ausrichten solle, dann noch einen ungarischen Gulden, damit man 
eine Fahrt nach Zell , „mit wasser und mit prot" veranstalten könne. Nach 
Rom zogen überhaupt manche 8t. Pöltner; Jorg Link der Tuchscherer stirbt 
z. B. 1460 auf der Romfahrt zu „Bonony in der Stat, In der Herberg genannt 
zu der Rosen", nachdem er diese Reise mit St Pöltnern und zwei andern 
Bürgern unternommen *). 

Was die Vermögensumstände anbelangt, so sieht man, dass fast jeder 
Erblasser ein Hans besass, ausserdem nennen Viele Weingärten, Aecker, Wie- 
sen, Safiran und andere Güter ihr Eigen. Das bare Geld ist natürlich nicht 
so betrachtlich , doch kommt es vor , dass sogar ein Kürschnergesell 60 Pfd. 
besitzt. Viel Geld circuliert, auch die Forderungen für geleistete Naturalien 
und Waaren werden genau als Kapital angegeben, manchmal die ausstehenden 
Schulden nachgelassen. Die Angaben über das Einrichtungsinventar, über 
Kleider u. dgl. sind — wie ich schon bemerkte — meist spärlich, doch kommen 
einzelne Detaillierungen vor, so z. B. zum Jahre 1454, wo in dem Besitze des 
Bürgers Hans Grichtmacher aufgeführt werden: „1 prawn mantel und 1 prawn 
rock, die wenig silberpurtel , ain grallener paternoster , goldene ringe , ein klein 
silberain pecher, ain Slair, 2 tischtücher und 2 handtücher, 1 guete seidel- 
phait, 1 achselphaitt und 2 rot seiden ermbl , einen kuniglein peltz und ain 
Frawnhuet.* Als Pfandbesitz werden einmal angegeben (1449): „3 Nürnberger 
Slifstain, 1 waidmesser, silbreyne Hefft und ain tail des Werkzeuges; dabei 
noch 40 stück vergölte niesser". Als Kleinodien werden um das Jahr 1450 ge- 
nannt „ain silber gurtl, 2 silbrein topfvergold, 2 guldain ring, in einem ist ein 
Turkl (Türkis?), in dem andern ein Amantist (Amethyst) und 14 silbrein schell", 
und der Erblasser giebt seiner Tochter ausser Anderem 100 Pfd.' und noch viele 
Legate. 

Ich muii so manches Andere übergehen, teils rührende Züge, teils 
auch Angaben, die eben aus der Natur der Sache hervorgehen und sich heut- 
zutage ebenso in Testamenten finden; für jetzt sollte ja dieses „Geschefftsbuch" 
keinen andern Zweck erfüllen, als den, von dem Reichturae und der kirch- 
lichen Gesinnung der damaligen 8t. Pöltner eine Vorstellung zu geben. 

(Fortsetzung folgt.) 



Beiträge zur Kulturgeschichte Oesterreichs in der Zeit Leopold's des 

Heiligen. 

Von Professor Ambroz Heller. 

Es hiesse die bedeutenderen Ortschaften Niederösterreichs 
fast alle und neben ihnen eine Menge jetzt zerstörter aufzählen, wenn man alle 
die Plätze, Burgen und Kirchen nennen wollte, mit denen das Land in der langen 
Regierung Leopolds des Heiligen schon förmlich überdeckt war. Ich will nur 
aus einem kleinen Bezirk den Beweis führen, da ich in diesen Blättern durchaus 
nicht den Zweck verfolge, oft Erwähntes zu wiederholen, sondern die seit 
Lazius sehr, seit Hanthaler aber ganz ins Unwahre oder Unbeweisbare zerrissenen 
Daten wieder gesichtet auf geprüf te Quellenz eugniss e zurückzuführen, 

») Ueber die Pilgerfahrten der Wiener im Mittelalter vgl. Schlager, Wiener Skizzen 
iui Mittelalter, V., p. 425 ff. 



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24 



dann aber auch auf den durch Forschungen und Quellen geförderten Stand- 
punkt erhoben, Lücken und Dunkelkeiten in der älteren vaterländischen 
Geschichte zu erkennen und darauf hinzuweisen, wenn auch mit dem Geständ- 
nisse, sie nicht immer lösen zu können. Wenn nun durch meine bisherigen 
Arbeiten nur einige Ungewissheiten gehoben, andere der Lösung wenigstens 
näher gebracht, über mehrere wichtige Punkte neue Ansichten eröffnet und 
begründet, Irrtümer aber mit festem Gange, ohne keifende Polemik entfernt 
wurden, ohne die zarten Gemüter, die ihre Irrtümer mit Marzipan fütterten, 
besonders zu bemitleiden : so dürfte diesen Arbeiten das Lob von zeitgemässen , 
die historische Wahrheit redlich suchenden wol nicht versagt werden — wobei 
ich jedoch betone, nicht zu glauben, weder dass ich damit die Forschung 
erschöpft, noch dass ich nirgends geirrt habe. 

Die Urkunden von Neuzell bei Freising 1 ) — gestiftet von Otto, dem 
Sohne Leopold's des Heiligen, im Jahre 1154 — beweisen, dass um jene Zeit 
in einem kleinen Umkreis von Ebersdorf (jenseits Melk) in einer 
bergigen, wenig fruchtbaren Strecke von etwa zwei Stunden allein schon 
folgende Ortschaften existierten: (Klein) Pechlarn, Bruck, Bierbauni, Fisching, * 
Feberiug, Tuiuling, Emersdorf, St. Georg (ober Lubereck, Melk gegenüber), 
Göttsberg (Gozziusberg), Gosshain (Gozzesheim), Hohenau, Leiben (Liben, 
Ligen). Neukirchen, Oberdorf, Streitwisen, Weiteii *), Weiteneck, Weins (wovon 
noch der Weinsberger-Wald, Wirnsdorf, Schloss Winberg den Namen führen). Man 
bemerke noch die bedeutende Menge Orte, welche Neusiedl genannt wurdeu, als : 
Paben-Grammat-Markgraf-Neusiedl — das letztere ein Beweis, dass Leopold selbst 
auf seinem Boden solche Kolonisationen ermunterte oder vielmehr anlegte. 

Die herrlichen Hügel sowol, als die kühneren Berge luden Adelige ein, 
Schlösser hinzubauen; um sie oder doch in der Nähe bauten sich ihre 
Ministerialen an. Auch fremde adelige Familien liessen sich im Lande 
nieder, oder erhielten doch Besitze und Lehen daselbst und wohnten häufig da, 
oft besuchten sie den gastfreien Hof des Markgrafen; man erkennt baierische 
Familien leicht dadurch, dass sie auf den feierlichen Tagen ihres Herzogs 
erscheinen. So Weif schenkt 1112 „coram prineipibus, militibus quoque et 
ministris suis" au Hanshofen Besitz in Hartinberg; Zeugen sind: Markgraf 
Otacher (selbst Euus gehörte noch zu Baiern und kam erst mit der Uebergabe 
der- Steiermark an Oesterreich), Graf Ekbert (von Neuburg und Pütten — 
letzteres in der ober-kareutauischeu Mark gelegen), Graf Dietrich von Vichten- 
berg, (der fast immer in Oesterreich Jebte), Sighard und Heinrich (des 1105 
ermordeten Söhne Sighard's, die Grafen von Burghausen und bereits Schala), 
Konrad von Moricht 8 ), Otto von Schir. Diesen folgen nun Oberösterreicher, 
die auch in österreichischen Verhandlungen häufig erscheinen, wie Heinrich, 
Vater und Sohn, von Schauenburg, Ulrich von Wilhering, Reginprecht und sein 
Sohn Werinhard von Berchaha 4 ), Werinhard von Jugelbache (Julbach), Werin- 

') Neocellcus in dou M. Ii. IX. uud Meichelbeck ; das Ganze ist von mir aus einer 
Bemerkung von Meiller's genommen iiu Archiv XII. 298. 

') Weiten erscheint als alte, geehrte Pfarre schon um 1090. Streitwiesen ein uralt hier 
eingesessenes Geschlecht aus Baiorn, wie der Name zu beweisen scheint. 

3 ) Mareit im l'usterthal. 

«) Ein Pirchaa erscheint in den Claustroneob. u. 123; Max Fischer glaubt es in Pirawart 
wiederzufinden, vielmehr ist es Percha-.; h (l'erach in der Pfarre Kiuering in Salzburg, citiert bei 
Fil z S. 54 vom J. 925). 



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25 



hard von Horbach. Und doch erscheinen diese Herren inNieder-Oesterreich 
nicht nur häufig als Zeugen anwesend, sondern auch als Besitzer von Gütern. 
Ekbert von Pormbach und Putten schenkt Enzersfeld ausser Baden *), ist bei 
Schenkungen an Göttweig häufig Zeuge und hat als Erbe des Hauses Lambach 
durch seine Frau Mathilde viele Besitzungen in Unter-Oesterreich ; Dietrich von 
Vichtenberg, in Oesterreich von Kreizenstein genaunt, aus dem Hause Formbach, 
war in Niederösterreich begütert, und Sieghard und Heinrich die Burghauser, 
alt angesessen von ihrem Ahn, Friedrich dem Tenglinger, welcher Schala, Wolfsbach 
und Richersau besass 8 ). Noch später erklärte Graf Siboto von Falkenstein 8 ), 
dass er in Oesterreich mehr als 400 Mansen von dem Burghauser zu Lehen 
habe, darunter auch Herrandstein (jetzt in Hörnstein entartet). Heinrich Schauen- 
burg (Scoinburch) erscheint als Zeuge in Gotvic. n. 190 4 ). 

Förmlich lebte an Leopolds des Heiligen Hofe Wer iant von Plaien 5 ); 
auch seine Nachkommen lebten fast Alle am österreichischen Hofe, sie hatten 
Güter (Weinberge und Zehende) um Pulkau. Die Besitze der Peilsteine in 
der Mark waren alt, zahlreich und in verschiedenen Gegenden verbreitet; wie 
erworben, getauscht oder erheirathet wurde entgeht uns. Sighard, der Vater des 
Jenglingers Friedrich, giebt bereits um 1040 an St. Peter in Salzburg „2 hobas 
nobilis viri ad als am" (Aiserbach bei Wien), die nachher Markgraf Leopold dem 
Heiligen und nach ihm Heinrich Jasomirgott zu einem ausgebreiteten Gute Dorn- 
bach vermehrt haben. Ita, die Witwe des 1105 zu Regensburg ermordeten Sighard, 
gab um 1125 an Formbach Gut und Eigen an Weingärten in Posinbach tt ) und um 
1125 Weingärten in der Wachau an Michaelbeuern '); an Bischof Heinrich von Frei- 
sing (1098—1137) fielen von der väterlichen Erbschaft in der Mark die Orte Tale 
und Rurese 8 ), welche er bereits unter Leopold dem Heiligen e ) mit seinem Bruder 
Friedrich (um die Grafschaft Peilstein zu arrondieren) gegen das Gut: beide 
Schwarza, d. i. wie v. Meiller gelehrt erörtert hat 10 ), die beiden an dem im 



*) Claustroneob. 482. 
*) Ebend. n. 34«. 
>) M. B. VII. 440. 

«) Ueber die Wilheringes. J. Stülz „Geschichte de« Klosters Wilheringen« Linz 1840, S. 
315 ft". Ulrich schenkt Blindberg bei Siudelberg an Göttweig, erscheint in den Seitenstetterurkuuden ; 
Werinhard von Julbach in Göttweigernrkunden von 1110 — 1136; des Horbachers Sohn vermutlich 
war Sigibot, der um 1130 neben dem von Julbach erscheint. 

») Er kommt in Göttweigerurkunden schon um 1105 vor. Ueber seine Abstammung und 
Familie handelt Filz (I. 191.) und sagt, Weriant habe die Grafschaft Plaien meist seinem Sohne 
Lnitold überlassen und selbst in Oesterreich gelebt. Ueber ihn ist weitläufig Hai Fischer 
Clauatron. S. 221. ff*, auch Filz S. 209. 

«) Gotvic n. 217. 

7 ) H. B. IV. 98. Filz S. 114. vermutet: Bösenbuch bei Gurhof. 

*) Rührsdorf — vermutet Filz — beide: Tal und liührsdorf, in der Grafschaft Peilstoin. 
Kührsdorf unweit St. Leonhard am Forst — auch im Salzbnrgischen ist ein Rauris. 

') Meichelbeck n.1282. Es unterzeichnen : Leopold Marchio, Otacher Marchio, Heinrich et 
Gebehard coinites de Burchhusen, chunrat comes de Pilstein, Ekkebert c. de Putene, Friedrich 
de Lontesdorf (Loosdorf?) et filii eins Bertholt ot Otto; Otto de Lautsdorf erscheint auch in 
Tradd. Gotvic. n. 251.), Kapoto de Chuleip (Kilb), Otto de Burchstall, et multi alii. Acta sunt 
bec in monte Medeli cen si — über welche Bestimmung, ob es Melk, ob Burg Medling ? Gelehrte 
(v. Heiller und Keiblinger) streiten; der Gegenstand des Vergleiches und die Zeugen sprechen 
für Melk. 

*•) Archiv XII. 296. Dass Müuichreit auch Schwarzach hiess, beweist von M e i 1 1 e r aus 
einer Urkunde von 1220 (M. B. IV. 327.): „ecclesiam in Schwarzach, que alio nomine 
Munichreut dicitur." 



k 26 



ÜBtrangerwalde entspringenden Bache Schwarzacli nördlich von Ebersdorf 
liegenden Orte Sch war zach und Mü nie h reut umgetauscht hatte. Diesseits im 
Gebirge gegen Kärnthen findet man in den Urkunden von Seitenstetten die Peil- 
steine in bedeutenden Besitzen, so dass man die Stifter vorschnell in die Peilsteine 
verschmelzen wollte. Der Erzbischof Wichman stellt den Eonrad von Feilstein 
zum Advokaten seiner an Seitenstetten geschenkten Güter auf; denn er hatte 
mit den dortigen Besitzen des Bistums Freising viel Streit. Ob sich die Graf- 
schaft Peilstein mit ihren Entien bis hinauf erstreckt habe, oder mit ihr auch 
das Uebrige übergeben wurde, entgeht mir *). Bei den Verhandlungen der 
Fürsten in Oesterreich sind die Peil steine häufig als Zeugen zugegen; woraus 
sich für ihre Besitzungen einige Vermutungen ziehen liessen. Die Herren von 
Schala, als aus einem Hause mit denen von Burghausen, waren schon 
lang in Oesterreich begütert, ehe sie Schwäger der Markgrafen wurden. Es 
scheint, dass Schala schon unter die Grafschaft gehörte, welche Leopold der Er- 
lauchte beim Antritt der Mark erhielt 8 ). Leopold der Heilige belehnte damit 
den Grafen Sighard von Burghausen, und dieser Sieghard nannte sich seitdem 
teils von Schala, teils von seinem alten Titel Burghausen 8 ). 

Diese Dynasten bildeten mit ihren Bittern, Ministerialen und 
Unterthanen einen der Kreise, aus welchen Leben durch das Land sich 
verbreitete; dort sollte der Einfluss der Frauen und das Familienleben die 
Sitten mässigen und bilden. Den zweiten Ring bildeten die Klöster und 
Stiftungen; von hier aus sollte die geistige Richtung der Menschen durch 
Gottesdienst und Schulunterricht gelenkt werden. Das dritte Band aller 
Stände waren die Gerichts- und andere öffentliche Versammlungen. 
Also diese Zusammenkünfte, dann die kirchlichen Feste, die — wie im ganzen 
Reiche — so auch im Lande als Landesfeste mit grosser Zuströmung des 
Volkes gefeiert wurden, endlich die Familienfeste und Verträge oder Verab- 
redungen, die jedesmal in Beisein Vieler als Zeugen geschlossen wurden, 
waren die Bänder der verschiedenen Stände in der damaligen einfachen, 
Organisation der Staaten und Gebiete. 

Das Mittelalter hatte Thron und Verfassung auf solche Institutionen 
gegründet, in welchen Grundunterthänigkeit und Vasalleuschaft sowol das 
besondere Band für einzelne Teile, als die Basis für alle staatlichen 
Verhältnisse abgeben sollten. Kein Zweifel: die Feudalverfassung gab der 
damaligen Menschheit starke, kräftige Züge; die Rechte des einen, die Pflichten 
des andern Teiles standen in fast zu schroffen Umrissen da. Ursprünglich ist 
Jener frei, der keines andern bedarf; unfrei, der und in welchem Grade er 



») Ihr BeKitz erstreckte sich jenseits der Ips bis Strengberg und von einem dortigen 
Besitze biessen sie später auch Grafen von Moringen oder Meeren. 

») Die Gründe sind: 1. Die alten Sitze babeuberg. Ministerialen am Melk, Schala auf der 
8chalaburg, 2. die Schenkung des anstossenden Peilsteins schon an den Markgrafen Heinrich 
I. aus der Verlassenschaft der Kaiserin Gisela. 

*) Letztores z. B. im Bestätigungsbriefe von Klosterneuburg, wo sich Gebhard unt 
Sighard, Grafen von Burghausen, unterzeichnen. Aber des Letzteren Gemahlin Sophia heiss 
gern und oft „de Scala" (in Nekrologen von Melk und Lilienfeld). Sighards und 8ophiaB Söhne, 
Heinrich und Sighard, starben erblos und ihre Grafschaft fiel um 1180 an Leopold den Glorreichen 
heim. Der Hauptstamm derer von Burghausen war bereits 1164 mit Gebhard erloschen, worauf 
Heinrich der Löwe ihre Güter und Stammburg einzog. 



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27 



sich nicht genug ist l ). Er bedarf aber eines Reicheren und Mächtigeren entweder 
zu seiner Subsistenz oder zu seinem Schutze ; ein dritter Grund ist der der 
Annäherung an einen mächtigen und grossen Herrn, dessen Glanz der Vasal 
als einen Teil seines eigenen ansieht, während ihn der Herr selbst durch 
Beneficien an sich zieht, um durch ihn seinen Glanz zu vermehren; oder aber 
bei einer kriegerischen Untern einung von ihm Herresdienste zu verlangen ; 
so sind die Gefolgschaften der Konradiuer und der Babenberger um den Rang, 
Reichtum und das Ansehen ihrer Herren stets bereit, einander die Hälse zu brechen. 
Es ist aber wirklich keine Art, Dienste zu bezahlen oder Jemanden durch 
Geschenke steh zu verbinden, so natürlich, als bei der Menge unbebauten 
Grundes und Bodens mächtiger Familien, welchen diese entweder als Mit- 
eroberer oder als Geschenk des Königs oder als Urniederlassung in Besitz 
genommen, Teile solchen Bodens an Andere ebenfalls als Belohnung vergan- 
gener oder als Handgeld künftig zu erwartender Dienste zu verleihen — obwol 
es viele mit altadeligem Stolze vorziehen mochten, im Bewusstsein eigenen 
Besitzes in endlosen Urwäldern und Steppen nach Wild herumzujagen, als 
diese einer menschlichen Kultur zu übergeben. Auch die Erblichkeit der 
Lehen ist ganz natürlich; es ist so natürlich, das Gut, welches der Vater 
erhalten, auch seinen Nachkommen auf die Bedingung oder als Angeld gleicher 
Gesinnung und gleichen Dienstes zu belassen, dass die Erblichkeit schon vom 
Herzog Tassilo, ja in den alten Gesetzen der Burgunder ausgesprochen ist*); 
denn ausgezeichnete Dienste der Ahnen befestigen die gleiche Gesinnung bei 
ihren Nachkommen und sind den Herren ein Unterpfand der Gesinnung des 
ganzen Hauses, die sich mit der erworbenen Ehre und deren bleibendem 
Zeichen vererbt. 

Die Grade der Abhängigkeit waren viele, von den Hörigen, Zinspflichtigen 
bis zu den adeligen Ministerialen. Da die Ministerialen sowol zu persönlichen, 
als dinglichen Leistungen verpflichtet waren, lag dem Lehnsherrn daran, 
sie nicht abhanden kommen zu lassen. Demzufolge durfte der Ministeriale 
nicht ausser den Verband seines Lehensherrn heirathen, oder es wurde in 
diesem Falle zwischen den beiderseitigen Herren stipuliert, welche Rechte 
Jeder an den Ministerialen oder seine Frau haben, namentlich wem die Kinder 
zur Ministerialität zufallen sollten. Viel trug bei, das System der Lehenschaft, 
worauf die Staaten des Mittelalters gegründet waren, dem Verfalle, der 
Ausartung und Zerstörung zuzuführen, besonders dass nicht nur Ländereien, 
sondern auch andere Erträgnisse, wie: Zölle, Land- und Wassermauthen, 
Märkte, Brücken-Zehente u. s. w. verlehnt wurden, was zu den allen Verkehr 



*) Die Unfreien waren doppelter Art: Erstero waren zwar in ihrem vom Herrn erhaltenen 
an den Ornnd und Boden geheftet (glebae adbcripti) nnd dadurch dienst-veräusserbar 
konnten aber anch eigene Grundstücke nnd eigenes Vermögen besitzen und waren persönlich 
frei. Die tnaneipia waren vollkommen Leibeigene, persönlich Eigentum des Herrn. Wenn eine 
Dienstmagd (serra) mit Bewilligung ihres Herrn einen Mann eines andern Herrn heirathete, so 
gehörte sie mit ihren Kindern dem Herrn ihres Mannes; war sie aberledig geschwängert worden, 
•o blieb sie mit ihrer Frucht In der Gewalt ihres Herrn. 8. ein Beispiel in Pez, Thes. Anecd. 
P. I. p. 118- 

*) Decretum Tassilonis §. 8: „Ouodcunque prestitum („prestatio" Verleihung auf Lebens- 
lang) fuit nobilibns, hoc constituit ut permaneret et esset snb potestate unius — cuiusque 
relinquendum posteris quamdin stabiles federa servassent apud prineipem ad servi en- 
do m sibi et hec firma permanerent". — Lex Burgundionum Titul. 54, §. 3, cf. Titul. 88, §. 5. 



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28 



störenden Willkürlichkeiten, ja Plünderungen und Räubereien auf Wasser- und 
Landstrassen, zur Vervielfältigung der Zollorte Änlass gab »). 

Die geistlichen Gemeinschaften — Bistümer und Klöster — hatten 
weltliche Schutzherren (advocati), die ihnen entweder vom König oder 
vom Landesherrn, oder von der Familie der Stifter oder endlich, wenn die 
Stiftung dahin lautete, von den Klöstern selbst aufgestellt wurden, teils als 
Haupt-Schutzherren (advocati matricularii) über alle oder verschiedener Güter, 
in verschiedenen Ländern, teils (wenn die Schenkung es verlangte) über 
einzelne Besitze. Sie bezogen Vorteile in Grund und Boden, ferner in 
Naturalabgaben von den Stiften unmittelbar; dann aber die Vorteile aus 
den von ihnen abgehaltenen Gerichtstagen, welche ihnen die geplagten Ge- 
meinden unter den verschiedensten Titeln contribuieren mussten, nebstdem dass 
die Strafgelder oder Effekten ihnen gehörten. Welche Erpressungen und Miss- 
bräuche diese Einrichtung mitzog, ist bei der Rauhheit der Zeit leicht zu 
erachten; willkürlich handelnde Schutzherren benemen sich förmlich als 
Besitzer jener Güter 9 ), und einige wohlgesinnte Stifter sahen sich durch Er- 
fahrung jener Scenen genötigt, bei der gesetzlich notwendigen Aufstellung 
weltlicher Schutzherren förmlich urkundlich beizusetzen: „sie stellen die- 
selben auf zum Schützen und nicht zum Ausplündern" 4 ). — Waren 
dies schon Aeusserungen der Rauhheit der Zeit, so vermehrte sich Willkür 
und Verwirrung in allen Vermögensverhältnissen durch die Unterbelehn un g 
mit einzelnen Teilen oder Rechten, was zur Zersplitterung der Güter und 
Verarmung des Adels selbst führte, weil solche Unterbelehnungen wieder neue 
Belehnungen mit gewissen Vorteilen und so ins Unglaubliche hinab zur Folge 
hatten. Endlich waltete bei allen Besitzen und bei Vergabung derselben die 
unbeschränkte Aviticität; daher so viele bona fide geschenkten Güter noch 
später angestritten, und selbst wenn die Verjährung dreissigjährigen Besitzes 
eingetreten war, nur mit lästigen Ausgleichungen, Abfindungen oder Ab- 
kaufung zu beenden waren 5 ). Daher in vielen Schenkungen der Ausdruck : 

*) Nur ein Beispiel: die Traunbrücke bei Wels, welche zu den Revenuen des Bischofs von 
Würzburg gehörte (seit Adalbero von Lambach), erklärte Embricho (Bischof 1140): „pontein in 
rilla Wels, qui tarn nostris qua» predece«6orura nostrorum usibus deservierat, cum magna 
tarnen et intolerabili ezactione et depredatione illorum, qui pontem servabant, absolutum 
ab omni teloneo liberum viantibus permitit", auf Vorstellungen jedoch lägst er diese Revenuen 
durch Güter in Baisenz vergüten (Urkundb. v. überöst. II. 189). 

*) Die Klöster blieben auch ferner noch im Familienverbande ihrer 8tifter; sie gehörten 
zwar nicht streng zum Complex derselben, weil ihre Besitze durch die Stiftung ausgeschieden 
waren, aber die Stifter und ihre Familie blieben Schirmvögte, u. z. die Stifter selber und ihre 
nächsten Nachkommen mit Urossmut und unentgeltlich, aber fernere Anverwandte, die an ihre 
Stelle kamen, oder wenn die Schirmvogtei mit ihren Rechten und Bezügen als Afterlehen 
verliehen wurde, endlich wenn gar für einzelne Besitze andere Schinnvögte eingesetzt oder auf- 
gedrungon wurden : da wurden nicht nur die Gerichtsgebühren und andere Bezüge erhoben, 
sondern die Advokaten benamen Bich förmlich als Herren der Güter! Ein Graf Siboto von 
Neuburg zählt naiv die Vorteile auf, die ihm tu entrichten sind „de duabus advocatiis, qnas 
habet a Juvavensi episcopo, scilicet super bona istius et super preposituram chimesse" (M. B. 
VII. 448). Heinrich von ürtenburg entsagt um 1250 gegen eine Summe Geldes dem 
Schutzrechte über Passau ' Ein Recht zum Schutze, welche sonderbare Combination von 
Begriffen! uud was musste das für ein Schutz sein, der einerseits so einträglich war, und von 
dem man sich andererseits loskaufte, um seiner nur los zu werden! 

*) Acta S. Quirini bez. der Schutzvögte von Tegernsee. 

*) «Ad defendendom, non ad exspoliandura" in den Seiteustettner-Urkunden. 

') Hiervon geben allo Urkundenbücher häutige Beweise. 



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29 



„mit Beseitigung aller Widerrede" *) und der interessante Zusatz Leopold des 
Heiligen zur Stiftung von Maria- Zell, „dasa er diese seine Stiftung dreimal 
in den Städten St. Pölten und Tuln habe öffentlich verkündigen lassen, ohne 
dass wer Widerspruch erhoben habe" *). 

Abgesehen von der harten Lage der gänzlich Unfreien, die vielleicht 
selbst durch die Milde der Fürsten milder ward, war das Leben ein viel leb- 
hafter bewegtes, als es später wurde. Die Feste der Kirchen waren Landes- 
feste, in den Schlössern gab es Familienfeste, Besprechungen und Ueberein- 
kommnisse, an den Tagen grosser Zusammenfluss von Streitenden, Vortragenden, 
Zeugen und Zuschauern: alles wurde mündlich, zuerst öffentlich und im 
Beisein der Ministerialen und des Volkes, das bei wichtigen Verhandlungen in 
unendlicher Menge herumstand 8 ), verhandelt. Zeugen gab es überall, da die 
wenigsten Verhandlungen schriftlich documentiert, und selbst die geistlichen 
meist nur kurz und mit Berufung auf die Zeugen verfasBt wurden *). Eine 
einfache Schenkung eines Gutes geschah in weitläufigen, alt herkömmlichen 
Formen 6 ). Nachdem der Eigentümer mit der Familie Rath gepflogen, entäusserte 
er sich zuerst des Besitzes, indem er vor Zeugen in die Hand, d. i. Gewalt eines 
zuverlässigen Freundes oder Vasallen delegierte, dem er sagte, für wen und zu 
welchem Zwecke er sich des Gutes begeben habe; auch diese Delegation war 
ein feierlicher Akt vor Zeugen und galt einer Uebergabe gleich. Der Delegierte, 
nicht selten durch Alter, Entfernung oder Geschäfte gehindert, delegierte das 
Delegierte wieder einem Zweiten, ja dieser vielleicht einem Dritten, bis endlich 
die Uebergabe in dem Hause des neuen Herrn geschah, z. B. indem 
Kloster, oder am offenen Gerichtstage ; ja selbst die Investierung war wieder 
ein eigener Akt vor Zeugen. Abwesenheit von irgend einem dieser Akte 
gab Anspruch auf Abstreitung der Giltigkeit der gemachten Schenkung. 

Die Ministerialen waren oft — uns nicht erklärlich, ausser wir nemen 
an, die Herren vergönnten ihnen einigen Vorteil — einflussnemend bei 
Verleihungen. Jährliche Schenkungen von Pelzwerk, von Handschuhen u. dgl. 
werden erwähnt; aber auch solidere Gunstversuche. Ulrich, Abt von St. Paul in 
Kärnthen, präsentiert, um gewisse Güter wieder zu gewinnen, um 1193 auf 
einem Tage zu Graz nicht nur den Herzog Leopold ein geschmücktes Reit- 
pferd (palafredum), das er um vier Mark gekauft hatte, sondern auch vier 
Mark dem Harras von Wildem, damit er sein Gesuch unterstütze 0 ). Beispiele 
aus Leopold's Zeiten fehlen mir. Wie gross jedoch die Abhängigkeit der 
Ministerialen von ihrem Herrn war, davon liefert die Gründung von Garsten ein 
interessantes Beispiel. 

Ueberhaupt wäre es alberne Fan tasterei, zu glauben, das Leben sei um 
jene Zeit, und selbst um Leopold den Heiligen herum, ein sehr frommes 
gewesen. Die Leibeigene war ihrem Herrn auch mit ihrem Leibe dienstpflichtig ; 
und häufig übergaben die Herren dergleichen leibeigene Mägde mit fünf bis sechs 

*) „Sine omni contradictione; omni contradictione remota". 
.") Tradd. n. 120. 

») „Infinite mnltitndine adstautimn" heisst es in der Urkunde für Heiligenkrenz. 
«) Man Bebe die „Libri Traditionura". 

*) Diese Umstände linden sich schon genan verzeichnet in den „Leges Longobardorum" 
bei Freilassung von Sklaven. S. Lit. 224: „de mannmissionibus 1 *. 

«) Herzog Leopold VI. 1202 zu Enns erlässt St. Florian „munitice quasdain iustitias 
nostri inris marchfntir dictas de favore et consensn ministerialium <5t fidelium nostrornm". 



30 



Kindern, worunter wieder Töchter mit einigen Kindern, an Kirchen zum 
jährlichen Zins von meist Denaren, nämlich getriehen, Sünden der Unenthalt- 
gamkeit durch gute Werlte zu sühnen. Ein Feispiel von unumwundener 
Lihertinage erzählt uns das Lehen des Garstner-Abtes, des leligen 
Bertold 1 ), von dem „edlen und reichen* Ulrich von Pernegg. Der 
Umfang der Besitzungen dieser adeligen Familie (die wir mit Gewissheit nicht 
über eben jenen Ulrich hinauf verfolgen können *), erstreckte sich von der 
wichtigen mährischen Gränzveste Drosendorf bis über die Krems und in den 
Kreis O. W. W. herüber 8 ). Er trat thätig auf um 1130 und lebte bis um 
1160. Dieser nun, da er hörte, dass Abt Bertold in Götweig sei, schickte 
zu ihm die Einladung, auch ihn seines Besuches zu würdigen. Er lebte 
aber als Witwer von seiner ersten Frau. Bertold, obwol unpässlich, nam 
die Einladung an. Im Schlosse Pernegg angekommen, wurden ihm zwölf 
„Fräuleins 1 * *) vorgestellt, sorgfältig geputzt und ganz geeignet, der Welt nnd 
ihrem Herrn zu gefallen, aus denen er abwechselnd zur Lust seines Bettes 
wählte. Wie der Mann Gottes dieses Verhältnis deutlich erkannte, da, obwol 
Ulrich ruhmvoll und von grosser Macht war, erhielt er doch in der Antwort, 
was er zu hören verdiente; gewaltig schalt ihn der Mann Gottes aus über 
solche Unenthaltsamkeit und schnitt ihm alle Hoffnung des Heiles ab, wenn 
ihn das Urteil des letzten Richters als einen solchen finden würde. Den 
nämlichen Verweis und ein direktes Verbot, sich dem Herrn wieder so zu 
nähern, erhielten die Frauenzimmer. Aber Ulrich, ungeachtet seiner Ver- 
sprechungen, bestellte doch eines der Mädchen zum gewohnten Nachtbesuch; 
als aber diese auf ihrem Wege vor dem Zimmer St. Bertold's vorübergieng, fühlte 
sie sich wie durch eine geheime Macht festgehalten und konnte keines 
Schritt vorwärts machen. Der getäuschte Liebhaber erfuhr des andern Morgens 
durch ihr Geständnis, dass sie dort auf dem Gange wie angebunden und 
zurückgehalten worden sei. Da fühlte auch Ulrich eine geheime Kraft seines 
Gastes und war edel genug, ihn darum noch mehr zu ehren und jetzt die 
Sache ernstlich zu nemen; er entliess sein ganzes Serail und nam eine recht- 
mässige Gemahlin. Später — um 1155 — räumte er dasselbe Pernegg zu 
einem Frauenkloster und stiftete in dessen Nähe das Prämon- 
stratenser-Stift Geras; er war auch gegen Klosterneuburg und Göttweig 
wohlthätig. Wenn auch nicht mit diesem Ueberschwunge Ulrichs, so war doch — 
wie gesagt — der Conkubinat gewöhnlich und unanstössig; alle Traditionsbücher 
zeigen fast allgemein „Kebsen" der Edlen 5 ), meist wurden sie dann mit 

>) Vita Bertoldi Abbatis c. 34. bei Hier. Fez Scriptt. II. 8. 81. 

») 8. Th. Mayer „Urkunden des Pramonstratenser-Siftes Gera«" im Archiv für öst. 

Gesch. Jahrg. 1849. 

J ) Ulrich schenkt an Göttweig im Kreise 0. W. W. Steiningsdorf, Haindorf, ferner ein 
Gut am Kamp (S. W. Karl in Tradd. Gottric. 8. 43 nnd 161), nebst einer Unzahl von Leibeigenen 
beiderlei Geschlechts. An Ortolf von Waidhofen verlieh er anfangs, dann Bchenkte er Pernhartsthal 
(Tradd. Claustroneob. n. 349). 

*) „Dominas" Die Sache ist räthtelhaft: waren diese Damen wirklich von besserem Rang? 
etwa Töchter seiner Müii< t^rialen ? oder waren einige Geraubte darunter? 

*) Chepisa scheut Jak. Grimm (Geschichte der deutschen Sprache I. 18.) verwandt mit 
Chupisi Tngnrium, bedeutet also unfreie Mädchen, die in Hütten gehalten worden, im Gegen- 
satz znr Frau. Auch solche Kinder werden offenbar genannt; z. B. in den Reichersperg. (M. B. 
III. 406.) „Chadelhoh concubinariuB filius Erkinberti de Mospach", nnd wi«der (437) 
„Hainricus concubinarins filius com. Gebh de Purchusen". 




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31 



ihren Kindern etwa aus Busse, den Kirchen geschenkt, meist als Halb- 
freie gegen einen jährlichen Zins gewöhnlich von fünf Denaren. Die Kirche 
hütete Bich, in diese Gewohnheit rauh einzugreifen. So herrschte damals 
überhaupt noch ungezügelte Freiheit, und man kannte eine Menge Beschrän- 
kungen nicht, welche die Kirche erst später einführen zu sollen glaubte. Die 
Namen der Menschen waren nicht an Kalenderheilige gebunden: der Vater 
gab den Namen — früher oft von einem Ereignisse, später von Verwandten 
oder nach einer gewissen Folge von Namen in der Familie — der Priester taufte. 

In Häusern alter edler Sitte ging der Becher durch alle Anwesenden 
bis auf den Niedrigsten herunter, und der Arme, der Bettler waren an der 
Schwelle desselben Gelasses. Abt Bertold besuchte auf ihre Einladung die 
Gräfin Adelheid von Wiltberg, die Witwe Ernst's von Hohenburg. Sie empfieng 
ihn ausgezeichnet; vor ihm, der nur Wasser zu trinken gewohnt war, stand 
ein Becher des herrlichsten Weines, welchen er nur kostete und zurückwies; 
darauf sagte die Gräfin, mit seiner Vergunst wolle sie aus seinem Becher 
trinken, und gab ihn hierauf dem nächst vornemen Gaste, der neben ihr sass. 
Und als alle Andern nach der Reihe getrunken, ward der Becher zuletzt 
einem Blinden zugereicht, und dieser gab ihn seinem Führer *). 

Es war keine Kleinigkeit noch zeigte es wenige Klugheit, dass Leopold 
die mächtigen und freien Geschlechter sowol im jetzigen Oberösterreich, 
als im Mach lande an sich und seinen Hof zu ziehen wusBte. Otto und Walchun 
von Machland 8 ) und die Herren von Perge bewegen sich schon in den ersten 
Jahren Leopolds als eifrige Teilnemer und oftmalige Zeugen dortiger Verhand- 
lungen. Ein bedeutendes Mittel, die Adeligen anzuziehen, boten die Belehnungen, 
und zwar besonders mit Zehenten, mit welchen die Bischöfe von Passau die Mark- 
grafen (auch wol andere Adelige) ausgestattet hatten. Diese Oeffentlichkeit 
in Allem, die Kirchenfeste, zu denen der Adel ritt und das Volk strömte, wo 
Geschäfte verhandelt, Streite beigelegt und Besprechungen gehalten wurden, 
die Familienfeste, die Hoffeste, die Abenteuer in fremden Ländern man 
muss sagen, dass der Ritter selten zu Hause, immer auf dem Wege oder in 
der Fremde war, und darf sich deshalb nicht wundern, denselben Namen in 
entlegenen und verschiedensten Verhandlungen zu lesen. Doch sind wir nicht 
im Stande, ein so glanzvolles Bild von dem Leben und der Bildung des 
jungen Adels zu entwerfen, wie Hofrath Joh. v. Buchinger die Jugend Otto's 
des Wittelsbachers (S. 6—12) ausgemalt hat. Bei Leopold dem Heiligen sehen 
wir, dass seine Familienverbindungen, die Freigebigkeit seines Vaters, die 
Hochherzigkeit seines Sohnes milde Bilder des Lebens bieten, wenn wir 
absehen von dem Loose der Hörigen, schrecklich schon dadurch, dass ei 
von der Milde der gestrengen Eigentümer jener Personen-Sachen abhing ! 
Wol begegnen wir bereits Knechten (servis), die ein beträchtliches Vermögen 
haben : Heinrich, Knecht Manegolds von Aibach, bezahlte seinem Herr 30 Mark, 
dass ei* ihn in die Hand des Markgrafen delegiere, um durch diesen an 
Klosterneuburg gegen den Zins von fünf Denaren übergeben zu werden 8 ). 

{Schluss folgt) 

») Vita B. Bertolds 1. c. c. 36. 

*) Auch andere Adelige vom Machland; ao gibt 1088 Wichpoto von Machland ein Out 
an Göttweig; Herbrant von Machland ist in Tradd. Ciaastron. n. 625; Erchinhrecht von Macn- 
land M. B. 29. 2. 259; Albrant ebend. 63. und Qotric. n. 316. 

3 ) Tradit. Neoburgg. n. 103. 



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32 



Das grosse Freiachieaaen au Wien Im Jahre 1568. 
Besungen vom Augsburger-Pritachenmeister Lienhart Pleiel 1 ). 

Mitgeteilt von A. Ca neiini B. v. San-Vittore, k. k. 

Hörtt jr Herrn, Fraaen vnd Man, 

Die göttlich Drifaltigkbait ruef jch an, 
Maria, die Hymliich Khinigin, 

Dass mir verleichen önadt, Witz vnnd 

Synn, 

Ob jch mit Ehren mocht bestaun 

Gegen ainem Hochgebornnen Mann, 
Auch gegen aineem Ersannen Rath. 

Wann dass gedieht sy baidt angath, 
Wie jr wart hörn jnn meim Gedicht, 

Also wart jch das vnnderricht 
Vonn ainem Höroldt ausserkorren. 

Kherdt zue aim Hertzog, was Hoch- 
geborren, 
Denn man nent ain Persefanndt, 

Der khain zu mir jnn frembte Lanndt. 
Gar aeltzamelich trueg es sich zue. 

Ich gienng an ainem Morgen frue 
Nach Khuertzweill jn ainen grünen Waldt, 

Die Vogel sungeut manigfaldt, 
Ich stundt vnnd sach dem Wunder zue, 

Mitt fliegen vnnd fingen was kain 

Rhue, 

Darob jch dann gross Wunder namb, 

Vergass mein selbs vnnd das ich khamb 
Woll mitten jn dass Holtz hinein. 

Da sach jch lauffen wilde schwein, 
Dessgleichen Reh, Hyndt vnnd Hierschenn 

Thettant jnn dem Waldt vmbpuerschen. 
Da kam jch auff ain grüne Haidt 

Ich hett kain Puchss, das was mir laidt, 
Sunst hett jch ainen schuss gethann. 

Also da muest ichs lasen gann. 
Dass mir wurt khain Wilbret zuthaill 

Da wünscht jch jnn vill gluckli vnnd 

haiU. 

Ich staindt so lanug, biss das mich zwang 
Die grosse hitz vnnd das jch khamb 
Vnnder ain Linde, was grun vnnd praidt, 

') Die Ort« Midlich Beschreibung des Grossen vnnd Ansechlichen ITerrnschiesen rmb 
hundert vntl zöchen Taller, da» gehalten worden ist, jn der khaiserlichen vnnd khoniglichen 
Hochheriembten vnnd veasten Stat Wien jn 63isten Jar was für Herrn vnd sebiezen tu Wien 
ankhumen vnd erschinen seint auch wie alle sach ob solichein furgenomen schiessen ergangen 
jst von Anfang pis an das ent. als zu ainen Keimen vervasst durch Lienhat Fleczell, als orentlicb 
Prischenmaister wie volget 1563. Der Original-Codex mit den Abbildungen befindet sich in der 
k. k. Hofbibl. unter Nr. 7032. Dessen Beschreibung wie anch die historischen Notizen über 
einzelne im Gedichte vorkommende Stellen werden wir am Schlüsse geben. 



Mitt manigem pluemblen schön be» 

klaidt, 

Ringweiss vmb die Lynden hin vnnd 

wider. 

Es gfiell mir woll ; jch aatzt mich nyder 
Vnd sach dem schönem Wilbret zue, 
Dass hett fuerwar so gar kain rhue 
Mitt springen lauffen hin vnnd wider 

Im grossen Waldt woll auff vnd nyder. 
Dann mich ain suesser s ch laff betzwang 
Dass jch endschlieff vnnd lang so lanng* 
Vnnder der Schönnen gruenen Lynden 

Bamb. 

Wie jch endschlieff khain mir ain 

Draumb 

Von ainem schönnem Rossengartten, 
Denn thett man fleissig ziechen vnnd 

wartten 

Mitt ainer Heckh gar fest gebaudt. 

Dardurch hab jch jnn Gartten g schau dt. 
Dann er was pflauUt mit allem fleiss, 
Er trueg schönn Rosecn Rott vnnd 

Weiss. 

Dann wöllicher wolt ain Rossen prechen 
Im Gartten, das thett ain Adler rechen, 
Mit seinen Klauen het er bogen. 
Vnnd mit ainer Heckhe was er umbt- 



Dass niemants mocht jnn Gartten khumen, 
Es kham denn Rossen zu guetten frumen . 
Vnnd was jch sag jst nit erlogen. 

Der Adler hatt jnn baudt vnnd zogen 
Vnnd helt denn Gartten jnn greßter 

huedt, 

Dass man den Rossen khain schaden 

thnett ; 

Dann er was 6chönn vnnd vest gebaudt 
Und manigs wilta thir hatt jnn be- 

achaudt. 



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Mit aynem Graben vest vnnd stedt, 

Der ringweisa vmb den Gartten gett, 
So schonn vnnd vest was er gebaudt. 

Ein gross Wasser hab jch beschaudt, 
80 merkhant khuertzlich meinen synn, 

Dasselbig fleust ann dem Gartten hynn. 
Ich sach hinein jnn Gartten edel 

Durch die Heckhe streuss vnnd Wedel; 
Also daucht mich jnn dem gesicht, 

Wie der Gartten trneg so Edel fricht, 
Granat Muscat vnnd Pomerantzen. 

Unnd was des Menschen hand mocht 

pflantzen, 

Zugkher rohr vnd schon Weinreben, 
War ringweiss jm Gavtten neben, 
Dartzue wuechs darin viel Drait vnnd 

Wein, 

Auch guetter Saflfrion hipsch vnnd fein. 
Ich dacht, er jst das Paradeiss. 

Erst plichtet jch hinein mit Fleias, 
Inndem wart mir ain Augenplicbh. 

Inn ainem Rossenpusch so dikh 
Ain wunder schönner Vogel sass, 

Alls ain Adler geformet waBS. 
Kohlschwartz, der hett alda geheckht 

Sein prust, was jm fornen bedeckht 
Mitt liechten Rosser Rott und Weiss, 

Fein diuidiert mit allem Fleiss, 
Unnd sach stets seine Junge ann, 

Die vor jm thain jm Gartten stann. 
Bey jm da was ain schönner Pfab, 

Der gienng dem Adler stettig nach, 
Er hielt denn Gartten jnn raynner 

huedt 

Vor dem Untziffer vnnt Gwurmen 

guett, 

Dass sich jm Gartten dorft khainer 

plechen. 

Gar schnei vnnd phendt thett mich 

erweckhen 
So gar ain alter Parssifandt, 

Der trneg ain Brueff woll jnn der 

Handt. 

Ich sprach : wie hast du mich erschrekht 
So trutzig auss einem Traum erweckht; 

Er sagt jch habs jm pesten gethann, 
Die'Son will schier zu gnaden gann. 

Da fragt er mich ann alls gefer, 



33 

Vnnd wie der Traum geschaffen wehr, 
Ich sprach : mein Herr vnnd ziernnet nit, 

Dass ich euch frag, das ist mein bitt. 
Woher khombt jr auss frembten Lanndt, 

Dass ist mein bitt, sagt mirs zuhandt. 
Ich khumb her vonn auffgang der Sonen, 

Dein Draum hett ich gern vernomen. 
Er fragt wie der Traume wehr. 

Da sagt jch jm vom Gartten her, 
Vonn seiner wunderpar vnnd schönn, 

Vom Pfaben vnnd vom Adler kienn, 
All ding in ainer khurtzen sümb. 

Der Parssefandt sprach zu mir : khumb, 
Ich zaig dir denn Gartten gleich. 

Ain Statt, die ligt jnn Osterreich, 
Die selb ain gülden Adler fuertt 

Mit Rott vnnd Weiss sein Diuidiertt, 
Dass sted jm fornnen an der prust. 

Ich will dir zaigen ain Schönnen Lust, 
Ist ganntz ehnlich deinem Gesicht. 

Wie jch vonn dir bin vnnderricht, 
Die leit nit weitt vor dissem Wald. 

Woll aufl mit mir, jch zaig dirs baldt. 
Auflfmacht wir vnns jnn schneller eyll 

Durch denn Waldt auflf drey vierttel 

Meil. 

Da fuertt mich der Parssefandt 

Auflf einen Plann vonn gelben Sandt, 
Darumb der Walt zirckhlring. 

Auffwerts ich mit dem Alten gienng 
Geen ainer Khunigklichen Vessten, 

Die war erbau dt nach dem pesten, 
Mit Thuren starkh auflf Velses Wymer, 

Darin stad ain Khayserlichs Zymer, 
Getziert nach Maisterhchen synen 

Warent die Fenster vnnd die Zynen, 
Sy warent gebaudt gar vesst vnnd sted. 

Ain dieflfer Grabn vornen drumb gedt, 
Daran ligt ain Statt gar vesst vnnd 

sehen 

Auflf ainer Ebne was so gruen. 
Ich mag das mit der Warchaitt jehen. 
Erst gieng wir hintzue vnnd woldans 

sechen 

Die dienen Greben vnnd vesst Pastein 
Mit denn straichwahrn gebaudt so 

rayn, 

Die Thueren vnnd die vessten Wahll. 

3 



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34 



Wir bsachens sie woll ganntz vberall, 
Die warent bo schön vnnd vesst gebaut 

Ichhabs vonn Hertzen geren gschaudt. 
Woll omb die Stadt gienng jch ringweiss 

Vnnd alle Pasteien zeit ich mit Fleiss. 
Da fanndt jch jr jnn ainer Sumen 

Ailff Bchönn Pasteien hab ich ver- 

nummen, 
Gar besstigclich warens erbautt, 

Der jch vor Kaine hab nie beschaudt, 
Alls ich die sach euch recht bedeitt. 

Sie waren lanng vnnd dartzue weitt; 
Dess Khaysers» Wappen staindant dran, 

Gar schönn verguldt siechte jederman. 
Wann jch zollet auch alle Thor, 

Der warent sechBe, jch Btaindt daruor. 
Die man nent die portten sein. 

Da Khundt man reitten auss vund ein, 
Gar vesstigelich warens gebaudt, 

Dann jch habs ordentlich beschaudt. 
Vnnd damitten woll jnn der Statt, 

So gar ain schönes Munster hatt 
Mitt ainem schönen hochen Thueren, 

Der war durchsichtig biss auff die 

Vhrenn, 

Die waren oben gemallet thrann. 

Ich stundt vnnd sach den T huren ann, 
Denn khund jch mir nit gnueg ersechen. 

Die Warhai ttmues ich euch veriehen, 
So schönn vnnd khunstlich was er 

erbaudt, 

Denn jch mein tag hab nie beschaudt. 
Da sprach zu mir der alte Mann: 

Khumb las vns weider fuerbas gan. 
Da jch vernam des Alten wortt, 

Er fuert mich an das annder Orth, 
Zaigt mir ain Tuern, denn hab jch 

beschaudt, 

Derselb was noch nit aussgebaudt. 
Da fuert er mich jns Munster hinein, 
Zaigt mir alle ding gar hupsch vnnd 

fein. 

Er fuert mich jnn dem Munster herumb. 

Der Parssefandt sprach zu mir: khumb, 
Ich will dir zaigen ein kayserlichs Grab, 

Darbey da khanst du nemen ab. 
Dass geschach ann ainem Morgen frue. 

Ich sprach : wem kert die Grebtnus zue. 



Dass will jch dir tagen geleich, 

Khert zue den Ertzhörtzogen zu 

Oesterreich, 
Khayser, Khunig, Fuersten vnnd Herrn, 

Die ligent darin mit grossen Ehm. 
Sy was von lauder Marblstain, 

Gar schönn gebaud sauber vnnd rain. 
Die khayserlichen Wapen staindant dran. 

Da thett er mir fuerbas gann. 
Zaigt mir die hochen Heuiser vnnd 

Gassen, 

Gar Bchönn gebaudt woll vber die 

massen. 

Ich sagt das jst ain schönne Zier. 

Er sagt: khumb, ghee weitter mit mir, 
Ich zaig dir die Vniuersittet, 

Darauff dann man zu lernen gett 
Woll jnn der gachrifft dasselbe studiertt, 

Die siben freien Khunst probiert ; 
Darob zeucht man verstendig Leudt. 

Khumb las vnns gan, wan es ist zeitt. 
Ich gienng mit jm jnn schneller massen 

Da fuert er mich jnn schönn weit 

Gassen, 

Darin hett man faill mit aller Krafft 

So maniche schönne Khauffmanschaft; 
Darumb sach jch Gelt vnnd Goldt 

aussgeben. 

Er sprach, hie jst ain Niderlegen, 
Wass man herpringt auff Wasser vnnd 

Lanndt, 

Dass mues man hie Lonn allessandt. 
Er sprach zu mir mit wortten starckh 
Khumb, jch zaig dir ein schönn Visch- 

marckht, 

Da hatt man faill Kreps vnnd Visen. 

Wöllicher dahaimbts will leben irisch. 
Der schiekht sein Knecht vnnd der 

ix] uest lauffen, 
Khan vmb ain zimblichen pfening 

khauffen 

Guett Visch vnnd Kreps, was er begert, 
Gar balt wirt er vom Vischer gwertt. 
Ich khan das mit der Warhait jechen 
Kayn schönnern Vischmarckht hab 

jch gsehen. 
Ein Gass haisst vnnder der Thuech 

lauben, 



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35 



Da staindt ain Hauss, muent jch 

beschauen. 
Alls jch die sach gar recht bedeitt, 

So was es gross vnnd dartzue weitt. 
Dasselb gib jch zuuersteen. 
Vnnd ringweis khundt man darumb 

geen, 

Mich daucht es wer ain gross geschloss. 

Vnnd mich der mue gar nit verdross, 
Dan jch habs allenthalb beschaudt, 

So gewaltig vnnd schönn was es 

erpaudt, 

Vnnd hett ain Schönnen hochen Thuern 

Mit Zyn bedeckht biss aufF die Vhrn. 
Dann er was baudt nach der Messur 

Vnnd vnden dran da staind ain Uhr, 
Die was gemacht gar schönn vnnd klueg 

Vnnd alle Stnndt die selbig schlueg. 
Da sprach ich zu dem Perssefanndt: 

Vnnd wie mag sein der Herr genandt 
Der ain sollichs vermag zupauen. 

Gern solsts das inwendig bschauen, 
Hatt gar schönn Sali, Stuben vnnd 

Zimmer, 

Alls kain Hauos jnn der Statt jmer. 
Sein gnadt will jch dir jetzundt nenen, 
Ain gantze Bürgerschaft thuet jm 

khenen 

Vnnd dessgleichen ain ersamer Rath, 
Wann er gar vill zuschaffen hatt, 

Vnnd jöt furwar ain weiser Herr; 
Sey ainer gleich nachent oder fer, 

Der vor seiner gnadt zuschaffen hatt, 
Dem gibt er warlich guetten rath. 

Herr Hanns« Vberman jst sein gnadt 

genandt, 

Ist Burgermaister, er was jm Ambt 
Vnnd auch oberister Statt Cammerer *). 

Dass sag jch dir ann alls gefer, 
Die baide Ampt muest er verwalten; 

Mich wundert, wies der Herr khan 

behalten, 
Dasi er so gar nichts vbersiecht 

Vnnd alle Ding so fein verricht. 
Darnach gieng wir vill Gassen auss 



Zu letst khani wir zu dem Rathaus 
Dasselb ligt jnn Wilpinger strass 

Gar schönn gebaut vber die mass, 
Darob man dan vill Weishaitt pfligt 

Vnnd manichen guetten Rath ausgibt, 
Dass gemainer Statt khumbt woll zu 

guett. 

Die Statt helt man jnn guetter huett, 
Darin da ist gar wenig Rue, 

Auss allen Lannden zeucht man zue, 
Vnnd allenthalben khumbt man dar. 

Da khaufft man ein Haubtguet und 

War. 

Darumb diss edel Gwerbhauss 

Gleicht woll dem Gartten vberauBs, 
Denn du hast jnn dem Traum gesehen. 

Da war jch zu dem Alten jechen, 
Wer kann ain sollichs Volkh regieren, 

Gehorsamlichen ordinieren. 
Er sprach da jst jnn disser Statt 

Khayser vnnd khunigliche Mayestatt. 
Jr. Mayestett alle Ding regiertt, 

Vnnd wöllicher da Suppliciertt, 
Denn selben hörtt er gnedigclich 

Vnnd gibt darin ain guetten Bericht 
Hatt gesetzt ain kayserlichen Rath, 

Denn selben er auch geadelt hatt, 
Der so fuersichtigelich regiertt 

Vnnd alle Ding fein Ordiniert, 
Der alles Volkh jnn disser Statt 

Inn acht, schütz vnnd schiermb hatt. 
Auch seint der Amptleudt aine Zall 

Zu allen Dingen vberall, 
zuuersechen all Diennst vnnd Ampt 

Dass auss Vnfleus wert nichts ver- 

sambt. 

Ir gsatz vnnd Reuennation 

Ist fuergeschriben Jederman; 
Darin ist angetzaiget woll, 

Wass man thuen oder lassen soll, 
Vnnd wer sich darin vbergafft, 

Der wirt nach gstalt der sach gestraft. 
Vast jedes Handwerckh jn der Statt 

Auch sein gschworen Mayster hatt. 
Ist auch verornnet ain Gericht, 



l j Hanns Vbermann war von 1556—1557 und dann von 1566—1567 Bürgermeister; Käm- 
merer von 1558—156». Da B haus hatte Nr. 560 Öew.-Buch H. p. 72. Hanns Vbermann 1554. Es 
ist das heutige sogenannte .,Schönbrunnerhau8' , unter den Tuchlauben. 

3 * 



3G 



Daran Niemant vnrecht geichiecht, I Ist Khayser vnnd Kunicgliche Mayestatt, 

1 Iii • m r 11 1 «J r\ • 1* mAA* % * 1 i » 



Der da batt ain Mallefitz recht 

Gleich dem Herren wie dem Khnecht, 
Alls ain ersamer weiser Rath 

Selb« ain fleiasig aufsechen hatt 
Auff jre Burger aller stendt 

Mitt ordennlichem Regiment, 
Guetter Stattut vnnd Policey, 

Guettig on alle Tyrann ey. 
Dass jst der edel Adler zartt, 

Denn da sachst jnn dem Rossengartt, 



Die dise Statt begäbet hatt 
Mitt diesser Stattut vnnd Ordinantz, 
Damit ain Rath vnnd Gm&ynn pleib 

gants. 

Die jat auch widerumb vnnd Billich 

Ein Rath gehorsamb vnnd guettwillig. 
Also ain Rath vnnd die gemaynn 
Ainhellig vnnd Einmuettig sein 
Vnnd haldent da einander Schutz, 
Darauss erwächst gemainer nutz. 



(Fortsetzung folgt.) 



Die Geisslerzüge In Waidhofen an der Thaja im XVII. Jahrh. 

Der hochw. Herr Pfarrer Franz Eichmayer in Eis hat der Redaktion 
der Vereinsblätter (eventuell der der Topographie) eine von ihm zusammenge- 
stellte Chronik der Stadt Waidhofen a. d. Thaja übersendet. Wir entnemeu 
derselben nachfolgende interessante Notiz, welche 1677 der Pfarrer Geldner 
daselbst in das Gedenkbuch zu diesem Jahre über die Geisslerzüge gemacht 
hat. Derselbe schreibt: 

„Vor meiner Ankunft hat, etlich Jahr vorher, noch ein Caplan eine 
procession flagellantium am Charfreitag um den Platz gehalten. Weil ich nun 
genügsame Erfahrnuss hab, was solche Andacht vor eine sorg und last sei, was vor 
tumult im Pfarrhof und schaden, was vor Unkosten, was vor Verwirrung am heil. 
Tage etc. hab ichs das erste Jahr noch passieren lassen; dieses Jahr aber 
vermeldt, dass anno 1673 in ganz Wien wegen am Palmsonntag bei den 
untern Jesuitern zwischen Studenten und Soldaten entstandenen grossen 
tumults, mordthaten, Verwundung (welcher tragödie ich persönlich aus dem 
Haus der 6 Schimmeln in der untern Beckenstrassen sattsam hab zugeschaut) 
die processiones flagellantium, bei denen die höchste ärgernuss, conventicula, 
säurten etc. etc. vorbei gangen und die ganze wochen gehalten wurden, vom 
Wienerischen Bischoff für immer verboten worden. Weillen aber solches verbott 
aus gleichmässiger ursach auch aufs Land erstreck, also wird solche Procession 
hinführo unterlassen werden. Die aber etwan sich geissein wollen, wanns die 
Zeit wird leiden, wird im Pfarrhof ein Zimmer dazu bestellet werden, bei dem 
biss anitzo auch blieben". 



Zur Geschichte der Veste Hartenstein. 

Die an der kleinen Krems gelegene Burgruine Hartenstein gehört unstreitig 
zu den grossartigsten in ganz Niederösterreich. Ueber eine massive Zugbrücke, welche 
über einen tiefen Graben führte und deren sieben gemauerte Pfeiler gegenwärtig noch 
stehen, gelangte man einst in dieselbe. Gegenwärtig muss man sich bequemen, 
an der einen gegen Ost gelegenen Seite in den Graben hinunterzusteigen, 



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37 



lieben deu Brückenpfeilern vorbeizugehen und an der anderen Seite einen 
ichmalen Fusssteig wieder emporzusteigen, um zum Eingang dieser Veste zu 
gelangen. Innerhalb der sehr starken und hohen Ringmauern und des Zwingers 
zeigt sich zuerst ein grosser Hof mit zahlreichen Stall- und Nebengebäuden, sowie 
mit den geräumigen, grossen und gegenwärtig noch gut erhaltenen Kellern, 
üeber eine in den vorragenden Felsen eingebauene, breite Stiege kommt man 
sodann zu dem eigentlichen Schlosse, das ein wahres Labyrinth von Zimmern, 
Kammern und Gemächern aller Art enthält, von denen jedoch nur mehr die 
nackten hohen Mauern stehen, welche wegen ihrer ungeheuren Stärke und 
soliden Bauart dem Zahne der Zeit Trotz zu bieten scheinen. Hechts im Hofe 
steht ein viereckiges hohes Gebäude, welches noch vor 50 Jahren als Schütt- 
kasten verwendet wurde. Auch die zwei in den Felsen eingehauenen, zum Teile 
aber schon verschütteten Brunnen fallen hier auf. Ebenso ist die im 
Schlosse einst bestandene Kapelle, über welche der jeweilige Besitzer Vogt und 
Lehenherr gewesen, noch aus einigen Resten alter Freskomalereien erkennbar. 
Im zweiten Hofe fällt ein grosses regelmässiges Gebäude] mit hohen Fenstern auf. 
Hier zeigt sich denn auch jenes Gemach, aus dessem Fenster, nach der Volks- 
sage, sich der letzte Kuenring mit seiner Gemahlin durch einen Sturz in die 
sehr beträchtliche Tiefe den Tod gegeben haben soll. Auf der höchsten Felsen- 
spitze endlich steht der eigentliche runde Wartturm, zu dessen Spitze eine 
steinerne Wendeltreppe führte. Auch dieser Turm wurde noch zu Anfang 
unseres Jahrhunderts zum Teile als Schüttkasten, zum Teile als Gefängnis 1 ) 
bentttzt. Im Urbarium der Herrschaft Hartenstein vom Jahre 1666 heisst es : „das 
Schloss Hartenstein kann mit drei Tor versperrt werden, ist zwar ausser eines unaus- 
gebauten Stockes unlängst ganz neu eingedeckt worden, doch sind die Zimmer 
ohne absonderliche Zurichtungen, nicht zu bewohnen". Als aber später das neue 
Schloss zu Fölling gebaut wurde, wurde aus Hartenstein noch alles Brauchbare 
an Holz und Eisen weggenommen und so dieses herrliche Denkmal des Mittel- 
alters der Verwitterung und der Auflösung vorzeitig preis gegeben. Die Sage 
berichtet auch von weitführenden unterirdischen Gängen, durch welche sich 
die Schlossbewohner im Schwedenkriege Lebensmittel zu verschaffen gewusst 
hätten, daher die Schweden diese Burg durch Hunger zur Uebergabe nicht zu 
bezwingen vermochten. 

P. Eduard Nowotny führt in seiner Chronik der Pfarre Kottes folgende 
Besitzer von Hartenstein an: „Nach den Urkunden des Stiftes Heiligen- 
kreuz kommt im Jahre 1188 Heinrich von Hartenstein vor. In den Urkunden 
von Klosterneuburg und Zwetl kommen ebenfalls Sprossen aus dem Geschlechte 
der Hartensteine vor. Nach denselben waren im zwölften Jahrhunderte die Herren 
von Khaya Besitzer von Hartensteiu. Sie werden oft in den Zwettler Annalen 
genannt und hatten ihren Wohnsitz auf dem nun ganz verfallenen Stamm- 
schlosse Khaia. Kaiser Friedrieh III. erklärte im Jahre 1319 die Burg Harten- 
stein dem damaligen Besitzer, Heinrich von Walsee, zu Liebe für ein Frauen- 
lehen. Als weitere Besitzer von Hartenstein kommen vor: im Jahre 1337 Helm- 
hardt von Jörger, als Lehen von Albero von Hohenstein; im Jahre 1391 Ditregus 
von Emmerberg; im Jahre 1408 Friedrich von Ermnerberg ; im Jahre 1542 

l ) Als einst ein Verbrecher ans selbem durch kühnen Sprung entkam, wurde auch dieser 
Teil dem Verfalle überlassen. 



38 



Wolf Strein 1 ); im Jahre 1579 sein Bruder Richard Strein und 1595 Wolfahrt 
von Strein. Im Jahre 1657 kam Hartenstein von Freiherrn Georg Ehrenreich 
von Neuhaus wegen rückständigen Landesanlagen an die nied.-öst. Herren 
Stände, welche es durch Pfleger verwalten liessen. Von diesen wurde es am 
18. April 1666 an Georg Ludwig, Grafen von Sinzendorf, Preiherrn auf Ernit- 
brunn verkauft. 1684 kam es von diesem durch Kauf an Panl Fürsten von 
Esterhazy und im Jahre 1699 durch Kauf wieder an Johann Christof Freiherrn 
von Gudenus. Vou nun an folgte stets der Sohn dem Vater im Besitze als 
Erbe, u. z. im Jahre 1705 Johann Christof Rudolf Reichsfreiherr von Gudenus; 
1724 Filipp Ferdinand; 1731 Johann Bapt. Franz Josef; 1788 Johann Heinrich 
und auf diesen (t 1838) Johann Bapt., Reichsfreiherr von Gudenus. Der 
gegenwärtige Besitzer ist Gabriel Reichs freiherr von Gudenus, k. k. Kämmerer * 
An den Hartenstein knüpft sich auch noch die Volkssage, dass hier 
der letzte Kuenring mit dem Beinamen „der Unüberwindliche" auf folgende 
tragische Weise sein Leben beendet habe. Derselbe habe wie alle seine Vorfahren 
als Raubritter gegolten und aus diesem Grunde hier zu Lande keine Braut gefun- 
den. Da sei er unter einem fremden Namen ins „Reich" gezogen, habe dort einen 
edlen Ritter kennen gelernt und um dessen schöne Tochter geworben. Weil er 
jedoch vom Ritter zur Antwort erhalten: „seine Tochter sei schon einem anderen 
Freier verheissen", so habe er sie beredet, heimlich mit ihm zu fliehen, worein 
sie auch willigte. Glücklich kamen sie nach Oesterreich in seine abgelegene Burg 
Hartenstein. Der Vater habe nun seine Knappen ausgesandt, die entführte 
Tochter zu suchen. Nach langem vergeblichen Suchen entdeckten sie 
endlich die Spur, dass ihres edlen Ritters Tochter längs der Donau nach 
Oesterreich entführt worden. Die getreuen Knappen frugen nach ihr in den 
Burgen Aggstein, Spitz und Dürrenstein und erst im letzteren Orte erfuhres 
sie, dasB weiter drinnen im Lande eine grosse Burg sei, in der seit Kurzem ein 
fremdes Burgfräulein wohne, das ganz der gemachten Beschreibung gleiche. 
Sofort setzten sie den Ritter, der sie ausgesandt, hiervon in Kenntnis. Dieser 
kam und zog von Dürrenstein unter fremdem Namen und völliger Ver- 
kleidung mit seinen Knappen über die „Naass" nach der Burg Hartenstein, 
wo er gastliche Aufname fand. Da er Bich überzeugt, dass seine Tochter hier 
ganz glücklich lebe, gab er sich zu erkennen und auch seine väterliche 
Einwilligung zur Ehe. Nach kurzem Aufenthalte brach der Vater wieder 
auf, um in seine Heimat zu ziehen, sagte aber vor seinem Scheiden noch seinem 
Schwiegersohne, dass er auf den stolzen Titel „Kuenring, der Unüberwindliche - 
nicht zu sehr pochen möchte, es könnte denn doch ein Stärkerer über ihn 
kommen und ihn bewältigen. Allein Kuenring entgegnet: „das sei nimmermöglich! 
Noch kein Ritter habe ihn überwunden. Auch seine Burg Hartenstein wurde 
noch durch Niemand bezwungen. Dafür heisse sie auch Hartenstein, die unüber- 
windliche, „hoch am Berg und tief im Thal a ) Ä . — Der Schiegervater zog 
ab, kehrte aber, um sich von der Unerschrockenheit und Kühnheit seines 
„unüberwindlichen" Schwiegersohnes zu überzeugen, in der Nacht heimlich 
zurück und simulierte im Einverständnis mit dem Stallmeister und mit dem 



«) Nach dem obigen I'antadingK-Büchel beaass anno 1554 Hanns Geyr von Osterberg iu 
Wolfstein die Burg H. 

») »Hoch am Berg und tief im Thal" ist ein Beiname, den Hartenstein wegen seiner 
örtlichen Lage fährt. 



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39 

Pfleger der Burg einen feindlichen Ueberfall. Unter Führung des Schwieger- 
vaters stürmen Knechte und Knappen mit dem Kufe „überwunden! über- 
wunden!" in den oberen Schlosshof hinauf. Kuenring erwacht. In seinem 
Schrecken denkt er an nichts anderes, als an einen Verrath und sagt zu seiner 
Frau, die ebenfalls erwacht war: „Frau, wir sind verrathen! Gott weiss, von 
wem! Es ist keine Hülfe mehr! Sie sind schon in der Burg und stürmen 
über die steinerne Treppe in unsere Gemächer herauf! Willst du zügel- 
losen Räubern in die Hände fallen oder mit mir sterben!" Sie wählt das 
Letztere. Er erfasst sie, reisst das Fenster auf und stürzt sich mit ihr durch 
dasselbe über den gähen, äusserst tiefen Abgrund in den vorbeifliessenden 
KromsHuss hinab, in dem sie Beide später zerschmettert aufgefunden wurden. 
Im selben Augenblicke kam der Schwiegervater mit den Knappen ins Gemach 
hereingestürzt, sinkt aber, als er sieht, was für einen furchtbaren Ausgang er 
durch diesen simulierten Ueberfall herbeigeführt habe, ohnmächtig zu Boden. 
Als er sich wieder erholt hatte, verliess er tiefgebeugt die Burg Hartenstein 
und kehrte schweren Herzens in seine Heimat zurück, nachdem er zuvor noch 
die Burg seinen ReisBigen geschenkt. So die Volkssage, die sich an das oben 
bei der Beschreibung der Burgruine erwähnte Fenster knüpft. 

Ob dieser Volkssage irgend ein historisches Factum zu Grunde liege, 
getraue ich mir nicht zu behaupten. ' Sie hat eben nur den geringen Wert 
einer Sage, verdient aber doch, weil sie sich durch die Tradition beständig 
forterbt, wenigstens erwähnt zu werden. Dass die Kuenringe, die seinerzeit 
so viele Burgen und Schlösser in Niederöst., insbesonders aber die ganze Wachau 
beherrscht haben, auch vorübergehend die Burg Hartenstein besessen haben ist 
fast zweifellos. Wahrscheinlich war Otto von Purchhartsdorf (gestorb. circa 1183), 
welchen der gelehrte Prof. Friess in seiner Abhandlung „die Herren von 
Kuenring" in diesen Blättern für Landeskunde pag. 104, Jahrg. 1873, erwähnt, 
Besitzer des Schlosses Hartenstein. Das L c. erwähnte Purchhartsdorf oder 
Purkersdorf ist ja von der Burgruine Hartenstein nur wenige Minuten entfernt 
und gehörte beständig zur Herrschaft Hartenstein, was zur Anname berechtigen 
dürfte, dass sich Otto lieber nach dem ihm gehörigen Dorfe „Purchhartsdorf", als 
nach dem Schlosse „Hartenstein" nannte. Wenn nun diese Anname richtig,- 
kann dann etwa obige Volkssage mit einem von dessen Söhnen Rapoto oder 
Heinrich in Verbindung gebracht werden? Franz Eichmayer in Eis. 



Entgegnung. 

Herr Archivar Dr. Weyda wirft die Frage auf, ob Codex 165 jenes 
Vertrauen verdiene, das ich ihm in meiner Geschichte der Kalthaus e Mauerbach 
eingeräumt habe. Je nach dem. In den Jahren 1867 und 1868 suchte ich 
nach Materialien zu einer Geschichte dieser Karthause. Im k. k. Haus-, 
Hof- und Staatsarchive befanden sich: 3 Codices, 2 Faszikel Klosterraths- 
Akten, 10 Originalurkunden und der Stiftbrief. Stiftbrief und Originalurkun- 
den habe ich nie gesehen, denn sie waren einem projektierten Urkundenbuche 
des Landes unter der Enns reserviert und gehörten bereits dem Arbeitskreise 
einei Dritten an. Die Stelle der Originale mussten daher Copien und, wo diese 



40 



fehlten, die Regesten-Zettel des Archives ausfüllen. Codex 165 war somit 
die einzige Hauptquelle. Um nickts besser ergieng es dem gelekrten Archivar von 
Melk, Ignaz Ke iblinge r. Bei solcher Gepflogenkeit musste auck ikm Codex 165 
die Hauptquelle sein. Wenn nun seit 1871 die Herausgabe des Urkundenbaches 
siitiert wurde, die Mauerbacker Originale zugänglich sind, ja wie verlautet, das für 
yersckollen gekaltene Mauerbacker Arckiv aufgefunden ist , so ist die Degra- 
dierung des Codex 165 in Bezug auf meine Gesckickte von Mauerbacb *ein Läuten 
nach dem Feste. Mein Manuskript gieng damals sckon kausieren — ich weiss eben 
bei der Schwierigkeit, dergleicken Arbeiten unterzubringen, keinen bessern Aus- 
druck — beim Vereine für Landeskunde von Niederösterreich (1870) x ), bei dem 
Altertumsvereine (1871), wo es endlick Einlass und Aufname fand. Uebrigens 
ist der Abdruck der Stiftungsurkunde nickt nack Codex 165, sondern nach 
einer Copie gesckeken. Dergleicken Copien sind in den umfangreicken Process- 
akten der Kartkause mit den Biscköfen von Passau über Immunität, Execution 
und Visitation zablreich. 

Ich habe nach Fase. Mauerbach im k. k. Hofkammerarchive angegeben, 
dass das Original des Stiftsbriefes durch Smittner und Roschmann in das 
k. k. Hausarchiv gekommen sei. Herr Dr. Wey da bestreitet diese Angabe, 
und beruft sich auf eine Notiz Meiller's, welche das Original aus dem 
Klosterrathsarchive stammen lässt, und fragt, ob mir dieser Widerspruch 
entgangen sei ? Gewiss ist er mir entgangen. Ich habe diese Notiz nicht gelesen, 
denn ich habe ja das Original mit dem Umschlag und der M ei 1 1 e r 'sehen 
Notiz nie zu Gesicht bekommen, und wenn ich sie auch gelesen, hätte ich 
sie sicher, als auf einem „dicitur" beruhend, bei Seite gelegt. 

Das Mauerbacher Archiv, wie es im Seizerhofe und in der Karthause lag, 
und die Büchersammlung wurden in einer Zelle des Klosters der Sieben- 
büchnerinnen aufgeschüttet und ohne Aufsicht gelassen. Als am 26. November 
1782 Graf Kolionrat sich beschwerte , dass eine goldene Bulle des Mauerbacher 
Archive» „ wegen des Metalls" beschädiget und die Silberbeschläge von den Ge- 
betbüchern abgerissen seien, wurde am 9. December 1782 befohlen, „auf die 
gute Verwahrung dieser Urkunden den sorgsamsten Bedacht zu nemen;" am 
11. December 1782 wurden Regierungsrath Potscb und Regierungs-Sekretär 
Ragassi zur Sortierung der Urkunden und Arckivalien angewiesen (Statthal- 
terei-Archiv. Fase. Pfarren und Klöster nack Materien 1780, 1781, 1782). In 
das Klosterratks- Arckiv ist weder eine Urkunde nock ein Blatt der Archivalien 
gekommen „^somit konnte am 27. Oktober 1812 auch nichts an das Hausarchiv 
abgegeben werden. Das, was aus dem Klosterraths-Archiv 1843 an das Haui- 
Hof- und Staatsarchiv übergieng, war die schlichte Aktenlage des Klosterrathes, 
wie sie sich über Mauerbach eben angesammelt hatte. 

Wien, am 23. Jänner 1875. 

Dr. Wiedemann. 



l ) Die Redaktion der „Blatter des Vereins" konnte von diesem Mannscripte wegen seines 
ÜmfangeB nnd bedeutenden Urkundenanhanges keinen Gebranch für die „Blatter* maohen. 

D. B. 



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Besprechungen. 

Vorträge über den technischen und administrativen Postdienst in 
Oesterreich. Zum Gebrauche für die Hörer des Postlehrkurses an der 
Wr. Hochschule von Johannes Bartel k. k. Postkontrolor und Docent 
an der Handels-Hochschule in Wien. Selbstverlag, 9 Hefte, 8°. Wien 

1873-74. 

Das vorliegende Werk ist hauptsächlich für den Unterricht geschrieben 
und behandelt vom zweiten bis einschliesslich neunten Heft den administrativen 
Postdienst. Wir überlassen diesen umfangreichen Teil des Buches Fachmännern 
zur Beurteilung und wenden nur dem ersten Hefte des Werkes, das die Geschichte 
des Poatwesens im Altertume, Mittelalter und der neueren Zeit in sich schliesst, 
einige Aufmerksamkeit zu. 

Bisher fehlte es leider noch immer an einer Entwicklungsgeschichte des 
Post wesen b in Nieder- Oesterreich, und der Versuch, welchen der Autor zur 
Darstellung dieses Themas unternimmt, muss jedenfalls schon deshalb als ein 
glücklicher bezeichnet werden, weil die Quellen zu einer derartigen Zusammen- 
stellung nur sehr spärlich fliessen und überdies nur zerstreut in mitunter ganz 
heterogenen Werken sich finden. Jene Notizen aber, die wir in Werken zur 
Wiener Geschichte finden, lassen schon den Laien unbefriedigt, da sie grössten- 
teils nur zwei Epochen des nieder-österr. Postwesens umfassen, jene des Post- 
dienstes zur Zeit der Babenberger, und jene der Wiener Stadt- oder soge- 
nannten Klepperpost zu Ende des vorigen Jahrhunderts. So blieb denn die 
Geschichte des Postwesens eines halben Jahrtausends bisher nahe zu unbeachtet 
und musste es auch so lange bleiben, bis sich jemand dazu bereit fand, das 
Materiale aus verschiedenen Werken mühsam herbeizuschaffen. 

Es soll nun nicht gesagt sein, dass in vorliegender Schrift eine voll- 
ständige Geschichte des nieder-österreichischen Postwesens gegeben wurde; 
dazu konnte sich einesteils der Verfasser, welcher eben nur zu seinem Werke 
eine geschichtliche Einleitung geben wollte, nicht herbeilassen, andersteils sind 
auch in dieser fleissigen Zusammenstellung einige der ausführlichsten Quellen 
übersehen worden, wovon noch weiter unten gesprochen werden soll. Doch hat diese 
Schrift zweifellos das Verdienst, zum erstenmale eine Uebersicht über die Ent- 
wicklung des Postdienstes in unserem Vaterland gegeben zu haben, die für 
spätere Detailsforschungen immerhin als Grundlage dienen kann. 

So führt uns der Autor Nieder-Osterreich zur Zeit der Römer vor, 
gedenkt des römischen Postdienstes, um sodann auf jenen unter den Baben- 
bergern und insbesondere auf den Postkurs Friedrich II. zwischen Wien, 
Wr. Neustadt und Graz überzugehen. Vom 14. bis 16. Jahrhundert finden 
*ir bereits regelmässige Postverbindungen, so jene des deutschen Ordens 
iwiBchen Marienburg und Rom mit dem „deutschen Haus - in Wien all 
Wechselstation, dann die der Wiener Universität mit Prag, Breslau und Linz, 
des Kapuzinerklosters in Wien mit dem in „Und" u. s. w. ; ebenso unterhielt 
bereits damals der Wiener Stadtrath beeidete Boten zur Vermittlung seines Brief- 
wechsels. Die nachfolgenden Seiten beschäftigen sich mit der weiteren Entwicklung 
des Postwesens bis zu der 1623 erfolgten Ernennung des Freiherrn von Paar 
nun General-Erbland-Postmeister und der Uebername der Post in Staatsregie 



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(1722). Nun tritt eine Reorgani Bation im Postdienste ein, der Verkehr wird überall 
hin regelmässiger und sicherer, die 1772 gegründete Stadtpost (sogenannte 
Klepperpost) erwähnt der Autor mit einigen Zeilen, erörtert hingegen daa 
Postwesen im 19. Saeculum in mehrseitiger Ausführung. 

Wenn wir gerade diesen Teil von Bartels Buch allen Freunden dieses 
Stoffes bestens empfehlen und den Verfasser einladen, die Geschichte des Post* 
wesens in einer zweiten Auflage seines Werkes nach Möglichkeit zu erweitern, so 
wünschten wir auch, der Autor möge dann den Postdienst unter den Babenbergern 
einer eingehenderen Besprechung würdigen, wozu ihm die in seiner Vorrede auf- 
geführten Quellen hinlängliches Materiale bieten. Eben diese Quellenwerke scheinen 
uns zu wenig ausgenützt, denn Schlagers Wiener Skizzen (insbesondere der 
Jahrgang 1839), die Blätter unseres Vereines u. s. w. enthalten noch hie und da 
recht brauchhare Notizen, die wir vermissen. Für das 16. Jahrhundert bieten 
ausserdem der X. Band der Berichte des Altertums-Vereines und ein Aufsatz in 
Hormayr's Archiv 16. Jahrgang p. 301 für „Aelteate diplomatische Spur 
von der k. k. Post zwischen Ungarn und Oesterreich" hinlänglich Material. 
Drei der wichtigsten Quellen zur Geschichte des nieder-österreichischen Post- 
wesens (die wir in der Quellenangabe vermissen) vermissen wir endlich ganz 
— das ebenso interessante als höchst seltene Werk : „Ludovici von Hörnigk 

Tractatus politico-historico-juridico-aulicus de regali Postarum jure 

etc Vieunae Austriacorum Anno Redemptoris MDCXLVIII. kl. 8° 450 

Seiten" (k. k. Hofbibliothek 36 Ms. 87, allwo auch die Frankfurter Ausgabe. 
Vergleiche überdies Austria-Kalender 1846 pag. 84 ff.), und sodann „De Luca's 
Wiens gegenwärtiger Zustand. Wien 1787" pag. 259 ff. und desselben Autors 
„Staatsanzeigen 1785." H. Käbdebo. 



Geschichte des Bistums St. Pölten. Unter Mitwirkung der 
H. H. P. Adalbert Dun gel 0. S. B. zu Göttweig und P. Gottfried 
Friess 0. S. B. zu Seitenstetten, herausgegeben von Dr. Anton 
Kerschbaume r, Ehren-Canonicus von St. Pölten, Dechant und Stadt- 
pfarrer zu Tuln. I. Band, Vorgeschichte. 1. Heft. 1875. Selbstverlag 

des Herausgebers. 8°. 

Mit diesem ersten uns voliegenden Hefte wurde ein Werk begonnen, das 
wir freudig begrüssen. Mag es wol zunächst nur für den Diöcesan-Clerus von 
St. Pölten bestimmt und für diesen in erster Linie wichtig und erwünscht 
sein — wie es ja auch in der Diöcesan-Currende Nr. 13 vom 31. Oktober 1874 
heisst: „Längst war der Wunsch nach einer J i i sangeschichte des Bistums 
St. Pölten laut geworden. In der bestandenen Monatschrift „Hippolytus" 
ward diesem berechtigten Wunsche teilweise Rechnung getragen, indem in 
derselben viele schätzenswerte Beiträge zur Diöcesangeschichte veröffentlicht 
wurden. Der hochw. Bischof Josephus (Fessler) traf (vgl. Currende Nr. 7 vom 
Jahre 1871 §. VIII.) die weiteren Veranlassungen zur Bearbeitung einer zusam- 
menhängenden Diöcesangeschichte und beteiligte sich selbst daran" — so wird 
dieses Unternemen doch auch in weiteren Kreisen Niederösterreichs Anklang finden. 



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43 



Die Mitarbeiterschaft ist so tüchtigen Kräften anvertraut, dasi füglich nur das 
Beste erwartet werden darf. Herr Prof. und Archivar Ad. Du ngel, von dem das 
erste Heft bearbeitet wurde, hat die dahin zielenden Erwartungen bereits 
weitaus übertroffen. Von ihm waren bisher treffliche Abhandlungen über Funde 
aus derHömerzeit in den Schriften der kais. Central-Commission für Erforschung 
und Erhaltung der Baudenkmale und in den „Blättern des Vereins für Lan- 
deskunde" sowie eine Arbeit über die Lorcherfälschungen auf Grund des Nach- 
lasses des bekannten Archivars Blumberge r in den Schriften der kais. 
Akademie der Wissenschaften erschienen. 

Das erwähnte erste Heft behandelt in 14 Paragraphen die „geographische 
Lage, Bodengestaltung, Ureinwohner; die Kelten und ihren Kulturzustand; 
Aenderungen durch das Vordringen der Römer und Germanen; die socialen 
und religiösen Verhältnisse im Noricum; das Christentum; das sagenhafte 
Apostolat; den heil. Maximilian ; den heil. Florian; Untersuchung über das 
Alter des Christentums in Noricum ; Verbreitung des Christentums in Ufernori- 
cum. Bekehrungsan fange der Germanen; den politischen Zustand der norischen 
Provinzen im fünften Jahrb.; den heil. Severin; Ergebnisse aus seiner Vita 
über die kirchl. Zustände im Noricum; norische Kirchen und das Metropolitan- 
Verhältnis ; letzte Schicksale der Kirche von Lanriacum in den Zeiten der 
Römer.« 

Der Verfasser hatte eine schwierige Aufgabe zu lösen, er hat sie aber in 
bester Weise gelöst. Belesenheit in den Quellen, ^vollständige Kenntnis der Funde 
und der darauf basierenden Forschungen, daher eine besondere Sicherheit und 
Buhe der Sprache und des Urteils waren schon Vorzüge seiner früheren Arbeiten 
und sie treten auch in dieser im gleichen Masse hervor. Wol standen ihm die 
ausgezeichneten und grundlegenden Arbeiten von Arneth, Kenner, Mommsen und 
Sacken zu Gebote, aber eigene Forschungen und Nachgrabungen, wie auch 
selbst gemachte Funde waren ihm zu Gewähr. So haben denn die Paragraphe, 
welche die Römerzeit behandeln, einen seltenen Vorzug. Damit soll aber nicht 
gesagt sein, dass etwa jene Paragraphe, welche die Einführung des Christentums 
und dessen erste Zeiten und die damit zusammenhängenden Hypothesen und 
Unklarheiten behandeln, Wünsche uns unerfüllt lassen würden; vielmehr 
finden wir auch hier den Verfasser überaus belesen in den Quellen und selbst- 
ständig im Urteil. 

Doch wird hier erklärlicher Weise mancher Punkt ein Gegenstand der 
Kritik werden, besonders im Excurs über den heil.'Maxmilian, der wegen seiner 
Gründlichkeit uns auch den Rahmen der Aufgabe zu überschreiten scheint. 

Ant. Mayer. 



Verein* sieben. 

Adolf Freiherr von Pratobevera- Wiesborn. 

Am 18. Februar d. J., Abends halb elf Uhr, starb in Wien Se. Excellenz 
Adolf Freiherr von Pratobevera-Wiesborn. 

Der Verewigte war bis vor Jahresfrist seit der Gründung des Vereins 
für Landeskunde von Niederösterreich dessen Präsident und seit einem Jahre 
Ehrenmitglied. Es ist somit eine der heiligsten Pflichten, nämlich die der Dank- 
barkeit, dass wir hier seiner gedenken. 



44 



Adolf Freiherr von Pratobevera-Wiesbom, Sohn des berühmten 
österreichischen Juristen Karl Freih. v. Pratobevera, war am 12. Juni 1806 
zu Bielitz in Osterr. Schlesien geboren. Nach ausgezeichneten Gymnasialstudien 
kam er an die Wiener Universität, um sich den juridischen Studien zu widmen, 
und wurde auch am 24. Mai 1830 zum Doktor der Rechte promoviert. Nachdem 
er verschiedene Stellen bei der k. k. Hof- und n. 6. Kammerprokuratur, beim 
n. ö. Landrecht und beim Staatsrath bekleidet hatte, wurde er 1838 als österr. 
bevollmächtigter zur Bundes-Centralbehörde nach Frankfurt am Main geschickt, 
woselbst er bis 1842 verblieb und als jüngster Appellationsrath zum n. ö. 
Appellationsgerichte eintrat. 1847 erhielt er auch das Ehrenamt eines Sekretärs 
der Curators der kais. Akademie der Wissenschaften zu Wien, des Erzherzog 
Johann; doch wurde er schon einige Monaten darauf, nach Auflassung dieser 
Btelle enthoben. Am 26. Jänner 1850 wurde er provisorischer Sektionschef und 
Leiter der legislativen Sektion im Ministerium der Justiz, im darauffolgenden 
Jahre Hoirath beim obersten Gerichtshof; 1861 wählten ihn die städtischen 
Wahlbezirke von Klosterneuburg, Tuln und Königstetten in den Landtag, der 
ihn in das Abgeordnetenhaus des österr. Reichstages sandte. Mit A. h. Hand- 
schreiben v. 6. Februar 1862 wurde er unter Verleihung der geheimen 
Rathswürde zum Justizminister ernannt. Allein ein heftiges Augenübel zwang 
ihn, schon im December 1862 um seine Enthebung vom Ministerposten anzu- 
suchen, welche mit A. h. Handschreiben vom 18. December unter Verleihung 
des Grosskreuzes des Franz-Josef-Ordens in huldvollster Weise gewährt wurde. 

Seitdem widmete er seine ganze Thätigkeit dem politischen Leben im n. ö. 
Landtage und Abgeordnetenhause ; 1867 (bis 1870) wurde er zum Landes- 
marschall in Nied. Oester., 1869 zum lebenslänglichen Mitglied des Herrenhauses 
des österr. Reichsrathes ernannt *). 

Wir haben hier nun weniger die langjährige amtliche, staatsmännische 
und literarische Thätigkeit des Verblichenen ins Auge zu fassen, als viel- 
mehr hervorzuheben, was er Niederöaterreich, seiner zweiten Haimath, was er 
dem Vereine für Landeskunde gewesen. 

Adolf Freiherr von Pratobevera war ein Oesterreicher in des Wortes 
edelster Bedeutung. Wenn der Dichter sagt, der Oesterreichs hat ein Vater- 
land und hat auch Ursache, es zu lieben, so war er von der Wahrheit 
dieses Satzes nicht nur überzeugt, sondern er fühlte sie auch tief. Oesterreichs 
Machtstellung im Innern wie nach Aussen war eines seiner schönsten Ideale, 
dafür sprach, schrieb und wirkte er in jeder Weise. Er zählte daher nicht zu jenen, 
die manchmal vergleichend oder still hoffend nach auswärts blicken. Ebenso verab- 
scheute er die Phrase, sei es jene des falschen Demokraten, die nur die Rohheit der 
Massen steigert und auf diese berechnet ist, oder jene von solchen Leuten, wie 
sie in den letzten Jahren in Oesterreich emportauchten und in heuchlerischen 
und sophistischen Reden, eigens gedrechselt für die sogenannte öffentliche 
Meinung und Wählerversammlungen, nach der Volksgunst haschten — wozu ihnen 
eine gewisse Sorte Menschen immer gleich hilfreich zur Hand war — und jetzt 
in ihren auf Kosten des wahren Glückes und der Sittlichkeit des Volkes 
erworbenen Palästen in vornemer Verachtung der in unserer Zeit bereits 
unbegreiflichen sittlichen Regungen sich ausruhen. 



«) Vgl. Wursbach Biographisches Lexicon des Kaisertums Oesterreich XXIU. «09 f. 



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45 



Wie alle noch edel Denkenden ein solches Treiben unterer Zeit ver- 
achteten und das auch in solcher Weise Bchwer geprüfte und erschütterte 
Oesterreich beklagten, so hat auch Pratobevera sich ihnen offen uud rückhalt- 
los zugesellt. War er ja ein stets reiner, ehrlicher und treuer Charakter; 
sein Name stand nie auf einer Verwaltungsraths- oder (iründerliste. Oesterreich 
muss also den unmittelbaren Sprossen eines seiner ausgezeichnetsten Rechts- 
gelehrten auch in diesem Sinne zu seinen besten und wackersten Söhnen zählen. 

Wie er in seiner öffentlichen Stellung als Beamter oder Staatsmann Alles zum 
Segen und Gedeihen Oesterreichs thatoder doch anstrebte, so hat er jede sich dar- 
bietende Gelegenheit ergriffen, auch noch in anderer Weise ähnliche Ziele zu errin- 
gen, und so hat er freudig und opferbereit im Jahre 1864 provisorisch und 1865 
definitiv die Wahl zum Präsidenten des eben damals gegründeten Vereins für 
Landeskunde von Niederösterreich angenommen. Niederösterreich liebte er aber 
auch mit dem wärmsten Herzen; sein Auge leuchtete, seine Worte wurden 
bewegter und farbeneicher, wenn er von den Schönheiten dieses Landes, von seiner 
Geschichte und seinen Bewohnern sprach. Was konnte da Nützliches geschaffen, 
was wahrhaft Gutes für die geistige und sittliche Hebung des Volkes mit 
Unterstützung von Gleichgesinnten gewirkt werden. Und darum brachte er 
diesem Verein auch seine vollsten Sympathien entgegen, nam er an allen 
Versammlungen und Bestrebungen desselben den regsten Anteil. 

Als er nun im verflossenen Jahr seine Stelle als Präsident wegen 
vorgerückten Alters zurücklegte, da konnte der Ausschuss des Vereins diese 
vielen Verdienste nicht besser ehren und lohnen, als dass er ihn der General- 
Versammlung zum Ehrenmitglied vorschlug. 

Um sein edles Bild, das wir hier treuer und dankbarer Erinnerung 
überliefern, vollständig zu geben, müssen wir noch seines stillen Wirkens als 
Wohlthäter der Armen, besonders der verwahrlosten Jugend gedenken, die in 
ihm einen wahren Vater verloren hat. Diese auf den rechten Weg zu führen, 
zu nützlichen Menschen in der Gesellschaft, zu würdigen Bürgern des Vater- 
landes zu bilden, dafür hat er denen, die sich dieser mühevollen aber schönen 
Aufgabe unterziehen, reiche Hilfe angedeihen lassen. Diese ärmsten unter den 
Kindern, auch sie standen trauernd an seinem Sarge. 

Anton Mayer. 



General-Versammlung J ). 

Die statutenmässige General-Versammlung für das abgelaufene Vereins- 
jahr 1874 fand Freitag den 29. Jänner, um 7 Uhr Abends, im Lokale des Ver- 
eins unter dem Vorsitze des Herrn Präsidenten, Sr. Excellenz des Herrn Grafen 
Ho yos-Spri nzenstein, statt. Hochderselbe eröffnete die Sitzung mit fol- 
genden Worten; „Ich erlaube mir die Versammlung zu begrüssen, und, da die 



>) Folgende 53 Hitglieder waren anwesend: A. Artaria, Dr. J. Bauer, M. A. R. t. 
Becker, W. Boetaeim.A. B öhm, A. Camesi na R. v. San -Vittore, A. Fei gel, J. C. 
Fink, Dr. A. Gra nner, C. M. Haidrogl, Dr. K. Hanelbach, L. Hermann, 8e. 
Ezcellenz Graf Ernst H o y o 8 Sprinzenstein, E.Hütt er. A. .Joseph y, 11. Räh- 
den«, M. Köck, Dr. Th. Kreon, Th. R. v. Kroaenfels, J. Kugler, R. Knrka, K. 
Lang, Leakier, Dr. K. Lind, G. Freih. t. Lissingen, Frln. Lintemer, J. Mana- 



46 



laut den Statuten erforderliche Anzahl von Yereinimitgliedern überschritten 
ist , die Tagesordnung damit zu beginnen, dais ich den Herrn Sekretär ersuche, 
uns den Jahresbericht mitzuteilen. u 
Dieser Bericht lautete: 

„Der Jahresbericht über das abgelaufene Vereinsjahr 1874 ist der zehnte 
seit dem Bestände des Vereins, und es würde wol passend erscheinen, 
zu zeigen, bei welchem Standpunkte seit seiner Gründung der Verein 
heute angekommen , und ob die Hoffnungen , die man vor zehn Jahren 
auf sein Wirken gesetzt hatte, erfüllt seien. Es ist dies aber bei Gelegenheit 
der Sommer- Versammlung des Vereins im August 1874 bereits in so einge- 
hender und wirksamer Weise geschehen, dass wenig mehr in dieser Richtung 
zu sagen wäre. Wir gehen daher sogleich an die Aufzählung der Leistungen 
im Jahre 1874. 

Wenn wir zunächst die Administrati?karte von Niederösterreich ins 
Auge fassen, so ist zu konstatieren, dass die Zeichnungen der Sektionen 
Zistersdorf und Drösing (Nr. 43 und 44) geliefert wurden. Es dürfte auffallen, 
dass nur zwei Sektionen gezeichnet wurden; dieses erklärt sich aber 
daraus, dass noch immer die Katastralmappen dem Katastral-Archive in Wien 
entnommen sind und bei den Bezirksbauptmannschaften sich befinden, um 
bei den Berathungen und Begehungen der Gnmdsteuer-Regulierungs-Commis- 
sionen verwendet zu werden. Dadurch ist uns eine zu oft und zu lange unter- 
brochene Benützung der Mappen einzelner Gemeinden nur dann gestattet, 
wenn sie eben zeitweilig von den Bezirkshauptmannschaften zur Aufklärung 
vorkommender Anstände im Archive durchlaufen. Es kann daher bis zur 
Beendigung der 'Grundsteuer-Regulierung die Arbeit des Zeichnens der 
Sektionen nur langsam fortschreiten; ein grosser Vorteil ist wol darin zu 
erblicken dass dann vollkommen rektificierte Blätter vorliegen werden. Im Stiche 
befinden sich mit Ausname einer einzigen Sektion (Waidhofen an der Ips), 
die nächstens auch in Angriff genommen werden wird, alle in den Zeich- 
nungen fertigen Sektionen, als Messern (Nr. 14), Hohenau (Nr. 33), Zisters- 
dorf (Nr. 43), Drösing (Nr. 44), Mautern (Nr. 48., Wallsee (Nr. 57), Neustadtl 
(Nr. 58), Ips (Nr. 59), Orth (Nr. 67), Hag (Nr. 69), Aschbach (Nr. 70), Am- 
stetten (Nr. 71), Scheibbs (Nr. 72), Ipsitz (Nr. 84), Gaming (Nr. 85), und Anna- 
berg (Nr. 86). Im Stiche ganz vollendet und druckreif oder in sehr kurzer 
Zeit fertig sind die Sektionen Raabs (Nr. 7), Langau (Nr. 8), Horn (Nr. 27), 
Mistelbach (Nr. 31), Krems (Nr. 37), Langenlois (Nr. 38) und Neustift (Nr. 82). 
Im Jahre 1874 wurden drei Sektionen gedruckt und ausgegeben : Spitz (Nr. 47), 
Mank (Nr. 73) und Hollenstein (Nr. 94). Mithin wurde in diesem Jahre mehr 
vorbereitet, denn wirklich vollendet, und wird da gegen das Jahr 1875 die Aus- 
gabe einer grösseren Zahl von Blättern aufweisen können. Von der ganzen 
Karte, die bekanntlich 111 Blätter umfassen wird, erübrigen nur mehr 8 
Blätter zum Zeichnen und für den Stich und 16 Blätter, die noch im Stiche 
zu vollenden sind. Herausgegeben sind bis jetzt 68 Sektionen, an die sich, 
wie gesagt, in ganz kurzer Zeit sieben anreihen werden. 



getta, A. Mayer, F. Mayer, Hocbw. Dr. W. Ne am ann , J.NeWald, Dr. A.Nowak. F. A. 
t. Perko, PUbs, Kak o w i t s ch , Frl. A. 8 agas eer, Frl. J. Bagtsier, A. Schlesin- 
ger, E. Selzer, J. Selzer, Dr. A. Silberstein. A. Steinhäuser, Hochw. L. Trost, 
F. P. Walther, A. Weiser, K. Weiss, A. Wi<lter, Ur. G, Winter, Dr. G. Wolf. Exe. 
J. t. Wurmh. 



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47 



Was die technische and scientifische Verwertung dieser Karte betrifft, 
so wäre in Hinblick auf das in früheren Jahren hier Gesagte zu bemerken, 
das8 im Jahre 1874 das hohe k. k. Ackerbauministerium über Vorschlag der 
k. k. n. ö. Statthalterei seine Zustimmung gegeben hat, dass bei der An- 
fertigung von Uebersichtskarten, welche die in einem Bezirke befindlichen 
Wasserrechte nach Grenzen und Namen der Gemeinden und Ortschaften, sowie 
die Beziehung der Detail- Wasserkarten zu enthalten hätten, die von uns heraus- 
gegebene Administrativkarte mit ihrem dazu ganz geeigneten Massstabe zu 
Grunde gelegt werde. 

Dass die Administrativkarte sowol wegen der bedeutenden Kosten als 
auch wegen der Ausführung ein schwieriges Unternemen des Vereins ist, 
wird Jeder zugeben. Und nur, wenn ihm die hinlängliche Unterstützung 
in materieller wie moralischer Richtung auch ferner zu Teil wird, ist er im 
Stande, dasselbe gut zu Ende zu führen. Auch im abgelaufenen Vereinsjahre 
haben uns die Regierung?-, Landes- und Gemeindebehörden, über Ansuchen des 
Vereins, stets auf das freundlichste unterstützt. Herr Dr. Th. Zelinka hat 
für die Rectificirung auch jener Sektionen, welche Waidhofen an der Ips 
zunächst liegen, nämlich: Hollenstein, Göstling und Scheibbs aufs beste gesorgt, 
wofür der Ausschuss ihm aufs wärmste dankt. 

Von der Topographie von Niederösterreich wird in einigen Tagen das 
8. Heft vollendet und im Monat März ausgegeben werden. Die Arbeiten 
gehen mit sorgfältiger und umfassender Benützung des Quellenmaterials 
vor sich , aber wegen der bedeutenden Druckkosten, die im abgelaufenen 
Vereinsjahre für das achte Heft nicht aufzubringen gewesen wären, wurde 
die Ausgabe dieses Heftes bis in den Anfang dieses Jahres verschoben. Der 
erste Band wird zuverlässig im heurigen Jahre abgeschlossen werden, und 
wahrscheinlich das erste Heft des II. Bandes noch erscheinen können. 

Die „Vereinsblätter" haben mit dem Jahrgange 1874 den achten seit ihrem 
Bestehen vollendet Derselbe wird den Mitgliedern die Ueberzeugung verschafft 
haben, dass bei dem geringen Jahresbeiträge und bei den nicht unbedeutenden 
Druckkosten das Möglichste geboten wurde. Es würde aber gewiss nicht 
genügt haben, nur eine bestimmte Anzahl Bogen hinauszugeben. Der innere 
Wert, also der wissenschaftliche Gehalt der Arbeiten war dabei vor allem 
ins Auge zu fassen, damit die , welche weiter forschen wollen, darin auch 
Quellen finden. Die Redaktion der Vereinsblätter konnte daher nur in 
dieser Richtung ihre Aufgabe erblicken, und wenn auch hie und da ein sach- 
licher Widerstreit erhoben werden könnte, so wird doch auch dem letzten 
Jahrgange der Vereinsblätter der wissenschaftliche und anregende Gehalt der 
Arbeiten nicht abgesprochen werden können, die Namen der Autoren: 
Prof. Fries in Seitenstetten, Prof. Heller in Melk, Dr. Ilg, Regierungs- 
rath v. Camesina, Dr. Much, Dr. G. Winter, Dr. Reichhardt, 
Prof. Dun gel in Göttweig u. A. sind dafür hinlänglich Bürge. Die 
Vereins blätter sind das Band, das alle Mitglieder fest, doch frei und 
freudig umschliessen soll. Während die Administrativkarte und die Topo- 
graphie wie alle grösseren Unternemungen erst allmälig in weite Kreise 
dringen, sich so [zu sagen ihr Terrain schrittweise erkämpfen," wobei der 
Kostenpunkt ein nicht geringes Hindernis ist, in ihnen also eine Zukunft 
verschlossen liegt: müssen die Vereinsblätter, die den ganzen Verein beherrschen 



48 



und beleb n sollen, bestrebt sein, dieses Princip immer eich gegenwärtig zu 
halten und mit ihm neue Vorteile für die Landeskunde zu erringen suchen. 
Es wird daher die Bitte an die Mitarbeiter des eben abgeschlossenen Jahr- 
ganges, ihre Mitwirkung dem Vereinsorgane nicht zu entziehen, gewiss keine ver- 
gebliche sein; aber auch an jene sei diese Bitte gerichtet, die in früheren Jahren 
die Vereinsblätter mit reichen Beiträgen bedacht haben, wie Hofrath R. v. 
Becker, Miniaterial-Sekretär Göhlert, Direktor Newa ld, Hilfsämter-Direktor 
V. Reuterer, Canonicus Dr. Kerschbaumer u. A. 

Der Verein hat im Jahre 1874 grossmütige, materielle wie moralische 
Unterstützung gefunden. Er darf es als eine besondere Auszeichnung betrachten, 
dass wieder der a. h. Hof seine Bestrebungen gewürdigt und unterstützt hat 
Nicht minder hebt es der Ausschuss mit dem Ausdrucke des wärmsten Dan- 
kes hervor, dass Se. Eicellenz der Herr Statthalter von Niederösterreich, der 
h. Landtag, die erste österreichische Sparkassa, der Gemeinderath der Stadt 
Wien u. m. a. Körperschaften dem Vereine die reichlichste Unterstützung in 
hochsinniger Weise haben angedeihen lassen. 

Den Herren Korrespondenten des Vereins: Dr. Polhammer in Krems, 
Prof. Fries in Seiten Stetten, Prof. St au ff er in Melk und Prof. Dungel in 
Göttweig, Stadtsekretär Fun schert in Retz, Eisank, von Marienfels in Rei- 
chenau, Bezirksrichter Frimmel in Neunkirchen, Postmeister Dum in Gföhl 
und andern Mitgliedern, wie dem hochw. Herren Vatter in St. Pölten und 
Pfarrer Eichmayer in Eis, die in so unverdrossener Weise und patriotischer 
Gesinnung die Interessen und Bestrebungen des Vereins nach jeder Richtung hin 
gefördert haben, ebenso auch den Herren Käbdebo in Wien und dem Herrn 
Hofbuchbinder Groner, der wie in den Vorjahren das Broschüren der Topo- 
grafie und Einbände besorgt hat, sei für ihr freundliches Wirken für den 
Verein 'verbindlichst gedankt. 

Die statutenmässige Sommer- Versammlung hat am 21 , 22. und 23. August 
in der Stadt Zwetl würdig und allseitig befriedigend, stattgefunden. 

Die Vereinsabende wurden am 16. Jänner, 6. Februar, 27. Februar, 
13. März, 10. April und 11. December abghalten mit Vorträgen der 
Herren: Sektionsrath Peyrer, über die österreichischen Pantaidinge, Rud. 
Stadler, über die Hochquellenleitung Wiens; Dr. Much, über die Tumuli 
in Niederösterreich; Direktor Newald, über die n. ö. Waldwirtschaft auf 
der Wiener Weltausstellung; Hofsekretär Schimmer, über Ehen in Wien 
und Umgebung; Prof. Dr. Reichardt, über die Pflanzenklasse der Flechten 
und ihr Vorkommen in Niederösterreich; Prof. Dr. Haselbach, über die Hus- 
siteneinfälle in Niederösterreich und Sekretär A. Mayer über den „Maler 
Martin Joh. Schmid, genannt der Kremser Schumi." Bei der Sommerversamm- 
lung in Zwetl hatte Hofrath Becker einen Vortrag über das Waldviertel in 
alter und neuer Zeit und Landes-Ingenieur Rosner, einen über die Baudenk- 
male in 0. M. B. gehalten. 

Die Zahl der Mitglieder betrug am Anfang des Jahres 1874 1071 Mit- 
glieder. Davon sind im Laufe desselben 33 ausgetreten und 15 gestorben. 
Neu eingetreten sind 118 Mitglieder, so dass der Mitglieder-Stand am Ende 
des Jahres 1141, also um 70 gegen das Vorjahr mehr betrug. Von diesen 
1141 Mitgliedern gehören 310 dem Bürger-, 268 dem Beamten-, 166 dem geist- 
lichen und nur 6S dem Lehrer-Stande, 175 den Doktoren aller Fakultäten und 



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4ii 

den Männern der Wissenschaft an, 70 deu Grossgrundbesitzeru, 21 den Mili- 
tärs, 32 den Gemeinden, Schulen, Sparkassen oder sonstigen moralischen Per- 
sonen an. 1112 Mitglieder domicilieren in Niederösterreich, 29 ausserhalb 
Niederösterreich. 

Indem der Ausschuss schliesslich für alle Unterstützung und Förderung, 
die seinem Streben während des abgelaufenen Vereinsjahres entgegengebracht 
wurden, aufs wärmste dankt, sieht er dem Beginne des zweiten Decenniums 
mit freudiger Zuversicht entgegen. Diese Zuversicht, dasa bei der Fortdauer 
gleichen Wohlwollens und bei der Innigkeit der Liebe zum heimathlichen Boden, 
welche trotz unserer materiellen, geuusssüchtigen und rationalistischen Zeit- 
strömung doch noch Tausende durchglüht, wird dann keine vergebliche gewesen 
sein. Schon beginnen viele Kräfte in den verschiedensten Orten des Landes, wo es 
Etwas zu suchen, zu ordnen und zu arbeiten giebt, sich zu regen und zu rüsten oder 
beteiligen sich bereits lebhaft an der Arbeit. Der Verein hat sich in diesem ersten 
Decenium einen festen Boden erworben, über den das Fundament des Gebäudes 
bereits emporragt. Und wenn ein zweites Decennium abgelaufen sein wird, 
dann werden die Admiuistrativkarte und die Topographie von Niederösterreich 
abgeschlossen vorliegen, zwei Werke, die, wenn sie äuch nicht ganz vollkommen 
sind, doch mehr als den Bedürfnissen abhelfen. Aber auch die Blätter des 
Vereins werden im Wettkarapfe mit andern wissenschaftlichen Publikationen 
nicht zurückbleiben und der Mittelpunkt der wissenschaftlichen Leistungen 
im Gebiete der Landeskunde Niederösterreichs werden, und immer mehr wird 
sich dann die Ueberzeuguug Bahn brechen, dasa die Förderung der Geschicbto 
und jeglicher Kenntnis der Heimat auch der ganzen Geschichte und der Wissen- 
schaft vom Nutzen sei. 

Nachdem dieser Bericht verlesen war, stellte Se. Excelleuz Graf Hoyo s 
die Frage, ob Jemand aus der Versammlung zu diesem Berichte eine Bemer- 
kung zu machen habe. Hofrath Becker erbat sich das Wort. „Um ein mög- 
lichst vollständiges Material, 0 so sagte er, „für den II. Band der Topographie 
der das eigentliche topographische Material über die einzelnen Orte Nieder- 
österreichs bringen soll, zu erhalten, wurden Fragebogen entworfen. Es stellte 
sich als notwendig heraus, dieselben nach einem diesbezüglichen Aufrufe in 
den Vereinsblättern an jene VeieiuBmitglieder, die sich dazu bereit erklären, 
hinauszugeben. Wirklich haben ziemlich viele und treu erprobte Mitglieder 
diesem Begehren entsprochen, und so weit ich das eingelaugte Material geprüft 
habe, ist dasselbe zum grossen Teile vortrettlich. Ich erlaube mir daher 
den Antrag zu stellen: Es möge jenen P. T. Herren Mitgliedern unseres 
Vereins, welche die Topographie in so erfreulicher und hochsinniger Weise 
unterstützt haben und deren Namen dann in diesem II. Bande der Topographie 
reröifentlicht werden, der Dank der General- Versammlung ausgesprochen und 
derselbe in das Protokoll aufgenommen werde." (Bravo! Geschieht.) 

Da Niemand sich weiter zum Wort meldete, wurde über Antrag Se. 
Excellenz des Herrn Grafen Hoyos der Rechenschaftsbericht geneinigt. 

Hierauf legte der Rechnungsführer Herr Dr. Jos. Bauer den Stand der 
Einnamen und Ausgaben im Jahre 1874 dar, wobei er bemerkte, dass erstere 
wol hinter dem Präliminare zurückgeblieben seien, dass sich aber, da nach den 
ün Rechenschaftsberichte angeführten Gründen weniger publiciert wurde, kein 

4 



50 



Deficit ergebe. Der Stand der Einnainen und Ausgaben stellt sieb somit in 
folgender Weise dar: 



Einnamen: fl fr. 

Beitrage von 1141 Mitgliedern 2569 48 

Ausserordentliche Beiträge . 1005 — 

Vom n.-ö. Landesfonde 1000 — 

Von Sr. Excellenz dem Herrn Statthalter 1000 - 

Erlös aus der Administrativkarte . . 1233 61 

„ „ „ Topographie 1054 56 

Diverse Einnamen 123 34 

Kassarest von 1873 . 237 91 

Summe der Einnamen . . 8223 90 

Ausgaben, 

Gehalt des Sekretärs «00 — 

„ „ Kanzlisten 300 — 

Besoldung des Vereinsdieners 300 — 

Kosten der Administrativkarte 2322 90 

„ v Topographie 1797 — 

„ Vereinsblätter 2019 42 

Kanzlei-Auslagen 559 — 

Beleuchtung und Beheizung . 124 90 



Summe der Ausgaben . . 8083 22 

Von den Einnamen mit . . 8223 fl. 90 kr. 
abgezogen die Ausgaben mit 8083 ti. 22 kr. 
bleibt ein Kassarest von . ! 140 fl. 68 kr. 

An die daran geknüpften Auseinandersetzungen des Herrn Rechnungs- 
führers schliesst Herr Dr. G. Wolf die Anfrage, ob die erscheinenden Hefte 
der Topographie jedesmal an die Journale zur Besprechung gesendet werden, 
und empfiehlt im verneinenden Falle seine Anfrage dem Ausschusse. Dr. 
Bauer erwiderte, es sei das erste Heft wol in einzelnen Journalen besprochen 
worden, man warte aber, bis der erste Band abgeschlossen vorliege. Da 
Niemand mehr das Wort ergriff, wurde nach dem Antrage des Herrn Rechnungs- 
führers Dr. Bauer der Rechnungsbericht pro 1874 vorbehaltlich der nach- 
träglichen statutenmässigen Revision einstimmig angenommen und die 
Rechnungslegung genemigt. 

Hierauf schritt Dr. Bauer zur Begründung des vom Ausschusse aufge- 
stellten Voranschlages für das Jahr 1875. 



Einnamen. fr, 

Mitgliederbeiträge 2500 — 

Ausserordentliche Beiträge 1000 — 

Vom n,-ö. Landesfonde 1000 — 



Fürtrag . . 4500 - 



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51 



fl. kr. 

üebertrag . . 4500 — 

Von Sr. Eic. dem Herrn Statthalter 1000 — 

Erlös aus der Administrativkarte 1200 — 

„ „ „ Topographie 1200 — 

Kassarest yon 1874 ■ ■ 140 68 

Einnamen . . 8040 68 

Ausgaben. 

Gehalt des Sekretärs 600 - 

„ Kanzlisten 300 - 

Besoldung des Vereinsdieners 360 — 

Kosten der Administrativkarte 2250 — 

„ , Topographie 2250 — 

„ „ Vereinsblätter 1580 68 

Kanzlei-Auslagen 600 — 

Beleuchtung und Beheizung . 100 — 

Ausgaben . . 8040 68 



Dieser Voranschlag wurde einstimmig genehmigt. 

Hierauf fand die Wahl von drei Rechnungs-Censoren statt und fiel die- 
selbe auf Baron Wertheim, Dr. Zelinka und Landes-Oberbuchhalter L. 
Bako witsch. Zum Schluss erfolgte die Wahl von 7 Ausschussmitgliedern. 

Nach §. 19 der Statuten traten die im Jahre 1872 gewählten Herren 
A. Camesina R. v. Sanvittore, Dr. L. B. v. Karajan, Dr. F. Kenner, 
A. v. Perko und kaiserl. Batb A. Steinhauser aus dem Ausschusse aus. Da 
durch die Ersatzwahlen in früheren Jahren, wobei irrtümlich auch die Funktions- 
dauer von 3 Jahren immer zu Grunde gelegt wurde, die normalmässige Zahl 
der zu wählenden 6 Ausschussmitglieder bald vermehrt, bald vermindert wurde, 
so sah sich der Ausschuss veranlasst, von den im nächsten Jahre austretenden 
7 Augschussmitgliedern schon heuer eines durch das Los auszuscheiden. Das- 
selbe traf den Herrn Hofsekretär G. A. Schimmer. 



Von 51 abgegebenen Stimmzetteln erhielt 

Herr Hofsekretär G. A. Schimmer . . . 51 Stimmen 

„ Dr. L. R. v. Karajan 50 „ 

„ kaiserl. Rath A. Steinhauser ... 50 „ 

„ A. Camesina R. v. Sanvittore ... 49 „ 

„ Dr. F. Kenner 49 , 

„ F. A. v. Perko 49 



Die Übrigen Stimmen fielen auf die Herren Dr. A. Lind, Hauptmann 
Boeheim, Magistratsrath Böhm und H. Käbdebo. 

Damit war die Tagesordnung der General-Versammlung vom 29. Jänner 
1874 erschöpft. 



52 



Neu erschienene Blätter der Administrativkarte. 
Sektion Nr. 7. (F. 2.) Raabs. 

Diese Sektion enthält den gröbsten Teil des Gerichtsbezirkes Raabs mit 
den Orts-Gemeiuden Raabs, Oberndorf, Gr. Grunbach, Rossa, Ünter-Pertholz, 
Weikartschlag, Grossan, Modsiedl, Rabesreith, Zabenreith, Thürnau, Drosendorf, 
Elstern, Eibenstein und Kollmützgraben Vom Gerichtsbezirke Geras fallen die 
Orts-Gemeinden Zissersdort und Zedlitz auf dieses Blatt, lu kirchlicher Beziehung 
enthält dasselbe die zum Dekanate Raabs gehörigen Pfarren : Droseudorf-Eiben- 
stein, Niklasberg, Ober-Grünbach, Weikartschlag und die Lokalien: die Grossau 
und Zissersdorf. Ausserdem fällt ein Teil des angrenzenden Mähren in den Rahmen. 

Sektion Nr. 31. Mistelbacb. (L. 4.) 

Diese Sektion enthält Teile von allen vier Gerichtsbezirken, die zusammen 
die Bezirks-Hauptm. Mistelbach ausmachen. Vom Gerichtsbezirke Mistel- 
bach die Orts-Gemeinden: Stadt Mistelbach, Eibesthal, Wilfersdorf, Bullen- 
dorf, Erdberg, Höbersdorf, Kettlasbrunn, Ebendorf, Lanzendorf, Hüttendorf, 
Asparn an der Zaya, Siebenhirten, Hörersdorf und Frettingsdorf. Vom Gerichts- 
bezirke Laa die Orts-Gemeinden: Ehrensdorf, Staats mit Kautendorf, Enzersdorf, 
Waltersdorf und Ameis (mit Fölling). Vom Gerichtsbezirke Feldsberg 
die O.-G.: Poisdorf, Wilhelmsdorf, Kl. Hadersdorf. Wetzelsdorf, Ketzendorf 
und Walter Bkirchen. Vom Gerichtsbezirke Zistersdorf nur einen kleinen 
Teil der O.-G. Ebersdorf. In kirchlicher Beziehung gehören die auf dieser 
Sektion vorkommenden Seelsorgestationen alle zur Wiener Diöcese, aber zu 
verschiedenen Dekanaten, und zwar zum Dekanate Staats die Pfarren: Staats, 
Poisdorf und Walterskirchen, das Vikariat Ameis und die Lokalie Kl. Haders- 
dorf; zum Dekanate Laa die Lokalie Siebenhirten ; zum Dekanate Pirawartb 
die Pfarren: Asparn an der Zaya; zum Dekanat Wilfersdorf die Pfarren: 
Erdberg, Kettlasbrunn, Mistelbach, Wilfersdorf und die Lokalie Hüttendorf. 

Sektion Nr. 95. Göstling. (C. 10.) 

Aussser der Orts-Gemeinde Göstling (mit den Katastral-Gemeinden 
Lassing, Hochreuts Unter-Ips und Ips-Steinbach) uinfasst die Sektion noch 
Teile der Nachbargemeinden Lunz, Gr. Hollenstein (Griessau) und St. 
Georgen im Reith. Die zwei Pfarren Göstling und St. Georgen und die 
Lokalie Mendling bei Lassing gehören zum Dekanate Waidhofeu an der Ips 
(Linzer Diöcese). Im Süden erheben sich an der steirischen Grenze die Göst- 
linger-Alpen mit dem Hochkohr (1808 Meter hoch, von dem man bei 
heiterem Wetter durch den Ausschnitt des Ennsthales die Spitze des Gross- 
glockners sehen kann) und Kesselberg (1668 Meter hoch), östlich davon die 
zum Dürnsteinstocke gehörige Notenalpe (1621 Meter), nördlich davon die 
Voralpen: Königsberg (1451 Meter) und der Schieferthal erwald (1004 
Meter). Göstling selbst liegt schon 532 Meter über dem Meere. 



Auszeichnung. 

In den Vereinsblättern Jahrgang 1873 S. 223 wurde laut dem amtlichen 
Verzeichnisse der Aussteller bei der Wiener Welt-Ausstellung 1873 (S 474 
und 484), welchen von der internationalen Jury Ehrenpreise zuerkannt worden 
sind, den Vereinsmitgliedern bekannt gegeben, dass der Verein für Landeskunde 



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53 



von Niederösterreich sowol für die „S ch ulwandkarte," als auch für die 
„A drainistrativkarte" Verdienst-Medaillen erhalten habe. Anfang Februar 
d. J. wurden nun dem Vereine die zwei Verdienst-Medaillen sammt Diplomen 
durch die n. ö. Handel«- und Gewerbekammer zugesendet. 



Mitglieder. 

Seit 1. Jänner 1875 sind dem Vereine beigetreten: 

In Aspang: Paris Alois, Dr. jur., k. k. Notar. 

„ Böheimkirchen: Graf Leon Segur, k. k. Reservelieutenaut. 

„ Fünfhaus: Löbl. Bezirkslehrerbibliothek. 

„ Grinzing: Frln Ulrich Henriette, Lehrerin. 

„ Heiligenstadt: Frln. Horner Amalie, Industrielehrerin. — Frln. 
Lintemer Emilie, Lehrerin. — Frlr. Sagasser Adolfine, Lehrerin. 

In Kilb: Annerl Karl, Kaufmann. — Rauscher Franz, Volksschul- 
lehrer. — Specht Ernst, Arzt. — Steinhart Karl, Bürgermeister. — 
Tauchner Johann, Leiter der Volksschule. — Wurm Johann, Gastwirt. 

In Krems: Stingl Hanns, Dr. jur. Advokat. 

„ Mank: Aichinger Karl, k. k. Notar. 

„ Melk (Stift): Hochw. Ulbrich Hermann, Capitular. — Hochw. 
Krumhuber Constantin, Conviktspräfekt. 

In Nussdorf: Frl. Sagasser Jakobine, Lehrerin. 
„ Pressburg: Hoyos Graf von, Max. 

„ St. Pölten: Baltin Josef, Freih. von, k. k. Oberlieutenant im 
11. Jägerbataillon. — Bauer-Bargehr Franz von, k. k. n. o. Statthalterei- 
Concipist. — Hühl Anton, k. k. Oberlieutenant im 10. Jägerbataillon. 

In St. Veit (Ober-): Hochw. Eisterer Mathias, Cooperator. 

„ Scheibbs:Kichler Franz, k. k. Bezirkshauptmann. 

„ Schwarzenbach a. d. Gelsen: Hochw. Nowotny Eduard, Pfarrer. 
Stockerau: Löbl. Landes-Real-Gymnasium. 

„ Tuln: Seyfried Eduard, Dr. jur., Advokat. 

„ Waidhofen a. d. Thaia: Krueg Benno, k. k. Bezirkshauptmann. 

h Waidhofen a, d. Ips: Fuka Alois, Dr. jur, k. k. Notar. 

„ Wien: Bartnlme-Schrott, Vincenz, Redakteur. — Hochw. Don 
D r echsler Bartholom., Barnabiten -Ordenspriester und Cooperator. — Etterich 
Ludwig, k. k. Bauingenieur. — Hilgermann Josef, .Bürgerschullehrer. — 
Horn ick Ignaz, Spengler. — Kraft Josef, Lehrer. — L insingen Freiherr 
von, Georg. — Nowak Anton, Dr. jur., k. k. Gerichtsadjuukt. — Riiner 
Anton, Magi Staatsbeamter. — Schipp el Ferdinand. — Schmidt Konrad, 
k. k. Sektionschef und Präsident des evangel. Oberkirchenrathes. — Schneid 
v. Treuenfeld, Josef, k. k. Truchseis und Hofsekretär in der Kabinets-Kanzlei 
Sr. Majestät des Kaisers. — Schüller Joh. Nep., Dr. jur., Hof- und Gerichts- 
advokat. 

In Wiener-Nenstadt: Schmeisser Josef, Fabriksdirigent. 



I 



54 

Geschenk an die Vereinsbibliothek. 

Die Gemeinde- Verwaltung der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien 
in den Jahren 1871 bis 1873. Bericht des Bürgermeisters Dr. Cajetan Felder, 
Torgelegt dem Gemeinderathe im November 1874 Wien 1874 (Geschenk des 
Herrn Bürgermeisters). 



Vereinsabende. 

Freitag den 9. April: Die Klasse der Equisetaceen und ihr Vorkommen in 

Niederösterreich. Vom Universitäts-Professor Dr. H. W. 
Rei chardt. 

Der für Freitag den 2. April angesagte Vereinsabend entfallt 
eingetretener Hindernisse wegen. 



Briefe und Sendungen an den Verein erbittet man sich unter der Adresse: 

, Verein für Landeskunde von Niederösterreich." Wien, Herrengasse, 

Landhans. 



Die P. T. Vereinsmitglieder werden gebeten, Veränderun- 
gen der Wohnung oder des Wohnorte« dem S ekretär (Stadt, Herren- 
gasse, Landhaus) mitzuteilen. 

Die Redaktion. 



Verlag und Eigentum des Vereines. Redakteur : A. Mayer. 

Druck von C. Finsterbeck in Wien. 



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I 

t 



1 



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des 

Vereines 

für 

LandeskundevonNiederösterreich. 

Neue Folge. 

H - JahT S- Au W b. am 15. Juni 1875. **' 4 » 5 U " 6 - 

Inhalt. Hitteilangen: Der Maler Martin Jobann Schmidt, genannt der „Kremser Schmidt.* 
8ein Leben nnd seine Werke. Von Anton Mayer. — Das Schloss Schönbühel in 
Niederösterreich. Nach J. P. Keiblinger's Nachlas«, topogmphi n und historisch 
dargestellt von Prof. Ambros Heller. — Das Paradies am Uiederberg. Von Dr. Anton 
Kersch ban mer. — Der Hügel zn tJnterzögersdorf bei Stockeran. Eine archäolo- 
gische Untersuchung von Dr. Alois VVözl. — Erklärung einiger Ortsnamen. Beitrag 
zu einem historisch-topographischen Lexikon von Niederösterreich. Von Leon. K as pe r, 
Pfarrer in Dorfstätten. — Germanische Wohnsitze und Baudenkmäler in Niederöster- 
reich. Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen im Jahre 1874. Von Dr. Math. 
Much. — Zur Geschieht« des Zunftwesens in Niederösterreich. I. 8t. Pölten Aus dem 
Sailer'schen Nachlasse (Fortsetzung). Von Dr. A. II o ra w i t z. — Beiträge zur Kultur- 
geschichte Niederösterreichs in der Zeit Leopold des Heiligen (Fortsetzung und Scbluss). 
Von Prof. Ambros Heller. — Die lateinische Bürgerschule in Wiener-Neustadt. Von 
Prof. Ign. Pol zl. — Das Haus der „Juristenschule* in der Schulerstrasse in Wien. 
Von A. Cames i na K. v. Sanvittore, k. k. Regierungsrath. — Die Chronik der v 
Familie Beck von Leopoldsdorf. Von Dr. K. Lind. — Das DienstbotenweBen in 
Niederösterreich in alter und neuer Zeit und die Ordnungen für dasselbe. Von Dr. 
Jos. Bauer. — Das grosse Freischiessen in Wien im Jahre 1563. Besungen durch den 
Augsbnrger Pritschenmeister Lienhart Flexel. Von A. Cames ina K. v. Sanvittore, k. k. 
Kegierungsrath. — Vereinsleben: Neu erschienene Blätter der Adroinistativkarte. 
— Auszeichnung. — Spenden. — Mitglieder. — Geschenke an die Vereinsbibliothek. — 
8ommer-Versammlung. 



Mitteilungen. 

Der Maler Martin Johann Schmidt, genannt der 

„Kremser Schmidt." 

Sein Leben und seine Werke '). 
Von Anton Mayer. 
Es ist weder eine poesievolle noch eine schöne, aber eine freund- 
liche Gegend, in der inmitten getreidereicher Fluren, Wiesen und Gärten 
der Markt Grafenwörth am kleinen Kamp in geringer Entfernung von 

') Quellen: (De Luca) Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch. Wien 
H78. I. Bd. II T. p. 347 ff. Hormayr's Archiv für Geschichte u. s. w. 
Jahrg. 1825 p. 697 f. Schmidt, Oesterreichische Blätter für Literatur und 
Kunst, Wien 1844 (I. Jahrg. IV. Quartal) Nr. 78, p. 621 (in dem Aufsatze : 
Kunstschätze aus dem Gebiete der Malerei in Mähren von Dudik). Mich. 
Kunitsch, Biographien merkwürdiger Männer der österr. Monarchie. Graz 
1805. 3. Bändchen, p. 153—160. Samuel Bauer, Allgem. histor. biograph. 

5 



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5G 



dessen Einmündung in die Donau gelegen ist und deren Bewohner 
Feldbau und Obstpflege als ihre Hauptbeschäftigung betreiben. Früh schon 
wird ihrer und des hier ansässigen Herrengeschlechtes in Urkunden 
erwähnt x ). 

Im zweiten Jahrzehent des vorigen Jahrhunderts, als das nahe 
Krems und Stein noch mit trotzigen Ringmauern und Türmen, den 
Resten einer längst entschwundenen, kampfbewegten Zeit, eng umschlossen 
waren, lebte in einem bescheidenen Hause jenes Marktes der bürger- 
liche Maler und Bildhauer Johann S c h m i d t als Inwohner 2 ). Aus seiner 
Werkstätte giengen viele Arbeiten hervor, Gedächtnis- oder Martersäulen, 
wie sie damals auf Wegen und Rainen, in Feld und Flur häufig errichtet 
wurden, Kreuze und Heiligenstatuen, darunter auch gute Werke, wie 
die Beicht- und Chorstühle und das Tabernakel in der Stiftskirche zu 
Tiernstein 3 ). 



literar. Handwörterbuch aller merkwürdigen Personen, die im ersten Jahr- 
zehent des XIX. Jahrb. gestorben sind. Ulm 1816 II. Bd. p. 424. Intelligenz- 
blatt von Salzburg. Jahrg. 1802 (Stück 3 p. 44 und Stück 7 p. 105). Benedikt 
Pill wein, Biographische Schilderungen oder Salzb. Lexikon p. 210. Oesterrei- 
chische National-Encyklopaedie. 1835. III. p. 289. Füessli, Allgem. Künst- 
lerlexikon 1810 p. 1516. Nagl er, Neues, Allgem. Künstlerleiikon XV. p. 349. 
J. Meyer, das grosse Conversationslexikon II. Abt. VII. Bd. p. 1088. Nr. 37. 
Dr. Const. Wurzbach, Biograph. Lexicon. XXX. Franz Tschischka, Kunst 
und Altertum in dem österreichischen Kaiserstaate. Wien 1836. Blätter aus 
Krain. Beilage zur Laibacher Zeitung. III. Jahrg. 1859. p. 156, 159 f. 162. 
178 ff 182 ff. 191 ff. (Sämmtliche Artikel von Prof. Vo;nbanck). Carniola 
(Laibacher-belletristisches Blatt) II. Jahrgang, 1839/40, p. 416. Kremser 
Wochenblatt. XI. Jahrg. 1866 (Nr. 12 u. 13) mit dem Aufsatze von Prof. 
Ed. Kurz: Marl Joh. Schmidt, gen. der „Kremser Schmidt". Biogra- 
phische Skizze. Dr. Gust. Scheiner Graz. Ein naturhistor. statist. topograph. 
Gemälde dieser Stadt und ihrer Umgebungen. 1843, p. 270. 

l ) Die Familie der Grafen werder in Hoheneck'* Geneal. L 315. III. 
129. 334. — 1249 Engilmar v. Grafenwerd in Chmel'a Geschichtsforscher II. 550, 
Filz bist, michaelbur. — 1280 (*/«) Fontes XI. 223. — 1313 Otto v. Gr. in Lang's 
Reg. V. 241. — a. 1344 v "/ 6 ) Saul de Gr. 1. c. VIII. 17. 

*) „Pilthauer und Inwohner allda." Nach dem Trauungsbuch der Pfarre 
Krems, dd. 9. Juni 1744 und dem Taufbuch der Pfarre Grafenwörth 1718. 
Leider ist in keinem Protokoll eine Hausnummer angegeben, sonst wäre schon 
eine Gedenktafel an dem betreffenden Hause angebracht worden. 

8 ) Dieses Tabernakel ist eine ganz originelle Komposition. Es stellt 
einen Globus von beinahe 4' Durchmesser vor, in Felder geteilt, welche im 
vergoldeten Holzschnitzwerk die Lebensgeschichte Jesu enthalten. Das vordere 
Feld zeigt uns die Religion mit Emblemen, darunter die Worte: „Sacer- 
dotes Dei estote memores ad altare Dei Hieronymi Praelati peccatoris maximi 
1726. Den Aequator bezeichnet ein handbreiter silberner Gürtel, auf welchem 



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57 

Es wird nicht lange vor dem Jahre 1714 gewesen sein, als Johann 
Schmidt aus der reichsfreien Stadt Frankfurt, wo er 1689 geboren 
war 1 ) und sein Vater Bernhard Schmidt die Binderei in der sogenannten 
Binderstadt oder dem Binderviertel a ; betrieben hatte, nach Oesterreich 
eingewandert war. 

In jenem Jahre 1714 hatte er sich am 27. November mit Katharina 
Pa n mg a r t n er , Tochter des fürstl. T r a u t s o n'schen Hofgärtners Thomas 
Paumgartner in Schloss Friesing nahe St. Pölten 3 ), vermählt 4 ) und 
lebte seitdem mit ihr in einer glücklichen und zufriedenen Ehe. Während 
er in seiner Werkstätte meisselte, schnitzte oder malte, waltete sie als 
tüchtige Hausfrau in ihrem Kreise, in Haus und Familie. 

Dies waren die Eltern unseres „Kremser Schmidt", der am 
25. September 1718 zur Welt kam und in der Kirche zu Grafenwörth 
auf die Namen Martin Johann getauft wurde 5 ). 



heil. Orte in Paliistina topographisch dargestellt sind; zwischen zwei Land- 
schaften ist immer der Name eines Apostels verzeichnet. Darüber und unten 
sind Schriftteite. Schwe ick hart, Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich 
unter der Enns 0. M. B. III. p. 134. 

*) Nach dem Grabstein an der Kirche zu Mautern. 

*) Im Mittelalter zogen die gleichen Gewerbe in Strassen oder Stadt- 
riertel sich zusammen und gaben diesen dann die Namen. Die durch starkes 
Getöse oder üblen Geruch lästigen Gewerbe mussten diese» um so eher thun 
und sich mehr gegen die Peripherien der Stadt zu aufhalten. So gab es in Frank- 
furt a. M. eine Bindergasse, Pintstatt, Binderstätte. Vergl.Oertl. Beschreibung 
der Stadt Frankfurt am Main. Von Joh. G. Batton. III. Heft 1864, p. 295 f. 

*) „Friesing (0. W. W.), Schloss und Gut des Fürsten von Traut söhn, 
mit der Herrschaft Goldeck vereinbart über der Trasen, hinter* St. Pölten.** 
P. W. Weiskern. Topographie T. I. p. 178. Schweickhardt, 0. W. W. 
VIII. p. 84. Kirchl. Topographie VII. 175 f. 321. Das Schloss war mit einem 
Wassergraben umzogen und wurde im Anfang dieses Jahrhunderts abgetragen. 

*) In den Pfarrmatriken der Pfarre Grafen Wörth heisst es: „sponsus: 
Joannes Schmidt, bürgert. Bildhauer allda, ehelicher Sohn des Bernhard 
Schmidt, „ain Pindter zu Pinstatt aus Frankfurt." sponsa: Katharina Paum- 
gartnerin, Tochter des ehrsamen Thomä Paumgartner, Hofgärtners zu Friessing 
jenseits der Donau". 

5 ) Nach dem Taufbuch der Pfarre Grafenwörth, Jahrg. 1718. p. 328. 
und dem Sterbebuch von Grafenwörth, Jahrg. 1724 und 1726. 

Ueber seinen Geburtsort finden sich Widersprüche bei Schweick- 
hardt, Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich 0. M. B. II. Bd. p. 62 
wo es heisst: „geb. in Krems," und im II. Bd. U. M. B. p. 170 „geb. in 
Grafenwörth«, und in Fuessli's Allgem. Künstlerlexikon (1810) 1. c, welcher 
schreibt: „geb. in Grafenwörth" und am Schlüsse desselben Artikels „ge- 
storben in seinem Geburtsort Krems (!), wo er auch meist sein Leben zu- 
brachte". Bei Fr. Tschischka L c. p. 396 ist als Geburtstag der 22. Sep- 

5 * 



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58 



Da er nicht der Eltern einziges Kiud war — er war das zweite 
von fünf Geschwistern, zwei Knaben und drei Mädchen, von denen aber 
zwei Mädchen in der frühesten Kindheit starben *) — gab es im Hause auch 
viele linde Frühlingstage der Elternfreude. Das Familienleben beruhte auf 
einer einfachen und biederen Gesinnung, auf Zucht und Sitte und einer uner- 
müdlichen Thätigkeit; namentlich war die Mutter in ihrem frommen Gemüte 
stets besorgt, neben anderen Tugenden religiösen Sinn schon früh in den 
Kindern zu wecken. Solche Jugendeindrücke bleiben meist unvergesslich und 
auch in Martins jugendlichem Herzen hatten sie festen Grund, so dass es 
uns nicht wundert, wenn sie später in seinem Leben wie in seiner Kunst edle 
Früchte trugen. Als er der ängstlichen Muttersorge entwachsen war, durch- 
lebte er unverdorben und un verzärtelt so recht die frische, fröhliche Jugend 
eines Dorfkindes, das in Gottes freier Natur aufwächst, in Feld und 
Garten, im Hofe und in der Scheune, in der Hausflur wie in des Vaters 
Werkstätte den Tummelplatz seiner Spiele und Launen findet, aber früh 
auch den Segen einiger Bildung empfangt. Wir werden kaum inen, 
wenn wir annemen, dass Martin nach Art fähiger Kinder dabei lebhaft und 
aufgeweckt gewesen. Als er so weit herangewachsen war, wo es heisst> 
Fibel und Schiefertafel zur Hand zu nemen, besuchte er die Schule seines 
Geburtsortes. Der Unterricht war bei den damaligen Schulverhältnissen 
einfach und dürftig; mag auch die Schule zu Grafenwörth besser, als die 
umliegenden Dorfschulon gewesen sein, mag der Lehrer K ö n i g 1 mehr 
geleistet haben, als andere Lehrer; so wäre doch Martin's Unterricht ein 
zu mangelhafter gewesen, hätte nicht der Vater durch eine weise und 



tember angegeben. Bei Nagel und andern, die ihm nachgeschrieben haben, 
heisst unser Meister Martin Joachim, statt Martin Johann. Martin Job. Schmidt, 
der Kremser Schmidt, ist auch nicht mit dem Maler Johann Martin Schmidt 
zu verwechseln, der ursprünglich ein Schuster war nnd später viele Landschaften 
malte, jedoch ganz unbedeutende Werke schuf. Wurzbach 1. c. sagt von 
ihm trefflich: „Er malte wie man Schuhe und Stiefel wichst, ein Dutzend per 
Stunde." De Luca nennt diesen Landschafter Franz Michael (Nag ler p. 207 
lässt ihn in Grafenstein bei Krems geboren sein und hält ihn znm Schluss 
mit Johann Bf artin Schmidt kaum für eine Person!) und giebt ihn für einen 
Bruder unseres Martin Johann Schmidt aus. Nach den authentischen Belegen 
in der nächstfolgenden Anm. hatte er aber nur einenBruder, Johann Andreas 
geheissen. Füssli lässt ihn wieder aus Linz abstammen und verwechselt ihn 
im Laufe seines Artikels mit dem Kremser Schmidt. 

*) Kinder des Johann Schmidt und der Katharina waren: Johann An- 
dreas, geb. 23. November 1715. Johann Martin, geb. 25. September 1718; sein 
Pathe war „Martinus Schriedtwieser u , viduus allda. Marie Elisabeth, geb. 7. 
November 1720. Maria Anna, geb. 15. Jänner 1723 (f 24. Jänner 1724). Anna 
Maria, geb. 23. November 1724 (f 1. Februar 1726). 



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59 



kräftige £rzielmng eingewirkt, für die Bildung ein Uebriges gethan, und 
mit ihm in der Dämmerstunde nach der Arbeit Mühen Versäumtes 
nachgeholt, Lücken ergänzt. 

Als er die Schule verlassen hatte, waren die letzten Spuren einer 
glücklich verlebten Kindheit mit ihren fröhlichen Spielen entschwunden; 
der Ernst des Lebens trat zum ersten Mal an ihn heran, als er sich 
entscheiden sollte, wozu er Lust und Neigung habe, als seine Lehrzeit 
begann. Der Vater nahm ihn jetzt ganz zu sich in Unterricht, 
lehrte ihn Zeichnen und Mathematik, nebenbei auch die ersten Hand- 
griffe in der Bildnerei. Wenngleich in Martin's Brust die Liebe zur 
Kunst flammte, wenngleich er freudig und wissbegierig den Weisungen 
des Vaters folgte, der Bildhauerei wollte er sich aber nicht zuwenden, 
denn der Sinn für Linie und Farbe war in ihm stärker, als der plastische. 

Der Vater übergab ihn daher dem Gottlieb Starmayr, einem 
Schüler Strudels 1 ), damit er im Zeichnen tüchtig ausgebildet würde. 
Fünf Jahre gieng er, wie Nagel sagt, in dem Hause dieses Mannes, über 
dessen Leben und Künstler-Thätigkeit wir nicht viel zu erforschen ver- 
vermochten, aus und ein, lernte und übte sich fleissig und zeigte schon 
damals viel Talent für Komposition. Aber die Beziehungen von Meister 
und Schüler scheinen nach einem urkundlichen Belege von längorer Dauer 
gewesen zu sein; vielleicht war Starmayr der Lehrer Schmidt's auch in 
der Technik der Malerei. 

Die folgenden Jahre — und gerade diese wären als die Lehrjahre 
zur Beurteilung Schmidt's von grösster Wichtigkeit — sind uns so wie 
gar nicht erschlossen und wir sind nicht im Stande, dieses Dunkel 
mehr zu erhellen. Wie gerne möchten wir erfahren, wie er seine Aulagen 
ausbildete ? Wer ihm die Mittel dazu verschaffte ? Wer noch ausser 
Starmayr seine Lehrer und welcher Art seine ersten Versuche waren ? Wie 
er zu hervorragenden Künstlern in Wien in Beziehung stand u. dgl. m. 
Da bleibt denn nichts anderes übrig, als uns der schwankenden Brücko 
der Vermutungen anzuvertrauen,um so wenigstens zu einiger Wahrschein- 
lichkeit zu kommen. Seine genaue Bekanntschaft mit der Bibel und der 
Heiligenlegende, auch die Kenntnis der alten Geschichte und die Anwen- 
dung lateinischer Inschriften mit einem Chronographicon bei seinen 

*) Peter Freih. v. Strudel war um 1660 (nach der Oesterr. Nat Encykl. 
V. 225 am 28. Mai 1648) zu Cles auf dem Nonnsberg in Tirol geboren und 
als kais. Hofmaler und Direktor der kais. Akademie 1717 gestorben. Von 
ihm sind unter andern Bildern in Wien : Die 2 Seitenaltarbilder der Hofkam- 
merkapolle, das Hochaltarbild (St. Sebastian und Rochus) in der Kirche auf der 
Landstrasse, das Hochalterbild (St. Laurenz) in der Schottenfelderkirche. Fr. 
Tech ischka 1. c. pag. 3, 18, 21. F u e ss 1 i, 1. c. I. 634. N agier 1. c. 



60 

Fresken lassen schliessen, dass er in dieser Zeit einen tieferen Unterricht ge- 
noss, wenn auch sein meistes Wissen aus eifrigem Selbststudium stammte. So 
weit die Matrikel der Malerschule der k. Akademie der bildenden Künste, die 
seit ihrem Wiedererstehen 1726 vom Maler van Schuppen 1 ) geleitet 
wurde, vorliegen, kommt sein Name darin nicht vor, was immer nicht 
ausschliesst, dass er ihr Schüler gewesen ; aber dem Zweifel bleibt doch 
ein ziemlicher Spielraum. Auch dafür haben wir keine Beweise, dass 
er nach Italien gegangen sei, um dessen Meister des XV. und XVI. Jahr- 
hunderts an den Stätten ihres Lebens und ihrer unsterblichen Werke selbst 
tu studieren, obgleich ihn die Sage mit Altomonte nach Italien 
ziehen lässt. Dazu dürften ihm aber die Mittel gefehlt haben, und so 
blieb ihm unerfüllt das Wort des Dichters: 

„Gelobt sei Gott! die Stunde ist da, 

Den Wanderstab in die Hand! 

Zu Dir hin geht's Italia, 

Du hochgelobtes Land!" 
Was wäre aber aus ihm und einem Rafael Donner geworden, 
wenn es ihnen gleich Winkelmann gegönnt gewesen wäre, Italien zu 
schauen! Die Werke klassischer Kunst sprechen dort, wo der ernste 
Giotto, der innige Fiesole, der gewaltige Michel Angelo, der 
philosophische Rafael und die Meister des Colorits gewandelt sind, sprechen 
unter dem lachenden Himmel Italiens, unter der stimmungsvollen Um- 
gebung ganz andere zu den Jüngern der Kunst. Höher schwellt sich ihnen 
dort die Brust, höher fliegt gleich dem Adler zur Sonne der Geist, und „Sinn 
und Gefühl entwickelt sich", wieGöthedem jungen Cornelius sagt, 
„immer glücklicher, um im Grossen und Schönen Üas Bedeutende 
und Natürliche mit Bequemlichkeit aufzulösen und darzustellen." — 
Schmidt hat also voll guten Glaubens auf seine eigene Kraft und sein 
Talent und vielleicht durch die Teilname von Kunstfreunden und Meistern 
angeeifert seine eigenen Wege der Ausbildung eingeschlagen und die Meister 
italienischer Malerei hauptsächlich nur nach Stichen und in den Galerien 
Wiens studiert. Wie er zu den damals in Wien und Niederösterreich leben- 
den Künstlern van Schuppen, Belucci, Fanti, Altomonte, Paul 

Troger, le Gran u. a. in persönlichen Beziehungen gestanden, ob er 


*) Jakob van Schuppen war 1669 zu Antwerpen geb. und 1751 
als k. k. Kammermaler und Direktor der kais. Akademie gestorben. Das Hoch- 
altarbild bei den Salesianerinen, ein Seitenaltarbild (der h. Lucas, wie er 
Maria malt) in der Karlskirche in Wien und zwei Seiteualtarbilder (h. Bar- 
tholomäus und Judas Thaddäus) in Hernais sind Werke seiner Hand. Fr. 
Tschischka l. c. pag. 18, 19, 62. Fuessli 1. c. II. 1564. Nagler I.e. Oest. 
Nat. Encykl. IV. 607. 



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Gl 



ihren Unterricht genossen und sie, als er in seiner Kuust weiter vorge- 
schritten war, auch etwa bei ihren Werken unterstützte, wer kann es heute 
mit Bestimmtheit angeben ? Wenn aber die österreichische National-Ency- 
klopädie sagt : „Ohne je eine Akademie besucht, Reisen unternommen 
oder auch nur grosse Muster vor Augen gehabt zu haben, bildete er sich 
ganz aus sich selbst", so gehen diese Worte doch viel zu weit und sind 
nur „cum grano salis u zu nemen. 

Abgesehen nun davon, dass ihn die Tradition einen Schüler Alto- 
monte's nennt, ihn später noch einmal mit demselben im Kloster 
Langegg zusammenkommen lässt, so ist kaum zu denken, dass er ohne 
Vorbilder und Anleitung sich so weit entwickelt hätte, und es gewinnt der 
Verkehr mit dem einen oder dem andern der früher genannten Meister an 
einiger Wahrscheinlichkeit. Auch hat die italienische und französische Malerei, 
wie sie durch zu seiner Zeit noch lebende Künstler dieser Richtung in 
Wien ausgeübt wurde, oder in Gemälden vertreten war, auf ihn zu 
lebhaft eingewirkt, wie denn die Mängel und Fehler dieses Styls in 
seinen Werken sich widerspiegeln. Auch dürfen wir nicht übersehen, dass 
Schmidt in den Stiften und Klöstern, in denen er beschäftigt war, 
manche Gelegenheit fand , ihre Sammlungen mit den Radierungen 
der besten Meister und ihre oft guten Altarbilder zu studieren. Besonders 
die reiche Kupferstichsammlung des Stiftes Göttweig konnte ihm, seit er sich 
in Stein aufhielt, bei seinen Studien eine wahre Fundgrube werden *). Und 
dass er alte Meister, wie Rüben, Rembrandt, Gastiglione u.a. 
nach ihrer Komposition und nach der Technik der Radierung genau kannte, 
wird aus der Darstellung seiner Werke sich ergeben. 

Im Jahre 1741 finden wir Schmidt, der schon mit 19 Jahren 
viele Fortschritte gemacht hatte, in Retz, wo er mit dem Maler Gottlieb, 
der wol kein anderer sein dürfte, als der oben erwähnte Lehrer Schmidt's, 
Gottlieb Starmayr, an der malerischen Ausschmückung des Rathssaales thätig 
ist. Von Schmidt sind hier die Brustbilder der römischen Kaiser, wie 

l ) Der nicht nur in der Wissenschaft ausgezeichnete, sondern auch 
kunstsinnige Abt Bossel hatte eine Kupferstichsammlung angelegt, für 
welche er vortreffliche Stücke, namentlich der deutschen, weniger kostbare 
dagegen der niederländischen und italienischen Schule erwarb. Diese 
Sammlung wurde von den Aebten Magnus Klein und Altmann Arigler 
noch erweitert. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Schmidt diese Sammlung 
genau kannte und studierte. Leider raubte bei dorn Einfall der Franzosen, 
der Wirtembergische Hauptmann Freiherr v. Gaisberg 199 der besten Num- 
mern (darunter 14 Kupferstiche und 18 Holzschnitte Dürers, 4 Cranach, 11 
Schongauer, 5 Lucas v. Leyden, alle 34 Waterloo, 25 Rembrandt, 3 Cal- 
tara, 3 Castiglione, 7 Kupferstiche nach Rafael, IS nach Rubens u. s. w.). 



62 



er auch die in diesem Saale befindlichen Bilder K. Ferdinand II. und 
seiner Gemahlin renovierte *). 1745 ist er in Stein, wo er sich seitdem die 
meiste Zeit, ausser wenn er anderwärts Arbeit hatte, aufhielt und Altar- 
und Staffeleibilder für die Kirchen der nächsten Umgebung malte ; wol 
besass er hier in den ersten Jahren noch nicht so volle Herrschaft, 
wenigstens malten neben ihm auch Johann Georg Schmidt 2 ) und 
1 e Gran (von ersterem stammt die Plafondmalerei des Dechanteihofes 
[1747], von letzterem sind die Fresken des Kapuzinerklosters [1756]). 
— Es wird erzählt, dass er in einem kleinen Hause neben der Berglehne 
wohnte 3 ), nicht weit entfernt von seinem Vater, der nach dem Tode 
der Mutter Martins von Grafenwörth weggezogen war und sich am 9. 
Juni 1744 zum zweitenmale mit Anna Maria Tax aus Graz im Ferthof 
bei Stein verehelicht hatte 4 ). 

Schmidt fand mit der Zeit viele Beschäftigung. In einer Kirchen- 
rechnung des Jahres 1745 über den Bau des Johannes-Altares in 
Krems erscheint er mit dem Empfange von 11 Dukaten, welche ihm 
für die Herstellung der drei inneren Felder in der Kapelle und der Basreliefs 
ober derselben bezahlt wurden 5 ). 1753 malte er sein ältestes Bild in 
Stein, nämlich die Fresken über dem Brücken- oder Wassertor und 1755 
entstand eines der schönen Altarbilder iu Maria Taferl, wofür er 1000 fl. 
erhielt, ausserdem malte er auch für Private; so soll ihn eine gewisse 
Frau Kollndorfer über Jahr und Tag in ihrem eigenen Hause 
beschäftigt haben. Das brachte ihm einiges Geld zu, zumal er nebenbei 
den Handel mit Kehlheimer-Platten betrieb. Er konnte sich also schon 

l ) J. K. Puntschert, Denkwürdigkeiten der Stadt Retz, 1870. p. 77. 
Ratiisprotokoll Nr. 33 Fol. 157 (Rathssitzung v. 12. September 1740) : „Mit 
dem Maler Gottlieb ist wegen Malung der Rathsstube ohne weiteres der 
Stadt Endgeld vor alles 20 species Dukaten accordirt- worden" ; und in den 
Kammeramtsrechuungen v. 1740 heisst es: „Herr Martin Schmidt und seinem 
Herrn Kameraden wegen Malung des Rathsstuben-Gewölbes accordirten Massen 
zu Folge Quittung Hr. 10 bezahlt 82 fl. 4 kr. u Die beiden Künstler arbeiteten 
also gemeinschaftlich im Winter von 1740—41. Die Quittung über die Kaiser- 
bilder ist von Schmidt am 18. Februar 1741 ausgestellt. 

*) Es kommt vor, dass Werke dieses Meisters dem Martin Johann 
Schmidt zugeschrieben werden, wie z.B. einige Bilder im Stifte Alten- 
burg u. a., und umgekehrt. Es ist dies auch eine der nicht wenigen Schwierig- 
keiten, wenn es sich darum handelt , dio Werke unseres Meisters zu konstatieren. 

*) An heiteren Tagen hatte Schmidt seine Staffelei, wenn er kleinere Bilder 
malte, an dieser Berglehne aufgerichtet, während er grössere Altarbilder in 
dem Schoppen eines vis-ä-vis gelegenen Weinhauerhauses malte, an dessen 
Stelle heute das gräflich Aichelburg'sche Haus steht. 

*) Kremser Trauungsbuch v. 1744. „Johann Schmidt kopuliert am 9. 
Juni 1744 in Ferthof bei Stein." 

6 ) Jos Kinzl. Chronik der Städte Krems und Stein. 

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63 



1756 das neben dem Brücken- oder Wassertor stehende Haus Nr. 172 
(heute 192) kaufen, das damals noch freier stand und eine hübsche Aus- 
sicht auf die Donau hin hatte. Er ist laut Gewerbuch allein an die Gewer 
geschrieben scheint mithin noch nicht verheirathet gewesen zu sein. 
Dauernd hat er sich hier aber erst zwischen 1758 und 1859 nieder- 
gelassen. 

Um diese Zeit wird er sich mit Klisabet Müller verheirathet haben, 
von der man nicht ohne Grund bezweifelt, dass sie eine Schuilehrerstochter 
aus Grafenworth gewesen sei. Damals gab es in Grafenwörth keinen 
Schullehrer dieses Namens; auf den oben erwähnten Königl folgte 
Christof Grabmayr. Dass Schmidt's Frau eine Schuilehrerstochter 
gewesen, ist schon darum nicht leicht anzunemen, da sie in einem 
gerichtlichen Akte*) mit einem Kreuz unterzeichnet und ein erbetener 
Namensfertiger ihre Unterschrift beisetzt, was von einer Schuilehrerstochter 
selbst in jener Zeit doch nicht recht glaubwürdig erscheint Wo 
Schmidt geheirathet hat, und wo ihm sein erstes Kind Thekla 
geboren wurde, konnte bis jetzt nicht eruiert werden. In den Trauungs- 
und Taufbüchern von Grafenwörth, Krems und Stein findet sich keine 
Spur davon. Manche Unklarheit würde sich beseitigen, manche Lücke er- 
gänz .n lassen, wenn es gelänge, den Trauungsschein aufzufinden. 

Mittlerweile war sein Vater vom Ferthof nach Mautem gezogen, 
wo er am 28. Juni 1761 im 73. Lebensjahre starb. Er ruht auf dem 
Friedhofe daselbst und eine von seinem Sohne angefertigte Gedenktafel 
neben der Kirchentüre giobt noch in schlichten Worten die Kunde s ) 
von seiner Grabesstättc. Seine Witwe Anna Maria überlebte ihn gegen 



*) Gewerbuch Nr. 1 von Stein. Fol. 76 und Fol. 8. Im Grundbuche 
der L f. Stadt Stein v. J. 1716 angefangen erscheinen folgende Besitzer die- 
ses Hauses: „Philipp Schober, Regina uxor, dann Regina Schoberin (allein); 
dann Mart. Johann Schmidt (allein). Im Gewerbuch heist es: „Martin 
Schmidt bürgl. Maler dahier empfangt allein ruehige Nuz und gewöhr, um 
eine behausung zwischen dem oberen Stadt Thor, und des Leopold Hierlniayr 
Behausung auf der Bergseiten gelegen, woevon mann Jahrl: an Tag S. Martini 
su Gmr. Stadt Stein Grundbuch 5 d. dient, und nicht mehr, worumber vorhin 
die Regina Schoberin allein Nuz und Gewöhr gestanden, nun aber sothanne 
behausung durch Kauf an Ihre eingangs gedachten Gewöhrnehmer gedint ist. 
Mag demnach darmit handien wie Grundbuchs Recht und Gewohnheit ist. 
Aetum Stadt Stein den 11 9ber 1756. zahlt Gewöhr Geld 1 fl. 30 kr. 

a ) Verlassenschaftsakten aus dem Jahre 1801. 

•) Im Taufbuche von Stein, ddto. 4. Februar 1760 (p. 144), erscheint er 
noch einfach als „bürgerlicher Maler", im Jahre 1761 (p. 153) aber als „Mit- 
glied des äusseren Rathes der Stadt Stein". 



64 



10 Jahre (t 4. Februar 1771). Im selben Jahre 1761 wurde Martin 
Schmidt wegen seiner Verdienste um die Stadt Stein Mitglied des 
äusseren Bathes 1 ). Er stand jetzt im schönsten Mannesalter und in den 
Meisterjahren seiner Kunst. Mit der Zahl seiner Werke stieg auch die 
Bedeutung seines Namens und die grossen Altarbilder in Schwechat, 
Stein, Maria Taferl, die damals aus seinem Atelier hervorgiengen, fanden 
wie jene in Steiermark, Oberösterreich, Krain, Salzburg und anderwärts 
die vollste Anerkennung. 

Sein Streben war nun dahin gerichtet, wirkl. Mitglied der kais. 
Akademie der bildenden Künste zu werden, wie solche seit 1755 ernannt 
wurden. Der Vorschrift gemäss schickte er 1767 seine Aufnamsstücke ein, 
die von dem akademischen Käthe geprüft und als vorzüglich anerkannt 
wurden. Am 6. April 1768 erhielt er gebührenfrei das akademische 
Diplom mit dem Rechte, von aller Gewerbesteuer und Innungsverbind- 
lichkeit frei mit so viel Gehilfen, als er nötig habe, zu arbeiten und 
sich mit dieser Freiheit in allen kais. Erblanden niederzulassen, wo es 
ihm beliebe. Die Aufnamsstücke waren zwei Oelgemälde, die heute noch 
in der Gallerie der kaiserlichen Akademie der bildenden Künste sich 



Sie sind in einem alten Verzeichnisse benannt: Ovidische Fabeln; 
das eine stellt dar: den Schiedsspruch des Königs Midas zwischen Apoll 
uud Marsias. Das mit einer annektierten Kennermiene stolze Entscheiden 
des Königs, " so heisst es daselbst, „dann des Marsias innigstes Selbst- 
vergnügen, so nur aus der möglichsten Unwissenheit entspringen kann, 
und der verächtliche und abwürdigende Blick des Musengottes machen 
den angenemsten Kontrast. Die Gruppe ist wol überdacht, die Inkar- 
nation lebhaft und die Färbung überhaupt in sanfter Harmonie. Das 
andere Bild stellt Vulcan's Schmiede dar. Im Hauptlichte zeiget sich 
Venus mit Amor, im Halbschatten der Waffenschmied und in der Tiefe 
sind die Cyklopen. Fast vom gleichen Verdienste mit dem vorigen" 3 ). 
— Aber noch eine Auszeichnung ist Schmidt im Jahre 1768 zu Teil 



*) „Hier liegt im Grab Herr Johann Schmid | seine Kunst lebt noch, 
der Meister nicht | Doch seine todte Asche spricht | Zu dir, o Mensch: Wo 
jetzt ich bin | Wirst du auch hiugehen, denk wohin? j welcher anno 1761 
den 28. Juni im 72. Jahre und 6. Monate verschieden ist. Gott gebe ihm und 
allen christgläubigen Seelen die ewige Ruhe und Seligkeit." 

*) A. Weink opf, Beschreibung der k. k. Akademie der bildenden Künste, 
Wien 1783 p. 40. In der öst. National-Encyklopädie und in anderen Werken 
ist als das Jahr der Aufname irrig 1763 angegeben. 

3 ) A. Weinkopf L c. p. 69. 




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65 

geworden, wenn es sich bewahrheitet, dass er das Bildnis der Kaiserin 
Maria Theresia malte, welches so sehr gefiel, dass er dafür die grosse 
goldene Medaille sammt der goldenen Kette erhielt, mit dem Rechte, sie 
auch zu tragen. Sein Schüler Anton Mayer besass einen Brief von 
Schmidt, worin dem Meister einer seiner Freunde zu dieser Auszeich- 
nung Glück wünscht. Doch machte er, wie erzählt wird, in seiner 
Bescheidenheit wenig Aufhebens davon und trug diese Medaille nicht, 
sondern hielt sie sorgfaltig in einer Schachtel aufbewahrt und zeigte sie 
nur seinen besten Freunden auf deren ausdrückliches Verlangen. Das 
Bild kam, wenn sich die bisherigen Nachforschungen bestätigen, nach 
Schlosshof und von da nach Schloss Mattighofen in Ober-Oesterreich, 
wo es sich heute noch befindet. 

Damit hatte S c h m i d t die höchste Euhmesstufe erreicht. Aber er wollte 
die Auszeichnung der Kaiserin nicht benützen, um dadurch die Gunst 
der Adelskreise zu erlangen, hier das Feld seiner ferneren Wirksamkeit 
zu suchen. Eine vornemere Stellung, die er jetzt hätte erreichen 
können, hatte für ihn nichts Verlockendes; anspruchslos in allen Bezie- 
hungen des geselligen Lebens, zog er die Unabhängigkeit seiner Existenz 
jeder andern äusserlich glänzenden Lage vor, gieng wieder nach der 
kleinen Landstadt Stein zurück und blieb, was er war, der einfache 
Malermeister. 

Auch war er nach seiner harmlosen Natur weder geneigt noch geeignet, 
sich eine solche glänzende Stellung zu erringen, seine Anerkennung noch zu 
erhöhen, sondern still und zufrieden weilte er lieber zu Hause „und strebte 
über die engen Grenzen seines Lebens und seiner Wirksamkeit nicht hinaus". 
Zahlreiche Bestellungen liefen jetzt von allen Seiten ein, aus Polen, Ungarn, 
Mähren, Baiern, Oberösterreich, Steiermark, Krain, Salzburg; auch in 
Niederösterreich entstand jetzt die grössere Zahl seiner Altarbilder, dar- 
unter seine besten Werke. Mit rastlosem Fleiss und staunenswerter Schnel- 
ligkeit arbeitete er daran. Da kam denn auch des Herrn Segen über 
ihn, sein Wohlstand wuchs und er konnte ein glückliches Familienleben 
im behaglichen Genüsse und in guten ökonomischen Verhältnissen leben. 
Er hatte zuletzt nicht nur ein schuldenfreies Haus, sondern er hatte 
nicht einmal nötig, seine Quartiere zu vergeben; er geizte nicht und 
lebte seinem Stande gemäss, daher er das ganze Haus, wenngleich Flur, 
Stiege und Zimmer heute noch die kleinlichen Dimensionen zeigen, Alles 
nur winkelig und unregelmässig ist, doch gemütlich eingerichtet hatte x ) 
und mit seiner Familie allein bewohnte. 

*) Dieses Haus ist in der sehr engen Hauptstrasse der Stadt Stein das letzte 
auf der rechten Seite und schliesst an den westlichen Stadtturm an, hat sechs 



(>6 



Seine Ehe ward mit sieben Kindern, drei Mädchen und vier 
Knaben, gesegnet *). Aber wie keinem der Sterblichen ein ungetrüb- 
tes Glück beschert ist, so traf auch ihn und seine Familie manch' 
herbes Geschick, gieng auch an ihn der Leidenskelch nicht vorüber. 
Der Tod seiner Mutter und seines Vaters brachte die erste Trauer 
ins Haus, und nicht lange darauf starben ihm drei seiner Kin- 
der im zarten Alter binnen wenigen Monaten. Ueberschwemmungs- 
gefahron und andere Schicksalsschläge bedrängten sein Hauswesen und 
die Kriegszeiten brachten auch manche Sorgen mit sich ; aber sein starker 
Wille, sein fester Glaube, sein Gottvertrauen und ein heiterer Sinn 
halfen ihm bald wieder auf. — Zu diesen Gaben hatte ihm der Himmel 
noch eine andere kostbare verliehen, nämlich die ungeschwächte Kraft des 
Geistes und seiner Hand bis ins hohe Greisenalter. In späten Jahren noch, wo 



Fenster Gassenfront und zwei Stockwerke; an den Fenstern waren bauchige, 
eiserne Fenstergitter angebracht — sie befinden sich heute noch auf dem Boden 
des Stadturmes und tragen die Jahreszahl 1771 und die Initialen von Schmidt'« 
Namen : J. M. S. — Ober den mittleren zwei Fenstern des zweiten Stockwerks 
ist ein Frontespitz, in dessen Schilde die Worte des 90. Psalmes stehen: „Wer 
unter der Huelff des Allerhöchsten wohnet, der wird im schirm Gottes des 
Himmels bleiben," und am mittleren Pfeiler des ersten Stockes eine Madonna, 
mit dem Kinde auf der Weltkugel stehend und der Schlange den Kopf zertretend 
alfresco gemalt; unter ihr stehen die Worte: „Diese wahre unsere Hoffnung." 
Ueberdem Gange des ersten Stockes sind an zwei Seiten von Schmidt's Hand 
zwei Allegorien : Morgen und Abend (nach Prof.Kurz : Diana und Aphrodite) auch 
al fresco gemalt, reizende Kompositionen. Das Haus steht mit seiner Hauptfac^ade 
gegen Süden und lehnt mit der Nordseite an die Felswand des Berges, auf welchem 
die Ruine des ehemaligen Schlosses steht. Im zweiten Stocke ist auf der 
Nordseite ein Gemach mit grossen Fenstern, welches das Atelier des Meisters 
gewesen sein muss. Es zeichnet sich durch Geräumigkeit und grosse Höhe 
aus; heute wohnt daselbst ein Schuster in Miethe. Vom zweiten Stocke führt 
eine Tür hinaus in den kleinen Garten am Berge, in welchen auch die Aussicht 
vom Atelier aus war und der sich terrassenförmig bergaufwärts bis zur Schloss- 
ruine zieht. An der dem Atelierfenster gegenüber, also südlich liegenden 
Gartenmauer befand sich eine Sonnenuhr mit Schinidt'schen Malereien, welche 
leider gänzlich zerstört wurden. 

1 ) Diese Kinder waren: Thecla, die nicht in Stein geboren (wo? un- 
bekannt; war und nur im Sterbebuch daselbst als Kind des bürgerl. Malers 
Martin Schmidt vorkommt; bei ihrem Tode am 26. Februar 1765 war sie 
6*/« Jahr alt, — Vincentius Fererius Thomas, geboren d. 4. Febr. 1760, 
t 29. Mai 1764. — Maria Anna Katharina, geboren d. 25. November 
1761, f 3. März 1764. — Franz de Paula Thomas, geb. 26. Oktober, 
t 5. Februar 1764. — Jos. Joh. Nep., geb. d. 20. December 1765. — Vic- 
toria Elisabet, geb. d. 23. December 1778. — Johann Martin geb. d. 
22. August 1769. 




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07 

andere Menschen kaum mühselig die Last ihrer Jahre tragen können, 
bestieg er die höchsten Gerüste. Als 70j ähriger Greis malte er die schönen 
Fresken in der Pfarrkirche zu Krems, und mit 80 Jahren eines der 
grössten Altarbilder in derselben Kirche, nämlich St. Johannes Enthauptung. 
In Mühlbach befindet sich ein kleines Bild „Christus am Kreuz" mit dem 
Monogramm auf der Rückseite: Martin Schmidt fecit aetatis suae 81", 
und mit 82 Jahren malte er die Seitenaltarbilder in der Kirche zu 
Hafnerbach. Sein letztes Werk war eine Kreuzabname, das Hochaltarbild 
in Gresten; leider hat das Colorit dieses Bildes schon stark gelitten, 
so dass einzelne Teile desselben undeutlich wurden. Eine schwere, 
wie es aber scheint, kurze Krankheit, an der er in der letzten Zeit 
seines Lebens häufiger litt, nämlich die Urolithiasis (Sand und Stein), 
brachte ihm auch den Tod am 28. Juni 1801, am Sterbetage seines 
Vaters. 

Tiefes Leid hatte Alle ergriffen, die ihn kannten oder ihm näher 
standen. Um ihn trauerte nicht nur seine Familie, die betagte Witwe 
mit zwei Söhnen ■) und einer Tochter 2 ), ihn beklagten auch seine 
Schüler ; nicht minder war für seine andern Freunde dieser Verlust ein herber, 
ein unersetzlicher. Das Leichenbegängnis wurde am 30. Juni in feierlicher 
Weise abgehalten und einer seiner Freunde, der kunstsinnige Pfarrer 
Warhanek von Stein, sprach die Segensworte an seinem Sarge, wäh- 
rend welcher kein Auge trocken blieb. — Die Beisetzung fand am Steiner 
Friedhofe statt ; aber seine Grabesstätte schmückt heute noch kein seiner 
Bedeutung würdiger Grabstein ! An der gegen Norden liegenden Mauer war 
nämlich nahe an der linken Ecke ein Porträt Schmidt' s in Fresko von 
Anton Mayer gemalt , nebst einer kurzen Grabschrift. Gegen Ende des 
Jahres 1849 war dieses Grabmal schadhaft geworden und mehrere Kunst- 
freunde errichteten nun an derselben Stelle ein gusseisernes Kreuz auf 
einem Granitsockel, woran eine einfache Marmortafel mit dem Namen des 
Künstlers angebracht wurde. Bei der Vergrösserung des Friedhofes 1 854 
hatte man auch dieses Denkmal, als der Regulierung hinderlich, entfernt 
und jene Tafel in die Mauer eingesetzt, wo sie sich jetzt noch befindet ; 
sie enthält weiter nichts als die wenigen Worte: „Martin Joh. Schmidt 
1801, gewidmet von Kunstfreunden 1850. u — Da Schmidt kein 
Testament hinterlassen hatte, so wurde ein Inventar aufgenommen 



') Johann Schmidt, Ingenieur im Departement der k. k. Familien- 
Göter-Direktion, und Josef Schmidt, Aktuar bei der k. k. Polizei-Direktion 
in Wien. 

*) Eli sab et Schmidt, verheirathet an Pickelmann, Apotheker iu Wels. 



68 



und die gerichtliche Sperre und Schätzung angeordnet, die uns einen 
Einblick in seinen wohlhabenden Hausstand gewährt. Die Verlassenschaft 
betrug nach Abzug aller Kosten und einer unbedeutenden Schuld 8227 fl., 
wobei das Haus, dessen eine Hälfte der Witwe zufiel, auf 1200 fl. ge- 
schätzt war. 

Die im Nachlass befindlichen Bilder, 270 Stück und meist yon seiner 
Hand, giengen teils in den Besitz seines Schülers Anton Mayer über, 
teils blieben sie bei der Familie oder wurden verkauft 1 ), viele nach 
Warschau an polnische Kavaliere. Ausserdem besass Schmidt eine 
kleine Bibliothek von 80 Büchern. 

Sein Haus wurde schon 1802 verkauft, die Witwe begab sich aber, 
wie 63 scheint, zu einem ihrer Kinder. 

Schmidt war hoch gewachsen und besass einen kräftigen und 
gesunden Körper, in welchem eine edle Seele und ein starker Geist 
wohnten. Er war durch und durch eine kernige Natur. Die scharf 
markierten Gesichtszüge und die Stirne bewiesen seinen Ernst und 
seine Anstrengung; doch wurden jene bald freundlich und heiter beim 
traulichen Gespräch in der Familie, oder im Freundeskreise bei einem 
Glase Wein ; Milde und Geist blickten dann aus seinen hellblauen Augen. 
Wir besitzen noch Porträts von ihm 2 ) und Radierungen nach denselben. 



*) Die Pfarre Etzen (0. M. B.) zwischen Zwetl und Gerungs hat z. B. im 
Jahre 1802 das Hochaltarbild (h. Laurentius) von M. J. Schmidt angeschafft. 

2 ) Ein eigenhändig gemaltes Porträt M. J. Schmidt's befand sich im 
Schlosse Leopoldskron in der Sammlung der 287 Porträts berühmter Maler, 
von denen die meisten von den eigenen Händen der Künstler, die sie vor- 
stellten, verfertigt waren ; auch ein wertvolles Selbstporträt Rafaels war darunter. 
Diese im obersten Stockwerke des Schlosses befindliche Künstlerporträt- 
Sammlung bildete einen Teil der vom Erzbischof Grafen Lactanz Firmian 
angelegten wertvollen Gemäldegallerie. Kirchl. Topogr. X. 423. Fuessli 1. c. 
II. p. 1516. Jene Porträtsammlung kam in die Hände eines ungarischen Guts- 
besitzers, der sie auf eine Plätte laden und auf der Salzach, Inn und Donau 
dem neuen Bestimmungsorte zuführen Hess (Nach einem Berichte des Herrn 
Malers Georg P e z o 1 1, Korrespondent der Gesellschaft der Salzburger Landes- 
kunde, Conservator zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Baudenk- 
male Salzburgs). Ein in Oel gemaltes Selbstporträt ist im ersten Stockwerke 
des astronomischen Turmes im Stifte Kremsmüutser. Ein Porträt Schmidt's, 
Oelbild, besitzt auch Herr J. Mandl, Stadtsekretär in Tuln, bei welchem 
ausserdem die Porträts von Schmidts Frau und Eltern sind. Auch auf einem 
Altarbilde hat sich Schmidt nach alter Sitte abconterfeit. Auf dem zweiten 
Seitenaltarbilde rechts in der Pfarrkirche zu Michelstetten in Krain ist 
nämlich das Wunder des heil. Vincenz dargestellt. Unter den Zuschauern 
rechts und etwas im Hintergrunde ist der hinterste, der noch mit dem Kopfe 
in die Scene hinein ragt, der Maler selbst. n Es ist ein bedeutend grosser 



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69 



S c h m i d t ' s Schüler Haubenstricker 1 ) malte und stach sein Porträt, 
ebenso haben wir Stiche nach dem Porträt des Meisters von Lander er 2 ) 
und P. Colomann Pellner 3 ), doch in grösserem Formate, als jene von 
Haubenstricker. 

Was immer nur Kinder von ihren Eltern an Lehre und Beispiel in 
guter Sitte, Bei igiosität und rastloser Thätigkeit erhalten können, Schmidt 
bat es reichlich empfangen und darum bewahrte er seinen Eltern die 
dankbarste Erinnerung und darum wieder, da ihn gleiche Ideen und 



Kopf, oval, weich und doch voll männlicher Kraft, eine schön harmonische 
Seele offenbart sich in dtn Zügen, und der Blick zeigt Geist." Blätter aus 
Kram 1. c. p. 160, 192. Aehnliches kann auch von den andern Porträts 
Schmidt's gesagt werden. 

*) Paul Haubenstricker, den Nagler 1. c. VI. 3 irrig Hauben- 
stick e r nennt, radierte ausserdem nach M. Schnaidt: der Calvarienberg, 
St. Hieronymus vor dem Crucifix knieend, die Eremiten St. Paulus und Anton. 
Tschischka 1. c. p. 363. Wurzbach biogr. Lexikon VIII. 53. 

a ) Ferdinand Landerer, ein Schüler des berühmten Schrauzer, war 
1743 zu Stein an der Donau geboren. Als tüchtiger Radierer in Rembrandt's 
Manier sehr geschätzt, wurde er im selben Jahre (18. December), wie Schmidt, 
zum wirkl. Mitglied der k. Akademie der bildenden Künste ernannt (Wein- 
kopf 1. c. p. 40, 80). Er starb als Zeichenlehrer an der k. k. Ingenieur- Akademie 
in Wien 1796. Nach Schmidt radierte er eine Sammlung von 16 Blättern 
Charakterköpfe und veröffentlichte sie unter dem Titel: „Toute sorte de tetes 

qui sont inventees par Mr. Martin Schmidt et ebauchees en cuivre 

par F. La n derer" (1769), Leydold exc. 8°), von welcher Sammlung wir 
noch sprechen werden ; ausserdem radierte er: Christus heilt die Lahmen (gr. Fol.), 
Jesus vom Satan versucht (gr. Fol.), der gute Samariter (gr. Fol.), alle drei 
aus dem J. 1760, der Astronom (Fol.), der Alchyraist (Fol.), der oriental. Geiger 
(kl. 4°). Nagler 1. c. VII. 263. Wurzbach, Biograph. Lexikon XIV. 71. 
(De Luca) das gelehrte Oesterreich. 1.2 St. p. 324. 

3 ) Peter Coloman Fellner war am 19. März 1750 zu Bistorf in Ober- 
Österreich geboren. Der bekannte und nach langer Vergessenheit erst in 
jüngster Zeit wieder zur Geltung gekommene oberösterreichische Dialekt- 
dichter Maurus Lindemayer im Stifte Lambach brachte ihn an das 
Gymnasium im Stifte Kremsmünster, nach dessen Absolvierung Fellner 
in das Benediktiner - Stift Lambach eintrat. Wegen seines bedeutenden 
Talentes im Zeichnen und Malen schickte ihn der kunstsinnige Abt 
Admont zu M. Schmidt und dann nach Wien zu Schmuzer. Er 
wurde aber nicht nur ein bedeutender Praktiker mit der Nadel, sondern er 
besass auch viele theoretische Kenntnisse, legte eine Sammlung von auserle- 
senen Kupferstichen an und veröffentlichte eine bemerkenswerte Schrift : „über 
die Art und Weise, wie man eine Kupferstichsammlung anlegen und ordnen 
soll." Nach Schmidt radierte er: Esther knieend vor Ahasver (Fol.); Ent- 
hauptung Johann des Täufers (gr. 8°), drei Mädchen mit einem Affen (kl. Fol.). 
Nagler 1. c. IV. 271. Oesterr. Nat. Encykl. II. 111. Wurzbach 1. c. IV. 171. 



70 



Gefühle in seiner Familie leiteten und treue Liebe zu allen ihm zu 
nächst Stehenden erfüllte, hingen auch seine Schüler mit so grosser 
Pietät und Liebe an ihm, dem Meister nicht nur in der Kunst, sondern 
auch in den Tugenden des Familienvaters und Bürgers. Ich muss dies 
so nachdrücklich betonen, da viele Züge in seinem Leben als Mensch 
und Künstler nur aus dem Geiste seines Vaterhauses, der auch in sein 
Haus übergegangen war und ihn auf seiner Lebensbahn nie verlassen 
hat, zu erklären sind. Er besass als Erbteil von seiner Mutter, wie 
gesagt, Religiosität und seine Kunst war auch grösstenteils eine 
religiöse, sie ruhte auf einem tiefen unerschütterlichen Glauben, wie 
dies die Andacht, Verklärung und Begeisterung in einzelnen Gestalten 
seiner Bilder hinlänglich bezeugen. Nach des Vaters Worten und Bei- 
spiel galt auch als sein Grundsatz: Fürchte Gott und es wird dir wohl 
gehen. Wie religiös er war, sagt uns der biblische Spruch auf seinem 
Hause, und dass er eines seiner Kabinete zur Kapelle eingerichtet und 
mit seinen Bildern geschmückt hatte. Dort lag er nicht selten auf den 
Knien, Stärke in trüben Stunden von oben erflehend, Begeisterung für 
seine Werke schöpfend *) ; hier verrichtete er sein tägliche« Morgen- 
gebet, hier dankte er tiefbewegt dem Herrn, wenn er mit seiner Gnade 
beschenkt ward. Es braucht wol nicht gesagt zu werden, dass es ein 
aufrichtig religiöser Sinn war, und dass damit die Freude an der Arbeit, 
aber auch die Freude am geselligen Zusammensein im Kreise seiner 
Familie verknüpft sein konnte und auch verknüpft war. 

Das Leben in Schmidt's Familie glich dem vieler unserer Väter 
und Grossväter ; es war ein ernstes und voll strenger Sittlichkeit und 
„gleich so manchem anderen auch ein geschätztes Familienleben im 
sicheren Wohlstand" ; das höchste Glück lag da neben dem Frieden 
des Hauses und den arbeitvollen Stunden im fröhlichen Zusammensein 
mit der Familie und mit Freunden. 

„Tages Arbeit, Abends Gäste, 

Saure Wochen, frohe Feste." 
Dazwischen gesellte sich die Andacht und Erhebung zu Hause und 
in der Kirche. Die Pflichten des Familienhauptes waren Schmidt 
heilige ; im Gasthause sah man ihn selten. Er lebte nur seiner Familie 
und seiner Kunst; ein Glas Wein unter Freunden und ein Liedchen 
auf dem Dudelsack, seinem Lieblingsinstrument, verschmähte er nicht und 

l ) Von gleich kindlicher Frömmigkeit war der grosse Haydn erfüllt, 
von dem erzählt wird, dass er stets, ehe er an die Komposition kirchlicher 
Werke gieng, ein inniges Gebet verrichtete. Wer denkt da nicht auch an 
Fiesole ? 



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zeitweilig eine Fahrt nach Wien war seine einzige grössere Erholung. 
Das Liebste blieb ihm aber doch die Arbeit ; er ist so recht das gerade 
Gegenteil einer leichtlebigen Künstlernatur, er ist unverdrossen fleissig 
und sparsam, bisweilen erscheint er mehr als Geschäftsmann, denn als 
Künstler, so dass manches flüchtig gemalte, unfertig aussehende Bild in die 
Oeffentlichkeit kam. Aber selbst in solchen Bildern beweisen einzelne Details 
den echten Künstler. Seine Lebensschicksale bieten wenig von jenen jähen 
Wechselfallen, die tief eingreifen in das Innere des Menschen, und gerade 
bei hochbegabten Naturen auch das menschliche Interesse lebhaft wachrufen. 
— Seine Schüler zählten zu seinen Freunden, deren der Meister noch 
viele hatte. Für Alle schlug in seiner Brust ein warmes Herz, und die 
Freundschaft hielt er fest und treu, und wen er als Freund erprobt hatte, 
von dem Hess er nie wieder. Sein ganzes Wesen war gerade, bisweilen 
etwas derb ; Niemanden gegenüber machte er aus seiner Gesinnung 
ein Hehl, oder hielt die Wahrheit zurück, und doch stand er bei Allen 
in grossem Ansehen. Bescheiden lehnte er immer die Lobeserhebungen 
seiner Freunde und Gäste mit den Worten ab: „Ei was! das Malen ist 
leicht, wenn man nur weiss, wo man hinfahren soll." Alle diese Vor- 
züge waren in der Stadt und selbst über das Weichbild derselben hin- 
aus allgemein bekannt. Wenn er an hohen Festtagen oder bei sonstigen 
festlichen Gelegenheiten nach der Sitte seiner Zeit mit dem bordierten 
Dreispitz, mit der weissen Perrücke, dem granatfarbenen gros-d'or Anzug, 
mit der goldstoffenen Weste, mit den Seidenstrümpfen und den silbernen 
Schnallenschuhen, mit dem Degen und Stock mit silbernen Knopf darauf 
durch die engen Strassen dahingieng, zog auch Jung und Alt die Mützen 
und Hüte zum ehrfurchts vollen oder freundlichen Gruss. 
So war Schmidt, der Mensch. 

(Fortsetzung und ScMubb folgen.) 



Das SchlosB Schönbühel in Niederösterreich. 

Nach J. F. Keiblinger's Nachlas» topographisch und historisch dargestellt 

von Prof. Ambr. Heller. 

Auf einem hervorragenden, von den Wellen des Donaustromes rastlos 
bespülten Felsen, eine Stunde unterhalb der Abtei Melk, gerade dort, wo sich 
der bisher in einer freien Ebene ergiessende Strom in einer von Bergen rings- 
um eingeschlossenen Thalenge fortwälzt, erhebt sich malerisch das Schloss 
Schönbühel, bei welchem Bich der gleichnamige Markt und etwas 
weiter abwärts das Servitenkloster Schönbühel befinden. 

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Vor dem Schlote bat »ich m der Mitte der Donau eiiie beträchtliche, 
mit Erden bewachsene Insel oder Au gebildet und unterhalb derselben steigt 
aus der Tiefe ein Felsen empor, die Kugel oder Steinkugel genannt, welcher 
den Schiffen, denen eine geschickte und vorsichtige Leitung fehlt, bei hohem 
Wasserstande die Gefahr des Scheiterns und Untergehe« droht, da er den Fel- 
sen dem Auge entzieht. Mit 11 äsender Gewalt zieht hier der mächtige Strom 
an dem Ufer vorüber und nur die starken Felsenmassen, worauf das Schloss 
und das Kloster ruhen, stemmen sich seit Jahrhunderten den gewaltigen 
Fluten entgegen, die ohne diesen Widerstand das lockere Erdreich mit einem Teile, 
des ohnehin oft uberschwemmten Marktes längst mit sich fortgerissen hätten 
Oestlich von Schönbühel erheben sich Felsenberge, auf denen man das freund- 
lich gelegene Servitenkloster Langegg mit seiner schönen Kirche und 
weiter in dem eingeschlossenen Baume die Ruinen der Burg Aggstein, 
beides zwei Stunden von hier entfernt, erblickt. Jenseits der Donau liegen 
die Ortschaften Emersdorf, Schalleinersdorf und Grimsing, westlich 
ragen über Inseln, Gesträuchen und Obstgärteu die Türme des altehrwürdigen 
Stiftes Melk empor — wahrlich eine in jeder Beziehung herrliche Umsicht mit 
der reizendsten Abwechslung, wie sie die Phantasie nicht besser nnd schöner 
zu ersinnen vermag! 

Ein breiter Fahrweg führt vom Markte aus an dem als herrschaftliche 
Taferne bekannten Gasthause vorüber, über einen etwas steilen Berg durch 
ein Tor zwischen Gartenmauern zunächst zu dem Vorgebäude mit einem 
runden Turme und hierauf zu dem eigentlichen Schlosse, welches auf einem 
zwanzig Klafter hohen Felsen, mit der Hauptfronte und dem Turme gegen 
Westen gerichtet, sich erhebt ; rings herum, mit Ausname der Donauseite, 
ist dasselbe mit einem tiefen Graben umgeben *). 

Bei dreissig mit aus Ziegeln gebildeten Fenstern, in den erwähnten 
Gartenmauern ausgebrochen, wie sie bei österreichischen Burgen im sechzehnten 
und siebzehnten Jahrhundert beliebt waren, gaben einen altertümlichen, jetzt 
ungewöhnlichen Anblick, verschwanden aber bei dem neuen Baue des Schlosses; 
um durch gemauerte, mittels hölzerner Stacketen mit einauder verbundene 
Pfeiler ersetzt zu werden. Drei Haupttore führen in das Innere des Gebäudes; 
über dem ersten Tore war vormals das Starhembergische Stamm Wappen, der 
flammen8prüheude, vom roten Schildesfusse halb bedeckte blaue Panther aus 
Stein gehauen, und über dem zweiten waren drei Wappen gemalt. Das erste 
davon, ein Starhembergisches, war im oberen Teile durch ein später ange- 
brachtes Fenster zerstört und wegen der sehr verloschenen Farben auch fast 
unkennbar geworden; das zweite Wappen war das gräflich Starhembergische in 
Vereinigung mit dem Wappen der Grafen von Schaumberg, das dritte das der 
Fürsten von Löwenstein- Wertheim-Rochefort; sie wurden aber bei der Erneuerung 
dieses Vorgebäudes mit Kalk übertüncht. Freunden des Schauerlichen zeigte 
man im Vorhofe gegen die Donauseite hin mehrere unterirdische Gänge im 
Kreise herum, sehr feste Rondellen und Türme, wahrscheinlich einst zu 
Verliessen und Kerkern bestimmt, deren Üeffuungen, durch welche man die 
Gefangenen hinabliess, oben gegen drei Schuh weit waren, und deren Tiefe 



') Wohin man übrigens auch auf einem kürzeren Gehsteige durch einen kleinen, runden 
und mit einer Glocke versehenen Turm gelangt. 



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73 

fast bis an die Wasserfläche reichte. Ueber diesen heimlichen Giiugeu und 
Gewölben stand eine drei Schuh hohe Mauer zur Einachliessung des Vor- 
hofes, von welcher man, wie von einer Bastei aus, die herrlichste Aussicht auf 
die vorüberrauschende Donau und die nächsten Umgebungen genoss. 

Das alte Schloss von ausgezeichnet fester Bauart, zuerst im zwölften 
Jahrhundert von den Herren von Schönbühel erbaut und im vierzehnten 
nnd fünfzehnten Jahrhundert von den Herren von Starhemberg bedeu- 
tend vergrö8sert und ungemein befestigt, bestand aus drei verschiedenen, mit 
einander verbundenen Teilen deren zwei Vorder- oder Aussengebäude, vom 
Hauptgebäude abgesondert, eine Zugbrücke, welche zum zweiten Tore führte 
und deren Stelle jetzt eine steinerne einnimmt, mit demselben verband. Die 
Cisterne im Schlosshofe, von Quadern ausgemauert, gab den Bewohnern hinrei- 
chendes Wasser, welches aber jetzt durch Köhren bei einer halben Stunde weit 
mühsam und kostspielig hergeleitet wird und bei dem zweiten Tore ein 
eigenes Behältnis hat. 

Das gegenwärtige Schloss, welches im Jahre 1819 aus der verfallenen 
Veite mit teilweiser Beibehaltung der alten Grundfesten und Mauern und 
des grossen Turmes, der fünf Stockwerke hoch über die Dachung hervorragt, 
ganz neu, solid und geschmackvoll von dem verstorbenen Besitzer, Herrn 
Grafen Franz von B e rold ingen, zu bauen angefangen und im Jahre 1821 
vollendet wurde, besteht aus einem länglichen Vierecke. Der viereckige Turm 
welcher an der Vorderseite zwanzig Klafter hoch ist, gewährt von seiner, 
Spitze aus eine höchst malerische Aussicht über die ganze Umgegend. Das 
Schloss — ohne das Erdgeschoss ein Stockwerk hoch — enthält einen Saal und 
dreizehn Zimmer, die im neuesten Geschmacke eingerichtet sind; über dem 
Tore ist das gräfliche Wappen zu sehen, der Hof ist mit einem Spring- 
brunnen geziert. Die noch vom alten Schlosse übrig gebliebenen Gebäude, 
welche nun dem neuen sich anfügen, enthalten die Wohnung des Verwalters, 
die Kanzlei und das Archiv; in einem dieser Vordertrakte oder das„ Amthaus" 
schliessenden runden Gebäude waren bis zum Jahre 1848 die vorschriftsinässigen 
Gefängnisse. Hinter dem Schlosse breitet sich ein englischer Garten aus, 
welcher beinahe bis zum Kloster hinabreicht. 

Zur Beschreibung des gewesenen alten Schlosses oder des Hauptteiles 
der alten Burg zurückkehrend muss vorausgeschickt werden, dass bis zum 
Baue des neuen Schlosses noch der ein Stockwerk hohe Trakt mit dem 
Turme dastand, unter welchem über dem aus Quadern ansehnlich erbauten 
Haupteingange die aus Stein gehauenen Wappenschilde der Grafen von Star- 
hemberg und der Freiherrn von Zäckl sich befanden 1 ). An den Turm, dessen 
Bauwerk noch immer sein hohes Alter zeigt, stiessen die Ruinen der Kirche mit 
den grossen Spitzbogenfenstern und dem eingestürzten Gewölbe ; das Innere des 
Schlosses lag im tiefen Schutte, woraus nur der ziemlich grosse Umfang des 
Baues zu erkennen war; an der grossen Stiege und an dem Aufgange zum Speise- 
saale war folgende in Stein eingegrabene Inschrift zu lesen *) : 

*) In den Notizen des verstorbenen Archivars J. F. Keiblinger steht bei dieser Stelle 
die ausdrückliche Bemerkung, dass er dieses noch aas Autopsie wisse. 

') Schweickhardt „Darxtellung des Erzherzogthama Oesterreich anter der Enns." 
7. Band, des .Viertels ob dem Wiener Walde" S. 166 setzte mit täuschenden Anführungszeichen 
eine deutsche Inschrift voran, deren Erfinder er wahrscheinlich selbst war, da auf dem Steine 

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BKNEDIOTIO DOMINI . 
CONRADVS POSVI VOBIS MONVMENTA NEPOTES ; 
INNVBES HILARI VIV1TE RVRE DIES . 
LIBERTAS, GERMANA PIDE8, MODERATA PATELLA, 
MVTVA PAX, PIETAS, LIMINA NOSTRA COLANT . 

ANNO MDCLVI . 

Die Decke des Saales war mit kunstreicher Stukkatur-Arbeit verziert, 
welche in vier Reihen sechzehn Wappenschilde zeigte, unter welchen ein 
Schriftband mit den erklärenden Namen der betreffenden Familien sich hinzog ; 
und zwar gegen Osten: 

APPENTHAL . THANHAVSEN . ZACKEL . Alle drei Schüde tragen 
eine Krone, jene der von Thanhausen und Zackel haben vier Felder, Apfenthal 
drei Aepfel auf einem roten Querbalken oder Bande im weissen Schilde 1 ); 
gegen Norden: 

VOLCKRA . HOHENEMBS . ZINZENDORF . TEVFENBACH . WIN- 
DISCHGRAZ . Jeder Schild, mit Ausname des von Honenerabs und von 
Teufenbach, ist mit einer Krone bedeckt; gegen Westen: 

L1ECHTENSTAIN . Nochmals LIECHTEN ST AIN . Der von Gold und 
Rot geteilte Stammschild trägt eine Krone. LAPPIZ . Gegen Süden: 

ORTENBVRG . Gekrönter vierfeldiger Schild. VON HAG . Ein sprin- 
gendes Pferd im ungekrönten Schilde. STAHREMBERG . Vierfeldiger Schild 
gekrönt, aber ohne den Panther des Stamm Wappens. SCHAVMBVRG . Unge- 
krönter, gespaltener Schild, rechts Silber, damasciert, links rot, leer. MAIN- 
BVRG . Gekrönter Schild mit dem durch eine Krone gesteckten Hammer. 
Diese Wappen gehören den Ahnen des Grafen Konrad Balthasar von Star- 
hemberg und seiner ersten Gemahlin Anna Elisabet, Herrin von Zinzendorf, 
welche nachstehende Stammreihe darstellt. 

Des Grafen acht Ahnen : Erasmus Herr von Starhemberg; Gemahlin 
Anna Gräfin von Schaumborg, Tochter des Grafen Georg von Schaumberg 
und der Genofeva Gräfin von Arch. Sohn: Rudiger Herr von Starhemberg, 
Gemahlin Helena Freiin von Zäckl, Tochter des Lucas Zäckl, Freiherrn von 
Kruent und der Katharina Herrin von Mainburg. Sohn: Paul Jakob 
Herr von Starhemberg, zweite Gemahlin Dorothea Freiin von Thanhausen, 
Tochter des Freiherrn Konrad von Thanhausen und der Dorothea von Teuf- 
fenbach. Sohn des Paul Jakob von Starhemberg war aber der genannte 
Graf Konrad Balthasar, vermählt zuerst mit Anna Elisabet, Herrin von 
Zinzendorf, dann mit Franziska Katharina, Gräfin von Cavriani. Konrad's von 
Thanhausen Aelteru waren: Der Freiherr Balthasar von Thanhausen und 
Euphrosine von Apffental; die Aeltern Dorotheen's Hanns von Teuffenbach 
und Martha, Freiin von W i ndischgräz. 

Der Gräfin acht Ahnen: Hanns, Herr von Zinzendorf; Gemahliu : 
Anna von Hohenembs. Sohn: Alexander von Zinzendorf; Gemahlin: 
Susanua von Volkhra , Tochter des Joachim von Volkhra und der Anna von 



kein Wort davon stand: „Hier ist ein Segen, der anch die entferntesten Geschlechter, die dieses 
Hans bewohnen, nnr glücklioh machen kann." 

*) Freiherr v. Hoheneck, »Genealogisch-historische Beschreibung der löbl. Stande ob der 
Enns u II. Tl. S. 555. tiiebt die Ahnentafeln des Grafen Konrad Balthasar von Starhemberg, 
woraus die obigen Angaben genommen sind. 



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Lappe'z. Sohn: Hanns Joachim Herr von Zinzendorf, Gemahlin: Judith, 
Herrin von Liechtenstein, Tochter Hartmanns, Herrn von Liechtenstein und 
der Gräfin Anna von Ortenburg, deren Aeltern Georg Hartmann, Herr von 
Liechtenstein und Nikolsburg, und Snsanna, Herrin von Liechtenstein und 
Nikolsburg, und Karl, Graf von Ortenburg, und Maximiiiana, Gräfin von Haag 
waren. Des Hanns Joachim, Herrn von Zinzendorf, und der Judith, Herrin von 
Liechtenstein, Tochter, Anna Elisabet, war des Grafen Konrad Balthasar von 
Starhemberg erste Gemahlin und starb im Jahre 1659, worauf sich der Witwer 
mit der erwähnten Franciska Katharina, geb. Gräfin von Cavriani, vermählte 

Aus der Jahreszahl 1656, aus den zwei Wappensteinen über dem Tore, 
welche bei dem neuen Baue hinweg genommen wurden und in der Folge 
verschwanden, und aus den Wappen im Saale darf man den Schluss ziehen, 
dasa schon Paul Jakob Herr von Starhemberg (gestorben 1635) einen neuen 
Bau 'oder eine beträchtliche Erneuerung des gutsherrlichen Wohngebäudes 
unternommen und zur Erinnerung dessen sein und seiner Mutter, einer 
gebornen Freifrau von Zäckl, Wappen über den Eingang setzen liess 2 ), sein 
Sohn Konrad Balthasar aber den vom Vater begonnenen Neubau vollendete, 
oder dass wenigstens die innere Auszierung, namentlich des Saales von ihm 
herrühre. 

Die Nebengebäude mit ihren runden Türmen gehören in ihrer jetzigen 
Gestalt erst dem sechzehnten Jahrhunderte an und wurden zwischen den 
Jahren 1710 und 1727 vom Grafen Konrad Sigismund von Starhemberg wieder 
hergestellt oder erneuert, worauf dessen und seiner Gemahlin Maria Leopoldine 
Elise, geborenen Prinzessin Löwenstein- Wertheim-Ilochefort, früher erwähnte 
Wappen hinweisen. 

Das alte $chloss 8 ) war bei andringender Feindesgefahr vor Zeiten stets 
ein sicherer Zufluchtsort der Unterthanen und Nachbarn , die sich dann aus der 
woleingerichteten Rüstkammer mit Waffen versahen. Als im Jahre 1683 die 
Osmanen Wien zum zweitenmal belagerten, kam eine kleine Abteilung der- 
selben auch in diese Gegend und sandten in nicht grosser Entfernung von der 
Anhöhe bei dem Dorfe Hub (jetzt nach Schönbühel eingepfarrt) ihre blut- 
dürstigen und raubsüchtigen Blicke umher, wagten es aber nicht, den Ort zu 



') Wir verdanken diese Kunde von dem Wappenschmucke des Plafonds im Saale des alteu 
Schlosses einer sehr schätzbaren Handschrift in der Bibliothek des Stiftes üöttweig, unter dem 
Titel „Miecellanea" mit Nummer 595 bezeichnet, worin der Archivar Hartman n Dflekel- 
mann (gestorben 1784) in den Jahren 1770 nnd 1777 Heine genauen Zeichnungen von Siegeln, 
Wappen, Grabsteinen n. dgl. mit grossem Fleisse zusammentrug ; darunter befindet sich Blatt 110 6 
mit jenen Inschriften und Wappen, welche er am II. Juni 1777 an der Kirche und im Schlosse 
Schönbühel abgeschrieben und nachgezeichnet hat. Damals war also die Saaldecke noch nicht 
eingestürzt, wol auch die Kirche nicht gänzlich zur Ruine geworden. Eine Abbildung des alten 
Schlosses enthält das Werk des Georg Matthäus Vis eher vom Jahre 1678: „Topographia 
Archiducatas Austriae moderna - , wo sich aber das Portal der Kirche mehr nach der Phantasie 
des Zeichners, als in seiner wahren Gestalt zeigt. Vom neuen Schlosse sind ausser der Abbil- 
dung im Werke der Brüder Köpp von Felsenthal noch mehrere in verschiedenen Formaten 
erschienen , so z. B. in A 1 t*s .Donau-Ansichten" n. s. w. 

») Das Wappen der Mutter neben dem eigenen kommt öfters vor, besonders auf alten 
Grabsteinen. 

3 ) Hartenschneider's „Geschichte von KremsmünsUr** in der kirchlichen Topographie 
von Oesterreich, X. Band. S. 15—19. Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen, Jahr- 
gang 1849, II. Band, 3. und 4. Heft, S. 815. 



überfallen x ). Die sechs kleinen eisernen Kanonen, die sich jetzt im Schlosse 
befinden und bei feierlichen Gelegenheiten gebraucht werden, haben die Jahres- 
zahl 1684, vier den Buchstaben S, zwei ein T und wurden erst durch 
den verstorbenen Grafen von Beroldingen hieher gebracht. 

Man vermutet, dass die in der „Notitia Imperii occidentalis u erwähnten 
Tribunen der Cohorte zu Cannabiaca an der Stelle des heutigen Schlosses 
und Marktes ihren Standort gehabt haben ; allein es lässt sich mit grösserer 
Wahrscheinlichkeit annemen, dass der befestigte Posten Cannabiaca am linken 
Donauufer bei der Mündung des Flusses Kamp, also Traismauer gegenüber, 
zu suchen sei 2 ). 

Ohne Zweifel gehört Schonbühel zu den ältesten Schlössern des 
Landes; es verdankt seinen Namen (Bellicolium wird es seit der Errichtung 
des Klostors in lateinischen Schriften genannt) der freundlichen Lage auf einer 
schönen Anhöhe, wie denn auch ein Berg, 479 Klafter hoch, nordwestlich von 
Schönbühel die gleiche Benennung führt und aus derselben Ursache noch mehrere 
Orte im Lande unter der Enns Schönbühel heissen s ). 

Der deutsche König Arnulf hatte zu Rantersdorf (Randhofen am Inn) 839, 
22. Oktober, der Abtei Kremsmünster alle jene Güter übergeben, welche vorher 
die Grenzgrafen Engelschalk und Wilhelm bei Ebelsberg, am Kampflusse und 
bei der Perschling, in einigen Teilen von Baiern und in den slavischen 
Grenzbezirken besassen; als aber Kaiser Otto I. im Jahre 972 oder 973 Krems- 
münster dem Hochstifte Passau zum Ersätze des seinen Gütern durch die 
Ungarn zugefügten Schadens auf immer überliess, welche Uebergabe Kaiser 
Otto II. im Jahre 974 oder 976 bestätigte und Kaiser Otto III. im Jahre 993 
erneuerte, wodurch die gesammten Güter der genannten Abtei für beständig 
als Eigentum des Bistums erklärt wurden, kamen viele und bedeutende 
Bestandteile derselben für immer an das Hochstift Passau, wie ein von 
Bernardus Noricus, Benedictiner zu Kremsmünster (um das Jahr 1330) 
herrührendes langes Verzeichnis ausweiset. Er klagt nämlich, dass viele Güter 
dem Kloster durch die Bischöfe von Passau entzogen wurden; darunter die 
Gebiete zwischen der Schraida und dem Wagram (im Viertel unter, dem Man- 
hartsberge), zwischen der Perschling und dem Kamp, nebst anderen noch, 
dereniümfang St. Pölten, Göttweig, St. Andrä (an der Traisen), Herzogenburg, 
die Schlösser Kreussbacb, Viehhofen, Wasserburg, Radelberg, Wilhelmsburg, 
Oßterburg, Goldeck, Hohenberg (soll heissen Hoheneck), Sossendorf (Säserdorf 
in der Pfarre Hafnerbach), Weissenburg (an der Bielach), Schönbühel, 
Häusel (bei Gerolding), Totzenbach — also eine grosse Strecke Landes in der 



») Keibl inger's Geschichte von Melk I. Band, 8. 59-60. II. Band, 1. Abteilung. 
S. 191. Hansiz „Germania sacra* T. I. p. 155—156. 

2 ) Keiblinger a. a. 0. I. Band. 8. 517. Nach einer unverbürgten mündlichen Nach- 
richt, die Keiblinger im Jahre 1832 erhielt, soll man beiläufig zu Anfang unseres Jahrhun- 
derts zn Schönbühel zwei alte Töpfe oder Krüge (Urnen — römische Aschenkrüge?) nebst einer 
Münze des Kaisers Antoninus Pius (1 SS— 161 n. Ch. G.) ans der Erde gegraben haben ; was aber 
mit diesem Funde geschah, konnte er nicht erforschen. 

») So giebt es ein Kleinschönbühel und Langenachönbünel in der Pfarre Langenrohr (0. 
W. W.) ; die Dörfer Ober- und Unterschönbühel, anderthalb Stunden von Amstetten entfernt, zwischen 
diesem Markte und EuratsfeM gelegen ; die Kotte Sihönbühel in der Pfarre Aystetten and 
das der Herrschaft Arbesbaeh unterthiinig gewesene Dorf *ch."mbühel in der Pfarre Griesbach 
0. M. B. 



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Umgegend von St. Pölten bis gegen Melk herauf — in sich begreift. Dieser 
Angabe zufolge hätte also die Gegend, wo Schönbühel gelegen ist, einst durch 
König Arnulfs Schenkung dem Stifte Kremsmünster gehört und wäre 
auf die oben erzählte Weise an das Bistum Passau gekommen. — Allein 
es läset sich viel wahrscheinlicher annemen, dass die Umgegend von Schönbühe 1 
nicht auf die eben gedachte Art. gegen Ende des zehnten Jahrhunderts eine 
Besitzung der Abtei Kremsmünster und achtzig Jahre später des Hochstiftes 
Passau geworden sei, sondern dass schon Kaiser Karl der Grosse dieselbe 
an Passau vergabte, als er zwischen 800 und 804 dem Bischöfe Walderich 
nebst vielen andern ansehnlichen Ländereien im heutigen Oesterreich auch 
Güter in der Wachau und zu Bielach schenkte, auf welchem Gebiete in der 
Nähe des Flusses und der Ortschaft Bielach dann die Feste Schönbühel gebaut 
wurde und ein Dorf nächst derselben entstand, daher auch diese Burg seit 
den ältesten Zeiten als ein Lehen von Passau und ihre Besitzer als 
Dienstmannen dieses Hochstiftes erscheinen. 

Ausser den Bischöfen von Passau und ihren Lehensleuten finden wir 
schon frühzeitig auch das regulierte Chorherrenstift des heil. Augustin zu St. 
Nikola ausserhalb der Stadt Passau hier begütert; die Schutz- und Bestä- 
tigungsbulle des Papstes Alexander II. vom Jahre 1073 für dasselbe zählt 
unter den Besitzungen des Stiftes zwei Weingärten zu Wachau, zwei zu Schon- 
bühel auf 1 ). Ebenso geschieht es in der Bulle Gregors VII. vom Jahre 1075 — 
die Schenkung geschah offenbar bei der Stiftung dieser Collegiatkirche durch 
den Bischof Altmann von Passau; nur drückt sich der Stiftungsbrief vom 
Jahre 1076 unbestimmter darüber aus, indem er vier Weingärten in der „Wachau" 
angiebt, worunter offenbar auch die unweit von der Wachau gelegenen zwei 
Weingärten in Schönbühel zu verstehen sind, mag man nun „Wachau" für die 
ganze Gegend dieses Namens jenseits der Donau, oder nach der Sprache der 
alten Urkunden für den Markt Weissenkirchen in der Wachau annemen. Mit 
den angeführten päpstlichen Bullen stimmt das Bestätigungs-Diplom des 
Kaisers Heinrich V. vom Jahre 1111, am 25. Juni zu Passau gegeben, überein; 
sowie auch der Bischof Ulrich I. von Passau bei der Wiederherstellung deB, 
von seinem Vorgänger Altmann gegründeten, aber in Verfall gekommenen 
Stiftes um das Jahr 1110 neuerdings dessen Güter und Rechte übergab. Diese 
zwei Weingärten zu oder bei Schön bühel erwarb Mark ward von Schönbühel 
um das Jahr 1145 tauschweise vom Stifte zu St. Nikola, wie wir aus den 
Nachrichten über diese Familie sehen werden. 

Das Hochstift Passau verlieh in der Folge seine Güter zu Schönbühel als 
Lehen, behielt aber zugleich Kenten von Zehenten und anderen Gütern als 
Eigentum für sich, und so finden wir vom Anfange des zwölften bis nach der 
Mitte des dreizehnten Jahrhunderts unter den Ministerialen von Passau eine 

1 ) „Ad Wachawe doas vineas, a<l 8chaenenbouhel dnas." Hundii Metropolis Salis- 
burg. Monaci 1620, T. II. p. 536 uff. Vgl. den Stiftungabrief p. 533, wo unrichtig Gathovia statt 
Wachovia steht. Monum. boic. Vol. IV. p. 288 uff. Urkundenbuch des Landes ob der Enns II. Bd. 
3, 100 und 104, wo es nach einer alten Abschrift „Wachouwe — sconenbohel* heisst. Der Grund 
der verbesserten Stiftungsjahrzahl 1076 anstatt 1074 ist in d. Monum. boic. IV. 302 angegeben ; 
dort steht : „In Bachovia quatuor vinea6* (p. 297), im Urkundenbuche des Landes ob der Enns 
H. 107) durch einen Schreib- oder Druckfehler „Nvachowe", in der kais. Urkunde J. IUI in 
den Mon. boic. IV. 308, „ad 8chenbühel duas« - eine bischöfliche Urkunde um d. J. 1110 
beuda S. 132. 



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Adelsfamilie im Lehensbesitze von Schönbühel, das von diesem ihren Wohnsitze 
den Namen führt, und als Bewohner des Schlosses, welches sie sehr wahr- 
scheinlich auch erbauten, in vielen Urkunden als selbsthandelnd, weit öfter 
als Zeugen auftretend. 

(Fortaetxung folgt) 



Das Paradies am Riederberg. 

Vortrag, gehalten am 12. März 1875. 
Von Dr. Anton Kersch baumer. 

Auf einem alten Plan der Raupt- und Residenzstadt Wien erblickt man 
ausserhalb der Ringmauern einen viereckigen Raum, mit der Bezeichnung 
„Paradeys." Wahrscheinlich war dieser Raum ein Erholungsort, ein Garten 
der Lust, modern gesprochen eine Art Prater, in welchem sich die Städter 
jenen Vergnügungen ergaben, wie sie die erste Hälfte des fünfzehnten Jahr- 
hunderts eben bieten mochte. Wem jenes „Paradeys" zugebörte, konnte der 
um die Topographie Wiens hochverdiente Altertumsforscher Dr. Karl Lind 
nicht ausfindig machen; nur das Eine stellte er als nicht zu bezweifelnde 
Behauptung auf, dass jenes Paradeys um das Jahr 1655 verschwand, weil es 
von da an in den grundbücherlichen Aufzeichnungen nicht mehr vorkommt; 
ferner, dass es einen grossen Teil des heutigen Naschmarktes einnam. 
„Hony soy, qui mal y pense", könnte ein humoristischer Kritiker dazu bemerken, 
denn jedenfalls hat der Name „N aschmark t" einen etwas paradiesischen 
Beigeschmack und Anklang. 

Doch nicht von diesem Paradeys will ich heute zu Ihnen, verehrte 
Vereinsgenossen, sprechen, sondern, wenn Sie mir Ihre freundliche Aufmerk- 
samkeit schenken wollen, so möchte ich Sie in meinem Vortrage auf ein 
anderes Paradies aufmerksam machen, das in der nächsten Nähe Wiens gelegen 
ist und doch Wenigen bekannt sein dürfte, nämlich auf das Paradies am 
Riederberge 1 ). 

Wenn man von Wien über Purkersdorf auf der ehemaligen Kaiserstrasse 
nach Sieghartskirchen fährt, so passiert man den sogenannten Riederberg, 
welcher einst der Schrecken aller Fuhrleute und Postpferde war 3 ), seit der 
Umlegung der Strasse aber (im Jahre 1848) keine weiteren Schwierigkeiten 
bietet. Hat man die Anhöhe beim jetzigen Strassenräumerbaus erreicht, so 
eröffnet sich vor dem staunenden Auge ' ein prachtvolles Panorama. Das frucht- 
bare Tulnerfeld — von der blauen Donau durchflössen — zeigt sich mit seinen 
Ortschaften, und die Weingelände des Wagram bis gegen Krems hinauf 
umsäumen den nordwestlichen Horizont. Unten am Fusse des Berges liegt das 
idyllische Dörfchen Ried, welches dem Berge seinen berühmten Namen giebt. 
Zur linken Hand rauschen die gewaltigen Buchen des Wienerwaldes und in 
einer gegen Süden sich abdachenden Mulde erblickt das scharfe Auge einige 
Mauer-Ruinen im hellgrünen Wiesenboden, den ein murmelndes Bächlein 



V) Fast in keiner Topographi« Ton N.-Oest. geschieht davon eine Erwähnung. 
*) Der sog. Eichkogl. 



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durchrieselt. Dieses stille abgelegene Plätzchen heisst das „Paradies am 
Riederberg. u 

Die erste Frage, welche Sie an mich richten, ist gewiss die : woher stammen 
diese Ruinen und wie passen sie zu dem Namen ? Die Antwort darauf ist kurz 
folgende. 

Als der heil. Johann von Capistran in der Mitte des fünfzehnten Jahr- 
hunderts den Kreuzzug gegen die Türken predigte, woran noch jetzt die auf 
dem Stephansplatz befindliche Kanzel erinnert *), gewann Hoch und Nieder 
eine solche Vorliebe für den reformierten Orden des heil. Franciscus, dessen 
Mitglied er war, dass innerhalb weniger Jahre mehrere Klöster dieses Ordens 
in Niederösterreich entstanden 2 ). Bevor noch der christliche Held Johann von 
Capistran sein ruhmgekröntes Leben beschloss (1456), kam der damalige Vicar 
der österreichischen Franciskaner-Ordensprovinz auf seinen Wanderungen in 
die oben geschilderte Gegend 3 ), welche ihm so ausserordentlich gefiel, dass er 
den Entschluss fasste, in dieser anmutigen Einsamkeit eine Ordenskolonie zu 
errichten. Nachdem er die Erlaubnis und durch die Wohlthätigkeit des 
Bischofs von Passau auch den Platz dazu erhalten hatte, liess er aus den Almosen- 
spenden der frommen Gläubigen bei der Waldkapelle des heil. Laurenz ein Kloster 
erbanen, das seiner lieblichen Lage wegen den Namen „zu Unserer lieben 
Frau und St. Lorenz im Paradeis u (in paradiso) erhielt. Das Kloster wurde 
in so kurzer Zeit vollendet, dass bereits im Jahre 1464 hier ein Provincial- 
Kapitel gehalten werden konnte, welches obgenannten Vicar, Namens Gabriel 
ton Verona, wieder zum Provincial-Vicar wählte 4 ). 

Die tiefe Einsamkeit des Ortes, f welche seine Bewohner von jedem 
Geräusche weltlichen Treibens schied, gefiel den Ordensobern so wohl, dass 
sie Bogar das Noviziat und die Studienanstalt für die Zöglinge der Österrei- 
chischen Provinz hieher versetzten. Zu jener Zeit, wo die Buchdruckerkunst 
kaum im Entstehen war und die Männer der Wissenschaft auf die Manuskripte 
der Bibliotheken angewiesen waren, mochte ein solch abgelegener Aufenthaltsort 
für Studierende ganz angemessen sein. Heutzutage ist das Verhältnis, wenig- 
stens für den Geschichtsforscher, gerade umgekehrt. Wer jetzt [historische 
Studien machen will, muss die grossen Städte aufsuchen, in welchen die 
Bücherschätze und glücklich geretteten Reste von Urkunden und Manuscripten 
der Vorzeit in den Archiven aufgespeichert sind. Insoferne ist heutzutage die 
Besidenzstadt ein Paradies zu nennen und glücklich Derjenige zu preisen, der 
(wenigstens in den Wintermonaten) daselbst zu leben vom Schicksale begün- 
stigt ist. — Doch kehren wir in däB Paradies auf dem Riederberg zurück. 

Sie werden weiter fragen, welche Schicksale das genannte Paradies hatte ? 
Leider sehr traurige; ein Beweis, dass es unter dem Himmel ein irdisches 



*) Er predigte zu Wien 1451. 

») Zu Wien, St. Pölten, Langenlois, Eggenburg, Katzelsdorf bei Wr. Neustadt, Enzersdorf 
am Gebirge, Feldsberg. 

3 ) Die Strasse gieng (einer alten Sage nach) über den Eichkogel, wo eine Waldkapelle zu 
Ehren des heil. Laurenz stand. 

•) Herzog, Cosmographia Austriaco-Franciscana. Pars prior. 1740. S. 85. Gabriel von 
Verona wurde spater Bischof von Albano und Erlau (Albanensis und Agriensis) und zur Kardinals- 
wnrde erhoben ; er starb zu Horn 1486. 



80 



Paradies nur dem Namen nach giebt. Zwei Unglücksfälle machten dem Kloster 
ein Ende, und zwar beidemale das flammende Feuer. ') 

Im Jahre 1509 wurde ein grosser Teil des Klosters sammt der Kirche 
einer heftigen Feuersbrunst zum Raube. Die Löschanstalten waren damals 
noch sehr unbeholfen, die Zufahrt war schwierig und der Wasservorrath wenig. 
Die Flammen griffen so schnell um sich, dass ein junger Kleriker, Namens 
Zacharias, keinen Ausgang mehr aus der Kirche fand ; der Arme suchte Zuflucht 
bei dem Hochaltar, allein er verbrannte mit demselben. Nach dem Brande 
wurde das Kloster wieder hergestellt; namentlich sind an dem Bogen vor 
dem Schiffe der im gothischen Style erbauten Kirche, gegen Norden, noch 
Reparaturen zu erkennen, soweit dies bei Ruinen eben möglich ist 8 ). 

Diesem traurigen Ereignisse folgte zwanzig Jahre später ein noch 
grösseres Unglück. In dem für Oesterreich so verrrängnis vollen, Jahre 1529, 
in welchem der Erbfeind der Christenheit zum ersten Mal in das Herz des 
Landes eindrang - sengend und brennend, plündernd und mordend — zog 
eine Abteilung jener Massen, welche Wien belagerten, beutesuchend donau- 
aufwärts. An Klosterneuburg hinauf hielten sie sich an den Saum des Gebirges, 
verwüsteten und verbrannten die Ortschaften St. Andrä, Königstetten, Tulbing, 
Judenau, und kamen so (obwol dies ein Umweg war) bis zu dem abgelegenen 
Paradeis auf dem Riederberg. Die Ordensmänner hatten keine Ahnung von 
dem schrecklichen Schicksale, das ihnen bevorstand, sonst hätten sie sich gewiss 
in den dichten Wienerwald geflüchtet, wie es ja so viele Bewohner des Tulner- 
feldes thaten. Gleich Soldaten auf dem Wachtposten harrten sie aber bei ihrem 
Kloster aus und Alle fanden den Tod im Paradiese. Es war am 26. September, 
als die wilde Türkenhorde das Ordenshaus anzündete, die ausgebrannten Mauern, 
so viel sie konnte, der Erde gleich machte und 18 Klosterbrüder teils mit 
dem Schwert tödtete, teils in die prasselnden Flammen warf 3 ). 

Unter den niedergemetzelten Ordensbrüdern befanden sich P. Theobald 
von Neustadt, ein exemplarischer Priestor, der früher Vorstand der Sakristei 
zu Wien war; der Laienbruder Alexius von Tamsweg im Salzburgischen, 
ein sehr frommer Greis und Bernhard in von Döllersheim (beide waren 
Köche); Zachäus von Zwetl. Ob diese vier Ordensmänner in der Zahl der 
18 Ermordeten mitbegriffen seien oder vielleicht aus irgend einem nahen 
Versteck hervorgezogen und niedergemetzelt wurden, lassen die vorhandenen 
Quellen zweifelhaft und schon Greiderer 4 ) getraute sich nicht, es bestimmt 
zu entscheiden. Die Namen der anderen Schlachtopfer sind in keiner Quelle 
verzeichnet, wol aber, wie wir hoffen, im Buche des Lebens. 

Das Paradies stand jetzt leer und nur die ausgebrannten Mauerreste 



J ) Uebrigena war nicht blos das Element des Feners dem Paradiese auf dem Riederberg 
feindlich, sondern auch dessen Widerpart. Die Kloster-Annalen erzählen nämlich, das» im 
Jahre 1495 ein Laienbruder, von der Sammlung heimkehrend, vom Schneegestöber überfallen 
wurde und erbärmlich zu Grunde gieng. 

>) Vgl. S«hweickhardt, Darstellung des Erzh. üe. u. d. E. des und das Pfarrgedenkbuch 
zn 8iegbardtskirchen. 

») Das Ordensmartyrologium der Franciskaner berichtet hierüber: „In Austria, tribus 
milliaribus Vienna, in loco Paradiso dicto, celebratur hodie (21. Jän.) memoria XVIII. B. B. Mar- 
tyrum, qui pro fide Christian* a turcica tyranide durissimum passi sunt martyrium. tt (Greiderer, 
Germania Franciscana. T. L 1777. pag. 400). 

») Greiderer, Germania Franciscana. L Hb. 3. n. 210. 



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81 



starrten traurig in die stille Waldeinsamkeit. Das Kloster noch einmal auf- 
zubauen, schien nicht gerathen zu sein ; denn teils fehlte es in jener schweren 
Zeit an den dazu nötigen Mitteln, teils war die gegründete Furcht vorhanden, 
dass die feindlichen Einfälle wiederkehren könnten, wie dies auch wirklich im 
Jahre 1532 der Fall war. Daher wurde im Provincialkapitel zu Langenloia 
der einstimmige Beschluss gefasst, diesen Ort gänzlich zu verlassen und aufzu- 
geben. So blieb denn das verödete Kloster bis heute unter seinen Trümmern 
begraben und selbst der Name wurde vergessen. 

Seit der Entstehung des Klosters hatten daselbst noch folgende Ordens- 
brüder (nach der Angabe Herzog's) ihre ewige Ruhestätte gefunden: 

P. Andreas von Resch (Rotz?), mehrmals Quardian, > ohQe A be der 

P. Marian v. Dorfen , ein berühmter Prediger, l gterbezeit 

P. Mathias de Samaria (Somerein?), J 

P. Sigismund v. Jährendorf, war im gelobten Lande und erster Quardian 
zu Kazelsdorf, starb 1473 während des Baues. 

Fr. Theobald aus Franken, 1477. 

P. Ignaz, v. Nürnberg, » 14g2 

Fr. Fortunat, ein Oesterreicher, / 

Fr. Georg, Von Schlesien, • 

P. Theodor, aus Oesterreich, i 

Cler. Bonaventura, von Graz, 1485. 

Fr. Alexius, aus Baiern, Steinmetz, 1486. 

Fr. Remigius, ein Böhme, 1491. 

P. Martin, von Seefelden, 

Cl. Urban, von Wien, 

P. Martin, aus Preussen, 

Cler. Erasmus, aus Steiermark, 
„ Vincenz, von Völkermarkt, 

Fr. Thomas, von Eggenburg, ' erfror im Schneegestöber (vgl. oben). 

P. Georg de Melicia (Melk, Medling) 1502, Prokurator. 

P. Damian, von Gmund (Gmünd? Gmunden), 1506. 

Fr. Wolfgang, von Steinkirchen, Bäcker, 1507. 

P. Johann, von Oering, 1508. 

Cler. Zacharias, 1509 (im Feuer). 

Cler. Paul, von Graz, 1521. 

Als eine Art Fortsetzung des Klosters „Paradies" auf dem Riederberg, 
oder doch wenigstens als ein Ersatz dafür gilt in der Ordensgeschichte das 
•päter gegründete Franciskanerkloster zu Neulengbach l ). Ob etwa doch 
einige von den Türken aus dem Paradiese verjagte Mönche durch den Wiener- 
wald dahin flüchteten, lässt sich quellenmässig nicht nachweisen; historisch 

1 ) In Altlengbach befand sich eine landesfürstliche Bnrg nnd anf einem nahen Hügel ein 
Jagdschloss, das mit der Zeit zu einem herrlichen Schlosse erweitert wurde, zum Unterschied 
Neulengbach genannt. Kaiser Rudolf II. schenkte letzteres saramt Zubehör dem Johann Eusebius 
Khuen de Balasii, Freiherr von Lichtenberg, als Anerkennung seiner Tapferkeit. Dieser Hess 
es herstellen und befestigen. Bei feindlichen Invasionen war es ein Zufluchtsort für die ganze 
ümgegeud. Durch Heirath der Tochter Kh u e n's erbte die Besitzung Neulengbach Paulus üraf 
1 alfy von Erdöd, Freiherr von Biberspurg und Stampfen. Nach 50 Jahren kaufte sie die in 
den Grafenstand erhobene Familie Ba rt o 1 o tti ; 1731 erhielt das Gut Karl Ludwig Graf von 
fartenfeld der unter Sequester kam; der gegenwärtige Besitzer ist Fürst Liechtenstein. 



1495. 



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/ 



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gewiss aber ist, dass in dem herrlich gelegenen Schlosse zu Neulengbach 
mehrere Ordensbrüder gastfreundliche Aufname genossen, bis der Herrschafts- 
besitzer Freiherr Johann Eusebius Ehuen von Belasy am letzten Tage des 
Jahres 1614 die Erbauung eines eigenen Conventes beschloss, dessen Bau 
jedoch erst KJ28 von seiner Witwe Maria, gebornen Freiin von Berka, Taub 
und Leipp, vollendet wurde. Die Lage von Neulengbach ist allerdings auch 
eine paradiesisch schöne zu nennen, allein doch nicht in dem Sinne, wie jene 
des ehemaligen Klosters mitten in den Urwäldern des Riederberges. Daher 
ein Geschichtschreiber des Ordens die witzige Bemerkung machte: „Conventus 
praesens non est Paradisus, ut olim in sylva dictus, quem mala luna tulit, 
est novus in Lengbach, a Khuen cum conjuge structus , ). 

Es erübrigt nun nur noch, den etwa sich aufdrängenden Zweifel zu 
lösen, ob denn jene spärlichen Ruinen auf der Nordwestseite des Riederberges 
wirklich die üeberbleibsel des soeben geschilderten Klöstcrleins seien, 
welches „Paradies" benamset wurde? 

Dieser Zweifel wird (abgesehen von den Ruinen) teils durch alte Grund- 
bücher, teils durch die Volkssage gelöst. In alten Grundbüchern kommen 
die Grundstücke „Paradie s gär tl" und „Paradieswaldl" vor, und sind 
einfache Bauern von Ried au die Gewer geschrieben. Im Volksmunde heisst 
noch gegenwärtig der Abhang gegen den Bach zu „K loste rleithen" und 
der Teil des Berges in der Nähe des Klosters „KloBterberg". — Da sich 
die Viertelsgrenze längs des Eichkogels bis zum Bache herab zieht, so gehört 
das „Paradies" am Riederberg eigentlich zur Pfarre Purkersdorf resp. zur 
Wiener Erzdiöcese. 

Wie schnell die Mythe ihre Epheuranken um die geschichtlichen That- 
sachen schlingt, beweist, dass man aus den Ruinen des oft genannten Para- 
dieses auf dem Riederberg ein Kloster der Templer machte, in welchem 
seiner Zeit Geistliche mit roten Käppchen wohnten!! Hoffentlich schenkt 
heutzutage Niemand derlei Kindermärchen Glauben, wenigstens kein Mitglied 
des Vereines für n. ö. Landeskunde. 

Wollen Sie endlich noch wissen, wer so glücklich ist, gegenwärtig 
das Paradies am Riederberg zu besitzen? Es ist der Lehrer der Volks- 
schule zu Ried, der beneidenswerte Erfinder des Arcanums der Neuzeit, wie 
Schule und Kirche unter gewissen Umständen und Verhältnissen sich ganz 
gut miteinander vertragen können. 



Der Hügel zu Unterzögersdorf bei Stockerau. 

Eine archäologisch-historische Untersuchung von Dr. Alois Wözl. 

Hinter dem Dorfe Unter-Zögersdorf bei Stockerau liegt auf freiem 
Felde ein ansehnlicher, offenbar von Menschenhänden aufgeworfener Erd- 
hügel, der vom Volke der Schwedenhügel genannt wird. Er ist beiläufig 30 Schuh 
hoch, mit kargem Graswuchs überkleidet, und zeigt an seiner Oberfläche mehr- 
fache Spuren versuchter Nachgrabungen. Von dem Scheitel des Hügels geht nämlich 

') Herzog, Cosmogr. Anstr. Franc, pag. 4*!). 



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ein senkrechter bei 2 Schuh im Quadrat haltender Schacht in die Tiefe, während am 
Fuise des Hügels zwei derzeit zugeschüttete, horizontal nach Innen führende 
Stollen ersichtlich sind. Beträchtliche dem Inneren des Hügels entnommene Erd- 
haufen, worin Scherben aus gebranntem Thon deutlich zu unterscheiden sind, 
finden »ich an seiner Seite abgelagert. Wenn man den Hügel ersteigt und auf die 
rings um denselben liegenden Aecker seine Blicke richtet, so bemerkt man, 
besonders zur ersten Frühlingszeit, wenn die Vegetation noch zart und durch- 
sichtig ist, in einem Umkreise von mehreren Klaftern eine Verschiedenheit 
sowol des Bodens als auch der Vegetation von jener der entfernteren Umgebung. 

Es überkommt den Beobachter der Eindruck, als sei rings um den 
Hügel ein Teil der Ackererde weggeschürft, der Boden dadurch vertieft 
und der Pflanzenwuchs wegen der zu Tage tretenden Schotterschichte ein 
dünnerer, spärlicherer. Diese Warnemung wurde von mehreren Seiten bestätigt. 

Sie ist darum von Belang, weil daraus hervorgeht, dass die zum Aufbau 
des Hügels nötige Erde nicht aus der Ferne überführt, sondern aus der 
unmittelbaren Nähe entnommen worden ist. 

Zur Untersuchung dieses Erdhügels wurden im Laufe der Jahre mehr- 
fache Anläufe genommen ; in neuerer Zeit, nämlich im Jahre 1868, wurden bei 
der vom Herrn Grafen Colloredo Mansfeld veranstalteten Nachgrabung der 
senkrechte Schacht und ein horizontaler Gang angelegt, jedoch ohne besonderes 
Resultat. 

Bei diesem Versuche will der fürstlich Colloredo'sche Förster Geldmanu in 
Zögersdorf einen eisernen, verrosteten und noch in seiner Verwahrung befindlichen 
Kugelzieher im Hügel gefunden haben, welcher aber offenbar der Zeit der 
Franzosenkriege angehört uud wol am Hügel verloren gegangen ist. Im 
Sommer 1873 wurde wieder eine Nachforschung als Fortsetzung der im Jahre 
1868 begonnenen von dem Herrn Grafen Colloredo Mansfeld angestellt, welche 
ganz schätzenswerte Resultate lieferte, und welcher ich mit seiner gütigen 
Erlaubnis ein paar Male als Augenzeuge beiwohnte. 

Es wurde jetzt folgender Modus beobachtet: 

In einer horizontalen, etwas schräg nach abwärts laufenden Richtung wurde 
ein Gang vom Fusse des Hügels aus nach innen und gegen die Mitte desselben 
zugetrieben und zu gleicher Zeit auch ein radiusäbnliches Segment aus der 
ganzen Hügelhöhe herausgeschnitten. 

Als der erwähnte Stollen gegraben wurde, zeigte sich nun gegen den 
Mittelraum des Hügels zu, im Niveau des Feldbodens gelegen, eine bei drei 
Schuh hohe, aus stark vermoderten Bohlen (von Eichenholz?) bestehende 
Wand, welche sich sowol rechts als links vom Eingange in die Erde fort- 
setzte. Im Verlaufe der weiteren Nachgrabungen stiess man in der Verlängerung 
des Ganges auf eine zweite derartige Wand, welche mit der vorigen parallele lief. 

Weitere Forschungen ergaben auch Spuren einer im rechten Winkel zu 
den obigen Wänden laufenden Balkenwand, so dass das Vorhandensein eines 
grossen aus Balken construierteu Viereckes im Innern des Hügels mit Sicherheit 
angenommen werden kann. Nur befindet sich dasselbe nicht genau in der 
Mitte des Hügels, denn der vom Gipfel desselben geführte senkrechte Schacht 
der früheren Ausgrabung traf nicht die Mitte des Balkenraumes, sondern lief 
an der äussern Seite der inneren Balkenwand vorbei. 

Es ist dies ein Beweis, dass nach der Ueberfüllung des Balkenraums 



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mit Erde der ursprüngliche Mittelpunkt bei dem weitereu Aufbau des Hügels 
eine seitliche Abweichung erfuhr, ein Umstand, welcher bei Aufschliessung 
ähnlicher Hügel berücksichtigt zu werden verdient, und welcher zeigt, warum 
die frühere Nachforschung ohne Resultat geblieben ist. 

Von diesen Wänden liefen Balkeuspuren dachsparrenartig in die Höhe; 
wie viele in der Erde verborgen waren, lässt sich natürlich nicht angeben. 

Schliesslich wurden aowol in dem Balkenraume, als auch an den 
Wänden kleine unförmige, teils geschmolzene, teils stark oxydierte Metall- 
klümpchen aufgefunden, dem Anscheine nach aus Bronze oder Kupfer, welche 
vielleicht den Nägeln entsprochen haben dürften. Innerhalb dieses Balkenraumes 
war nun die eigentliche Fundschichte, welche aus Asche, verkohlten und 
verwitterten Knochen, Topfscherben und einigen Bronze-Gegenständen bestand. 
Der grösste Teil der gefundenen Objekte befindet sich derzeit in Aufbewahrung 
des k. k. Antiken-Kabinets und die Beschreibung derselben im Band IV der 
Mitteilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien ; darin ist auch das 
Schreiben des Grafen H. v. Mansfeld an Professor Dr. J. Woldrich bezüglich der 
Durchforschung des Tumulus von Zögersdorf und die nähere Beschreibung der 
ausgegrabenen Objekte selbst von Professor J. Woldrich enthalten. Die Aschen- und 
Kohlenschichte war eine nicht in allen Teilen des Fundraumes gleich hohe; 
gegen die Mitte zu hatte ein vollständigerer Verbrennungsprocess, als an den 
Seiten stattgefunden, daher war dort die Aschenschichte eine überwiegende, 
die Höhe derselben eine geringe, während an den vom Mittelpunkte mehr 
entfernten Teilen nur eine Verkohlung der Gegenstände eingetreten und 
darum eine mächtigere Kohlenschichte vorhanden war. In dieser ganzen Aschen - 
und Kohlenschichte lagen nun die Scherben und Knochen eingebettet. Die 
Knochen gehörten wahrscheinlich Thieren verschiedener Race an; Professor 
Woldrich will auch Menschenknochen darunter gefunden haben. Die Knochen 
wurden stets im Vereine mit den Topfscherben gefunden. Diese lagen 
fest in einander gepresst, mit den Knochen teils in Asche teils in Erde 
gebettet. Sie sind dem Anscheine nach durch Zerdrücken der Töpfe unter einer 
schweren stürzenden Last entstanden. Den Bemühungen des Herrn Grafen 
Colloredo Mansfeld ist es gelungen, durch behutsames Sammeln und Zusammen- 
setzen der Scherben einige Gefässe fast intakt wieder zusammenzusetzen. 

Der Topfscherben waren zweierlei Sorten; schwarze mit festem, dichten 
Gefüge, ähnlich jenen unserer Rauchgeschirre, aussen mit Spuren von Be- 
malung und Zierrath, innen mit glattpolierter Fläche. Die andere Gattung 
bestand aus schlecht gebranntem, leicht zerreiblichen und rötlich weissen Thon, 
welcher bei jeder stärkeren Berührung pulvrig zerfiel. 

Diese Töpfe müssen einen grossen Raum innerhalb der Balkenwände 
eingenommen haben; die Scherben derselben fanden sich dicht an einander und 
übereinander liegend; in der dem bezüglichen Hefte des obenerwähnten IV. 
Bandes der Mitteilungen der anthropologischen Gesellschaft beigefügten Ab- 
bildung zeigen die Töpfe eine beträchtliche Grösse und ganz absonderliche 
Formen, welche an Graburnen erinnern. Ausserdem wurden noch innerhalb 
der Kohlen- und Aschenschichte einige Bronzegegenstände wie eine Nadel, 
zwei Nadelköpfe und ein 8chälchen, sodann zwei durchbohrte Fragmente von 
Hirschgeweihen gefunden, üeber diese Brennschichte nun breitet sich die taube, 
fundarme Erde aus, welche die Form des Hügels bildet. Sich ein klares Bild 



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über den hier atattgefundeneu Verbrennungs-Modus zu schaffen, ist eine sehr 
schwierige Sache ; denn es käme vor allem zu constatieren, ob der eingefriedete 
Platz überhaupt nur als Aufbewahrungsort verbrannter menschlicher üeberreste 
benätzt, und dann später mit Erde überworfen worden sei, oder ob der Ver- 
brennungsakt selbst innerhalb des Balkenraums stattgefunden habe. 

Für eratere Ansicht stimmt Professor Dr. Woldricb, während ich mich 
der letzteren zuneigen möchte. 

Dass die Seitenwände des Quadrates keine Spuren von Verbrennung 
zeigen, könnte vielleicht auf Rechnung der an den Wänden dicht aneinander 
aufgestellten Töpfe zu setzen sein, welche das Uebergreifen des Feuers auf 
die Wand verhinderten. 

Dass die Kohlen- und Aschenschichte innerhalb -des Raumes keine gleich- 
massige ist, wäre durch die ungleichmässige Verbrennung zu erklären, wie 
ich bereits früher auseinander gesetzt habe. Der Hauptgrund aber, welcher 
mich leitet, der zweiten Hypothese beizupflichten, ist, dass ich keinen rechten 
Grund mir denken kann, warum über einen längere Zeit als Begräbnisplatz 
dienenden Raum Erde in Hügelform aufgehäuft worden sei. Bei dem Aufhören 
des Brennritus nach Einführung des Christentums wären vielmehr derartige 
Plätze entweder zerstört oder einfach platt mit Erde überdeckt worden, statt 
den Platz zu einem weithin sichtbaren Denkmal für Jahrhunderte zu gestalten. 

Gestützt auf Analogien möchte ich mir folgendes Bild eines Brenn- 
aktes entwerfen: 

Auf einer massigen Erhöhung in der Mitte des Feldes war ein Raum 
ron mehreren Quadrat-Klaftern durch horizontal aufeinanderliegende Holz- 
stämme eingegränzt. 

Darüber ragte ein ebenfalls aus Holzkohlen gefertigtes Dach. 

Im Innern dieses hütenähnlichen Raumes war auf einem Holzstoss in 
der Mitte der zu verbrennende Gegenstand, vielleicht der Leichnam eines 
angesehenen Häuptlings, gelagert. Rings herum standen Töpfe und Schalen 
mit Speise und Trank. Der Holzstoss wurde augezündet, hochauf loderte 
die prasselnde Flamme. Die brennenden Balken stürzten in die alles versengende 
Flut und begruben unter ihrer Last den Todten saniint seinen Weihgeschenken. 

Hin und wieder mag ein solcher Dachbalken stehen geblieben sein. In 
die noch heisse, rauchende Asche schüttete nun das versammelte Volk die zur 
Construierung des Hügels vorbereitete Erde, welche es der nächsten Umgebung 
entnam, und durch welche sich der Rauch vergebens Bahn nach Aussen zu 
brechen suchte. Es entspricht dieses Bild den Angaben Herodot's über die 
Begräbnisweise der Skythen und den Schilderuugen über Begräbnisfeier roher, 
barbarischer Völker des Altertums. 

Es fragt sich nun, von welchem Volke wurde der Zögersdorfer Grabhügel 
und wurden wahrscheinlich auch die übrigen Tumuli der Umgebung aufge- 
schüttet? welches ist das wahrscheinliche Alter dieser Objekte? Dass diese 
Hügel bezüglich ihres Ursprunges nicht auf die Franzosen und Schweden 
zurückzuführen sind, wie die Landleute allgemein glauben, bedarf wol keines 
besonderen Beweises. 

Dem in der Geschichte wenig bewanderten Landvolke ist die Franzosen - 
und Scbwedenzeit der Ausdruck für Alles, worüber keine bestimmte Tradition 
vorhanden ist; viele Jahrhunderte auseinander liegende Ereignisse werdon in 



i 



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Bausch und Bogen diesen ungebetenen, noch in unaugenemer Erinnerung 
stehenden Gästen in die Schuhe geschoben. 

Um zu einem möglichst positiven Resultate über die Zeit der Hügel- 
Konstruktion zu gelangen, dürfte es am gerathensten erscheinen, die Völker 
etwas näher zu betrachten, welche seit der frühesten Zeit an den Donauufern 
Niederösterreichs sich niedergelassen haben. 

Ich will vorzugsweise das linke Donauufer dabei im Auge behalten. 

Dass die Hügel aus vorchristlicher Zeit stammen, ist gewiss; denn das 
Christentum gestattete seinen Bekennern nicht mehr das Verbrennen der 
Todten, sowie das Mitgeben von Speise und Trank in das Grab. Es ist daher 
diese Sitte als eine specifisch heidnische zu bezeichnen. Betrachten wir zuerst 
die vorrömische und vorgermanische, die sogenannte Stein- und keltische Zeit. 
Bei dem gänzlichen Fehlen von Steinfunden im Zögersdorfer Hügel darf 
wol das Steinalter von vornherein ausgeschlossen bleiben. Von den Kelten 
sassen am linken Donauufer die Bojer, ein grosses mächtiges Volk, bis dasselbe 
von den Markomannen und Quaden verdrängt sich Sitze an der rechten Seite 
der Donau erwarb. 

Ich halte es nicht für plausibel, diesem keltischen Stamme die Errichtung 
der Hügel zuzuschreiben, und zwar aus folgenden Gründen: 

In allen keltischen Grabstätten finden sich überwiegend Geräthe für 
das häusliche Leben, Schinuckgegenstände aus Bronze, während die im 
Zögersdorfer Hügel gemachten Funde sich vorzüglich auf Reste von Thon- 
Geschirren primitiver Construction und nur auf einige sehr spärliche Ueber- 
reste von Bronze-Gegenständen beschränken. 

Es ist in neuerer Zeit zu einer Art Glaubenssatz geworden, alle vor- 
kommenden Bronzefunde der Keltenzoit zuzuschreiben ; ich möchte mich dieser 
Ansicht nicht unbedingt anschliessen. 

Ich habe während meines Aufenthaltes in Dalmatien Gelegenheit gehabt, 
bei den Bewohnern im Innern des Landes hin und wieder im häuslichen 
Gebrauch stehende Bronzegegen stände, wie z. B. Nadeln, welche mit denen 
in Gräbern gefundenen eine auffallende Aehnlichkeit hatten, zu sehen, und mir 
thut es nur Leid, dass ich diese Gelegenheit nicht ergriffen habe, mir solche, 
vielleicht aus uralter Zeit stammende Objekte zu erwerben. Ich möchte daher 
auf das Auffinden der Bronze-Nadeln im Zögersdorfer Hügel kein zu grosses 
Gewicht legen, denn diese Bronzegegenstände können auch einem Volke 
angehören, welches, viel später als die Kelten aus dem Südosten Europas 
kommend, auf dem Schauplatze unserer Gegend aufgetreten ist. Ausserdem 
ist es nicht wahrscheinlich, dass diese Hügel, sowol der in Rede stehende, 
als auch jene der Umgebuug bei den späteren fortdauernden Kämpfen der 
Römer und Germanen intakt geblieben wären, abgesehen davon, dass derartige 
auffallig sich präsentierende Objekte gewiss von den nach Staub und Schätzen 
gierigen Germanen eine gründliche Durchwühlung erfahren hätten. Der triftigste 
Grund gegen die Errichtung der Hügel durch Kelten scheint mir aber jener 
zu sein, dass auch an der Kirche, in Deutsch-Alteuburg, also im Stadtgebiete 
des alten Carnuntums sich ein ähnlicher Hügel befindet. 

Es dürfte kaum anzunemen sein, dass die Römer denselben als Zierde 
ihrer mit Palästen und stattlichen Gebäuden geschmückten Stadt angesehen 
und geduldet haben. Er wäre gewiss längst entfernt worden. Auch Herr Doktor 



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Much in seinein ebenso interessanten als phantasie- uud geistvollen Aufsatze 
über die Tumuli Niederösterreichs ') glaubt nicht an den keltischen Ursprung 
dieser Hügel, sondern hält die Markomannen als die Gründer derselben, woran 
ich aber wiederum auch nicht glaube. 

Die Markomannen-Zeit fallt in jene Epoche, wo bereits die Römer Herren 
des rechten Donauufers geworden waren und unaufhörlich die Einfalle der 
Markomannen in ihr Gebiet abzuwehren hatten. 

Römischer Einfluss machte sich bereits frühzeitig bei den Anwohnern 
des linken Donauufers geltend; die an demselben Ufer aufgefundenen Spuren 
weisen auf dort bestandene römische Fortiflkationen hin ; es war zum mindesten 
eine Meile landeinwärts eine Art neutralen Gebiets. 

Wie sollte da das germanische, so freiheitsliebende Volk sich bewogen 
gefühlt haben, seine theuren Todten auf so exponiertem, gewissermassen fremden 
Grund und Boden zu begraben, statt sie auf unabhängigem, heimischen 
Terrain vor möglicher Profanation zu schützen, abgesehen davon, dass die 
römischen Grenzbesatzungen eine mit derlei Todtenfeierlichkeiten unumgänglich 
zusammenhängende Ansammlung von Volksmassen gar nicht geduldet haben 
würden. Auffallend ist, dass in dem Viertel ober dem Mannhartsberg die Tumuli 
fehlen, während sie sich im Viertel unter dem Mannhartsberg in noch zahlreichen 
Exemplaren vorfinden. Es fragt sich, sollte in dem oberen Viertel ein von dem 
unteren an Sitten und Gebräuchen gänzlich verschiedenes Volk gewohnt haben, 
welchem die allgemein verbreitete Sitte der Leichenverbrennung unbekannt 
gewesen ist? 

Das ist denn doch nicht anzunemen, denn sowol die Quaden als die 
Juthugen, welche die Peutingerische Tafel in jenen Gegenden aufweist, waren 
Teile des grossen Markomannen-Bundes und hatten gewiss, wenn auch nicht 
gleiche, doch ähnliche Gebräuche. 

Herr Doktor Much will das Pehlen der Grabhügel ober dem Mannharts- 
berg dadurch erklären, dass er annimmt, das starkbergige Waldterrain habe 
keine Kämpfe gestattet, es seien dort keine Helden gefallen, über welche sich 
der ruhmverkündende Grabhügel hätte erheben können, während das sanfte 
Hügelterrain unter dem Mannbartsberge der eigentliche Schlachtenboden der 
Römer und Germanen gewesen sei. 

Diese Ansicht dürfte sich wol nur schwer verteidigen lassen, denn die 
weit ausgebreiteten Befestigungen, sowie die dort lagernde Donauflottille 
sprechen gerade nicht für friedliche, thatenlose Zustände auf der Donaustrecke 
vom Mannhartsberge aufwärts. 

Wenn Engippius schreibt: „als im Ufer Norikunn noch ansehnlichere 
Städte blühten und keine Burg von den Angriffen der Barbaren frei blieb", so 
ist dies ein deutlicher Beweis, dass auf der ganzen Donaustreke von Passau 
bis Wien die Einfälle der Germanen allerorts mit grösster Urparteilichkeit 
stattfanden, womit die Angabe der übrigen römischen Schriftsteller auch durchaus 
nicht im Widerspruche steht. Die auffallende Erscheinung des Pehlens der 
Hügel im Viertel ober dem Mannhartsberge muss demnach einen anderen Grund 
haben, welchen ich später anzuführen mir vorbehalte. 

Kämpfe sind gewiss bei Gelegenheit der Germanen-Einfälle auch auf 



»1 Blätter des Vereines für Laudeukunde von Niodorösterreich. VIII. Jahrijang, 187 1. 

7 

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der Strecke vom Mannhartsberge aufwärts vorgekommen, uiid mancher edle 
Recke und Anfuhrer der germanischen Raubacbaaren mag dabei seine Seele 
ausgehaucht haben, ohne dass um ein Hügel von seinem Tode Zeugnis giebt. 

Nach dem Verschwinden der Quaden und Juthugen aus der Geschichte 
findet sich das linke Donauufer Niederösterreichs zuerst von den Rugiern. 
dann bei 30 Jahre lang von den Longobarden bewohnt. Die Rugier waren 
nach der Angabe des Eugippius bereits arrianische Christen, denen der heidnische 
Brennkultus nicht mehr zugeschrieben werden kann; die Longobarden sind 
zu kurze Zeit im Lande gewesen, als dass man an die Errichtung der örtlich 
and zeitlich ziemlich weit auseinander liegenden Hügel von ihrer Seite denken 
könnte. 

Ich komme nun auf die Zeit zu sprechen, in welcher mir die Errichtung 
der Hügelgräber höchst wahrscheinlich dünkt, nämlich auf die letzte;Zeit der 
Völkerwanderung, auf die nachrömische Zeit. 

Nach dem Abzüge der Longobarden aus Pannonien im Jahre 568 
drangen die Avaren allmälig gegen Westen vor. Sie waren schon früher in vielfache 
Berührung mit dem byzantinischen Reiche gekommen, und hatten schon im 
Jahre 561 einen Zug gegen die Franken unternommen. Im Jahre 600 findet 
sich ihre Grenze bis an die Enns vorgerückt, sie hatten das östliche Noricum 
und den entsprechenden Teil am linken Donauufer in Besitz genommen. 

Ich übergehe die fürchterlichen Kämpfe zwischen den Deutschen und 
Avaren und beschränke mich nur darauf, auf das Jahr 791 hinzuweisen, in 
welchem Kaiser Karl der Grosse dem Avaren-Reiche durch Erstürmung der 
bei Tuln und am Einflüsse des Kamp in die Donau gelegenen Erdringe ein 
Ende machte.Die Avareu hatten bei 200 Jahre lang das Land Niederösterreich 
bis an die Enns besessen, und diese Zeitepoche ist diejenige, innerhalb welcher 
die Hügelgräber Niederösterreichs zur Entstehung gekommen sein müssen. 

Es stimmen alle Umstände mit dieser Anname überein und gestatten 
eine einfache, natürliche Erklärung. 

Nach der Angabe des Herrn Dr. Freiherrn v. Saken in der Monographie 
über Carnuntum finden sich ähnliche Erdhügel in grosser Menge im südlichen 
Russland, in der Krimm, und weisen daher auf vorwiegend tartarischen 
Ursprung bin. 

Die Avaren waren ebenfalls ein tartarischer Volksstamm, vom Hanse 
us arm; ihre Industrie Btand auf sehr niederer Stufe, und wenn sie im 
Besitze von Kunstgeräthen und Schätzen waren, stammten diese nur aus der auf 
Raubzügen gesammelten Beute. « 

Mit jenem Zustande von Armut und Kunstlosigkeit stimmen die 
Reste der im Zögersdorfor Hügel aufgefundenen, primitiv gefertigten Töpfe 
wol überein. 

Das rohe barbarische Volk brachte seine ebenso rohen als einfachen 
Geschirre mit Speise und Trank gefüllt dem Todten als letzte Gabe dar und 
türmte den Hügel über die Reste seiner Asche. 

Der Platz sowol für den Hügel zu Zögersdorf, als auch für die übrigen 
der Umgebung auf beiden Seiten der Donau erscheint als vollkommen passend 
gewählt. Die Lage derselben hinter den grossen Befestigungswerken, den 
sogenannten Riugen, war eine gesicherte, vor Profanation geschützte, und 



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« 



89 

hier scheint es an der Zeit die einfache Ursache aufzuklären, warum sich im 
Viertel ober dem Mannhartsherg keine derartigen Grabhügel finden. 

Die ganze Gegend von den Ringen aufwärts bis au die bairische Grenze 
war sozusagen das Glacis vor den Erdwerken und wurde absichtlich von den 
Avaren als Schutz gegen Fremde und Eindringlinge in den Zustand der 
Verwilderung und Unkultur versetzt. Daher konnte der Baiernherzog Theodor 
dem heiligen Emeran mit vollem Rechte sagen, dass es unmöglich sei, durch 
die von reissenden Thieren bewohnte Wildnis an der Enns zu den Avaren zu 
gelangen. 

Es ist begreiflich, dass die Avaren ihre todten Häuptlinge nicht in 
dieser Einöde, welche bei feindlichen Angriffen vorzugsweise als Kampfplatz 
in Aussicht genommen werden musste, begruben, sondern hinter den festen 
Bingen inmitten des Volkes an heimischer stiller Stätte, welche vor Feindes 
Einbruch gesichert lag. 

Um diese Zeit konnte auch der Hügel zu Deutsch-Altenburg ungehindert 
entstehen. Das alte Carnuntum mit seinen Römerpalästen lag in Trümmern ; 
die Avaren hausten als Herren in seinem Gebiete, vom Karl dem Grossen 
erhielten sie sogar feste Sitze dort zugewiesen. Das bekannte Diplom Kaiser 
Ludwigs aus dem Jahre 823 erwähnt bereits die eben besprochenen Erdhtigel 
(jene von Tuln, Zeiselniauer und Grossmugel), während sich bei Schriftstellern 
früherer Zeit keine Notiz über sie findet. Manche der Volksgebräuche, wie 
z. B. die jährlich stattfindende festliche Besteigung des Hügels zu Hetzmannsdorf 
unter Musik und Jubel der Bevölkerung dürfte vielleicht auf eine alte, 
fortdauernde Tradition von der späteren Erstürmung der Avaren-Ringe oder 
ähnlicher Bollwerke durch die Ungarn zurückzuführen sein. 

Später mögen die grösseren Hügel hin und wieder sowol für die 
deutschen und slavischen Ansiedler, als auch für die zurückgedrängten Ungarn 
als Verteidigungs-Objekte gedient haben; es scheinen die Reste der um einige 
Hügel vorfindlichen Erdwälle und Gräben dafür zu sprechen. 

Ich schliesse meine Zeilen mit dem Wunsche, einen, wenn auch nur 
ganz kleinen Stein zum Aufbau der vaterländischen Geschichte beigetragen 
zu haben. 



Erklärung einiger Ortenamen. 

Beitrag zu einem historisch-topographischen Lexikon von Niederösterreich. 
Von Leop. Kasper, Pfarrer in Dorfstätten. 

Dorfstätten (O.M.B.) und Umgebung. 

Der Name Dorfstätten bezeichnet eine Dorfstat in der mehrfachen Zahl, 
und wirklich waren hier anfangs drei herrschaftlichen Meierhöfe mit den 
dazu gehörigen Unterthanshäusern und Bauern , welche bei diesen Höfen ihre 
Robot verrichten und dorthin ihre Zehenten und Zinskörner etc. bringen 
mussten. Diese Höfe waren der Ebenhof, der Hof im Dorf und der Hof im 
Dörfl. Sie lagen mit den dazu gehörigen Häusern neben einander, vom 
großen Walde umfangen, und hicssen mit dem gemeinschaftlichen Namen die 

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«JO 



„Dorf statten". Sie gehörten zum Kittergute Wimberg, welches eiu Leheu der 
1. f. Herrschaft Nocheling (Isper ü. M. B.) war. Dieses Ritterlehen wurde 
nach einem LehensrUckfalle halbiert, und nur die eine Hälfte weiter verlie- 
hen, die andere aber mit der Ober-Lehensherrschaft Isper vereinigt. Diese 
Halbierung bestand schon vor dem Jahre 1403; denn im k. k. Staatsarchive 
befindet sich *) ein Lehenbrief dd. 2. Juli 1403 vom Herzog Albrecht zu 
Oesterreich auf Hannsen Seusenegger um das halbe Haus zu Wimberg 8 ), 
welches von Hannsens Vetter Wernhart Seusenegger ledig geworden ist. — 
Aus dem Namen Königswald, welcher weiter unten erwähnt wird, kann man 
vermuten, dass diese Halbierung zuerst uuter der Königin Agnes geschehen 
ist, welche Witwe des ungarischen Königes Andreas III. und Tochter des 
Kaisers Albrecht I. war und die Herrschaften Weiteneck und Persenbeug 
sammt Isper unter dem Titel einer Grafschaft Weiteneck vom Jahre 1296 bis 
1364 zum Genüsse hatte '). 

Bei dieser Halbierung wurde auch Dorfstätten in zwei Aemter ge- 
teilt. Das Amt, welches bei dem Kittergute Wimberg verblieb, hiess nun 
„Wimbe rger- Amt D o r f stätten" 4 ), und das Amt, welches zu der Herr- 
schaft Isper kam, wurde das Amt im Forst, das „Forstarat Dorfstätten", 
genannt. 

Königwald 5 ). 

Bei der Teilung des Ritterlehen« Wimberg wurde auch der Wimberger 
Herrschaftswald geteilt. Die Teile, welche bei Wimberg verblieben, behielten ihre 
vorigen Namen ; der Teil aber, welcher zur Herrschaft Isper kam und somit 
der Königin Agnes zu eigen war, wurde nun der Wald der Königin, „Königin- 
wald" und durch Abkürzung in der Folge „Königwald" (nicht Königswald) 
genannt. — Darin wurde ein Meierhof zur Viehzucht errichtet, und der Name 
Königwald allmälich auf diesen Meierhof •) und dessen nahe Umgebung 
eingeschränkt. 

Führerin oder Firling. 

In dem N.-Oe. Landesschematismus vom Jahre 1855, mit dem Laudes- 
regierungsblatte herausgegeben, ist auch der Ort „Führerin u in der Gemeinde 
Kapeller, Amt Nr. 5., aber zugeteilt zur politischen Ortsgemeinde Dorfstätten 
eingetragen. Derselbe besteht jetzt aus zwei Holzhackerhäusern im Walde 
des k. k. Patrominialgutes Rohr eck, war aber vormals ein Meierhof zur Vieh- 
zucht mit einer Wald weide. — Dieser Ort liegt oberhalb Isper und Rohreck hoch 
aufden Bergen. Davon stammt auch sein entstellter Name „Führerin". Derselbe 
ist nämlich verwandt mit dem in deutschen Gebirgsländern bekannten Worte 
„Firn", und stammt vom altgothisch — deutschen „fairguni", d. i. Berg 7 ). Das ai 



«) Keil's Donauländchen 8. 456. 

*) Das halbe Haas ist die halbe Burg sammt der Hälfte der dam gehöriges Gründe and 
Wälder, Unterthanen, Koboten, Kenten etc. 

») Beil Donanländchen S. 225, 220, 313, 4.15. 

*) Aach bei Fisching ist ein Amt Wimberg, zunächst der Burg Wimberg. 
») Vgl. Blätter für Landeskunde von Nieder-Oestereich 1865, S. 142. 
•) Jetzt bostehen dort nnr Uolzhacker-Häuser. 

T ) In des Ülfilas Bibel hoisst es: Evangelium des h. Matthäus 8. Cap. 1. Vers: „Dalath than 
atgaggandin imma af fairgunja laistidedun* etc., d. i. Als er (Jesus) dann thalab gieng von dem 
Berge (af fairgunja), folgten ihm etc. ( auch bei Maren • 3. Cap. 13. Vers, y. Cap . 2. und 9/ Vers. 



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vor dein r ist wie t, das g sehr weich wie j und die ersten Silben gedehnt zu 
lesen, also firjuni und im Dativo plur. firjunim, d. i. »auf den Bergen", 
im Gebirge. Nachdem die Bedeutung dieses Wortes vergessen war, wurde es 
in „Führerin", „auf der Führerin" umgestaltet und wird häufig auch zusam- 
mengezogen in „Firling", „auf der Firling." 

H o f e d e 1. 

Im obengenannten Landesschematismus vom Jahre 1855 wird auch 
Hof edel bei Altenmarkt im Isperthale (0. M. B.) genannt. Diese Kleinhäuser 
wurden um das Jahr 1835 auf einem Hofgrund, d. i. auf einem der Herr- 
schaft Rohreck eigentümlich gehörigen Grunde aufgebaut. Dieser Grund liegt 
am linken Ufer des Isperbaches, wo viele Erlen wuchsen und noch jetzt 
wachsen, welche in der österreichischen Mundart „Ödeln" genannt werden- 
Die neue Ortschaft heisst daher in der Volkssprache „in den Hofödeln" ; sollte 
in der Schriftsprache „in den Hoferlen" heissen ; wurde aber vom Anfange 
her mit dem entstellten Namen „Hofedel" benannt. 

Si ebend ürfting. 

Siebendürfting,ein kleines Dorf bei Pisching im Isperthale (O.M.B.) 
erscheint in einem Pfarrmatriken-Buche der Pfarre St. Oswald um den Anfang 
des 18. Jahrhunderts unter dem Namen „ZindÖrfling", welcher vermutlich 
Ton der Ritterfamilie „Zin" herstammt. 

Vormals waren nämlich im Isperthale mehrere Freihöfe, welche adeligen 
Familien als Lehen oder Eigentum zugehörten. Ein solcher Hof mag auch 
„ZindÖrfling" gewesen sein und vor seiner Zerteilung der Zinhof geheissen 
haben. In der Stiftungsurkunde der Pfarre Münichreut am Ostram vom Jahre 
1144 erscheint unter den Zeugen über die festgesetzten Pfarrgrenzen auch ein 
Czineus, welcher den Zinhof im Isperthale vielleicht besessen hat 1 ). 

Fünfling und Fell (auch Windhag). 

Bei St. Oswald im Isperthal (O. M. B.), und zwar Fünfling, ein Dorf von 
8 Häusern, und Fell, eine Rotte von mehreren zerstreuten Häusern. Fell 
ist ein entstelltes Wort und bedeutet ein Feld. Die Fell hat wirklich schöne, 
fruchtbare Felder auf ziemlich ebenem Boden. In einem Grundbüchel der 
Pfarre St. Oswald vom Jahre 1450 werden 16 Häuser genannt, welche (wenig- 
stens als Zehentbezirk) dazu gezählt wurden. Diese machen einen Halbkreis, 
in dessen Mitte das Dorf Fünfling auf dem Gipfel eines freistehenden 
Hügels liegt, und daher ein Dorf in der Fell (oder Felling) ist. 

Den Namen Fünfling wollen einige aus der Zahl „fünf erklären, indem 
sie (doch ohne Grund) meinen, dass der Ort anfangs aus fünf Häusern bestan- 
den habe, welche später auf acht vermehrt worden wären. Diese Erklärung 
ist aber ganz unrichtig ; denn auch „Fünfling" ist ein entstellter Name. 

Dieser Ort erscheint in den Matrikenbüchern der Pfarre St. Oswald mehr- 
mals mit dem Namen „Wimpfling", z. B. die Höllmühle bei Wimpfling, Buch- 
schachen bei Wimpfling etc. Dieser letztere Name ist der richtige, welcher 

') Die Kitterfamilie „Zin" war auch in Wien ansässig. Auch in Link'» Z wetler Annalen 
kommt 1285 ein „Zin" als Zeuge vor; nämlich Carl v. Espeindorf genannt Cinns. Zn Anratsberg 
in der Gemeinde QottHdorf a. d. Diwan O. M. B. ist eine Kotte mit dem Namen „Zinnhäuser." 



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auch der Ortslage entspricht; aber auch er ist ein wenig entstellt Wimpfling 
ist nämlich das abgekürzte „Wimpfeling*, und dieses ist aus „Windfeling* 
entstanden *). 

Windfeling besteht aus „Wind" und „Feling.« Letzteres bedeutet ein 
Dorf in der Fell, eine Ortschaft im Feld. — Der Beisatz „Wind" bedeutet 
hier nicht eine Strömung der Luft, sondern stammt von dem Zeitworte „win- 
den", d. i. sich wenden, sich biegen, einen Buckel oder eine Krümmung 
machen, und bedeutet daher einen Bühel, und zwar den Gipfel des Bühels 
oder den Scheitel eines Bergrückens, wo eben die Biognng des Bodens und 
die Wendung der Abdachung Statt findet. 

In dieser Bedeutung wird das Wort „Wind" auch in dem vielfach vor- 
kommenden Ortsnamen „Windhag" gebraucht. — Hag ist ein Wald. Ein Haus 
oder Ortschaft sammt Gründen, welcho vom Walde umfangen ist, heisst daherj.im 
Hag M oder kurzweg ebenfalls ,Hag. M Wenn der Hag auf dem Scheitel eines 
Bergrückens oder auf dem Gipfel eines Hügels liegt, so ist er ein Wendhag 
oder Windhag. Dies ist der Fall beim Wiudhag zu Dorfstätten, ebenso beim 
Windhag zu St Oswald, dessen Gründe auf dem Scheitel eines Bergrückens 
liegen, welcher an der Ostseite die Abdachung zum großen Isperbache und 
auf der Westseite zum Loheneckerbache hat ; ebenso ist es bei anderen 
Häusern und Ortschaften dieses Namens. 

Dasselbe ist auch der Fall bei dem Orte Wind-Feling, welcher am Gipfel 
eines Bühels liegt, und deshalb e in Dorf i n der Fell auf der Wend ung 
des Bühels bedeutet. 

Aus Windfeling entstand durch Abkürzung Windfling, dann Wimpfling, 
und nachdem die Bedeutung dieses Namens vergessen war, das entstellt« 
Fünfling. 

Schleunzerhof. 

In der Volkssprache Schloanzer, im Artneramte zu St. Oswald in der 
Pfarre Nöchling; erscheint in einem Urbarium der Pfarre St. Oswald vom Jahre 
1450 unter dem Namen „Schnaitzen". Damals wurden noch 12 Häuser dazu 
gerechnet (wenigstens in Zehentangelegenheit), welche vielleicht zu dem einst- 
mals freien Schnait zerhof unterthänig waren. 

Im 14. Jahrhunderte erscheint die adelige Familie Snaynter oder Snayzer 
von Isper 2 ), aus welcher damals zwei ausgezeichnete Prälaten des Stiftes Melk, 
nämlich Ludwig I. und dessen Neffe Ludwig II., hervorgiengen 8 ). 

Da die Familie Snaynzer von Isper im Pfarrbezirke Nöchling, nämlich 
im Dorfe Isper und in Mitterndorf, Besitzungen hatte 4 ), und der Familien- 
name mit dem Namen des Schnaitzerhofes übereinstimmt: so kann man mit 
Recht annemen, dass sie auch diesen Schnaitzerhef als Freihof besessen, und 
demselben den Namen gegeben habe. 

Die Schnezer (Schnetzer v. Krenkingen) kommen im 14. Jahrhunderte 

• 

') Die Verwechslung dea Wortes »Wim« oder „Wimp" mit »Wind« geschieht ebenfalln im 
Namen „Wirapassing", welches auch „Windpassing* genannt und geschrieben wird. 

*) D. L nicht vom Markte, sondern vom Dorfe Isper an der Mündung des Isperflussea in 
die Donan (Reil Donauländchen S. 221 und 229). 

3 ) Keiblinger, Melk 2 T. I. 343. 

') Äeil Donanlindch. S. 190, 227, 228, 229. 



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auch in Schaffhausen in der Schweiz vor. *) Es mag einer von diesem Geschlechte 
unter den vielen anderen Schwaben mit dem Kaiser Rudolf I. von Habsburg 
oder seinen Söhnen nach Oesterreich gekommen hier in der 1. f. Herrschaft 
Isper, mit dem oben genannten Lehengütern belehnt worden sein und dem 
Schnaitzerhof, welcher vormals anders geheissen hat, seinen Familiennamen 
gegeben und selbst den Beinamen „von Isper" angenommen haben. 

Loseneck. 

Loseneck ist ein Amt zu St. Oswald (0. M. B.). Im 13. Jahrhundert 
lebten die Herren von Luchsenecke (auch Lusneck, Lusnich, Luhsik genannt) 
in Oesterreich. Sie waren Dienstmänner und Herrenstands-Mitglieder des 
Bistums Freisingen in Baiern (domini et ministeriales ecclesiae Frisingensis) *) 
Ihr Stammhaus Luchsenecke lag bei Gossling in der jetzigen Pfarre Mendling, 
in der Rotte Lassing (0. W. W.) im grossen Bezirke der alten Freisingischen 
Herrschaft Waidhofen an der Ips. Sie hatten auch andere Besitzungen. Aus 
Urkunden lässt sich nicht nachweisen, dass sie auch das Losenecker-Amt zu 
St. Oswald besessen haben; aber der Name dieses Amtes zeigt offenbar, dass 
es von ihnen besessen und nach ihnen genannt worden ist. 

Der einstmalige Freihof, in welchem sie ihren Sitz gehabt, nämlich der 
Sitzenhof, ist noch immer, auch nach seiner Auflösung, das beste Bauern- 
haus dieses Amtes, und hei sst jetzt mit entstellten Namen Süssen ho f. 

P e 1 1 e t h o f . 

Der Pellethof zu St. Oswald (0. M. B.) erscheint in einem Grund- 
buchel der Pfarre St Oswald schon im J. 1450 unter diesem Namen. 

Hiezu ist zu bemerken, dass im Jahre 1432 „der Erber und Weise 
Pernhart Halberger di Zeit Castner zu Pechlarn und der Erber 8 ) Wolfgang 
PeJlewtter < * einen Kaufbrief zu Marbach an der Donau gesiegelt haben 4 ). 

Es liegt die Vermutung nahe, dass das genannte Bauernhaus „Pellet- 
hof einstmals der Adelsfamilie Pellewtter als Freihof mit vormals grösserem 
Grundbesitz gehört und von ihr den Namen empfangen habe. 

Der Pelleter Riedel, ein bewaldeter, hoher und vom Pellethof ziemlich weit 
entlegener Bergrücken südlich vom Burgstein, jetzt zum Gute Rohreck 
gehörig, mag laut seines Namens einstmals zu diesem Freihofe gehört haben 
und bei der Auflösung und Rustikalisierung desselben von der Herrschaft Isper 
(Rohreck) zurückbehalten worden sein. 

(Fortsetzung folgt.) 



») Johanes v. Müller Schweizer Geschichte 2. Buch. t. Cap. nota 158 dd. und 7. Cap. 
nota 848. 

») Meichelheck hist. Frising. Tom. II. P. II. p. 34 anno 1262,-auch S. 28, 43, 55, 56 
73, 79. 114. Tom. II. P. L S. 63. 82 und Keihl. Melk 2. Th. L 818. 

>) Der Titel „Ehrbar - wurde damals nur adeligen Personen gegeben (Hoheneckfs 
Genealogie I. IL Vorbericht §. IV.). 

<) Bei Tb Donauländchen S. 260. 



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Germanische WolinBitze und Baudenkmäler in Nieder Österreich. 
Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen im Jahre 1874. *) 
* Von Dr. Matthäus Much. 

I. 

Waffenplätze der Quaden an beiden Seiten der Donau - 
Römische Kastelle jenseits der Donau. 

Man hat sich nur zu sehr daran gewöhnt, zu glauben, dass die Spuren 
jener Völker, welche vor Beginn der Geschichte unser Land bewohnt haben, 
völlig verwischt seien; man hängt an der Meinung, dass insbesondere die 
Reste altgermanischer Zeit durch die Wogen der Völkerwanderung, die ja 
zumeist über unsere engere Heimat Niederösterreich sich wälzten, vom Boden 
hinweggefegt, und das Wenige, was sich vielleicht noch gerettet, durch die 
alle Schrecknisse der Völkerwanderung überbietenden Einfälle mongolischer 
Völker: der Hunnen, der Avaren und der Magyaren spurlos vernichtet worden sei. 

Zeigt aber schon die Erhaltung vieler Ortsnamen in Niederöstexreich 
aus der Zeit des Heidentumes, dass der Gang der Kultur in diesem Lande 
trotz aller Völkerstürme nie völlig unterbrochen gewesen sein konnte, so 
geben die dem aufmerksamen Auge sich immer reicher und mannigfaltiger 
zeigenden Fundstücke die begründete Hoffnung, einen Einblick in jene frühen 
Zeiten zu gewinnen, und uns aus den verfallenen Resten die entschwundenen 
Völker mit ihren Wohnstätten, mit ihren Kämpfen und ihrem Streben geistig 
wieder zu erwecken. 

Wenn wir insbesondere einen Teil unseres Landes näherer Betrachtung 
unterziehen, nämlich jenes merkwürdige Stück Erde, das im Süden von der 
Donau, im Norden von der Thaya, im Westen vom Kamp und im Osten von 
der March umflossen ist, so begegnen wir in demselben einer solchen Fülle 
von historischen Erinnerungen, von Namen und Denkmälern aller Zeiten, 
einer solchen Mannigfaltigkeit von Zeugnissen eiuer ununterbrochenen Kultur- 
entwicklung von der urältesten Zeit bis in unsere Tage, wie kaum in einem 
anderen an Ausdehnung so unbedeutenden Flecke germanischen Bodens. 

An der nördlichen Grenze dieses kleinen Gebietes, an der Thaya, stossen 
wir auf die unabweisbaren Zeugnisse, dass hier der Mensch schon Zeitgenosse 
des Elephanten gewesen ist, und mit seinen rohen, nur vom Steine loi- 
gesplitterten Waffen dieses ellenhafte Thier gejagt und bewältiget hat. Und 
seit jener Zeit lässt sich fast Schritt für Schritt der Weg der Menschheits- 
geschichte auf diesem Boden verfolgen. Denn im Westen, an den Abhängen 
des Mannhartsgebirges bis in die Mitte des bezeichneten Gebietes, finden sich 
auch die schon einen bedeutenden Fortschritt der Kultur bezeugenden ge- 
schliffenen Stein Werkzeuge zu Tausenden. Lange mochten die Völker, die sich 
solcher geschliffener Steine bedienten, hier gehaust haben, denn wir stossen 
in ihren Wohnsitzen zuweilen auch schon auf Geräthe aus Bronze, die sich 
übrigens, wenn auch sparsam, im ganzen Landesteile finden, und zu denen 
sich Werkzeuge aus Eisen noch spärlicher gesellen. In der südöstlichen, von 



') Dieser Artikel ist auch in den Mitteilungen der anthropologischen Gesellschaft in 
Wien. V. Bd. Nr. 2 n. 3 (p. 37 ff.) erschienen. Denselben Gegenstand hat Herr Dr. M. Much in 
einem Vortrage an einem unserer Vereinsabende (am 8. Janner 1875) behandelt. 



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der Donau und March eingeschlossenen Ecke betreten wir endlich historischen 
Boden, einen jener merkwürdigen Flecke der Erde, auf denen sich die Ge- 
schicke der Völker vollziehen. Hier haben sich schon romische Kriegskunst 
und „germanische Freiheit* in langem blutigen Kampfe gemessen ; hier standen 
lieh Böhmen und Ungarn gegenüber, hier ward durch die Entscheidung des 
Kampfes zwischen dem Böhmenkönig und dem Habsburger der Weltgeschichte 
eine andere Bahn gewiesen; hier zuerst haben unsere Väter dem korsischen 
Eroberer eine Schranke gesetzt, und hier, wir haben es selbst erlebt, sollte 
noch ein letzter Kampf zur Entscheidung gebracht werden! Das ist wahrhaft 
klassischer Boden menschlicher Kulturgeschichte! 

Ich habe bemerkt, dass die Beste der älteaten Eisenzeit, also der unserer 
germanischen Urväter, bis jetzt noch am spärlichsten sich zeigten; ganz 
erklärlich, denn wer mochte auch bis heute jenen verrosteten Dingen eine 
besondere Aufmerksamkeit widmen. Zudem sind diese ja oft so verwittert, 
dass sie in der Xhat unkennbar geworden. Um so befriedigter bin ich, dass es 
mir im vergangenen Jahre glückte, Beste jener Zeit aufzufiuden, die mir so 
bedeutsam zu sein scheinen, dass ich sie mit Berechtigung der besonderen 
Beachtung empfehlen darf. 

Soll ich die Erfolge meiner archäologischen Forschungen im vergangenen 
Jahre mit wenigen Worten bezeichnen, so kann ich es nicht treffender thun, 
als indem ich die Worte, mit denen Tacitus von den germanischen Denkmälern 
an den Rheinufern berichtet ») auch auf unsere Heimat anwende, indem ich 
sage: „Bis in uns er e Zeit habe n sich weithin auf beiden Donau- 
nfern die Stätten einer ruhmvollen Vorzeit erhalten, jene 
riesigen Waffenplätze, deren Umfang noch heute denMassstab 
giebt für jene Volksmassen und deren Kriegshorden, und ein 
Zeugnis für ihren gewaltigen Auszug." 

Der gros s artigste dieser Waffenplätze ist jener von 
Stillfried an der March. 
Das Festungswerk. 
Der innere Teil des unteren Mannhartsviertels ist ein sanft gewelltes 
Hügelland, das bei Stillfried am weitesten gegen Südosten vortritt, hier eine 
vorspringende Ecke bildet, welche fast die March berührt. Diese Ecke wird 
hier am Flusse durch 20 bis 25 Meter hohe, fast senkrechte Lösswände begrenzt, 
im Süden und Norden durch Seitenthäler noch mehr isoliert, so dass sie an 
der Westseite nur mittels eines fast ebenen Rückens mit der Hochfläche des 
inneren Hügellandes zusammenhängt. Diese Seite ist indes wieder in anderer 
Art, nämlich durch einen noch heute nicht unbedeutenden Eichenwald, dem 
Beste des einstigen mächtigen Hochwaldes, abgeschlossen. Die steilen Ränder 
dieser somit gänzlich isolierten Ecke der Hochfläche beherrschen nicht nur 
die March, sondern die ganze gegen Osten und Süden vorlagernde Ebene; die 
Aussicht von derselben ist darum fast überraschend schön, es ist aber auch 
erklärlich, dass ein solcher von der Natur schon geschützter Ort in jener Zeit, wo 
um's Dasein in anderer Weise als heute gestritten wurde, zur Anlage eines 
Wohnsitzes besonders einladend gewesen sein mochte. 

Die Oberfläche ist fast eben und steigt nur gegen Nordwest sanft an; 



') Tacitus, Germania, cap. XXXVII. 



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deren östliche Hälfte nemen heute Weingärten und Felder ein, während der 
übrige, westliche Teil eine trockene Weide ist, auf der die vielen Wege, die 
über sie führen , Veranlassung zu tiefen Einrissen durch das Regen wasser wurden. 

An den Wänden aller dieser Einrisse liegen Scherben, Knochen, Wand- 
bewurfstücke, Kohlen und Asche zu Tage; überall, wo man in dem Unge- 
heuern Räume etwas tiefer in die Erde gräbt, stosst man auf derlei Reste, 
dass man sie zu Tausenden sammeln könnte: es war also die ganze grosse 
Fläche in allen ihren Teilen bewohnt. 

Von der ausserordentlichen Ausdehnung und von der Grösse des 
Eindruckes, den der Anblick dieser Ansiedlung macht, giebt die Angabe einiger 
Massverhältnisse eine annähernde Vorstellung. 

Die Längenachse des eiförmigen mit seiner Spitze gegen Südost 
gerichteten Raumes misst beiläufig 720 Meter, die grösste Breite in der 
Richtung von Südwest nach Nordost beträgt 455 Meter, der Umfang etwa 1900 
Meter, oder eine halbe Wegstunde, seine Gesammtfläche 27 Hektaren, ein 
Mass, das der doppelten Fläche unseres Stadtparkes saramt dem Kinderparke 
nahezu gleichkommt. 

Wenn man nun ferner erwägt, dass dieser ganze ausgedehnte Raum zum 
grössten Teile von Wällen und Gräben umschlossen ist, nicht von Wällen, 
deren vom Pfluge verwischte Spuren man erst suchen muss, sondern die sich 
hügelartig hinziehen, 200 bis 400 Meter lang, bis zu 12 Meter Höhe sich 
erheben, dass diese Wälle zwei grosse Tumuli und ein anderes turmartiges 
Erdwerk mit einschliessen, so wird man sich leicht eine Vorstellung von der 
Grösse dieses Wohnplatzes machen können, und ich gestehe gerne, dass ich 
selbst, der ich an den Anblick ähnlicher Erscheinungen gewohnt bin, mich 
des Staunens und der höchsten Bewunderung nicht erwehren konnte! 

Wie ich schon bemerkte, steht die von drei Seiten durch natürlich»: 
Abstürze begrenzte Hochfläche der Ansiedlung an der Westseite landeinwärts 
durch einen breiten Rücken mit dem Höhenzuge in unmittelbarer Verbindung. 
Hier war ein Angriff auf die Ansiedlung am leichtesten auazuführen, darum 
sehen wir sie an dieser Stelle auf einer Länge von 300 Meter durch einen 
35 Meter breiten, im Mittel 10 Meter tiefen Graben gesichert (bei b auf dem 
nebenstehenden Plane). Die ausgehobene Erde wurde auf der gegen die An- 
siedlung gerichteten Seite des Grabens aufgeworfen, so dass nun dieselbe hier 
in der angegebenen Ausdehnnng von mehr als 300 Meter durch einen mächtigen 
Wall abgeschlossen ist, der nach Innen eine Höhe von 7 Meter, gegen den 
Graben eine Höhe von 12 Meter, somit die eines zweistöckigen Hauses erreicht 

Im Norden und Süden ist die Ansiedlung wol durch die schon erwähnten 
Seitenthäler abgegrenzt, doch haben dieselben offenbar keinen völlig sicheren i 
Schutz gegen feindliche Angriffe geboten, weshalb wir auch hier Beben, dass 
der beschriebene Wall an der Nordseite wenn auch nicht mehr in so bedeutenden 
Dimensionen weitergeführt wurde, wo er sich aber nur in einzelnen längeren I 
Stücken erhalten hat, die wie Ruinen aufragen. An der Südseite treffen wir 
dagegen einen doppelten Wall; der obere ursprünglich schon nicht bedeutende, 
mit nur gegen Aussen gerichtetem Abfalle, ist nach innen in Folge der An- 
lage von Feldern und Weingärten ganz eingeebnet worden. Der untere dieser 
beiden Wälle ist nach Innen nur 1 bis 2 Meter hoch, erreicht erst an seinem 
südöstlichen Ende eine Höhe von 4 bis 6 Meter, fällt aber nach Aussen tiefer 



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ab; er scheint Bich an den grossen Wall unmittelbar angeschlossen zu haben 
und legte sich in einer Länge von 530 Meter, von der noch mehr als 400 
Meter erhalten sind, vor die ganze Südseite der Ansiedlung. 

Aber auch die Steilabstfirze gegen die March, die für sich allein ge- 
nügenden Schutz geboten hätten, scheinen wenigstens an einzelnen Stellen 
mit einem nicht unbedeutenden Walle gekrönt gewesen zu sein, was aus 
erhaltenen Resten an der Nordost-Ecke der Ansiedlung zu schliessen ist. Er 
mag zum grossen Teile allmälig in die Tiefe gestürzt, zum Teile in die an- 
grenzenden Felder und Weingärten eingeebnet worden sein. 

Die Gesammtlänge der Wälle muss auf mindestens 1000 Meter, mehr 
als Vs Meile, veranschlagt werden. 

An der Nordost-Ecke, in der Nähe der beiden Tumuli, bei d des 
Planes, entstand zumeist durch den Bau derselben, ich möchte sagen, ein 
ganzes Labyrinth von Gräben, die zum Teile die Tumuli unfangen, zum Teile 
aber zur Befestigung zu gehören scheinen, da sie sich an den Umfassungswall 
anschliessen. 

Die Wälle bestehen aus Löss, wie er aus den Gräben ausgeworfen 
wurde; an grösseren Steinen und selbst an Schotter fehlt es durchaus. Den 
grossen Wall hat man jedoch gegen Witterungseinflüsse, vielleicht auch gegen 
die Wirkungen von Schleudermaschinen dadurch zu sichern gesucht, dass 
man in ihm eingebettete Holzmassen in Feuer setzte und ihn 
auf diese Weise hart brannte. Wir haben also hier das erste Beispiel 
eines Brandwalles auf niederösterreichischem Boden vor uns. Diirchgräbt man ein 
Stück des Walles, so stosst man auf rotgebrannte Erde oft von */s Meter Dicke, 
die aber durch den Wechsel von Nässe und Trockenheit und namentlich durch die 
zerstörende Wirkung des Frostes ihre Konsistenz verloren hat und durch da* 
Graben zerfällt. Darunter lagern überall Asche, stellenweise in grosser Menge, 
und Kohle, von der zuweilen noch Teile der ganzen Stämme erhalten Bind, wo 
die vollständige Verbrennung nicht gelungen ist. 

Es lässt sich denken, dass man bei einem so bedeutenden Bollwerk, 
dessen Verschanzung einen gewöhnlichen Aufwand von Arbeit erforderte, auch 
auf die Wahl und Anlage der Zugänge besondere Sorgfalt verwendet haben 
wird. Gegenwärtig zieht ein ganzes Netz von Fahr- und FusBwegen über die 
Ansiedlung ; es ist jedoch ganz zweifellos, dass die heutigen Wege zur Zeit 
der alten Ansiedlung nicht bestanden, weil sie an verschiedenen Stellen die 
Wälle durchbrechen, wo diese ganz gewiss in ununterbrochenem Zusammen- 
hange gestanden sind. 

Ehemals bestanden wahrscheinlich vier Eingänge, von denen sich jedoch 
zwei nur in unsicheren Spuren erhalten haben, deren einer innerhalb des 
Doppelwalles von der Südostseite hinzugeführt zu haben scheint, während der 
andere durch den Bau der Tumuli, über dessen Platz er führte, schon in 
alter Zeit abgekommen ist. Von diesen lässt sich also nicht viel sagen. 
Dagegen zeigt sich, dass die beiden anderen, noch heute deutlich zu erkennenden 
Eingänge mit ungewöhnlicher Ueberlegung und Vorsicht angelegt worden 
sind. Der nach der nordwestlichen Ecke der Ansiedlung gerichtete Eingang 
war innerhalb derselben, wie sich nachweisen lässt, schon ursprünglich vertieft, 
so dass er einen Hohlweg bildete, der auf eine weite Strecke tief unter der 
Fläche der Ansiedlung verlauft, so dass feindliche Schaaren, die den Eingang 



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am Walle etwa schon erzwungen hatten, noch innerhalb der Ansiedlung mit 
Leichtigkeit von oben herab vernichtet werden konnten. 

Eine zweite Pforte führte zur March hinab. Sie wurde in anderer, und 
zwar in höchst merkwürdiger Weise gesichert. Unmittelbar vor derselben 
worde Dämlich ein Turm (e des Planes) errichtet, wenn ich ein aus Erde, 
wahrscheinlich aus naturgewachsenem Boden bestehendes Werk so nennen 
darf, das fast Benkrecht 2 bis 4 Meter hoch über den ringsherum geführten 
Graben sich erhebt. Dieser Turm, dessen ovale Oberfläche einen grösseren 
Durchmesser von 16 Meter, einen kleineren von 11 Meter und einen Umfang 
von 44 Meter hat, beherrscht den Eingang vollständig, denn eine feindliche 
Schaar, welche denselben erzwingen wollte, musste zuerst den ziemlich steilen 
Weg am schroffen Abhang hinanklimmen und sodann im Graben fast ganz 
um den Turm herum gehen, um in das Innere der Ansiedlung zu gelangen. 
Das konnte nun vom Turme aus mit Geschossen und dgl. ebenso verhindert 
oder doch erschwert werden, wie auf der andern Seite am Hohlweg. 

Der in dieser Weise durch mächtige Wälle umschlossene und mit 
wohlverwahrten Eingängen versehene innere Raum der Ansiedlung mag nach 
einer beiläufigen Berechnung 23 Hektaren enthalten. Wenn wir von diesem 
Auamasse 70.000 QMeter in Abschlag bringen, welche die Tuinuli, der Turm, 
die Wege und etwaige öffentliche Gebäude in Anspruch namen, wenn wir 
ferner für die Hütten einer Familie einen Raum von 400 QMeter als beiläufiges 
Mass des Bedarfes betrachten und jede Familie uns nur aus fünf Gliedern beste- 
hend annemen, so hat diese Ansiedlung einer ständigen Friedensbevölkerung von 
mindestens 2000 Menschen hinreichenden Raum geboten. Trügen aber gewisse 
Anzeichen nicht, was die Zukunft zeigen wird, so werden wir die Friedens- 
bevölkerung noch höher anschlagen können, im Kriege aber konnte sich leicht 
ein zehnfach stärkeres Heer hinter den Wällen bergen und frei bewegen; 
jedenfalls erforderte die Verteidigung der so ausgedehnten 
Wälle Tausende von Kriegern. 

Wenn wir die Ansiedlung in ihrer einstraaligou Gestalt uns vergegen- 
wärtigen, und sie in ihrer ganzen ungewöhnlichen Ausdehnung überblicken, 
hoch über der die steilen Abstürze fast berührenden March, vor uns die 
Tuinuli und den Turm, rechts und links die niedrigen Wälle, im Hintergrunde 
den durch riesige Feuer gefesteten Hauptwal], über den der dichte Urwald 
hereinblickt, wenn wir uns dio Wälle noch durch festgeschlosseue Pfahlreihen, 
oder nach den Darstellungen auf dor Antonins-Säule in Rom l ) von Hürden 
aus starkem Flechtwerk vervollstäudiget denken, so werden wir zugeben 
müssen, dass wir ein gewaltiges Bollwerk vor uns haben, einen riesigen 
Waffenplatz, dessen Bau dio Arbeit vieler uud einheitlich geleiteter Hände 
bedurfte, dessen Bewältigung aber auch einer Heeresabteilung unserer Zeit, die 
nicht mit Geschützen ausgerüstet ist, nicht geringe. Schwierigkeiten bereiten 
würde. 



Es erübriget mir nunmehr noch der Nachweis, dass diese merkwürdige 
vorgeschichtliche Ansiedlung gewiss eine der ausgeprägtesten und grossartigsten 
auf deutschem Boden, in Wirklichkeit das Werk eines germanischen Stammes, 

') Bartoli. Columna Antoniniana. 



Das Volk. 




100 

der Quaden, genannt werden könne. Der Beweis liegt in Folgendem. Auf dem 
Fusswege, der von der Stillfrieder Kircbe über die ganze Breite der Ansiedlung 
nach dem Orte Grub führt, tritt ganz in der Nähe der beiden Tumuli scheinbar 
weissliches Gestein zu Tage, das hier mitten im Löss sofort alle Aufmerk- 
samkeit erregt, und sich, wenn man demselben nachgräbt, als Mörtel erweist. 
Er ist ziemlich hart, von feinem Materiale, dem jedoch kleiner Flussichotter, 
wir würden in Wien kurzweg sagen Bieseischotter, in bedeutender Menge 
beigemischt ist. Genau von derselben Beschaffenheit habe ich den 
Mörtel am Triumphbogen der römischen Stadt Carnuntum 
gefunden, die bekanntlich im Jahre 374 von den Quaden zerstört worden 
ist. Es sind mehrere Stellen am Fusswege, wo dieser Mörtel zu Tage tritt, 
und alle diese Stellen erweisen sich als alte Mauerreste. Auf eben solche 
Mauerreste soll man in den benachbarten Weingärten gestossen sein. 

Forscht man in der Umgebung weiter, so findet man insbesondere in 
den die Tumuli umschliesseoden Gräben Ziegeltrümmer in grosser Zahl, die 
den römischen Leistenziegeln in Bezug auf die jetzt noch erhaltene staunens- 
werte Härte, Gleichmässigkeit des Gefüges, Schönheit der Farbe und Sorgfalt 
der Arbeit vollkommen gleichen. Die Gegend der Tumuli, in der, wenn- 
gleich seltener, auch behauene Steine sich finden, also eben 
dort, wo das Mauerwerk zu Tage tritt, kann als Mittelpunkt 
des Verbreitungsbezirkes dieser den römischen so vollkommen 
gleichen Ziegel, betrachtet werden, hier finden ßie sich am 
häufigsten; doch habe ich sie noch 240 Meter von da entfernt, natürlich 
überall in Trümmern und nur vereinzelt gefunden. Das vorliegende Fund- 
stück ist das am besten erhaltene, es fehlt davon nur die eine Leiste. Am 
Rande desselben ist das Arbeiterzeichen angebracht: conceutrische mit den 
Fingern gezogene Bogen und in deren Mitte der Abdruck der fünf Finger- 
spitzen. Genau dasselbe Zeichen habe ich an Ziegeln innerhalb 
des römischen Winterlagers vor Carnuntum, also auf klas- 
sischem Boden gefunden. Ich bin der Meinung, dass es bei solchen 
Fundstücken nicht dem leisesten Zweifel mehr unterliegen kann, daes gerade 
hier eines jener KaBtelle gestanden, welche die Römer jenseits der Donau in 
quadischem Lande erbauten *). 

Bei genauer Erwägung der Sachlage ist es auch ganz erklärlich, 
dass die Römer gerade diesen Punkt zur Anlage eines Kastells in Feindealand 
gewählt haben; ich habe bei meinen vielfachen Kreuz- und Querzügen jenseits 



') Von competenier Seite sind Zweifel dagegen erhoben worden, dass der in der Nähe 
der Tumuli und zwischen denselben gefundene Mörtel römischen Ursprungs »ei. Wenn nun auch 
diese Zweifel Töllig begründet wären, so könnten sie doch dem Schlüsse auf den Bestand eines 
römischen Bauwerke» an dieser Stelle keinen Eintrag thun, weil dasselbe durch die zahlreich 
vorkommenden römischen Ziegel genügend bezeugt ist. Für den römischen Ursprung auch des 
Mörtels spricht jedoch folgende Erwägung. Wie sich nämlich ergeben hat, sind die Tumuli über dem 
Mauerwerke erbaut, dem ich den Mörtel entnommen habe; es mnsste also das Mauerwerk schon 
bestanden haben, ehe die Tumuli errichtet worden sind, und wir müBsten, wollten wir für das 
gefundene Mauerwerk barbarischen Ursprung behaupten, zugleich annemen, da»6 die Barbaren 
schon zur Zeit der Kömer ganz bo wie die Körner mit Kalkmörtel zu bauen verstanden hatten 
wogegen sowol sämmtliche Fundergebnisse als auch die historischen Nachrichten ohne Ausname 
auf das Entschiedenste sprechep. Nebstbei ist wiederholt zu bemerken, dass die Trümmer 
römi&chor Ziegel gerade in der Nähe des gefundenen Mauerwerkes am häufigsten vorkommen. 



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der Donau keinen geeigneteren gesehen. Vor Allem lnusste den Kömern daran 
gelegen sein, sich gerade dieses gewaltigen Bollwerkes zu bemächtigen und 
sich dessen versichert zu halten. Stillfried ist nur 7 bis 8 Wegstunden von 
Carnuntum entfernt, ja es liegt noch im Gesichtskreise des römischen Winter- 
lagers; ron dorther und aus den benachbarten Ansiedlungen, deren ich noch 
gedenken werde, konnten die Schaaren der Barbaren jeden Augenblick, nach 
kurzem Marsche vielleicht mitten in der Nacht vor den Toren der reichen 
glänzenden Stadt stehen: Stillfried war eine beständige Drohung gegen die 
Sicherheit Carnuntums, ja gegen die römische Herrschaft an der Donau 
überhaupt. 

Andererseits war wol auch kein Punkt leichter zu erreichen und zu 
behaupten, keiner besser zu versorgen, bei keinem die Herbeischaffung von 
Baumaterial und Kriegsbedarf so bequem, mit keinem überhaupt eine so 
rasche und sichere Verbindung möglich, als mit Stillfried, das unmittelbar 
an der bis dorthin, damals um so gewisser selbst für grössere Schiffe 
fahrbaren March gelegen ist, die Unmittelbar unterhalb des römischen 
Lagers von Carnuntum mündet. Es ist gewiss Seitens der Römer auf diese 
Verbindung ümsomehr Wert gelegt worden, als ein Teil der römischen Donau- 
flotte in Carnuntum stationiert war, welche dieselbe stets aufrecht erhalten 
konnte. In der That sehen wir auch, aus den Darstellungen auf der Antonins- 
Säule, dass römische Schiffe während des grossen Quadenkrieges in die March 
hinaufgefahren sind und den Verkehr daselbst vermittelten 

Die Quaden ihrerseits hatten wol ebenso dringende Gründe, gerade hier 
■ich zu behaupten. Denn einmal musste es für sie sehr wichtig sein, dem 
römischen Waffenplatze gegenüber, der den Ausgang aller kriegerischen Unter- 
nemungen der Römer im feindlichen Lande bildete, ein grösseres Ver- 
teidigungswerk zu besitzen, um nicht selbst jedem unorwarteten Einfalle 
schutzlos preisgegeben zu sein. Zu solchem Zwecke war wol kein Punkt 
geeigneter, als der gewählte, denn näher an Carnuntum verwehrte die Ebenheit 
des Bodens die Anlage eines so starken Festungswerkes. Wenn etwa bei 
Schlosshof eine quadische Ansiedlung gestanden, so ist sie jedenfalls kleiner 
und nicht schon von der Natur so begünstigt und trefflich geschützt gewesen, 
wie Stillfried. 

Dann acheinen die Quaden grossen Wert darauf gelegt zu haben, die 
Flussthäler überhaupt in fester Gewalt zu haben; denn wie einerseits aus den 
Mitteilungen meines Forschungsgenossen Neudeck in Lipto-Pottornya her- 
vorgeht, dass der obere Teil des benachbarten Waagthaies durch 
ein ganzes System von Festungswerken mit gebrannten Wällen 
geschützt war 8 ), so finden wir auch an der March, eine Stunde 
thalaufwärts einen zweiten mit einem Wall umschlossenen 
Wohnplatz unmittelbar am Flusse, der vermöge der Fundstücke 
und seiner Anlage derselben Zeit angehört wie das Stillfrieder 
Schanz werk, wenn es auch lange nicht den Umfang und die Bedeutung 



') Die March ist auf diesen Darstellungen durch den gabelförmigen Zusammenfluss mit 
der Thaya, an anderen Stellen durch ihren ruhigen Lauf deutlich bezeichnet, wahrend die benach- 
barten Flusse Waag und Gran durch ihren Ursprung im Hochgebirge erkennbar gemacht sind 

*) Die CJuaden des Waagtbales und Grantbales scheinen ob gewesen zu sein, Über die, 
a.mmianui 17, 12 und 30, 5 beruhtet. 



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hatte wie dieses, und ich biu überzeugt, das» diese beiden nicht die einzigen 
Festungsanlagen an der March sind, so wie zu hoffen ist, dass sich hier wie 
an der Waag das ganze Befestigungssystein noch ermitteln lassen wird. 

Nach all dem Mitgeteilten kann es nun wahrhaftig nicht mehr zweifel- 
haft sein, dass die Ansiedlung in Stillfried mit ihren Wällen ein Ver- 
teidigungswerk der Quaden gegen die Romer gewesen ist, und dass ich mich 
durch Anführung der Worte des Tacitus keiner Uebertreibung schuldig machte. 

Auch die kleineren Thaleingänge aus dem Marchfeld in das innere 
Hügelland scheinen durch derlei verschanzte Wohnplätze geschützt gewesen 
zu sein. Eine solche habe ich bei Kronberg aufgefunden, und nach den nun 
gemachten Erfahrungen gehören auch die umwallten Ansiedlungen auf dem 
Steinberge und auf dem Leisser Berge, welche den Strassenübergang 
in das Thal der Thaya deckten, vielleicht nicht ihrer Gründung, wol aber 
ihrem Bestände nach dieser Zeit an. 

Die Beit. 

Es ist nun zunächst die Frage zu beantworten, wann das römische 
Kastell in Stillfried angelegt worden ist. Bekanntlich haben die Römer zweimal 
Versuche gemacht, jenseits der Donau festen Fuss zu fassen, und sich den 
Besitz des Grenzlandes durch Anlage von Festungswerken zu sichern. Beide 
Versuche haben für die Römer sehr unglücklich geendet. 

Zum ersten Male wurde die Ausführung dieser Absicht von Marcus 
'Aurelius 1 ) auf seinem Zuge gegen die Quaden unternommen, und es scheint, 
als ob es den Römern gleich in der ersten Zeit des Krieges gelungen wäre, 
sich in Feindesland festzusetzen und demnach schon in den Jahren zwischet 
167 bis 170 Kastelle jenseits der Donau zu erbauen. Ob dieselben ohne Unter- 
brechung bis zum Ende des an Wechselfällen überreichen Krieges gehalten 
werden konnten, ist zweifelhaft. Die germanischen Stämme waren trotz der 
uns berichteten Siege über sie nicht zu bändigen und drangen stets aufs 
Neue über die Donau. Da das römische Herr auch noch durch die Pest 
furchtbar gelitten hatte, so bewaffnete Mark Aurel endlich die verworfene 
Klasse der Gladiatoren, nicht ohne Furcht vor deren Meuterei, machte die 
Räuber aus Dalmatien und Dardanien zu Soldaten und versteigerte seinen 
Besitz, um damit seine Zuflucht zu Verrath zu nemen und germanische Hilfe 
gegen Germanen zu kaufen 2 ). 

Dass der Krieg mit einem solchen Heere ein Raubzug werden musste, 
wie ihn die Bilder auf der Triumphsäule des Kaisera darstellen, ist erklärlich; 
indes kam der Kaiser selbst mit dem Heere, trotzdem er es fast während 
des ganzen Krieges trefflich verstanden hatte, die Germanen auseinander zn 
halten, in sehr arge Bedrängnis, und selbst die glückliche Vermeidung einer 
schliesslichen Niederlage gewährte einzig nur die Möglichkeit des Rückzuges 
über die Donau, keineswegs aber die Sicherung der Grenzen des Römerreiches. 



') DioCassius, LXXI, 20, LXXII, 2. Mit der Ansicht, dass schon anter Mark Aurel jenseits 
der Donau Kastelle von den Körnern erbaut worden sind, stimmt Kenner, .Die Kömerorte in 
Nieder-Oesterreich", im Jahrbuch für Landeskunde von Nieder- Oesterreich, II, 202. 

*) Armarit etiam gladiatores, quos obsequentes appellavit, latrones etiam Dalmatiae et 
Dardaniae milites fecit, armarit et Diomitas, emit et Germanorum auxilia contra Germanos. Jul. 
Capitolinus, Tita Marci, cap. 21. 



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103 

• 

Schon Mark Aurel war in den letzten Kriegsjahren genötigt gewesen, mit den 
einzelnen Stämmen Separat-Verträge abzuschließen und den Markomannen 
und Quaden ihre Sitze bii auf eine Meile Entfernung von der Donau wieder 
einzuräumen; doch schwärmten nach dem Tode des Kaisers die Barbaren 
fortan über die Donau, so dass dessen Nachfolger Commodui noch unter 
dem Einflüsse der Käthe seines Vater sich genötigt sah, den Germanen für 
eine Summe, welche sie selbst bestimmten, Frieden und Sicherheit abzukaufen *). 
Die Römer hatten es selbst übernommen, die im Quadenlande angelegten 
Kastelle zu schleifen 8 ). 

Ist dieser erste Versuch der Kömer, sich hier deutschen Bodens 
zu bemächtigen, gescheitert, so ist der zweite für sie, ja für den Bestand des 
römischen Keiches geradezu verhängnisvoll geworden. Fast 200 Jahre nach 
Hark Anrel Hess Kaiser Valentinian neuerdings Kastelle auf quadischem 
Boden aufführen, ohne vorher die Zustimmung der Quaden erhalten zu haben. 
Diese wurden dadurch beunruhigt, doch um die Sache vermeintlich kurz 
zu machen, Hess Marcellianus, der Vorsteher Pannoniens, den quadischen 
Fürsten behufs einer freundlichen Vereinbarung zum Mahle laden, auf dem Rück- 
wege aber treulos ermorden. 

Wutentbrannt ob des Frevels stürmten die Quaden über die Donau, 
zerstörten das glänzende Carnuntum gänzlich und verwüsteten einen grossen 
Teil Oberpannoniens, wozu auch damals Nieder-Oesterreich bis zum Wiener- 
walde gehörte. Obgleich Kaiser Valentinian hierauf auch das Quaden- 
land verwüstend durchzog und die Quaden selbst um Frieden baten, so hatten 
diese doch die üeberzeugung erhalten, dass sich auch an Rom ein begangener 
Frevel strafen lasse; sie hatten Rom schwach gesehen und dieser Glaube 
an die Schwäche Roms hat gerade von diesem Boden hinweg 
jene Schaaren nach Italien geführt, welche dem römischen 
Reiche den Todesstoss versetzten. 

Für die Beantwortung der Frage, ob das römische Kastell in Stillfried 
bei dem ersten Versuche unter Mark Aurel oder bei dem zweiten unter 
Valentinian gebaut wurde, ist der innerhalb der Wälle gemachte Fund zweier 
römischer Münzen von unschätzbarer Bedeutung '). 



l ) He r odi a n. I, 5. 

*) Ip den Darstellungen der Colnmna Antoniniana sieht man die Börner beschäftigt, die 
von ihnen erbauten Kastelle iwieder tn zerstören . Die Germanen erscheinen in denselben Dar- 
stellungen fast nirgends als standhafte Streiter, wir sehen sie immer nnr auf schmachvoller 
Flucht, als demütig Bittende, als Gefangene, höchstens noch im Streite untereinander. Auf einer 
von einem unterwürfigen Senate zu des Kaisers Kuhm aufgestellten Bildsäule kann wol der von 
ihm geführte Krieg nicht anders als in so grossspreeherischer Weise dargestellt werden. Dass 
indes die Oermanen, wenn auch wie immer vereinzelt, doch mit Mut und Ausdauer und, wie es 
scheint, schliesslich mit vollem Erfolge gegen das aus Fechtern, Käubern und Volksverr&thern 
zusammengesetzte römische Heer gekämpft hatten, zeigt der Friedensschluss, der mit Geld 
< bezahlt werden rousste. Dafür erhielt der Kaiser von den Jazygen 100.000 Gefangene zurück, von 
den Markomannen und Quaden mindestens ebenso viele, da sie kurz vorher 50.000 umsonst 
angeboten und die Quaden in dem mit Mark Aurel geschlossenen Separatfrieden 13.000 Gefangene 
ausgeliefert hatten, mit dem Versprechen, die übrigen nachzuliefern. Viele waren vorher schon 
verkauft, viele andere entflohen, viele auch in Feindes Land gestorben (Dio Cassini Exc. 
LIXI. Ii, 15. 1, 19.). 

») Ich bemerke hier, dasB alle Funde von mir selbst oder von meinen Angehörigen in 
meiner Gegenwart gemacht worden sind und nicht von fremder Hand herrühren. 

8 



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Die eine, eine Bronzemünze, oder vielleicht eine jener schlechten Silber- 
münzen, die nur mit einem Hauche von Silber überzogen waren, führt auf der 
Vorderseite das Brustbild des Kaisers mit der Strahlenkrone und die Umschrift: 
PROBUS P. I. AUG., auf der Rückseite zeigt sie einen Tempel mit der Gestalt 
einer Göttin und mit der Umschrift: ROMAE A£T£R. Die Münze hat mehr durch 
Feuer als durch den Gebrauch gelitten. Bedeutungsvoller noch ist die zweite, 
eine Silbermünze. Sie trägt auf der Vorderseite das Brustbild der Gemahlin Mark 
Aurel's mit der Umschrift : FAUSTINA AUGUSTA, auf der Rückseite eine game 
weibliche Gestalt mit der Umschrift: AUGUSTI, PII FILIA. In der That ist es 
höchst überraschend, gerade auf diesem Boden eine Münze jenes Kaisers zu 
finden, der zuerst den Bau römischer Kastelle auf barbarischem Gebiete aus- 
führen liess! 

Ich will aber nicht voreilig und unmittelbar aus dem blossen Vor- 
handensein dieser letzteren Münze auch auf den gleichzeitigen Bestand des 
Kastells auf diesem Orte schliessen, allein es zeigt sich, dass sie, beim Funde 
allerdings wegen der Kruste von Grünspan und Asche kaum einer Münze 
ähnlich, sehr gut erhalten ist ; der Faltenwurf am Gewände, die Haarpartien 
des Kopfes sind trotz der sehr hervortretenden plastischen Formen kaum 
berührt, die Schrift ist noch so scharf wie an neuem Gepräge, die Münze 
kann daher nur sehr kurze Zeit im Gebrauche gewesen sein, und ist offenbar 
um die Zeit Mark Aurels selbst auf dem Flecke, wo sie gefunden wurde, 
verloren gegangen. Wenn nun auch dieselbe nicht etwa durch römische 
Soldaten, welche den Bau der Kastelle ausführten, nach StiUfried gelangt ist, 
so ist sie doch ein zweifelloser Nachweis für den Bestand des quadischeo 
Festungswerkes in Stillfried zur Zeit Mark Aurels, ja wir werden keinen 
Fehler begehen, wenn wir Zufälligkeiten ausser Acht lassen und nach Mas* 
des gewöhnlichen Ganges der Dinge annemen, dass dieses riesige Werk nicht 
erst in der, wie der ZuBtand der Münze ergiebt, sehr kurzen Spanne Zeit, in 
der sie in Umlauf kam und wieder verloren wurde, gegründet, bevölkert, mit weit 
ausgedehnten Schanzen versehen worden ist, sondern dass es schon zur Zeit 
Mark Aurels selbst existiert hat. Nun wäre es weder der Kriegskunst noch 
der Politik der Römer entsprechend, wenu wir glauben würden, dass Mark 
Aurel ein so starkes und ausgedehntes barbarisches Bollwerk, welches in 
solcher Nähe, im Gesichtskreise des römischen Waffenplatzes, eine stete 
Drohung für Carnuntum und die römische Grenze sein musste, übersehen 
oder unbeachtet gelassen habe, da er vielmehr mit zwingender Notwendigkeit 
sich veranlasst fühlen musste, sich desselben zu bemächtigen und es zu 
zerstören oder durch Ausführung eines Kastelles fortan in Gewalt zu behalten. 
Machen es schon diese Erwägungen zweifellos, dass die aufgefundenen letzten 
Mauerreste von einem Kastelle herrühren, welches unter der Regierung Mark 
Aurels selbst errichtet worden ist, so können wir hierbei nun auch die Dar- i 
Stellungen auf der Columna Antoniniana und zwar in diesem Punkte gewiss 
unbedenklich zu Rathe ziehen. Diese Darstellungen geben ein fast plastisches 
Bild des Schauplatzes im Quadeukriege ; der Bildner derselben ist augen- 
scheinlich sowol mit den Wandlungen des Krieges, als auch mit der Natur 
und Gestalt des Landes vollkommen vertraut. Wir sehen die Barbaren meistens 
auf Anhöhen, einmal am Rande eines steilen Absturzes sich hinter Hürden 
verteidigend und von der Höhe herab, Steine, Lanzen, Wagenräder und ähnliche 



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% 



105 

Dinge auf die unter ihrem Schilddach heranstürmenden Soldaten schleudernd, 
was der quadischen Sitte, Wohnsitze und Verschanzungen auf Hochflächen 
anzulegen, genau entspricht 1 ). Die March ist, wie Bchon bemerkt wurde, fast 
unverkennbar bezeichnet; unterhalb des Einflusses der Thaya in dieselbe 
erblickt man auf einer Anhöhe am rechten Ufer ein romisches Kastell, das 
mit Bücksicht auf die Bodensgestaltung an der March gar kein anderes sein 
kann, als jenes in Stillfried. So giebt uns nun auch die Ruhmessäule des 
Kaisers Mark Aurel selbst Nachricht, dass das römische Kastell in 
Stillfried im Verlaufe des grossen M arkomannenkr ieges erbaut 
worden ist. 

Ich möchte mir erlauben, hier noch eines andern möglichen Hinweises 
auf den Bestand eines römischen Kastelles in Stillfried zu gedenken. Die 
Quaden und Markomannen liessen sich zu einer Zeit, da noch römische 
Soldaten die Festungen in ihrem Lande (Dio Cassius sagt nicht, ob die 
Festungen der Germanen oder die römischen Kastelle) besetzt hielten, durch 
Gesandte über die Gewalttätigkeiten dieser Besatzungen beschweren, da sie 
doch nicht durch Not zu solcher Handlungsweise getrieben würden, und 
Bäder nnd alle Bedürfnisse im Ueberflusse hätten 2 ). Welchen Wert die 
Römer auf Bäder legten, ist bekannt, und er ergiebt sich auch aus dieser Stelle 
wieder durch die Voransteilung derselben vor alle anderen Bedürfnisse. Sie 
haben tiberall mit feiner Spürnase die mineralischen Quellen aufzufinden 
verstanden, von denen ich nur beispielsweise Baden, Deutsch-Altenburg und 
Petronell als die nächst gelegenen nenne. Dürfen wir nun die Mitteilung 
Dios von Bädern in Festungen, welche die Römer in Feindesland besetzt 
hielten, nicht als einen Hinweis auf die Schwefelquellen in Stillfried betrachten, 
die noch im vorigen Jahrhundert als Gesundbad dienten *), und die ihnen 
ebenso wenig entgangen sein dürften, als jene von Baden oder Altcnburg? 

Wenn wir den Wandlungen dieses Krieges genauer folgen und berück- 
sichtigen, dass Mark Aurel bereits vor dem Jahre 170 nach Christi Vorkehrungen 
zur Sicherung der Grenze an der Donau getroffen hatte, dass nach den Dar- 
stellungen der Columna Antoniniana das römische Heer nach seinem Ueber- 
gange über die Donau bereits bei vollendet dastehenden Kastellen eintrifft, so 
werden wir die Erbauung deB Kastells in Stillfried mit vieler Wahrschein- 
lichkeit in die Zeit zwischen 167 und 170 nach Christi setzen können. 

Es ist übrigens die Möglichkeit nicht in Abrede zu stellen, dass unter 
Kaiser Valentinian um das Jahr 370 der Versuch an dieser Stelle erneuert 
worden ist, doch liegt kein Grund vor, welcher dieser Anname einige Wahr- 
scheinlichkeit verleihen würde. 

Jedenfalls wurde das Kastell, sei es von den Römern selbst, Bei es von 
den Quadeo. bis auf die Grundmauern zerstört, und merkwürdig! über den 
Mauerresten führten die Quaden zwei Tumuli auf! Geschah das den Göttern 
zur Sühne für den durch die Auflegung fremden Joches am geheiligten 
Boden der Heimat begangenen Frevel? 

Der eine dieser nur durch einen- Graben getrennten Tumuli ist ziemlich 
unregelmässig, wie etwa jener bei Hainburg, während der andere auf regel- 

*) A mmi&nuB 30. 5. 

») Dio Cassius, LXXJ, 20. 

3) Weiskern, Topographie von NiederSsterreich. II, 813. 

8* 



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106 

massig vierseitiger Grundfläche ruht, alsu einer abgestumpften Pyramide gleicht. 
Auf dem ersteren fand ich ein Bruchstück eines menschlichen Schädels. 

Ich habe bei der Frage über die Zeit der Erbauung des römischen 
Kastells in Stillfried deshalb länger verweilt, weil die bei der Beantwortung 
derselben gewonnenen bestimmten Zahlen, wie sich nun ergiebt, von so grosser 
Bedeutung für die Zeitbestimmung der Erbauung der Tumuli sind. Da diese 
auf den Mauern des römischen Kastells ruhen, so können sie nicht vor der 
Zerstörung desselben errichtet worden sein. Wie sich nun aus der kurzen 
historischen Darstellung zeigte, hatte dieses in jedem Falle nur kurzen Bestand 
und es erfolgte seine Zerstörung bald nach der Erbauung, die gewiss nicht 
früher, als unter Kaiser Mark Aurel um die Zeit von 167 bis 170 nach 
Christi und gewiss nicht später, als unter Kaiser Valentinian um das Jahr 
370 nach Christi geschehen sein konnte. 

Ist das Kastell unter KaiserMark Aurel erbaut worden, so musste seine 
Zerstörung in die Zeit zwischen 173 und 180 nach Christi erfolgt sein, weil in 
diese Zeit sowol der Abschluss der Separatverträge mit den einzelnen am Kriege 
beteiligten Stämmen, als auch der allgemeine Friedensabschluss fällt, in denen 
Seitens der Römer das Aufgeben und die Zerstörung der jenseits der Donau 
erbauten Kastelle zugestanden wurde. 

Es können sonach die beiden Tumuli von Stillfried nicht 
vor dieser Zeit, also nicht vor dem Jahre 173 nach Christi erbaut 
worden sein. 

Wurde jedoch das römische Kastell in Stillfried erst unter Kaiser 
Valentinian um das Jahr 370 nach Christi erbaut, so ist seine Zerstörung 
längstens im Jahre 374 eingetreten, da in diesem Jahre das diesseits gelegene 
Carnuntum zerstört wurde, daher anzunemen ist, dass damals umsomehr die 
jenseits der Donau gelegenen Römerorte in die Gewalt der Germanen ge- 
fallen seien. , 

Nun ist der Umstand, dass die Tumuli gerade über den Trümmern des 
Kastells erbaut worden sind, gewiss von Bedeutung, und steht wahrscheinlich 
in innigster Beziehung zu den Ereignissen auf diesem Boden, und wir werden 
kaum irren, wenn wir demgemäss annemen, dass die Erbauung der Tumuli 
der Zerstörung des Kastells auf dem Fusse gefolgt ist, sei es, dass man ein 
Zeichen der Besitzergreifung des heimatlichen Bodens aufstellen oder den 
Göttern auf demselben eine Stätte der Verehrung bereiten wollte. Es muss daher 
in dem weniger wahrscheinlichen Falle, als das Römerkastell in Stillfiied erst 
unter K. Valentinian erbaut worden wäre, angenommen werden, dass dieTumuli 
längstens um das Jahr 374 nach Christi erbaut worden sind. 

Wenn wir jedoch den hohen Grad von Wahrscheinlichkeit berücksichtigen, 
welche so viele Umstände, die Geschichte des Krieges unter Mark Aurel gegen 
die Quaden, die Umsicht und Energie der römischen Kriegs- und Friedens- 
politik, der Fund der Münzen, die Darstellungen der Columna Antoniniana der 
Anname verleihen, dass das Kastell in Stillfried bereits unter Mark Aurel's 
Regierung gebaut worden, so lässt sich schliesslich fast mit Sicherheit sagen, 
dass die Erbauung der beiden Tumuli von Stillfried in den 
letzten Jahren des grossen Mark omaunenkri eges oder kurz 
darauf, etwa im Decennium zwischen 173 und 183, erfolgt sei. 

(Fortsetzung folgt.) 



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107 

Zur Geschichte des Zunftwesens in Niederösterreich L St. Pölten. 
Mitgeteilt aus dem Nachlasse Heinrich Friedrich Sailens. 
Von Dr. Adalbert Horawitz. 
( Fortsetzung.) 

Aber nicht Mos diese Inventare, sondern auch eine andere reichfliessende 
Quelle bieten Einblicke in die solide Geschäftsgebarung der Handwerker 
zu St. Pölten ; es sind dies die im Anhange mitgeteilten Zunftrollen, welche fast 
durchweg Copialien des St. Pöltner Stadtbuches entnommen sind. 

Das St. Pöltner Stadtbuch, das auf Papier geschrieben und schon ziemlich 
schadhaft ist, beginnt mit den Worten : Hyeist ze merkhen wy man ain Pantaiding 
melden schol.« Es enthält ausser dem Stadtrecht von St. Pölten zahlreiche 
Einschreibungen des XIV., XV. und XVI. Jahrhunderts, darunter viel Inter- 
essantes, z. B. auch eine mit eigener Hand geschriebene Urfehde eines Stadt- 
feindes. Aber vornemlich die Z u n f tr o 1 1 e n beanspruchen unser ganzes Interesse, 
da Oesterreich mit älteren überhaupt nicht sehr bedacht ist, und in ihnen 
ebenfalls Beiträge zur richtigen Würdigung des Zunftwesens in ethischer und 
volkswirtschaftlicher Hinsicht geboten werden. Vor Allem ist es erfreulich, 
auch hier wieder die damals noch durchgängige Uebereinstimmung mit den 
deutschen Satzungen zu ersehen. Hier wie dort gewinnt uns der biedere 
solide und nach Ordnung verlangende Zug, welcher durch alle diese Rollen geht. 
Wahrlich, das Zunftwesen lässt sich weder durch windige Deklamationen neuerer 
Scribenten, die dasselbe nur vom Hörensagen kennen, noch auch durch das 
Wort des sonst so hochverdienten Höllmann abthun, welcher die Zunftrollen 
Satzungen durch Eigennutz vereinigter Handwerker genannt hat. Die Zünfte sind 
vielmehr, wie Mascher (das deutsche Gewerbewesen) sehr richtig bemerkt, 
das Produkt der Zustände des Mittelalters, welches alle Corporationen jener 
Zeit wegen der mangelnden staatlichen Rechtspflege und Volkswirtschafts- 
politik nötigte, sich streng von einander abzuschliessen. Mit vollem Rechte 
findet Masch er ferner, die Zünfte hätten die innere gewerbliche Thätigkeit 
so geregelt, dass diese Institution eines der mächtigsten Mittel der Zivilisation 
bildete. Wer aber möchte daran zweifeln, dass in der Zunftverfassung Elemente 
religiöser, gewerblicher, ja politischer Bildung lagen, die geradezu unersetzt 
geblieben sind, dass durch den familienhaften Zusammenschluss zwischen, 
Lehrling, Gesellen und Meister ein sittliches Verhältnis geschaffen wurde, das 
unserer fortgeschrittenen Zeit völlig fremd geworden ist. Und weiters, der sein 
Meisterstück gemacht hatte, der verstand sein Handwerk; die Konsumenten 
konnten sicher sein, gute Waare zu erhalten, die Producenten aber wurden alle 
durch die Zunftverfassung in die Lage versetzt, behaglich leben zu können. Die 
Hetzjagd um das unumgängliche Minimum zum Lebensunterhalt, die heute die 
kleinen Gewerbtreibenden quält und auch vernichtet, bestand damals noch nicht ; 
ich bin so kühn zu behaupten, dass auch Tuberculosen, dass rachitische und scro- 
phulöse Krankheiten damals nicht in dieser Fülle vorkamen, von der heutzutage 
gerade unsere Gewerbetreibenden, d. h. die wirklichen Arbeiter betroffen werden. 
Aber auch für die Konsumenten dürfte die Sache nicht gar so übel abgelaufen 
sein, als es die enragierten Feinde des Zunftwesens darzustellen versuchen, ich 
wenigstens meine, dass kaum jemals alle Einwohner einer Stadt genötigt 
waren, faules Fleisch zu essen, weil die paar Fleischer dieser Stadt sich vereint 

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108 

hatten, kein frisches zu verkaufen. Ebenso wenig freilich verschliesse ich mich 
den wirklichen principielleu Einwürfen gegen das Zunftwesen und dessen tat- 
sächliche üble Folgen ; früh schon traten sie ja hervor. Die österreichischen 
Herzoge begegneten unter Anderen schon um 1340 dem Monopolienunwesen, 
sie gestatteten im Verkaufe der notwendigsten Lebensmittel — Fleisch, Brod 
und Fische — volle Konkurrenz. Rudolf der IV., der Josef der II. des Mit- 
telalters, hob 1361 alle Zechen und Innungen in Wien auf, und erneuerte diei 
1364 und bestimmte, dass sich die Handwerker enthalten sollten, die Vorrechte 
des Stadtrathes nachahmend, Zunftsatzungen zu Willküren, da dies „der Stat 
gemainlich schädlich ist.** Allerdings bezog sich diese Bestimmung nur auf 
Wien, die übrigen Städte behielten ihre Zuuftverfassung. 

Interessant ist übrigens auch hier wieder die Bemerkung, die dem Kultur- 
historiker so oft begegnet, was in Deutschland Sitte ist und der Zeit ihre Signatur 
giebt, fehlt bei uns in Oesterreich oder kommt erst viel später. So ist denn auch 
hier nichts zu melden von jenem furchtbaren Kampfe der Zünfte gegen den Rath 
und die Geschlechter, welcher die vlämischen, rheinischen, nord- und süddeutschen 
Städte erfüllte, von jenem Ringen derselben nach dem Anteil am Stadtregiment, 
das dort überall eine wichtige Entwicklungsphase in der VerfaBsuugsgeschichte 
der Städte bezeichnet; höchstens Iglau macht eine Ausname 1 ). Ganz ähnlich 
sind dagegen die allgemeinen Bestimmungen über Aufname, Meisterstück und 
Verhältnis der Zünfte zur Kirche. Ueberall wird mit pünktlicher Genauigkeit 
dafür gesorgt, dass die Arbeit gut geliefert, kein Meister durch die anderen 
oder durch seinen Gesellen geschädigt, nirgends aber unsittliche Verhältnisse 
geduldet werden. Und da scheint es mir besonders wichtig, hervorzuheben, 
dass darauf gesehen war, dass kein Meister einem Andern sein Gesinde abfreie, 
dass der Geselle, der sein Weib verlässt, keine Förderung finden solle und 
dergleichen Bestimmungen, die allerdings im konkreten Falle öfter als arger 
Zwang betrachtet werden konnten, principiell aber wol ihre ethische Berech- 
tigung hatten. Das scheint mir aber eben die Signatur aller Verhältnisse 
des Mittelalters zu sein, dass man Alles nach der speeifisch christlichen Ethik 
einzurichten bemüht war, während heutzutage nur das volkswirtschaftliche 
Moment ins Auge gefasst wird. 

Doch gehen wir nun auf die einzelnen Zünfte über, deren Rollen im 
Anhange abgedruckt werden. Jedesfalls ist das blosse Vorkommen dieser Zunft- 
rollen schon ein Beweis für die Behäbigkeit der Stadt 8 ). Als älteste erscheint 
hier die „Peckchenzech." Schon um 1337 ist der „Peckchenbrief" von 
Bischof Albrecht von Passau ausgestellt, der sehr wichtige Bestimmungen ent- 
hält. Vor Allem wird die Güte der Waare — es erscheint zweierlei Brod, 
„Beinleins und laybeins" — eingeschärft, zu Weihnachten soll durchaus Semmel- 
brot gebacken werden, der „Gewbäcker* aber, der vom Lande Brod zuführt, 
setzt sich Strafen aus, wenn sein Gebäck nicht „lautter semlein ist", und wird 
mit seiner Waare in die Stadt gar nicht eingelassen. Auch dafür wird gesorgt, 
dass die „Muthpeckchen" gutes Korn nemen und nicht Weizen darunter 
mischen. 



») Ich nenne statt vieler anderer Belege nur Löher's Jakobaa von Baiern-Holland and 

die so musterhaft edierten, hoch interessanten Chroniken deutscher Städte, heraueg. von 
Prof. Hegel. Leipzig. S. Hirzel. 
») Mascher. a. h. O. 249. 



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109 



Täglich aber soll das Brod feilgeboten werden, „unczt man dacz der 
pfarr gesinget." Die Conkurrenz der Fragner und Pragnerinnen wird durch Kon- 
fiskation der Waare und durch Geldstrafe unmöglich gemacht. Sehr bezeichnend 
für den Geist des Zunftwesens aber sind die Bestimmungen über die Fähigkeit 
der Meisterstöchter, das Gewerbe deB Vaters auszuüben. Auch wenn eine 
aus dem Handwerk heirathet, hat sie das Recht „pachen" zu lassen. Heirathet 
aber ein Fremder eineMeisterstochter, so darf er sogar als Witwer noch das Hand- 
werk betreiben ; diese Befugnis erlischt erst dann, wenn er wieder heirathet 
und keine — Bäckerstochter nimmt. Der „Brief" setzt sodann die Wichtigkeit 
der, ehelichen Geburt ins Licht und giebt Bestimmungen über die Aufname. 
Schliesslich werden die Dienste angeführt, welche die Bäcker dem Bischöfe zu 
leisten haben ; sie bestehen in der jährlichen Zahlung von drei Pfand in's 
Gewicht. Grosse Strafansätze schützen die Unverletzlichkeit dieser Satzung. — 
Erst um 1463 finden wir wieder eine Bestimmung, welche die Bäcker betrifft; 
es ist der „Semlpekchn Brief, den Bischof Ulrich von Passau mit Bezug 
auf die früher erwähnte, von Bischof Albrecht gegebene und von Bischof 
Leonhard bestätigte Ordnung, und zwar gegen diese erliess. Denn Richter, Rath 
und Gemein der guten Stadt St. Pölten hatten ihm vorgestellt, „das durch 
solch Gerechtigkeit gemainer nutz dieser Stat vasst geschwaecht und gemindert 
wurde und dieselben unser stat au lewten gepaw und Heusern merklich abge- 
nommen biet". Bischof Ulrich fand sich denn auch veranlasst, den St. Pöltenern 
seinen guten Willen zu zeigen und gab ihnen eine neue Ordnung, in die 
freilich die ineisten alten Bestimmungen wörtlich gleichlautend aufgenommen 
wurden. Nur, dass die Anzahl der Tage, an denen die Bäcker, Markt halten 
müssen, auf vier reduciert wird und genaue Bestimmungen über die Aufname 
in die Bäckerzunft folgen, unter denen die merkwürdigste die ist, welche den 
Bewerbern um die Aufname erlaubt, wenn sie durch die prüfenden Meister zu 
hart mitgenommen würden, an Richter und Rath zu recurrieren. Ferners 
wird aus zweien Mitgliedern vom Rath und zwei Meistern als Beschauer 
von Brotwaaren eine Aufsichts- oder Marktbehörde eingesetzt, die „mit vleiss 
beschauen, das das recht gepachen, auch an der gross oder wag gegen den 
gmaynen kauf)' des getrayds wie dann das da ze zeiten seinen Gankch hat 
zn pfennbesten Hellberten also gemasst sey, das der pekh und die so es 
kauffen nach geleichen dingen damit abkommen mugen." Der Bischof behält 
sich die Freiheit vor, diese Rechte „zu lewttern, meren und mindern nach unserem 
oder derselben unser nachkommen wolgevallen und willen." Schon zehn Jahre 
später ward der Bischof wegen einer Weiterung zwischen den „Semlpekhen" 
und „Mutbpekhen" genötigt, den Rath von St. Pölten zu delegieren, zwi- 
schen den streitenden Parteien Ordnung zu machen, damit „gemaine Stat 
durch notdürftiges pachen" nicht beschwert oder Abgang an Brod leiden 
möchte. Wieder zum Jahre 1496 begegnen wir einer Ei »Zeichnung im Stadt- 
buche von St. Pölten, durch welche der Amtmann bestimmt, wie viel Semmeln 
die Bäcker zu backen hätten, wenn der Metzen Weizen 16 o kostet. Weitaus 
interessanter ist aber der „Pekhen und Pekhenknecht Spruch" vom Jahre 1499, 
den Richter und Rath der Stadt und Wolfgang Abt von St. Pölten als k. Maj. 
Kommissäre wegen eines zwischen Meister und Gesellen entstandenen Handels 
fällten. Die unten abgedruckten Bestimmungen sind namentlich deshalb sehr 
instruktiv, weil sie sowol Arbeitszeit als Arbeitslohn bestimmen. Auch an 



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Soim- und Feiertagen sollen die Gesellen nach der Vesper zur Mühle fahren; • 
nur wenige hohe Feiertage sind ausgenommen, z. B. Weihnachten, Ostern, 
Pfingsten u. s. w. Der Meister, der eine bestimmte Anzahl Waaren fertigt, 
ist verpflichtet, einen Gesellen aufzunemen, den er ausser dem üblichen fixierten 
Wochenlohn noch für jedes einzelne Stück eine Vergütung (für den Teig 2 2) 
zu geben hat. Für streitige Fälle, wenn Meister und Gesellen „stössig" werden, 
findet sich hier schon eine Art „Conseil des prudhommes" : die ältesten zwei 
Meister und die ältesten zwei Gesellen sollen allen Fleiss anwenden, um die 
Sache gütlich abzuthun *), helfe auch das nicht, dann müsse es vor die Obrigkeit 
gebracht und der strafwürdige Teil um eine sehr bedeutende Summe eventuell 
an seinem Leibe gestraft werden. So weit die Nachrichten über die Bäcker 
von St. Pölten. 

Aehnliche Bestimmungen über die Bedingungen der Aufname, über 
eheliche Abstammung u. dgl. enthält das Wiener Pekhenrecht von 1429; 
auch die Kontrolsbehörde der Viermänner kommt vor , die den schlechten 
Waaren auf's Genaueste nachspüren sollen, fernere die genaue [Abgrenzung des 
Wirkungskreises und der Rechte der Bäcker und Melbler. Als Waaren werden 
angegeben : „Semleins, Malgut, Pollen und Oblas." Besonders eingehend behan- 
deln die Wiener Statuten — wol ein Ergebnis der häufigen Delicto — den 
Leichtsinn der Gesellen, die auf den Plätzen flanieren oder auf die Kirchtage 
laufen, gemeine Weiber mit sich auf die Mühle nemen und „bey Jnen ligent*. 
Sie alle werden durch Ausschliessung aus dem Handwerk gestraft, so lange big 
sie die Gunst der Meister und Gesellen wieder gewinnen. Ebenso werden Jene 
bestraft, welche sich auf das Würfelspiel verlassen und nicht arbeiten wollen, 
wenn man ihrer bedarf („nicht arbaitten wollent, wenn man Jrr bedarf und 
von den Meistern gevordert worden"). Auch denen, welche der Herberge vor- 
stehen und „vngelewnte* Weiber drinnen haben, die sie für ihre Ehefrauen 
ausgeben, wird dieselbe Strafe zuerkannt. Der letzte Artikel, der sich mit 
nachdrücklicher Strenge gegen die Ehen mit „freyen töchtern oder ungelewnten 
weibern u richtet, wollte der Rath anfangs nicht bestätigen .darumb, das es die 
heilig kanschaft (Ehe) berührt". 

Die nächste Zunft, von der sich eine Rolle vorfindet, gehört einer 
späteren Zeit, nemlich dem Jahre 1458 an, es ist die „Schneiderzech - . 
Das Statut beginnt mit der Angabe, dass Meister und Gesellen der Zunft sich zu 
demselben geeint hätten, „durch gemains nutz und merer zecht willen." Stets 
wird nun in den Bestimmungen die Einigkeit und gemeinsame EntSchliessung 
der Meister und Gesellen betont. Hier tritt uns schon das Princip des 
Sparens und Sammeins entgegen; in eine gemeinsame Kasse (puchsen) soll 
jeder Gesell alle vierzehn Tage 1 5, ein jeder Junge aber 1 Helbling zahlen, 
das Geld soll der älteste Gesell zu dem Meister tragen, der die Büchse in 
Aufbewarung hat. Ausserdem besteht noch eine Kontroll -Kommission aus 
zwei alten und zwei jungen Gesellen zusammengesetzt. Der Kassastand soll 
stets drei Pfund betragen, damit im Falle der Krankheit oder der Not ein 
Schneidergesell eine Unterstützung finde. Den Ueberschuss solle man in den 
vier Quatembern zu einem „Seelampt" verwenden, eine seltsame, freilich dem 



') In Danxig geben sicö die Müllerknecht« um 1365 selbst eine Ordnung. Mascher 
1. c. 765. 



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Zeitgeiste am Besten entsprechende Anlage, der weitere Ueberschuss kommt in 
der — Meister Zech! Krankenkassen zu Nutz und Frommen der Kirche und 
der Meister! — Auch über Sterbfall, Wanderung und Teilname an den 
Processionen finden sich Bestimmungen ; für die sittliche Würdigung des Standes 
sind, aber vornemlich jene kulturgeschichtlich interessanten Notizen von Wert, 
welche uns Leben und Treiben der Schneider <zu St. Pölten, freilich nicht in 
besonders günstigem Lichte zeigen. Ausdrücklich wird bestimmt, dass Keiner 
theurer spielen soll * beim Brett, als um einen Halbling oder vierzehn Spiele 
um einen Groschen, dass der Berauschte wie der 8pieler Strafgeld zahlen soll 
in die Büchse, ebenso derjenige, welcher vor Frauen und Jungfrauen oder 
seinen Mitgesellen unzüchtige Worte spricht l ). Bestimmungen gegen die Störer 
des Gewerbes, „die Bönhasen", finden sich hier wie in Krems und Retz s ). 

Aus dem Jahre 1459 besitzen wir zwei Ordnungen, die der Klingen- 
ichmiede und die der Binder. 

In der Klingenschmied-Ordnung begegnen wir derselben Arenga, 
welche von der Einigkeit der Meister und Gesellen spricht. Ein Unterschied liegt 
nur darin, dass die Klingenschraiede zwei Meisterwerke kennen ; das grosse, 
welches darin besteht, dass der angehende Meister eine Waidklingen, „ain 
libawner, ain siechte gefalzte klingen und ain par tiscbklingen" mache, und 
das kleine, welches eine Menge kleiner Arbeiten vorschreibt. Eines von beiden 
Meisterwerken muss erwiesen werden. Will ein Geselle sein Meisterstück 
erweisen, so sollen ein oder zwei Meister bei seiner Arbeit „zubiegen". 
Es icheint auch vorgekommen zu sein, dass ein Meister seinen Gesellen das 
Handwerk sgeräth zum Meisterstück nicht leihen wollte, wie es doch vorge- 
schrieben war. Deshalb wurde für einen solchen Fall gesorgt, indem einer 
von den zwei kontrolierenden Meistern ihm sein Werkzeug leihen musste, 
8 an widerred", darnach soll der Kandidat um das Meisterrecht seine Arbeit 
and sein Muster vor Amtmann, Richter und Rath bringen, „und wie wir 
den zu Maister aufnemen, da pey sol es beleihen". Auch hier wird verlangt, 
dass der Aufzunemende „von kanleichen Stam vnd Erbern vnd frumen lewten 
herkommen und geporen sey u . Die rechte Achillesferse des Zunftwesens zeigt 
ein anderer Punkt, indem der Angehörige vom Handwerk, der in's Handwerk 
heirathet, z. B. eine Meisterswitwe oder Tochter vom Meisterstück dispensiert 
wird, von der Zahlung in die Zeche aber nicht befreit wird. Der jüngste 
Meister des Handwerks hat hier auch der Bote der älteren Meister zu sein, 
bis ein jüngerer Meister in die Zunft eintritt. 

Ganz ähnliche Statuten enthält die Binder-Ordnung aus demselben 
Jahre; eine Bestimmung aber, die uns noch nicht vorkam, ist die, dass die 
Prüfungskommission ermächtigt wird, jenes Meisterstück, das als ungenügend 
befunden wird, zu Gunsten der Stadt zu konfiscieren und ausserdem eine Strafe 
von 1 Pfd. zur Ablieferung an den Richter zu bestimmen. Der leichtfertige 
Andrang der Stümper wurde damit erschwert. Den Gesellen wird ausdrücklich 
verboten, für die Bauern oder für den Kauf zu arbeiten ; wer dagegen handelt, 



«) Sehr zahlreiche und wertvolle Nachrichten aus der Hetzer Schneiderordnung von 1480 
finden sich in J.Pu nt schert's guter Ausgabe der Denkwürdigkeiten der Stadt Hetz, Korneuburg 
1870. 228 SS .. c. in Kinzel's Chronik von Krems und Stein. 

») In Ketz waren die Schneider Thorwarter der Stadt! 



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soll von dem Handwerk weder in Städten noch in Märkten gefördert werden. — 
Bei beiden „Ordnungen" wird das Recht des Herrn von Walls ee, die Artikel 
zu verändern oder zu vermehren, vorbehalten, ebenso als besonders wichtig die 
• Einzeichnung des Statuts in's Stadtbuch verlangt 1 ). 

Der Leder er Freibrief ist von Bischof Ulrich von Passau ausgestellt, 
und zwar um 1463, nachdem schon früher Propst Heinrich von St, Pölten den 
Lederern Constitutionen gegeben *) und die Urkunden der Bischöfe Albrecht und 
Leonhard der Gemeinde sich schädlich erwiesen hatten, so das „gemainer nutz 
dieser Stat vast geschwecht und gerayndert wurde vnd dieselb vnnser stat an 
bewten gepew vnd heusern mercklichen abgenommen hiet." Nur der — sagen 
die neuen Bestimmungen — soll in's Handwerk aufgenommen werden, der ein 
„unversprochener" Mann sei ; er müsse das Recht dazu ererbt oder erheirathet 
haben, und müsse sowol dem Richter GO o und dem Rath 60 o, als auch den 
Meistern in die Zech 2 Pfd. &, den armen Leuten in das Spital 30 o, den Sunder- 
siechen 30 ound in „unser Frawen-Zech" 2 Pfd Wachs geben. Er muss ferner „genüg- 
same EuntschafTt bringen, das er eelich geboren sey, sich auch erberlich und 
frumbklich gehalten und auf dem Hanndwerch gelernet hab vnd das Handt- 
werch mit seiner Hanndt und seiner arbait vor den maistern beweise". Damit 
aber dem zu Prüfenden nicht zu hart geschehe — die Bestimmung zeigt, dass 
es öfter so geschah — sollten Richter und Rath die Entscheidung geben. Auch 
werden drei Beschauer als Aufsichtsbehörde eingesetzt, welche die fremden 
Waaren der Lederer besehen und eventuell confiscieren sollen. Ausdrücklich 
wird verlangt, dass weder Producenten noch Consumenten unbillig beschwert 
werden. Man solle sich „nach zimbligkait und gelegenhait des Eauffs der 
Hewt und vel" halten. Das Leder soll so behandelt sein, dass es für da 
Schuster, Gürtler „und ainen yeglichen, der das kauift zu seiner arbeit und 
Handwerk fuglich gedinen muge." Wer das Handwerk mit der Hand nicht 
arbeiten wolle, hat das Recht dazu für sich und seine Kinder verloren. Ein 
Fremder, der auf dem Handwerk der Lederer gelernt und das mit der Hand 
erwiesen hat, erlangt durch Heirath mit eines Lederers Tochter das Lederer- 
recht. Der Bischof hält sich auch hier alle Abänderungen vor. 

Die Ordnung der Hueter und Huetergesellen wurde von Meistern 
und Gesellen anno 1471 auf einem „Zettel" vorgelegt; sie basiert auf Statuten, 
die „vorzeiten" beschlossen wurden. 

Der erste Paragraph behandelt die Errichtung einer Zech „zu lob Got 
dem Allmächtigen, seiner hochgelobten mutter der Junkfrawn Marie vnd in 
den heyligen Junkfrawn sannd Barbara" mit einem gesungenen Amt am 
Barbaratag und einem Opfergang, bei dem Jeder bei Strafe zugegen sein soll. 
Aehnliche Bestimmungen über Processionen und Aufname in die Zeche folgen. 
Ein junger Meister darf im ersten Jahre keine Jungen halten, — man kennt 
ihn ja noch nicht ob er überhaupt schon Mann's genug ist, einer solchen 
Aufgabe zu genügen. Die Aufname eines Jungen erfolgt in Gegenwart anderer 
Meister auf drei Jahre, Meister und Jung zahlen dabei in die Zeche ein. 
Folgen dann Bestimmungen über die Aufnarae der Gesellen, die ihren Wochen- 

') Vgl. auch die interessanten, wenn auch erst aus dem Jahre 1567 stammenden Bestim- 
mungen von Retz, 1. c. 232 und 241 und die ron Krems vom Jahre 1591 (Kiazel L c. 55 ff- 
f. auch 583). 

») Duellins 1. c. II. 443. Maderna 1. c. p. 1 14. 



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lohn am Sonntag von dem Meister erhalten; „verfeiret* ein Gesell einen Tag, 
so soll ihm der Meister zwei Groschen dafür abziehen. Kein Meister hat mehr, 
als zwei Gesellen und einen Jungen, keiner soll dem Andern einen Gesellen 
aas seiner Werkstätte abwerben, noch auch einen Gesellen in eines Andern 
Werkstatt verleihen. Kein verheiratheter Gesell soll gefördert werden. Die 
letzte, wie auch die früheren Bestimmungen zeigen, dass die ehrsamen Hut- 
macher entschieden die strengsten unter den uns bekannten Zünften von St. 
Pölten waren 1 ). 

Jene Ordnung, welche der Chronologie nach folgt und im Jahre 1494 
von Kaiser Maximilian I., an den die Rechte des Passauer Bischofs übergiengen, 
erlassen ward, nämlich die St. Pöltner Schleiferordnung, findet sich nicht 
im Stadtbuche, sondern wurde der Handschrift 317 des k. k. Geh. Haus-, 
Hof- und Staatsarchivs zu Wien entnommen. 

Auch diese Ordnung festigt nur das alte Herkommen, sie führt ver- 
schiedene Lohnansätze ein, wornach jeder Gesell nach seiner Leistung erhält. Kein 
Lehrjunge soU über achtzehn Jahre alt sein, er wird auf fünf Jahre aufge- 
nommen, im fünften Jahre erhält er Lohn. Folgen Bestimmungen über Aufname 
fremder Meister und Gesellen; ich hebe hervor, dass kein Lediger Meister 
werden konnte, dass ein jeder neue Meister das Handwerk nach „alter, löblicher 
Gewohnheit" begrüssen sollte. Im üebrigen stimmen alle Punkte mit dem 
frühereu Statute überein ; neues bringen nur die Angaben gegen das Schulden- 
machen der Zünftigen, die Wahl zweier Meister als Aufsichtsbehörde und 
Schiedsgericht. 

Es erübrigt noch von den Leinwebern und Hafnern zu sprechen; die 
Statute Beider finden sich im Stadtbuche. Die Ordnung der Leinweber 
stammt aus dem Jahre 1501, bringt dieselbe Arenga und dieselben Gepflogen- 
heiten, höchstens etwas umständlicher, sie verlangt u. n.: „brieff und urkund 
genugsamlich . . , das sy (sein Weib) im mit dem briester geben sey. M Sie 
gestattet ihren Genossen zwei Lehrjungen zu halten. Bestimmungen über das 
Meisterstück und das Technologische wechseln mit einem Angriffe auf die 
unbefugten „Störer". Die Gesellen heissen hier Knappen; verlässt ein solcher 
Hausknappe sein Weib ohne redliche Ursache, so soll man ihn nicht weiter för- 
dern. Kein Weber soll das Garn aus der Stadt tragen, das er „wurchen« 4 wollte, 
„dann der purger oder die purgerin wolltens haben und es stund in irer wall 
zu wem sy das tragen oder schickhen wollen" *). 

Die Hafnerordnung stammt aus dem Jahre 1516, sie hält sich nach 
der Wiener- und Kremser-Ordnung; nur der darf sich als Meister setzen, der 
ein Zeugnis mitbringt, dass er seine Lehrjahre ausgedient und ein ehlich 
Weib hat ; in die Zeche giebt er ein Pfund, er hat die Meisterwerke zu verrichten, 
die in Wien und Krems üblich sind, dann soll er den Meistern ein „erbrig 
jawsn oder Collatze (collation)" geben. Auch hier findet sich die ausdrückliche 
Erwähnung einer Strafe für schlechte Waaren und das Verbot an gewissen 
Tagen und Orten feilzuhaben. Wer einem Meister einer Kundschaft beraubt, 
zahlt ein Pfund Wachs in die Zeche, den Meistern und Gesellen aber 60 5 



*) Ueber die Hutmacher cf. Kinzel L c. S. 579. Die Hutmacberordnung xu Krems Tom 
Jahr« 1560 hat sehr viele ähnliche Bestimmungen. 

») Die Ketzer ahmten um 1544 die Wiener Leinweber-Ordnung nach. 



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zum Vertrinken (!). Alle Sonntag wird ein Denar in die n 8ammelpüchte u 
gelegt, so auch dann, so oft er einen Ofen brennt. Kommt er nicht zum 
Zechgottesdienst, so zahlt er */« Pfund Wachs *). 

Den Schluss der St. Pöltener Archivalien mögen zwei kleinere Stücke 
bilden ; eine kurz Processionsordnung der Zechen von St Pölten, die von einer 
Hand aus dem Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts auf dem Deckel des 
Stadtbuches eingetragen ist; wir rinden hier alle die Zünfte vor, welche in den 
Rollen erwähnt sind, ausserdem aber noch die „Wollslaher u , „Messrer", 
„Kursner und Jrher«, „Fleischhacker und Schuster.« Die Rollen der letzten 
zwei vermissen wir ungern. 

Das zweite Archivale ist eine Einschreibung des Stadtbuches, und trägt 
den Titel: „Wie mit der Franwag gehandelt soll werden", stammt aus dem 
Jahre 1465 und bringt einige Angaben, die für die Zoll- und Handelsgeschichte 
St. Pöltens nicht ganz unbedeutend sind. 

(Fortsetzung folgt.) 



Beiträge zur Kulturgeschichte Oesterreichs in der Zeit Leopold'a des 

Heiligen. 

Von Professor Ambros Heller. 

(Schlots.) 

Unter dem Vielen, was unter Leopold Wichtiges und Bleibendes, aber 
dem Charakter naoh unbemerkt geschah, war auch, dass er von seinem Schlou 
nicht umsonst auf jenes weite Thal hinabsah, welches nun weithin das stolze 
Wien ausfüllt; es bestand bereits unter ihm als Stadt. Ein Jahr nach 
seinem Tode (1137) giebt die älteste bis jetzt gefundene, von Geistlichen 
und Weltlichen ausgestellte Urkunde davon sichere Kunde; und sie passt 
ganz zu den alten Spuren und Entdeckungen, nach denen die alte Stadt, 
vielnamig an verschiedenen Orten wieder aufgebaut, Beweis ist von den 
Stürmen, die über diesen Platz und das Land gegangen, von den verschie- 
denen Völkern, die diesen Platz selbst zur Niederlassung genommen hatten. 
Leider ist der Schleier dieser Altertümer nicht einmal gelüftet! — Jene Urkunde 
sagt 2 ), dass dort eine Pfarrkirche zu St. Peter und mehrere Bethäuser 
oder Kirchen (oratoria) — also zerstreut — bestanden, woraus auf eine schon 
nicht unbedeutende Ausdehnung der Stadt zu schliessen ist. Leopold's gleich- 
namiger Nachfolger übergab nämlich durch die Hand seines Bruders Adalbert 
an Passau „die Kirche St. Peters des Apostels an dem Platz zu Wien 
erbaut, wofür er vom Bischof Reginbert als Tausch einen Weingarten in Wart- 
berch erhielt, und (übergab?) den halben Teil der Mitgift (der Kirche, scheint 
es), der neben der Stadt 3 ) gelegen ist, mit Ausname der Hofstetten 

') Ueber die Kremser Hafner cf. die Ordnung von 1547 bei Kinzel ). c. 606. 

») Zuerst Wiener Jahrbücher 40, Anzeigeblatt 23 und 24 ; dann M. B. 28, 2. 102 .in 
Wiennensi loco." Ich citiere nach den'M. B„ die in den Namen etwas abweichen. 

') „Juxta civitatem* etwa die alte römische 8 tadt, die ummauerte? — Zeugen 
dieser sehr interessanten Urkunde werden aufgeführt : Ernst, Bruder des Markgrafen, Theodorich, 
Graf von Viechtenstein und Kreizenstein, Leutold Graf von l'laien, Adalram Advokat (der v. Ferge) 



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(exceptis curtilocis), wo die Ställe erbaut lind, auf die Bedingung, dass ob- 
genannte Kirche und die übrigen Bethäuser, die in derselben Parochie geweiht 
sind, von nun an dem Wienerischen Pfarrer unterstehen sollen." Diese Urkunde 
a&gt Vieles. Die Kirche zu St. Peter bestand schon lange, sie war auch bereits 
eine markgräflich bestiftete Pfarre (ein Zeichen alten Bestehens); ein Platz, 
der nebstdem mehrere Kirchen hat, ist nicht mehr unbeträchtlich; es 
müssen auch wol habende Menschen da gewohnt haben, den Gottesdienst 
und die Geistlichen zu unterhalten. So sehr war der Platz etwa auch durch 
die Kit uz züge angewachsen, und so vorteilhaft hatte Leopold seine Residenz 
gewählt: scheint es doch, blos als Schloss, von dem Wien bereits die Stadt 
war. Auch haben wir hier — wie 1044 bei Horn — wieder einen Beweis, dass 
eine lang bestandene Kirche von ihrem Stifter erst später einem Bischof über- 
geben und zugewiesen wird, wobei Leopold nur die Hälfte der Beitiftung der 
ÄdTokatie Passau's überwies. Ebenso überraschend ist die Menge der Ort- 
schaften, die auch sonst den Sitz des Markgrafen umgrenzten ; es erscheinen 
in den frühesten Kloster-Uebergaben : Grinzing, Sivering, Nussdorf, Widening 
(Weidling), Pezilinesdorf, Purchartesdorf, Tulbing, Hitindorf (Hetzendorf), 
Ch&lwenberg, Otakring, Gablitz, Hizzing, Stadlau, Leuraren (Lebarn), Chatere- 
berg (jetzt Schönbrunn), Hakking u. s. w. Und in dem jetzigen Umfang 
Wiens namentlich: Cumpendorf, Meginhardsdorf (in der Gegend der jetzigen 
Hondsturmerlinie) und die Gegenden an der Als, ja als interessanter Beweis, 
von ungemeinem Zu- und Abfluss der Menschen zeigt sich der Umstand- 
dass der Ort Wienerherberg schon damals auftaucht *). Dies von der mark- 
gräflichen Residenz und von dem ueuerstehend en Wien. 

In andern markgräflichen Schlössern waren Kastellane (pracpositi) 
eingesetzt: so kommen in Gars am Kamp, Erchenbert und dessen Gemahlin 
Freuza") vor; ihr Sohn Erchenbert erscheint später; Otto von Medling ist 
zu jener Zeit auch um Meissau begütert 3 ); in Gars war auch Anshelm 
Kastellan, dessen Frau Truota 4 ) (Gertrud) ist. Letzterem hat der Biograph 
St. Bertold' s ein unerwünschliches Eloge gesetzt, indem er sagt: „Anshelm 
sei eben so reich an Lastern als an Schätzen gewesen; der Markgraf habe 
dem heiligen Manne (Bertold) sehr zugeredet, er möge machen, dass Anshelm 
den wenig nützen Dienst aufgebe — aber umsonst!* 5 ), Eb folgt darauf eine 

Chadold v. Moverberg, Otto t. Langenbach, Waith tu: v. Griezbach, Ghadold, Diepold de 
Magere (ein edler Baier von Kager); „Ministerialen vero : Iladeinarub, Marcvardus (v. öchön- 
bihel). filius eins Udalricus, Adalbero, Chnnradus. Heinricns de Ganzinesdorf (etwa G&nzing an 
der Ipsf). Eb folgen 4 Ministerialen des Bischofs, dann: „aderant etiam Capellani episcopi: Perh- 
toldu« prepositna titoli S. Ypoliti, Adelbert prep. tit. 8. Nycolai, Lndegerus prep. tit. b. Georii 
Unzo Archipresbyter. Acta hec sunt Mutiren anno 1137." 

») Clauatroneob. n. 542. „Wolfker de Wiennerherberge. ■ 

») M. Fischer „Gesch. v. Klosterneuburg" II. n. 76. 78. Sie waren begütert in Enzers- 
dorf und Eggenbarg. 

») Ciaastron. n. m. 

') „Qaidam de primis ministerialinm marchionis - heisst er in Gotvic. n. 142; er heust 
auch »de Hezzemanniswisin" in Claustron. n. 33. 

») Vita B. BerWldi c. 36: „Preprositus Anshelnius vir magnarum opum et araplae 
po»essionis, eed tarn plenus vitiis quam divitiis. Hic — percussus paralysi una parte 
corporis tot u« factus est invalidus: sed quamvis iam alter idem ageret officium, iste tarnen ad 
resignationem culpabilis offlcii nulla potuit ratione convinci." Man erkennt auch in dieser 
Langmut den Charakter des heiligen Markgrafen ! — A. B ö h m .Beiträge zur österr. Siegelkunde" 
in Chmel'ä Notizenblatt 1856 combiniert aus Wappen zuviel, wenn er dieses Ministerialgeschlecht 
in die Zweige Ton Gars, Eggenburg, Schachsberg und Ueidenreichstein teilt. 



116 



wichtige Erzählung. „Nicht lauge darnach verliess die Stelle den Vorstand, 
da er sie nicht hatte verlassen wollen. Und da sie ihn in den Sarg gelegt 
hatten, ihn zum Begräbnis zu führen, so gab der Sarg ein solches Gekrache, 
als wenn er durch Bewegungen des drinnen Liegenden so zu krachen gezwun- 
gen würde". ~ Wir wollen lieber annemen, dass der Körper im Sarge zer- 
platzt sei, als dass man die Beerdigung des wenig Geliebten vorbeschleunigt 
habe. — Unter Herzog Heinrich war Rudolf von Eirchlingen ein „prepositus 
ducis". Elosterneuburger Urkunden 1 ) melden von ihm den bezeichnenden 
Zug: „wir gestanden ihm einen Weingarten in Kirchling zu, damit er die 
Leute unserer Kirche in seinem Amte mild (clementer) behandle, 
doch soll nach seinem und seiner Frau Tode der Weingarten an die Kirche 
zurückfallen." 

Für Verbreitung von Bevölkerung, Christentum und Sitte in alle, 
auch die ödesten Gegenden war Leopold dem Heiligen von seiner Zeit das 
beste Mittel an die Hand gegeben ; es waren ja damals geistliche Korporationen. 
Klöster, die, wo sie gegründet wurden, Zuströmen von Menschen, Grün- 
dung oder Anwachsen von Ortschaften, Kultivierung des Bodens zur Folge 
hatten und als Mittelpunkte auf Kultur des Bodens, Sittigung und Sänftigung 
der Herzen durch die Kirche Einfluss namen; eine sinnreiche Art von Monu- 
menten, durch Jahrhunderte nicht nur dauernd, sondern lebendig fortzu- 
wirken 8 ). Selbst ihre Stiftungstage waren ebensoviele Feste für das Land, 
mit frohem Zusammenöuss des Adels und vieler Tausende eines heiteren und 
gutgesinnten Volkes. Endlich sind diese Stiftungen dem Freunde sowol als 
dem Forscher der vaterländischen Geschichte deswegen ungemein wichtig, 
dass sie, da sie in Urkunden verzeichnet wurden, uns in die edlen Familien, 
in deren Genealogie, Zusammenhang und Besitz, endlich in die Sitten unä 
Bräuche jener Zeit Blicke thun lassen, die, wenn auch nicht immer geeignet 
das Dunkel ganz zu zerstreuen, doch immerhin wenigstens teilweise Licht 
gewähren, das wir ohne sie gänzlich entbehren müssten! 

Zunächst wandte Leopold seine Aufmerksamkeit der Hausstiftung Melk 
zu, wo er noch oft verweilte, und das er, bevor er das Kloster zu Neuburg 
zu seiner Hofkirche machte, zu verherrlichen gedachte; deshalb erhob er 
Melk mit Unterstützung Udalrich's am päpstlichen Hofe zu einer von der 
bischöflichen Gerichtsbarkeit befreiten, Rom unmittelbar unterstehenden Stif- 
tung 3 ): „die Aebte sollten kanonisch gewählt und vom Papste selbst geweiht 



*) M. K i b c her, Geschichte II. n. 100. Kudolf war, scheint es, Tiemos and Gertrudens 
Sohn; seine übrige Familie s. Trada. Claustron. n. 681. Er lebte bis am 1184. 

*) Die schönste Verteidigung des KlOBterbesitzes auch für unsere Tage liefert der 
geistvolle Borke „Kefflectiens on the revolution en France 1790" am Schlüsse des ersten Teils. 
Kein Geringerer als Wilhelm Koscher („Nationalökonomik des Ackerbaues" S. 27 j ff.) bat die 
eminente Bedeutung der Klosterwirls« haften bezeugt, indem er sagt: .Aller gebildetere Ackerbau 
des Mittelalters ist so vorzugsweise von den Klöstern ausgegangen; wie sie Pflanzschulen 
geistlicher Bekehrung waren, so auch wirtschaftlicher Kultur.* Der Fiskus hat sich 
bei Säkularisationen der Klöster nie bereichert, hier gilt recht eigentlich das Sprichwort: 
.wie gewonnen, so zerronnen." Die Guter rissen sofort Kapitalisten, Staatsgläubiger etc. um eines 
Spottpreis an sich, die mit grosser Ilärte wegen alter, längst eingeschlafener Gerechtsame pro- 
zessierten; die Armenlast wurde gesteigert. Vgl. v. Sy bei, Gesch. d. Revolutionszeit I. 206. 

*J Die Bulle Paschal's II. ist 1110. 16. April ausgefertigt; sie bemerkt ausdrücklich, das« 
dieses Kloster von Leopold, seinem Vater und seinen Ahnen aus ihrem Gütern gestiftet 
worden ist. 



117 



werden, keinem Gerichte anderer Prälaten unterstehen, als die ebenfalls 
unmittelbar wären ; ist der Bischof von Passau ausser der Gemeinschaft mit 
Born, so können die Aebte die Weihungen aller Art von was immer für 
einen nicht schismatischen Bischof vornemen lassen; der Ort soll ein freies 
Begräbnis sein, Vogt desselben verbleibt der Markgraf oder sein Erbe, dem 
künftighin das Markgraftum zufallen wird; zum Zeichen der Befreiung ist 
jährlich im lateranensischen Palast ein Goldgulden zu bezahlen". — Indessen 
wurden Kloster und Kirche neu gebaut, 1113 am St. Colomanstage (13. Oktober) 
von Bischof Ulrich feierlich eingeweiht, in Gegenwart des Markgrafen, der bei 
dieser Gelegenheit die alte Bestiftung erneuerte und reichlich vermehrte, teils 
mit Gütern, die um Melk liegend, früher wol zum markgräHichen Hofhält 
gehörten, teils am Kamp, wo vielleicht von dem altmarkgräflichen Sitze Gars 
die Güter Plank und Ravelsbach abgerissen wurden, teils im March- 
felde. Zu Einer und derselben Zeit wurden die dem Stifte zugewiesenen 
Kirchen zu Wullersdorf, Bavelsbach und Weike n dorf neu gebaut 
und in den nächsten Jahren gleichfalls von Bischof Ulrich eingeweiht 1 ). 

Dem Ende seines Lebens zuschreitend beeilte sich Leopold, fromme 
Stiftungen und Bildungsanstalten in jenen Gegenden, die ihrer noch ermangelten, 
hervorzurufen. Noch drei Stiftungen entstehen, von denen zwei die Stürme 
der Zeiten und der Meinungen glänzend überdauert haben : es sind die Stiftun- 
gen von Heiligenkreuz im Waldthale, Klosterneuburg an der Donau 
und Maria-Zell. 

Zwischen dem Einflüsse des Durbaches und Buchlbaches in den Sattel- 
bach, der selbst eine halbe Stunde weiter südlich in die Schwechat läuft, steht 
das ehrwürdige Denkmai Leopold's, Hei 1 ig enkreuz am Sattelbach. Sein 
Sohn Otto hatte in den Vater gedrungen, seinem Orden einen Platz zu geben, 
und im Jahre 1134 aus Morimund selbst die gewöhnliche Kolonie von 13 
Mönchen, den Abt Gotschalk mitgerechnet, in jenes Thal abgeschickt, gesondert 
von Menschen, wie es der Cisterzienser-Orden meist zu haben pflegt. In 
Oesterreich angekommen, wurden sie in Sattelbach versorgt, bis 1135 der 
Klosterbau vollendet war, und 1136 ungewissen Monats ward der Stiftbrief 
ausgestellt 8 ). Er beginnt nach dem gewöhnlichen Eingänge: Allen Christen, 
gegenwärtigen und zukünftigen, Friede und Freude im endlosen Zuwachs! 
damit die Thaten der Fürsten und ihre Vermächtnisse an ehrwürdige Orden 
beständig und unverrückt bleiben, ist es nützlich, sie in schriftlicher Aufzeichnung 
den Nachkommen zu hinterlassen. Das ist der Grund, warum ich Liupold, durch 
Gottes Gnade Markgraf zu Oesterreich, in gegenwärtigem Briefe kund gebe, 
dass wir auf Eingebung dessen, von dem alles Gute kommt, dann auf Anhalten 
meines geliebten Sohnes Otto, welcher zu Morimuud den Cisterzienser-Orden 
angenommen hat, einige Brüder von gedachtem Kloster Lieber berufen und 
selben den Platz angewiesen haben, welcher bisher Sattelbach hiess, jetzt 
aber wegen des siegreichen Zeichens unseres Heiles zum heiligen Kreuz 



*) Die hierüber noch vorhaudenen Urkunden von den Jahren 1108, 1110, 1112 (Ph. 
Hueber „Austria ex Archiv. Mellic. illustrata") sind voll der interessantesten Notizen über die 
Afenge der damals schon bestandenen Ortschaften, und haben von J. F. Keiblinger in 
seiner Geschichte von Melk (I. 8. 224—242. II. bei den betreffenden Pfarreien) ihre volle Auf- 
hellung erlangt. 

•j Bei Fez Cod. diplom. §. 318. Hergott Monum. I. 209. 

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118 



genannt wird *). Um nun über deren Gottseligkeit unsere Freude zu bezeugen, 
ingleichen ihren Bedürfnissen abzuhelfen, haben wir, mit Genemigung und 
auf Begehren unserer Gemahlin Agnes und unserer Söhne Albert, Heinrich, 
Liupold und Ernest Gott, der seligsten Jungtrau, und jenen Brüdern, für 
alle Zukunft das Land um jenen Ort herum mit allem, was 'es an Nutzung 
enthalten kann, in folgenden Grenzen übergeben und ausgemarkt: Von dem 
Platze, wo der Pattelbach und die Schwechat bis Murlingen zusammenfliessen, 
von da wie der Weg, welcher Mühlweg heisst, bis Priventau 8 ) führt, yoü 
da nach Huseruch*), von da wieder durch gedachten Weg bis an den Sattel- 
bach, von da gerade zur Höhe, welche die Hocheche hei&at, yon da über das 
Bächlein Dörmbach gegen die Hälfte der Kritzeruche, dann den Weg nach zum 
Sichendorferwald, von da zumPlatz, wo der Marchbach entspringt, von da den Weg, 
der auf den Weg nach Drässkirchen stosst, weiter zum Brunnen bei Muochorsdorf, 
dann bis zum Ebenberg, von da hinunter zum Sattelbach abwärts, bis wo er 
sich mit der Schwechat vereinigt." — So sah es in jener Gegend aus, Bäche 
und Berge u. z. alle benannt, aber Orte wenige, erklärlich für alle, welche 
die noch jetzt waldige Beschaffenheit jener Gegend kennen. 

Der fromme Markgraf fährt fort: „Wir wünschen, dass diese Stiftung 
unserer Schwachheit bei der göttlichen Barmherzigkeit in etwas zu Statten 
komme, wenn wir, da von uns selbst keine Frucht eines guten Werkes gebracht 
wird, wenigstens jene, welche in Wahrheit dem Herrn Früchte bringen, wie 
ein Ulmbaum die Weinrebe durch unsere Mittel stützen". Es folgen Zeugen 
und Siegel. Die Zeugen sind nicht unwichtig, da sie sagen, welche Edle in 
der Nähe dieses Bezirks bereits Sitze und Schlösser hatten. Nebst den Grafen 
Konrad von Peilstein und Otto von Lengenbach werden aufgeführt: Rapoto von 
Netzta, Sterfrid von Bezelinesdorf 5 ), Otto von Leusdorf •), Ulrich von Gadmeo, ülrid 
von Sigenfeld, ßudger sein Bruder von Sigehendorf 7 ), Anshelm von Sparwarsbach, 
Ebeger von Adelathe 8 ), Härtung von Ruhenegke, Lubort von Tribanswinchele 
Ozo und Otfrid von Murlingen, Hartwic »). — Auch bewirkte der Markgraf 
vom Bischof Reginmar die Ueberlassung des Zehents an die Brüder, von 
angebauten Gründen und Neugründen, wofür der Markgraf zwei Häuser in 
Alland und Murling gab. — Dies waren die Anfänge einer Stiftung, welche 
Leopolds Sohn und Nachfolger im Sinne seines Vaters vollendete, und die auch 
die späteren Babenberger ausnemend begünstigten. Ihre vorteilhaft gewählte 
Lage zeigte sich auch bald dadurch, dass sie bedeutend Anhang, Begünstigung 

« 

*) Also schon Tom Anfing an so genannt. Vielleicht haben die Cisterzienser, welche 
ihre Niederlassungen umzutaufen pflegten, diesen Namen gewählt. Sonst wüssto ich nicht, dass 
sich um jenes Jahr — etwa im Oriente — etwas für die Christenheit so Freudiges zugetragen, 
zu dessen bleibender Erinnerung etwa Leopold jenen Namen gewählt hätte. 

*) Also Konrad war bereits in seinen Studien zn Paris. 

s ) Den Ort finde ich auch in Malachias Kol!. (ieBchichte des Stiftes ileiligenkxeuz, 1834, nicht 
erklärt. Tan heisst Wald : was wäre denn also 1' r i v e n w a 1 d, wie man etwa Preuen-Huber nannte ? 

«) Buch, Ruck, etwa Berg? wie der gleichbenannte Hau« ruck in Ober Österreich. Ebenso 
in unserer Urkunde Kritzeruhe. 

*) Bezelinesdorf wol Peselsdorf oder l'azleinsdorf. 

•) Leusdorf ist Leesdorf bei Baden. In den Klosterneuburger Traditionen erscheint ein, 
.Hugo de Lewisdorf — wol Otto's Vater. 

T ) Budger v. 8igehendorf erscheint gleichfalls in Klosterneuburger Traditionen. 
') Adelathe ist Jetzt in Alland korrumpiert. 

•) Hartwic wird anderswo Ministerial Heinrichs des Sohns Leopolds, genannt. 



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119 



niid Eiufluss auf das benachbarte Ungarn gewann l ). Schon Bela der Blinde 
lud Gotschalk ein, mit den Seinigen ganz nach Ungarn zu ziehen; 1142 wurde 
eine Kolonie nach Cicador, 1149 eine nach Marienburg — Beides in Ungarn 
— entsendet; ungarische Könige und Edle begüterten das Stift in ihrem Reiche. 

Die zweite Stiftung, welche Leopold noch im letzten Jahre seines 
Lebens (1136) mit Mut begann, war die von Maria-Zell im Wienerwald, 
zwischen Alland und Kaumberg, an der kleinen oder trockenen Triesting *). 
Wir können darüber keine bessere Aufklärung geben, als welche in der 
Stiftungsurkunde selbst enthalten ist. Am 2. Februar zu Neustadt») — wie 
er es nennt — d. i. zu Neuburg, wo um die Residenz und die Kirche sich 
bereits eine Stadt gebildet hatte, in Gegenwart des Erzbischofs ?on Salzburg 
Konrad und dessen Suffragans Roman, ebenso Reginmars, des Bischofs von 
Pasiau, dann der Markgräfin und ihrer drei Söhne: Leupold, Adalbert und 
Ernst, in Versammlung einer grossen Menge der Vornemsten des Landes 
bezeugte und erzählte der Markgraf: „dass Heinrich und sein Bruder Rapoto 
Söhne eines «delfreien Mannes (viri ingenui) Namens Haderich, ihre eigene 
von den Eltern überkommene parentibus sibi traditam) Stadt Swarzenburg 
genannt, welche zwar vorher von Alters her Netzta genannt wird, mit allen 
Einkünften und Inhalt auf immer übergeben haben, aus freier Macht (libera 
potestate) dem Kloster, welches Mariä Zelle genannt wird *), nach ihrem Tode, 
oder wenn sie selbst in den Orden treten würden. Und ob sie Frauen heimführten 
oder nicht, Kinder hätten oder nicht, so sollten jene Lehen (beneficia) dem besagten 
Kloster unantastbar bleiben." Auch andere Güter gaben sie mit demselben Eifer, 
aber auf die Bedingung, wenn sie etwa gesetzmässige Erben erzeugten, sollten diese 
sie mit dem Rechte des Vaters besitzen, wo nicht, diese Güter wie die obigen an 
besagte Zelle gehören. Diese andern Güter waren : Pulchaven, Durrenbach und 
Adelprechtesdorf 6 ), „und das was bei Piugen ihres Rechtes war. Ebenso bei 
Chambe, was Heinrichs gewesen, mit der Kirche Heiderichstorf, ebenso was 
sie zu Pottenbrunnen besassen, ebenso was zu Willindorf, ebenso was sie zu 
Perendorf zu Eigen hatten •)." 

Der fromme Markgraf fährt fort: „Da aber dieselben Brüder über den 
Bau des lange im Sinne gehabten Bethauses herumzogen, habe ich, Leopold, 

*) Dahin gehört, dass Einige berichten, der Exkönig Saloino, welcher nach seinem 
unglücklichen Versuche gegen Ladislaus 108» verschwand, habe nachher in diesem Kloster als 
Laienbruder gelebt, er müsste mittlerweile durch wenigstens 51 Jahre anderwo gelebt haben! 
Jongelinus (Not. Abbat. Ord. Cisterc. n. 4) sagt, Salomo habe im Kloster St. Disibodus (einer 
alten Abtei im MainziBchen, die dann den Cisterziensern übergeben wurde) gelebt. Doch 1098 , 
coepit Ciatercius ordo ! M. K o 11 3. 91 weist in Heiligenkreuz einen andern Salomo ums 
Jahr 1205 nach. 

*) Mariäzellerbach genannt. 

») „Nova civitas:" anderswo (in den Claustroneob.) auch Neapolis genannt. Die Urkunde 
bei Pez Cod. epistol. S. 320. 

*) Der Käme lässt vermuten, dass schon früher dort eine Kapelle dieses Namens 
bestand, welche die Brüder zu erweitern vorhatten. 

*) Palkau, Dürrenbach. Aspersdorf (? ? es war offenbar ein Adalberts- oder Albertsdorf — 
also etwa das jetzige Alberndorf?). 

') „Et ea que apud Fingen eorum iuris sunt. Item apud Chambe, que Heinrici fuerunt, cum 
eeclesia Heiderichstorf (Hadersdorf — welches von den vielen Hadersdorfen es war, wird durch 
das unmittelbar vorausgehende als daB am Kamp bezeichnet), item quo apud Potenbrunnen possi- 
dent, item quo apud Willindorf VII. mansus (in der l'farre Kitzbühel westlich von Neustadt) 
it*ra QOicqnid od Perendorf hab^nt." Perndorf zur l'farre Pottenstein gehörig. 

9 



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120 

Markgraf, mit Hinsicht auf die göttliche Belohnung, nachdem ich Kath mit 
den Meinigen gepflogen, den Unschlüssigen zuvorkommend jenes Bethaus auf 
meinem Grunde gestiftet auf solche Weise l ), dass ich Zeit meines Lebens, 
oder wenn nach mir einer aus meinen Söhnen oder Enkeln künftig zur 
Regierung gelangen möchte, Schirmherr des Orts nnd aller seiner 
Besitzungen, jedoch ohne dafür etwas zu fordern oder eine Person zu belästigen, 
verbleiben soll. Aus den unzähligen Zeugen wurden einige Wenige auserlesen, 
sich in der Unterschrift zu befinden." Folgen die Unterschriften*). Die Ur- 
kunde hat nun den merkwürdigen Zusatz : „Diese Uebergabe wird nichts desto 
weniger zum zweiten und dritten Mal in der Stadt Tuln, desgleichen zu 
8t. Pölten bekannt gemacht, und mit der Beistiininung des ganzen Adels 
bekräftigt. Zeuge dessen sind die Vorneinsten des lindes. Damit aber die Ueber- 
gabe fest und unerschüttert bleibe, hat der Markgraf befohlen, sie mit seinem 
aufgedrückten Siegel zu befestigen. Im Jahr der Menschwerdung unseres Herrn 
1136, in der XIV. Römerzinszahl, am 2. Februar." — Was der fromme Mark- 
graf der neuen Stiftung an Grund und Boden gegeben, sagt die Bestätigungs- 
Urkunde seines Sohnes Jasomirgott vom Jahre 1147 s ) ; es war der herumliegende 
Wald mit jetzt nicht mehr leicht findbareu Forstuamen, z. B. Seeit, Purkun- 
suiz, Hahorn, Loupratswarta, Stände der JagdluBt in dichter Waldung, welche 
durch die Thätigkeit des Ordens sollten beurbart werden. Die Besetzung des 
Klosters geschah mit sechs Mönchen und dem Abt Azelin aus dem uralten 
Niederaltaich, einem alten Schutzkloster der babenbergischen Familie. Dass 
aber der Markgraf selbst und sogar seine Söhne die Advokatie überneinen 
sollten, scheint daraus erklärlich, nicht nur dass er Kirche und Kloster auf 
„seinem Grunde" erbaute, der an die Güter der Brüder stiess, sondern noci 
mehr, weil ihre Besitzungen „Lehen" heisson, wol des Markgrafen, endlich 
weil sie Sinnes waren, selbst eventuell in das Stift als Glieder einzutreten, 
so dass sie selbst, die dazumal keine Kinder hatten, die Advokatie an die 
markgräfliche Familie scheinen übergeben zu haben. Seltsam war das bei dieser 
Stiftung eingeführte Recht der markgräflichen und herzoglichen Hofämter, 
der Schenken, Truchsesse, Kämmerer und Marschälle, von dem Kloster jährlich 
für jeden einen neuen Pelz zu fordern; etwa Vergütung früherer Jagdlust? 1243 
ward dieses lästige Recht von Friedrich dem Streitbaren aufgehoben. Uebrigens 
war dieses Stift eines von jenen, von denen man — wie bei vielen Privatmenschen 
— ausser ihrem Geburts- und Sterbetage wenig aufgezeichnet oder des 
Aufzeichnens würdig gefunden hat. Es wird ihnen darüber ihr Wert als 
Menschen, und dass sie ihre Schuldigkeit gethan, auch des Tages Mühen 



') Merkwürdiger Zusatz ! Er scheint zu sagen, dass im Fall seine Kindernicht 
zur Regierung kamen, die Schirmvogtei an die Familie H Berichs zurückfallen soll; oder 
er lässt nur unentschieden, wer aus seinen Söhnen nachfolgen sollte — und dies gibt 
einen tiefen Blick in die inneren Zerwürfnisse der markgräflichen Familie. 

») Diese sind: Graf Konrad von Peilstein, Gr. Leutold von Playe, Adalram von Perg und 
sein Bruder Adalbert — Otto von Machland und sein Bruder Walchoun, Otto von Leginbach und 
sein Bruder Hartwic — Wornhard von ivelbach f Julbach) — Dietmar von Kngelschalksreld — 
Kunrad von Sunalburg — Hadmar von Kuefarn — Walter von Traisraa und sein Bruder Hartwic 
- Dietrich vou Algerisbach (Ullersbuch ?) Starchfrid von Pezilinesdorf — Udalrich von Vslcben- 
steine — Ueginger von Tekkenbach — Diepraut von Chustelwanch. 

*) Taschenbuch für vaterländische Geschichte 1855S. p. 194 enthält zwei Urkunden über 
Maria-Zell, kommeutiert von J . F. K e i h 1 i n g 0 r. 



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121 



redlich oder doch wie immer mitgetragen, uud überstanden haben, nicht 
abgestritten : aber es ist doch nur immer die untergeordnete Rolle im Verdienst 
uud Handeln; emporgerungen haben sie sich nicht durch Thatkraft zu sagens- 
werter Geschichte, sind nicht zu einer rechten Zeit eingestanden an einem 
Platz als Führer, die Andere nach sich zogen, nicht selber zur Schaar gehörig ; 
denn immer giebt es für Familien sowol, als Korporationen wie für einzelne 
Sterbliche Zeiten, wegen deren es der Mühe wert war, dass sie lebten. 

Diese beeilten Schöpfungen erweisen deutlich, dass sich der edle Fürst 
bereits schwächlich und seiner Auflösung nicht ferne fühlte. War Heiligenkreuz 
soweit gediehen, dass er den Stiftsbrief ausfertigen, Maria-Zell, dass er dessen 
Eiistenz ankündigen konnte, so wurde indessen seine Lieblingsstiftung 
Klosterneuburg ganz vollendet. Zur feierlichen Einweihung der grossen 
neugebauten Kirche, welchem Gebäude sich damals vermutlich wenige an die 
Seite setzen konnten, bestimmte er den 21). September, das Kirchen-Fest des 
Erzengels Michael; die Feier der mit grösster Feierlichkeit vollzogenen Ein- 
weihung nam der Erzbischof mit den ßischöfen von Passau und Gurk vor. 
Es erscheinen dabei die Grafen und alle Adeligen Oesterreichs *) : Ottokar, der 
Markgraf von Steiermark, verschwägert mit Leopold, die Grafen Dietrich von 
Kreizenstein, der Formbacher, Konrad von Peilstein, Gebhard von Piugen sammt 
»einem Bruder Adalbert und seinem Sohne Hermann, Liutold Vater und Sohn 
von Pleyen, Ekbert von Ptittcn, Sighard und Gebhard von Burghausen, Adel- 
ram mit seinem Bruder Adalbert von Pergen, Otto von Lengenbach mit 
seinen Brüdern Hartwig und Heidenreich, Walter von St. Andrä mit seinen 
Brüdern, Adalram von Eppinberge, Hartwig von Ruoduiche, Ernest von Treisina. 
Ferner waren Zeugen: Otto und sein Bruder Waltchuon von Machland, Heinrich 
von Simmariugen, Kuodolf von Pekä *) und eine unzählige Volksmenge. Aber 
es ist interessant, diese letzte öffentliche Handlung des ausgezeichneten 
Mannes in der lebensvollen Darstellung von ihm selbst zu hören: das Dokument 
enthält ferner alle früher darauf bezüglichen Einleitungen und die Formen 
solcher feierlichen üebergaben: 

„Im Namen u. s. w. Leupaldus, edler (nobilis) Markgraf, Stifter der 
Neuburgerkirche. Weil wir durch zeitliche Geschäfte gehemmt Gott durch uns 
selbst nicht aufs Höchste gefallen können, müssen wir uns bemühen, die welche 
wir als ihm gefällig und weltlichen Strebungen entnommen billigen, zu lieben, 
zu versammeln, und für ihre Ruhe auf alle Art vorzusorgen. Denn so geschieht 
es, dass uns sowol Wohlfahrt des gegenwärtigen Lebens, Ruhe der Zeiten, 
Gedeihen des Friedens und allseitigen Wohles beglückt, als auch dass wir 
der Güter, welche ihnen im künftigen Leben bestimmt sind, nicht ganz 
verlustig gehen. Ich also Liutpold östlicher Markgraf, mit meiner höchst 
adeligen (nobilissima) Gemahlin Agnes und einmütiger Zustimmung aller 
meiner Söhne und Töchter, mit gänzlich beseitigter Widerrede von Bonst wem 



') „Uoraites et quique nobiliores Orientalin regionis.« Dor Stiftsbrief ist abgedruckt bei 
U. Pez „codex epistol". P. I. 316, dann bei Max Fischer „Geschichte von Klosterneuburg". 

») Rudolf Ton Pekach, ein kärnthnerischer Edler, Bruder des Grafen Poppo von Zelt- 
«hach. Pekau 3 8tunden nördlich von Graz (dazu gehört auch ein Fresach — nicht zu ver- 
wechseln mit Freisach: ). Er erscheint der Letzte unter den „nobilfvres orientalis regionis*. In 
der Folge Huden wir seineNachkommon an der Piesting begütert; dort hatte er vielleicht auch 
Fchon Güter? 

'J * 



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122 



immer, habe den Öigefrid und Prunrik, die dazumal anwesend waren, mit all' 
ihrer Familie und dem Besitztum, 10 entweder lie oder andere Gläubige über- 
geben hatten, mit Davidischer Andacht „„in der Einfalt meines Herzens freudig 
Alles" a Gott und der Nivenburgischen Kirche, welche ich selbst zu Ehren der 
heiligen Gottesgebärerin und allzeit Jungfrau Maria gestiftet, dargebracht, 
damit es den Brüdern, die unter der Regel des hl. Augustin Gott dienen, 
auf immer verbleibe. Bei dieser üebergabe *) ist Allen zum ersten, zweiten 
und dritten Male volle Freiheit gegeben worden, zurückzufordern, wenn Einer 
etwas von dem, was dargebracht worden, als seines Rechtes erkannte; aber 
es hat sich nicht Mann noch Frau, die etwas einwendeten, gefunden. Demzu- 
folge habe ich bei der Einweihung dieser Basilika dem Herrn Eunrad, Salz- 
burgischem Erzbischof, und Reginmar, unserm Passauer-Diöcesan, und Roman, 
dem Gurker Bischof, mit dem Clerus und Volk, das an jenem Tage in 
unzähliger Menge zugeströmt war, kund gethan, dass ich besagten Platz mit 
seinen Besitzungen dem hl. Peter und dem Innocenz, dem seligen Apostel- 
nachfolger, durch die Hand des edlen Wolfram von Puobenkirchen dargebracht 
habe. Als dieser mein Gesandter auf die Synode zu Pisa kam *), und vor 56 
Bischöfen das ihm üebertragene übertrug (delegata delegante), hat der 
apostolische Vater vorbesagte Kirche in seinen freien Schutz genommen und 
uns ein mit einstimmigem Bann und Unterschrift aller Bischöfe bekräftigtes 
Privilegium für die Freiheit jenes Platzes übersandt s ), welches ich auch vor 
der Menge des ganzen Volkes habe ablesen lassen. Dieser Sache Zeugen sind 
(die oben angeführten). Nachdem dies geschehen, sind die vorbenannten 
Bischöfe zu folgender Erklärung aufgestanden: die dieser Kirche übergebeneo 
Besitzungen sind durch ein apostolisches Privilegium geschirmt, denn unier 
Herr, der Apostolische, hat jeden Angreifer und Räuber des Gutes mit dem 
Anathem belegt. Auch wir wollen, dass die Armen in Christo, welche die 
Regel St. Augustin's ohne Eigentum befolgen, heim Lobe Gottes nie beunruhiget 
werden" (auch sie belegen den Vergewaltiger an Personen oder Sachen dieser 
Kirche mit dem Banne). — „Zur Bekräftigung alles dessen, was in dieser 
feierlichen Angelegenheit ist geredet und gehandelt worden, haben wir geruht, 
(placuit) dieses Blatt mit dem eigenen Insiegel zu besiegeln". Folgt das Jahr 
und der Tag. 

Nach dieser Feierlichkeit finden wir von Leopold keine öffentliche 
Amtshandlung mehr vor; er zog sich auf sein Schloss zurück und schon 
anderthalb Monate nachher, deu 15. November desselben Jahres 1136, vollendete 
er dort sein irdisches Leben, nachdem er 40 Jahre und 1 Monat sein Land 
regiert, wol über 60 Jahre gelebt hatte 4 ). Das Urteil über ihn war von Allen, 

') Bei dieser neuen Üebergabe von zwei Leuten werden alle früheren unter Einem 
gesetzlich bekräftigt. »Bei - , nämlich: bei Gelegenheit dieser neuesten Üebergabe. 

*) 1134, vom 30. Hai an. 1 

J ) Ein Briof, den Innocenz einem Gesandten Leopolds an diesen mitgegeben hatte (ddo. 
50. Mär* 1134), ist bei Pols mann „Uompendium vitaeet miraculorum S. Leopold!« S. IS und bei 
M Fischer II. 119. Da nun das Concil wirklich erst Ende Mai begann, so scheint der «lator 
presentium" ein Anderer als Wolfram, und dieser Letztere später dahin abgeschickt zu sein. 
Der Schluss ist: „Dilectam filiam noBtram'et uxorem tuam etc. etc. Marchionem cum ceteri« 
Müs tnis in domino salutamub et benedicimus". So scheint 1131 an Adalberts Nachfolge noch 
kein Zweifel gewesen zu sein.* 

*) Was die Ann. Erpesfurtens. (Pertz VIII. 54l) zu 1136 haben: „Luopoldut marchio in 
venatione occiditur" ist nur aus der Luft gegriffenes Gerücht. 



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123 



die ihn gekannt hatten, einstimmig ein ausgezeichnetes 1 ); er hiess „der 
erlauchte, fromme und edle Markgraf" *), „der mildthätige, ganz Gott ergebene" •). 
Sein Sohn Otto, von einer seltenen Unbefangenheit des Urteils, nennt unter 
den um seine Zeit gestorbenen wichtigen Männern: „Leopold den östlichen 
Markgrafen, der durch und durch Christ, Vater des Clerus und der Armen 
war« 4 ). Und die Meinung von seiner Heiligkeit war im Volke verbreitet, es 
wurden an seinem Grabe ewige Lichter gestiftet, und ein Melker Nekrolog 
— offenbar aus dem 12. oder Anfang des 13. Jahrhunderts — bezeichnet jenen 
Tag mit roter Tinte als einen dort feierlich begangenen Tag. Und die Zeit 
minderte diesen Ruf nicht. Bernardus Noricus, der Anfangs des 14. Jahr- 
hunderts schrieb, sagt, er sei der Fromme genannt £ der Verfasser der 
Stiftung Melks, der um 1380 lebte, nennt ihn den allerfrömmsten, ruhmvollsten 
erlauchtesten 5 ); dass er der Fromme beibenannt, sagt auch Thomas Eben- 
dorf er 8 ). — Diesen unverminderten und unbeaweifelten Namen hat er nicht 
nur seinen frommen Stiftungen und Schenkungen — wiewol auch diesen — 
sondern ebensosehr der durchgängigen, weder verhehlten noch zur Schau 
getragenen Frömmigkeit, der allseitigen Milde, einem ganz makellosen Wandel 
und der Unparteilichkeit und einem liebevollen Erwägen zu danken — Eigen- 
schaften, welche bewirken, dass sich Alle mit Anhänglichkeit und Verehrung 
zu ihm hingezogen fühlten und den Namen Leopolds seinem Lande zu keiner 
Zeit vergessen machten. Nemen wir dazu den klug und sorgfältig bewahrten 
Frieden während einer vierzigjährigen Regierung, ferner dass er sich fast nie 
aus seinem Oesterreich entfernte, sondern recht eigentlich als der Herzschlag 
seines Landes lebte, fast Alle kennend und von Allen gekannt, dann die 
entschlossene Zurückweisung einer Kaiserwahl voll Wechselfälle und An- 
fechtungen, die streng inne gehaltene Linie zwischen seinen Rechten als 
Reichsfurst und seiner Untergebung unter den Kaiser; ferner das Land mit 
Dörfern, Märkten, Burgen, Kirchen bedeckt und verschönert, Städte entstehend, 
endlich die frohen Feste, die er seinen Oesterreichern bereitete — und wir 
müssen mit Bewunderung vor diesem unsterblichen Fürsten verweilen, der mit 
Ruhe und so richtigem Blicke das gethan, wodurch die Wohlfart eines Landes 
bedingt, und der einzig haltbare Grund zu jeder Art der Kultur gelegt wird! 

Schloss-Neuburg. 

In der kirchlichen Topographie und bei M. Fischer werden die Bauten 
Leopolds des Heiligen genauer unterschieden: 1. sein Schloss auf dem Kahlen- 



1 ) Oesterreichische Oeschichtschreiber — wie Herchenhahn, Hormayer, Schneller, ja sogar 
(jedoch gelinder) der sonst umsichtige Arneth sind mit seineu Schöpfungen nicht ganz einver- 
standen. Sie übersehen, dass seine Ansichten einem redlichen, patriotischen Willeu entsprachen 
and aus dem Zeitgeiste hervorgiengen — wie denn grosse Geister in Wahrheit und Irrtum 
nur aussprechen, was in den Gemütern längst vorbereitet int und nur im Dunkel noch 
geschlummert hat! 

») Chron. Mellic. 1136: „Illustris, pins et nobilis Marchio Liupaldu» de hac Tita migravit." 
3 ) Chron. S Petri 8alisburg. 

f ) Chron. VII. 21 : „Circa illa tempora multi ex optimatibus . . . Leopoldus orientalis 
marchio, vir christianissimuß ac clericorum et pauperura pater — vivendi flnem fecerunt." 
>) Bei liier. P e z I. 299. 

*) Bei ebendemselben II. 714. Ich geschweige der spätem Geschichtschreiber; des Hagen, 
oder gar des grossen Eloge's von Veit Arnpeckh, der bereits seine Kanonisation hat (bei P e z 
1187-1193). 



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U>4 



berge, der heute der Leopoldsberg keisst; 2. das Klostergebäude, und 3. ein 
Fürstenhof, an dem neuen Orte unfern vom Stifte, in der obern Stadt, der 
auch nachher von den Babenbergern bewohnt wurde, bis 1288 Albrecht, Herzog 
von Oesterreich, Sohn Rudolfs von Habsburg, am äussersten Ende der Stadt 
gegen das Kierlingerthal am Abhang des Berges eine neue Burg erbaute. 

Thomas von Haselbach (bei l'ez §. II. pag. 947) beschreibt die Burg also : 
„sie war mit königlicher Pracht aufgebaut, rings herum mit starken Türmen, 
Mauern und Gewölben befestigt, am Eingang mit mormornen Statuen verziert, 
die erst Albrecht mit dem Zopfe in sein neues Hchloss Laxenburg bringen 
Hess". In dem dortigen Ritterschloss zeugen noch von der alten Pracht der 
Neuburg das Marmor-Speisezimmer und die Marmor-Kapelle — zwei Säle in 
ihrer Marmorpracht und den herrlichsten Verhältnissen, die vom Leopolds- 
berger-Schlosse dahin versetzt und so gerettet wurden. Seit jenem Albrecht 
kam das Schloss in Verfall, bis es Kaiser Albrecht IL mit der Schloss-Kapelle 
zu Ehren des h. Georg wieder erneuern liess. Die aufrührerischen Wiener 
zündeten es 1462 an! Mathias Corvinus verwüstete es 1477 und 1483, die 
Türken sprengten und schleiften es 1529. Erst in der Belagerung von Wien 
1683 ward es gänzlich zerstört. Kaiser Leopold I. Hess 1693 aus dem 
Schutte eine Kirche zu Ehren St. Leopolds bauen, seit welcher Zeit jene Spitze 
„der Leopoldberg" heisst; das auf der zweiten Spitze des Kahlenberges stehende 
Camaldulenserkloster ist 1628 von Kaiser Ferdinand II. gebaut worden; 1782 
haben es die Mönche räumen müssen. 

Kloster-Neuburg. 

Die Sage von dem Schleier der Markgräfin ist uralt; es versteht sich, 
dass sie beim Hanthalerischen Ricard nicht fehlt, doch ihn für die Quelle der- 
selben zu halten, hiesse ihn für authentisch anerkennen. Irgend eine krank- 
hafte oder gekünstelte Empfindelei oder falsche Begriffe von Gehorsam haben 
den gesunden Charakteren des Mittelalters ihre Kletten angeworfen ; sie waren 
wol schwärmerisch, aber nicht empfindelnd, bieder, aber selbständig und ihre 
Rechte beachtend. So ist seit Cuspinian die Stiftung von Klosterneuburg in 
die Wette zu einer Sühne wegen der Felonie, die Leopold gegen Heinrich IV. 
geübt, herabgewürdigt, während davon nicht eine Spur in der älteren Geschichte 
vorkommt. Auch die Stiftungsurkunden machen von jener Reue keine Er- 
wähnung ; nach ihnen ist die Stiftung gemacht „zur Erhöhung der Ehre 
Maria's, damit durch ein verdienstliches Werk und durch Fürbitte bei Gott 
das Heil des gegenwärtigen Lebens, ruhige Zeiten, die Segnungen des Friedens 
und jeglicher Wohlfahrt dem Lande lächeln, und wir der ewigen Güter des 
andern Lebens nicht unteilhaftig werden. u 

Uebrigens, wenn es wahr ist, was die Bollandisten (Note zum Leben 
St. Severin's 8. Jänner S. 488. not. d) sagen, Leopold habe zu seinem Bau 
die Steine von der Ruine zu Heiligenstadt, das noch von St. Severin herrühre, 
verwendet, so sind die Reste des alten Gebäudes von Klosterneuburg dann noch 
ehrwürdiger und der Bau Leopolds der Frömmigkeit wegen noch bedeutender. 

Sonderbar ist es allerdings, dass sich an Verluste jener Kaiserstochter 
mehr als Eine Stiftung reihen. Die Geschichte der Gründung von Klosterneu- 
burg lauft parallel mit einer Sage der weiland Reichsstadt. Gmünd (an der 
Rems, ohnweit Hohenstaufen;; dort ist der alten Kirchen eine, welche an der 



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125 

Stelle gebaut wurde, wo dieselbe hohenstanfische Ahnfrau Agnes, Tochter 
Heinrichs IV., ihren Trauring verloren und wiedergefunden hatte. Was soll 
mau von dieser seltsamen Uebereinstimmung sagen V Entweder ist diese Sage 
historisch begründet, und dann wäre die von der etwas späteren aber gross- 
artigeren Stiftung Klosterneuburgs entweder ein Heröberlauten aus dem, was 
in Schwaben geschah, oder sie hat einen ähnlichen Grund in dem verlorenen 
Schleier — und Leopold wollte seiner jungen Frau nicht weniger Aufmerksam- 
keit zeigen, ale sie bei ihrem ersten Gemahl Friedrich gefunden hatte. Wahr- 
scheinlicher aber ist jene Sage von Gmünd eine nachschallende von dem 
österreichischen Ereignisse, dessen Wahrheit in diesem Falle um so begrün- 
deter ist. 



Die lateinische Bürgerschule zu Wiener-Neustadt. 

Von J. Pölzl. 

In einer Zeit, in welcher dem Schulwesen von Staat, Land und Gemeinde 
eine Sorgfalt und Förderung zu Teil wird, wie sie in der Geschichte unseres 
Vaterlandes ohne Beispiel dasteht (selbst die grosse Schulreform Maria There- 
sias nicht ausgenommen), ist es nicht uninteressant zurückzublicken auf die 
kleinen Anfänge, aus welchen unser heutiges Schulwesen hervorgewachsen ist. 

Wr.-Neustadt, deren lateinische Bürgerschule ich beschreiben will, ist 
keine der ältesten Städte unseres Kronlandes, ihre Gründung fällt ja erst in 
den Ausgang des XII. Jahrhunderts. Die Daten, nach welchen ich die Geschichte 
der Wr.-Neustädter Bürgerschule zusammengestellt habe, sind fast durchaus 
dem hiesigen Stadtarchive entnommen. Die Akten sind nicht, vollständig; wenn 
man aber bedenkt, mit welcher Sorglosigkeit mau in früheren Jahrhunderten 
mit Aktenstücken umgegangen ist, und weiters erwägt, dass durch den furcht- 
baren Brand i. J. 1834 so Manches zu Grunde gegangen ist. so niuss man 
sich wundern, noch so Vieles zu finden. 

Die Anfänge des Neustädter Schulwesens reichen fast bis zur Gründung 
der Stadt zurück. In dem Stadtrechte, welches der Herzog von Oesterreich der 
Neustadt verliehen hat, findet sich die erste Nachricht über eine Schule. Im 
59. Titel desselben heisst es: „So wollen wir, das die Purger einen frumen 
schullmaister erwellen und Auch setzen. Und das er Ueber der Schuler und 
Auch nymant Anders Wann der schullmaister zu Richten hab. doch so nemen 
wir Aus Alain todschlag und noturft (Gowalt) der maid und der Weib, dem- 
selben schullmaister sole der Pfarrer sein Recht geweren und behalten nach 
beweisung der geschworen Purger des Rats" 1 ). 

Von da bis zum Ausgang des XIV- Jahrhunderts findet sich keine Spur 
über diese Schule. Erst 1394 taucht eine Nachricht auf, aus welcher hervor- 
geht, dass der Stadtrath mit dem Pfarrer seit Jahren wegen der Erhaltung 
des Schulmeisters im Streite lag. Herzog Albrecht III. entscheidet diesen Streit 
dahin, dass in Zukunft der Pfarrer verpflichtet sei, den Schulmeister „bei im 



1 ) Stadt-Archiv. Ea ist streitig, ob dieses Stadtrecht ins XIII. od. XIV. Jahrh. fallt. M e i 1 1 ejr 
vermutet letzteres. Vgl. Archiv für die Kunde öst. Geschichtquellen X. Band. 



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in (Jost und mit allen anderen sacbeu zu haben, wie es dessen Vorfahren 
gehabt haben" *). Der Schulmeister dieses Jahres heisst Meister Niclas. 

Diese älteste Schule Neustadt« war bei der Pfarrkirche zu St Ulrich 
Später finden wir eine Schule bei der Pfarrkirche zu unserer lieben Frau- 
1477 befiehlt Kaiser Friedrich HL (IV.) dem Stadtrathe, dem Bischöfe 120 
Pfund Pfennige, welche zu einer Präbende den Studenten in der Schule bei 
der Pfarrkirche zu unserer lieben Frau gewidmet wurden, auszufolgen. 

Offenbar war diese Schule eine niedere Schule, wie sie um jene Zeit an 
den grösseren Orten Niederösterreichs vorkamen Sie stand in enger Ver- 
bindung mit der Kirche und der Schulmeister wird auch zum Dienste in der 
Kirche verwendet; die Anstellung war keine dauernde, sondern der Schul- 
meister wurde, wenn man mit ihm zufrieden war, immer auf ein Jahr weiter 
im Dienste bestätigt. So eröffnet der Stadtrath im Jahre 1484 dem Schul- 
meister Hanns, er solle das „Schulmeisteraint auf das negst khünfftig Jar 
wiederumb haben und des Chors mit Cantores, Locaten auch der Kinder und 
der Schul gutten vleiss haben 14 . 

Wann die lateinische Bürgerschule errichtet wurde, vermag ich nicht 
genau anzugeben. Wahrscheinlich fällt ihre Gründung in den Ausgang des 
XV. Jahrhunderts. Neustadt war damals die Residenz Friedrich III., nach Wien 
weitaus die bedeutendste Stadt des Kronlandes ; Bonfin vergleicht sie an Schön- 
heit mit Wien, Aeneas Sylvius mit den Gärten der Hesperiden. Es ist wol 
anzunemen, dass Friedrich III. auch in Neustadt eine ähnliche höhere Schule 
errichtete, wie sie in Wien schon bestand *). 

Gewiss ist aber ihre Existenz schon zu Beginn des XVI. Jahrhunderts und 
wir finden von da an eine „Schola civilis latina "mit „lateinischen Schulmeistern* 
und eine „gemeine Statt-Schul u mit „Zuchtmeistern M oder „teutschen Schul- 
meistern". 

Die Lehrer für die lateinische Bürgerschule liess man aus Wien kommen. Im 
Jahre 1512 bittet der Stadtrath den Herrn Christoph Keller, Doctor und Chor- 
herrn zu St. Stephau in Wien, er möge ihnen, da ihr bisheriger Schulmeister 
bald abziehen werde, den schon früher von ihm empfohlenen Meister Melchior 
zuschicken, oder wenn dieser nicht mehr zu haben sei, einen andern tüchtigen 
Magister von der Universität 8 ). 

') Stadt-Archiv. 

2 J In einem Kathsprotokolle v. J. 1466 steht das Testament des Tiebold Muelicb 
„Schulmeisters bei St. Ulrich". Die Kirche St. Ulrich lag vor der Stadt in der Gegend des beu- 
tigen alten Friedhofes, wurde anlässlich <kr Belagerung Ncustadts durch Mathias Corvinus zerstört, 
am Anfange des XVI. Jahrh. wieder hergestellt, jedoch 1529 beim Türkeneinfalle abermals zerstört 
und nicht wieder aufgebaut. Die Benedeien dieser Plärre kamen an die zweite Pfarrkirche Nen- 
stadts, an die Kirche „zu unserer lieben Frau«, welche durch Friedrich III. zur Domkirche erhoben 
wurde. Fischer, Darstellung der Pfarren, Stifte etc. im Erzherzogtume Oesterreich, im 12. Bd. 
der kirchl. Topographie p. 44 

3 ) Vergl. A. Mayer: Die geistige Kultur in Niederfisterreich von der ältesten Zeit bis 
zur Reformation. Wien. 1871. 

*) Ob der oben erwähnte Erlass Friedrich'« v. J. 1477 wegen einer Präbende in der Schule 
bei der Pfarrkirche „zu unserer lieben Frau" schon auf diese höhere Schule zu beziehen ist, oder 
ob diese Schule nur die ehemals bei der Pfarre St. Ulrich bestandene niedere Schule ist, ist frag- 
lich. Da indes im XVI. Jahrh. lateinische Schulmeister bei der Schule „bei unserer Frauen 
Thumbkirchen" angestellt waren, so wäre der Bestand der Bürgerschule im Jahre 1177 nickt 
unmöglich. 

») Stadt-Archiv. 



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127 



Die Aufnauie eines Schulmeisters scheint schon damals vom Stadtrathe 
im Einverneinen mit dem Bischöfe geschehen zu sein; später wurde dies von 
der Kegierung ausdrücklich befohlen. 1524 berichtet der Bischof Dietrich an 
den Stadtrath, dass er einen Schulmeister aufgenommen habe ; der sich näch- 
stens dem Rathe vorstellen werde; er werde ihm von den „Doctoressen" zu 
Wien hoch berühmt. l ) 1532 ist ein M agister Jacobus Rath Schulmeister.*) 
Sein Nachfolger ist Leonhard ßchwan; von ihm an bekommen wir einen 
genaueren Einblick in die Schulzustände, von ihm ist auch die älteste Schulordnung 
der Neustädter Schule, die wir kennen. Zugleich erfahren wir aber auch, dass 
die ungünstigen Zeitverhältnisse auf die 8chule sehr schlimm zurückgewirkt 
haben; ein Blick auf die fortwährenden Kriege, Belagerung durch die Türken etc. 
macht diesen Rückgang begreiflich. Leonhard Schwan erwähnt in einem Gesuche 
an den Stadtrath, wie er aufgenommen wurde, „war die Schule, wie denn 
dia Leuf dieser Zeit seyn, in solch abnemen kommen, dass sich derselben kein 
magister weiter hat untersteen wollen." ') 



Das Haus der Juristenschule in der Schulerstrasse in Wien. 

Von A. Camesina R. v. Sanvittore, k. k. Regierungsrath. 

Die juridische Fakultät der Wiener Universität besass bis zum Jahre 
1389 kein eigenes Lokal für ihre Vorlesungen, daher ihr Herzog Albrecht III. 
für diesen Zweck ein Haus in der Schulerstrasse schenkte, das fortan unter 
dem Namen der „Juristenschule" (schola s. collegium Juristarum) vorkommt *). 
Ein vor einigen Jahren an dem Hanse Nr. 14 jener Strasse angebrachter 
Denkstein ruft ihren Bestand an dieser Stelle der Mit- und Nachwelt vor 
Augen. R. Kink in seiner Geschichte der Wiener Universität giebtuns in Note 
113 Seite 102 eine kurze Geschichte des Hauses. Dasselbe erwies sich 
nämlich bei der Entfaltung der juridischen Fakultät und bei dem Umstände, 
als auch die besoldeten Professoren darin Wohnung hatten, als zu klein. Der 
rührige und um die Universität hochverdiente, aber in das Parteileben inner- 
halb der Fakultäten eng verstrickte Rektor Coloman Colb schenkte daher 
am 1. Juli 1397 der Universität sein eigenes Haus, durch welches sie die 
juridische Fakultät vergrössern konnte. Wie der Stiftbrief besagt, befand sich 
dasselbe „supra collegium Juristarum" a ). 1627 brannte es ab, 1635 ward es wieder 

') Stadt-Archiv. 

») Dankschreiben desselben für ein Benefiz. (Stadt-Archiv). 
») SUdt-Archiv. 

') Aschbach, Geschichte der Wiener Universität p. 139. Circa hoc idem tempus 
Facultati Iuridicae ampla illa domus, quam vulgo Scholaro Jnristarum dicimas, ex Uberatitat« 
Serenissimi Principis Alberti III. Archi-Ducis AuBtriae accessit. ConspectusHistoriae Univ. 
Vienn. p. 47. 

*) Eodem hoc anno (1307) M. Colomanns Kol > denuo Univeraitatis Kector, cum in dies 
Stüde nti um numerus huc confluentinm augeretnr, Dornum suam, quae Juristarum Scholae domuique 
proxima erat, Universitati tradidit iü üsütu duornm Magistrorum et unius capellani. Con s p. Hi ■ t 
U'niv. Vienn. p. 65. K. Kink 1. c. 



(Footsetzung folgt.) 




128 



aufgebaut. Da« vom Herzog Albrecht III. der Juristen- Fakultät geschenkte 
Haus, gegenüber dem Neubergerhofe Nr. 833 (domus Principis genannt), 
verkaufte die Universität im Jahre 1613 dem kaiserl. Regierungssekretär 
Michael Weidt um 500 fl. rhein '). 

Durch die Grund- und Gewerbücher der Stadt Wien sind wir nun 
im Stande, obige Daten zu ergänzen und zu berichtigen. Kink und Asch- 
bach konnten in ihren vortrefflichen Werken über die Geschichte der Wiener- 
Universität diese Quellen zur Geschichte der Juriütenschule noch nicht benützen, 
und wir selbst sind erst nach mühsamen und zu andern Zwecken angestellten 
Forschungen auf jene aufmerksam geworden und lassen sie hier nun folgen: 

1. Das vom Herzog Albrecht III. der juridischen Fakultät geschenkte 
Haus gehörte zur Zeit der Gründung der Universität dem Bischof Petrus von 
Marcopel 2 ), aus dem ^Augustinerorden, der es 1369 dem Dechant Heinrich 
von Tuln verkaufte, von dem es 1373 an den ersten Kanzler der Universität, 
Johann Mayrhofer, seit 1376 Bischof von Gurk 3 ), kam. Wie und wann es 
von diesem in das Eigeutum des Herzogs Albrecht III. übergieng, konnten wir 
nicht auffinden. Vielleicht haben zwischen ihm und dem Herzog schon 
früher Abmachungen in Hinsicht auf obigen Zweck stattgefunden. 

2. Zum ersten Male kommt im Gewerbliche C. J. 62 beim Jahre 1385 
die Stelle vor: „pene dorn um Juristarum." Es inuss daher die Uebergabe 
des Hauses an den Herzog, respect. auch von diesem an die Universität 
zwischen den Jahren 1373 und 1385 sich ereignet haben, vielleicht zwischen 
1373 und 1376, ehe Juh. Mayrhofer Bischof von Gurk wurde. 

3. Einzelne Stellen aus den Grund- und Gewerbüchern mit Zuhilfe- 
name von Plänen zeigen, dass das Colb'sche Haus, das auch für die Vorle- 
sungen der juridischen Fakultät, und zwar für zwei Lehrer und einen Kapellan 
bestimmt wurde, nicht au das ehemalige herzogliche Haus anstossend war, 
wie Kink die Präposition supra übersetzt, sondern entsprechend der eigent- 
lichen Bedeutung derselben (d. i. „jenseits" oder „oberhalb") gegenüber- 
liegend. 

Die Belegstellen in den Gewerbüchern lauten : 

Nr. 861. 1370. Wernhard Wammaiser, pelifex. Elyzabet uxor, vend. 
dorn, in strafen Scola (penesPetri Episcopi) Paulo Holzch ewff el, Christine 
uxor. Gew. B. A. f. 135 — vendideruut domum 1372 (pene domum Plebanus de 
Rust) H enrici G r e s 1 e r, Anna uxor A. f. 105. — Anna relicta H e n r i c i G res- 
ler' vendidit 1383 domum (pene Episcopi Petri) per 50 Pfd. Hvgoni de Gor- 
1 i c z cappelanus Cappele S. Geory in Chalnperg ; C. f. 7 b. — vendidit domum 1385 
(pene domum Juristarum) per 55 Pfd. Henrico de Pottendorf C. f. 62 — 
vendidit 1385 (zenegst der juristen Schuel) um 56 Pfd. Merten Pharer zu Mewsling 
(0. M. B. hinter Tiernstein, vor dem Hagengraben) und Capplan auf S. Blasien und 
Eligi Altar zu S. Stephan zu Wien in der Goldschmidzeche gehört hat, bei selben 
ewigen Messe zu beliben hat. C. f. 62. Im Jahre 1396 erscheint selber im Stadt- 
sazbuche. A. f. 148 Später wurde das Haus dos Herman Eselohr Stift 



') R. Kink 1. c. L 2. Abth. p. 219. 

*) Erscheint unter den Zeugen des Rudolfinischen Stiftbriefes der Universität (12. Mira 
1365) B. Kink 1. c. II. p. 22. Bchlickenrieder p. 57. Marcopel. 

») f 1 102. S c h 1 i c k e n r i e d e r 1. c. Consp. Hist. Vienn. DI. 78. 



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129 



genant; zu selbem geborte noch eine Fleischbank am Liechtensteg. 1618 wurde 
es von dem Beneficiaten dem Michel Weidt genant verkauft K. f. 284. 

Nr. 860. 1369. Petrus episcopus Markopel *), ordinis Augustinensium, 
vendidit domum suam dimidiam sitam in strata Schole (pene Vlrico Ebner) 
per 132 Pfd. Plebanode Tulne; Gew. Buch A. f. 102. — Henricus, tecanus in 
Tu 11 na et canonicus in Patauia, vendidit 1373 domum in strata Scole (pene 
Ulrico Erabner) per 180 Pfd. .Johani episcopo in Gurk. C. f. 53. 

Nr. 850. 1368. Walther, filiusMartini sutoris vendidit partem suam 
media domum in strata Scole versus domo dominorum de Newnperg (pene 
domum que fuit Nicoiao Drescher 1 ) Michel Drescher; Niclas der Drescher 
Sun verkauf 1385 sein Haus Nr. 851, zunegst Merten des Schuster Otten 
Pnrgerkheuffel, Chunigunde uxor. C. f. 104. b. — vendit 1388 Ortolffo plebano 
in Ertpruch [pene Johanes de Sancto loco] C. f. 117. b. Churadi frater 
predicti Waltheri A. p. 10. vendidit domum 1371 Vlrico sutori ; Gerdrudis 
uxor.A.p. 22. — Virich Pfarrer zu Valkhenstein verkauft ain Haus in der 
Schuellerstrasse Stephan Rothendorfer 1394. D. f. 299. verkauft es 1396 
um |70 Pfd. Coloman Colb. D. f. 276. Maister Collmann Cholb ver- 
macht ain Haus in der vorder Schnelle rstrass, ainem Ewigen Collegio Personen 
dreyer 1399. D. 175. 2 ) 

Nr. 851. Wolf hart, Caplan zu Wolfgang, verkauft es 1407 um 94 Pfd. 
Hanns von Kirchperg D. f. 316. Hanns von Kirchperg, Elsbet, 
verkaufen es 1422 (zunegst der Juristen-Schul und der Pharrer von Mistel- 
bach) um 140 Pfd. Caspern dem Swarzen; Anna uxor C. f. 98 b. ver- 
kaufen es 1425 um 186 Pfd. Agnes Herman des Permans uxor C. f. 35 b.; 
selbe verkaufen es 1429 um 160 Pfd. Lienhart dem Haberland, Herzog 
Albrecht Diener. C. f. g. b. Selber verkaufte es 1431 um 183 Pfd. dem Edel 
Wenzlaben dem Newnhouer. C. f. 183. 

Nr. 843. 1429. Niclas vnderm Himel Burgermaister und Münsmeister und 
der Rat zu Wien verkaufen ein Hausauf dem Anger hinter der Juristen-Schul 
(zunegst Hanns von Poystorff selig) um 120 Pfd. den Geschäftsherrn Otten 
des Weissen, die zu der Messe die Otto der Weisse auf Allerheiligen Altar 
zu S. Stephan gestift hat (Vid. Regest, zu Geschichte vou St. Stephan Nr. 303.), 
darin ain jeder Caplan derselben Messe seine stete Wonung haben soll. 
C. f. 211. 



Die Chronik der Familie Beck von Leopoldsdorf. 
Besprochen von Dr. K. Lind. 
I. 

Das Geschlecht der Beck , das später das Prädikat von Leopolds- 
dorf führte und in den Freiiierrn stand erhoben wurde, hatte bereits die 
Aufmerksamkeit älterer Chronisten auf sich gezogen, wie des Gabriel Bucelini, 
des Wolfgang Lazius u. a. Und mit Recht. Nicht wenige Mitglieder dieses 
nur kurze Zeit blühenden Hauses namen eine hervorragende Stellung im 

») Dominus Petrus Marcopolensis Episcopus. Kink. T. II p. 22. Scblikenrider p. 57. 
Marcopel. 

*) Vom Grundbuche D sind nur die Register vorhanden; das Hauptbuch ist verloren 
gegangen. Der Verfasser würde dasselbe, falls es sich fände, um ein Bedeutendes ankaufen. 



130 



öffentlichen Leben, teili durch Vermögen und Besitz, teils durch Ehren und 
Würden ein, nicht wenige waren es, die durch ihre persönlichen Eigenschaften 
ihren Familiennamen in der Geschichte von Niederösterreich bedeutungsvoll 
machten. 

Bucelini, wie auch Laz, ja selbst der fieissig forschende Wissgrill 
wussten nichts Bestimmtes anzugeben über das frühere Vaterland dieser Familie, 
die in der heimatlichen Geschichte bereits in der zweiten Hälfte des XV. Jahr- 
hunderts erscheinen soll, was jedoch, wie später dargethan wird, nicht der 
Fall ist. ErBterer begnügt sich anzuführen, Johannes Beck ex Suevia incertum, 
qua ditione öriundus, claruit Ao. 1435 (Stematographia germ. III. 10); — 
Wolfgaug Laz bemerkt bei Marens Beck „cujus majores suevi ex Bavaria in 
Austriam transgressi ; — Franz Karl Wissgrill endlich stellt in seinem „Schauplatz 
des landsässigen niederösterreichischen Adels" (I. 325) nur als gewiss hin, dass 
dies Geschlecht im XVI. Jahrhundert schon lange vor Errichtung der Gült- 
und Einlagebücher als ein begütertes adeliges Landmanns-Geschlecht in Oester- 
reich bekannt gewesen sei und Anno 1597 in den Herrenstand hiesiger Land- 
schaft einverleibt wurde. Vollkommene Aufklärung über die Frage des früheren 
Wohnsitzes und Standes der Familie Beck giebt hingegen eine handschrift- 
liche Chronik, welche von vier aufeinander folgenden Mitgliedern der Familie 
fortsetzungsweise geführt wurde und sich gegenwärtig in der Bibliothek des 
Stiftes Klosterneuburg befindet. Wissgrill scheint von der Existenz dieser 
Familienchronik zwar Kenntnis gehabt zu haben, allein ihren Inhalt hatte er 
nicht kennen gelernt, denn bei deren Benützung hätte er so manchen schwer- 
wiegenden Irrtum vermeiden können, der sich leider über diese Familie in 
dem obgenannten, von ihm herausgegebenen Werke wiederholt findet. Dass 
diese Chronik die glaubwürdigsten Nachrichten über die eigene Familie bringt, 
ist ausser allem Zweifel. Erst durch die von dem gelehrten Klosterneuburger 
Chorherrn H. J. Zeibig veranstaltete Veröffentlichung dieser Chronik im 
Archiv der k. Akademie der Wissenschaften (VIII. 210) wurde dieselbe zum 
Gemeingute. 

Wir wollen nun die Nachrichten der Chronik verfolgen und, je nachdem sie 
die einzelnen Chronisten oder deren Familie betrifft, einer weiteren Betrach- 
tung unterziehen. 

Der Stammvater dieses Geschlechtes istHansBeck, der nach Wissgrill 
in Diensten des Erzbischof von Salzburg gestanden und denselben auf das 
Constanzer Concil begleitet haben soll (1413). Nach jenes Erzbischofs Tode 
soll er nach Oesterreich gezogen sein, was jedoch kaum glaublich ist, da noch 
sein Sohn Kon r ad in Mengen, einem Städtchen im heutigen Wirtemherg, 
ansässig war und während dessen Lebszeiten nichts von einer üebersiedlung 
nach Oesterreich verlautet. Hans Beck starb, wie die Familien-Chronik 
meldet, am 7. Februar 1478, dessen Gattin (Konrad's Mutter) Endlin (Anna) 
am 3. April desselben Jahres. Wiss grill benennt zwei Gattinen des Hans 
Beck, eine Anna Leuprechtin, bei dem Zusammentreffen des Namens Anna 
vielleicht eine richtige Angabe, und alsdann die Mutter Konrads, und eine Clara 
Hundsbissin von Waldramsee, welche letztere Angabe sicherlich falsch ist, da 
Frau Anna als Witwe starb, den Fall ausgenommen, dass diese die erste 
Gemahlin und Anna die zweite gewesen wäre. 

Konrad Beck, der Begründer der Familien-Chronik, ist eine interessante 



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131 



Erscheinung. Ein Mann voll fronim-christlichen Glaubens und beseelt von grosser 
Reiselust, lebte er nicht minder als ein sorgsamer Wirt, dem auch gleich wie 
die Ereignisse in seiner Familie und die politischen Ereignisse seiner Heimath 
die Ernte-Ergebnisse und Getreidepreise notieren swert erscheinen. Er war im 
Jahre 1437 am St. Gallentag (16. Oktober) geboren 1 ) und zweimal verehiicht; 
die erste Frau war Margaretha Murerin von Sulgen *) (vermählt im Jahre 1469), 
die zweite war Endlin Luttersey von RaffenBpurg (vermählt 1488)»). 

Reicher Kindersegen beglückte Konrad's Ehen, sieben Kinder aus erster 
und zwei aus der folgenden Ehe. Die Kinder waren Endlin (seine Taufpathen 
waren Heinrich Otter, Konrad Fischer und Endlin Sylerlin), geboren 16. Mai 
1471, f 6. Mai 1479, Grett und Eis, Zwillinge, geboren und gestorben am 
16. August 1473, Hans geboren 12. Mai 1474 (Pathen : Johannes becker, der 
prediger zu Mengen und Ulrich lullis frowen), Grettlin (Margaret), geboren 
24. Jänner 1477 (Pathen: Ulrich luttfried, Mathes Zimmermann und beth die 
pfrienerin im Spital), Hans geboren 1482, 4 ) endlich ein nicht näher bezeich- 
netes Kind, bei dessen Geburt Frau Margaretha (1. Februar 1487) starb; 
ferner aus zweiter Ehe Marcus, geboren 26. April 1491 , dessen Taufzeugen 
waren: „der edl her hans truchsäss zu waltpurg der jünger, die alte fraw von 
kinseck und das alt gräfflin" und Hieronymus, geboren 7. Februar 1493. 
Konrad Beck hatte der Zeit der Geburt seiner Kinder grosse Aufmerksamkeit 
gewidmet und sogar die Geburtsstunde mit grosser Genauigkeit notiert, z. B. bei 
Marcus: „was dinstag fru vor tag, do es zway geschlagen hett". 

Konrad, der sich selbst Bürger von Mengen nennt, war ein guter Christ, 
was dessen Stiftung einer Kapelle am Oelberge zu Mengen beweist, welche am 
2. Oktober 1480 zu Ehren Mariens und der Zwölfboten geweiht wurde. Auch 
schien ihm die Einweihung der dortigen Siechenhaus-Kapelle zu Ehren des 
heiligen Jas und anderer Heiliger ein notierenswertes Ereignis des Jahres 1472. 
Nicht minder sprechen für seinen gläubigen Sinn die grossen Reisen, die er 
wiederholt zum Besuche weit entfernter heiliger Stätten unternam, obwol ein 
guter Teil der Beweggründe dafür auch auf Rechnung von Konrad's Reiselust kom- 
men dürfte. „1473 gieng ich, cunrad beck u , so heisst es in der Chronik, „zu dem 
veren sant jas in der bykarthy und was am pfingstag da." „1483 am sybenten tag 
apprilis bin ich cunrad beck zu mengen usgeritten zun Jherusalem uff das 
heilig land und mit der hilffs gots an sautgallen aubet (15. Oktober) desselben 
jars wyder haim gen mongen kommend „Und in dem jar (1487) am inontag 
nach reminiscere rayt ich cunrad beck uss zu mengen und kam am balin- 
aubet gen Rom und blaib die karwochen zu Rom und hart am ostertag daz 

*) Wissgrill weit» nicht viel von Konrad Beck zu sagen. Er lässt ihn in den Jahren 143» 
und 1440 (also mit zwei und drei Jahren) eine Heise iu die heiligon Lande machen und berichtet, 
Im seine Keisegeschichtc aufgezeichnet und im Manuscript hinterlassen blieb. Diese Nachricht 
dürfte sich wol auf die Beise nach Jerusalem im Jahre 1483 beziehen. Dass Konrad Beck zwei- 
mal verehiicht und Anna Luttersey vou KalFensburg, nicht Anua Lautersoerin von Lautersee seine 
zweite Gattin war, wird von ihm nicht erwähnt. Wissgrill benennt seine zu einem reiferen Alter 
gelangten Kiuder: Johann, Leopold und Marcus. 

*) Tochter der Margareth Murerin zn Sulgen f 1472, die Konrad Beck Beine liehe 
ichwieger nennt, Heister Hans Murer von Sulgen, soiu lieber Schwecher f 1481. 

*) Ihre Mutter Margaretha starb am 24. November 1491. 

*) Vermutlich war der früher geborne Sohn gleichen Namens bereits gestorben ; die 
Pathen des »weiten Hans waren: die fraw von helfenstein, magareth marderin der kirchherrn 
»chwester und Conrad vaster der alt. 



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auipt zu saut peters münster vom babst und uach dem ainpt gab er den segen 
und am Ostermontag rait ich wider zu Rom usb und rait in XX tagen gen 
mengen." „1493 und in derselben fasten ging ich zu dem feren sant Jas und 
kam an sant jergen aubet wyder haim." 

Die Vermögensverhältnisse Konrad's mögen nicht ungünstige gewesen 
sein, denn, abgesehen von den auch damals kostspieligen Reisen, die er wieder- 
holt unternam, finden wir auch in seinen Aufschreibungen manche Angaben, 
die es gestatten, sich hierüber ein Urteil zu bilden, so dass er um Pfingsten 
des Jahres 150G sein neues Haus bezog; nicht zu übersehen ist auch die 
schon erwähnte Erbauung einer Kapelle, die ebenfalls auf einiges Vermögen 
Konrad's schliessen lässt. Einen Beleg für das steigende Ansehen seiner 
Familie bieten auch die Namen der Pathen seiner später gebornen Kinder, 
die er in seinen Notizen anführt, und von denen, besonders bei den letzteren 
Kindern, einige hervorragenden Familien angehören, wie z. B. Margaret Gräfin 
von Sonnenberg 1 ), Abt Heinrich zu Schüsaenrieth, der edle Herr Marquart 
von Kinnseck (die Pathen des Hieronymus). 

Wie dies wiederholt bei derlei Aufschreibungen vorkommt, hatte auch 
Konrad seine Aufmerksamkeit den Witterungsverhältnissen (1485 ain nasser 
Summer und Herbst), Ernte-Ergebnissen, Wein- und Lebensmittelpreisen 
zugewendet und uebstdem noch manches andere Ereignis, das sich während 
seiner Zeit zutrug, notiert 2 ). So die Sonnenfinsternis, die Bich am Mittwoch, 
(16. März 1485) um drei Uhr Nachmittag ereignete, „was ein vinstren alsu gross, 
das der man die sanen noch gar bedackt nach der Vierden stund und wert 
darnach bisz nach der füufften stund." 

Nicht unwichtig waren ihm die politischen Ereignisse, deren er mehrere 
notierte. „(1474) Uff die zitt lag der Keuser wyder den herezog von Burgunde 
zu köln mit fursteu, herren, stätten und andern und lag der herezog vor 
nüssen." Es ist kein Zweifel, dass Bich diese Notiz auf den Zwiespalt bezieht, 
der durch die Ränke Frankreichs zwischen Kaiser Friedrich IV. und dem 
reichen Herzog Karl von Burgund ausgebrochen war. Der Kaiser war nämlich 
nach Trier gezogen, um dort Herzog Karl den Kühnen zu treffen, die 
Vermählung seines Sohnes Max mit Maria, der Tochter des Herzogs, einzuleiten 
und zugleich die Angelegenheit wegen Verleihung des Königstitels an den 
Herzog zu ordnen. Herzog Karl einpfieng seinen Gast mit solcher Pracht, 
dass dadurch Friedrichs Misstrauen gegenüber den Forderungen desselben 
rege wurde; überdies wusste Frankreich die Pläne Karls so gefährlich und 
insbesondere gegen den Kaiser selbst gerichtet darzustellen, dass derselbe 
in aller Eile ohne Abschied Trier verliess und nach Köln zog. Der beleidigte 
Herzog zog mit Heeresmacht vor Neuss, das zu Köln gehörte. Starke kaiser- 
liche Heeresscharen sammelten sich zunächst diesem Orte, um ihn zu entsetzen, 
als (1475) plötzlich, ohne irgend ein Gefecht, zwischen Kaiser und Herzog 
Frieden geschlossen wurde. 

„Item (1485) zwang der kunig von vngern wen vnd zoch der kaiser hin 
vnd wider durch tuttsche land. w Beck meint hier jedenfalls den Verhängnis* 

*) Konrad Beck erwähnt in seinen Aufschreibungen, dass üraf Endris von Sonnenberg bei 
dem steinernen Kreuz nächst dem Thalhof wärend eineB Kittes vom Grafen Felix Werdenberg 
ermordet worden ist (1511). 

») S. die Notizen zu den Jahren 1473, 1181, 1483, 1485 und 1491. 



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vollen Krieg, den Köllig Mathias von Ungarn leit dem Jahre 1481 gegen 
Kaiser Friedrich IV. führte und der am 1. Juni 1485 die Stadt Wien nach 
langem und hartnäckigen Widerstande in dessen Hände gab, so wie auch fast 
ganz Niederösterreich seinem ^Gebote unterwarf. Leider ist es auch ebenso 
richtig, dass der Kaiser über Enns, Gmunden und Innsbruck nach Nürnberg 
floh, wie auch nicht weniger für Kaiser und Reich bedeutsam, dass er mancheu 
Hin- und Widerzug in Deutschland machte, um seinen Ländern endlich Hilfe 
aus dem deutschen Reiche bringen zu können. 

„1499 ist ein grosser Krieg z wischend dem romischen kunig, den kur- 
fürsten, dem schwabenland vnd dem grossen punt in Schwaben, vnd andern 
landen dem römischen rych verwandt wideu die schwiczer geheptt vnd hand 
die schwiczer den mertayl all sig behalten dass gott erbarm." Diese Notiz 
bezieht sich auf den sogenannten schwäbischen Krieg, der gleichzeitig und 
in Verbindung mit dem Engadiener Kriege in der Zeit vom 18. Jänner bis 
22. September 1499 die schönsten Landschaften von Basel bis Meran ver- 
wüstete und mehrere tausend Menschenleben kostete. 2000 Ortschaften wurden 
verwüstet und 30 Meilen Land zur Einöde gemacht. Der Keim zu diesem 
Kriege war schon seit längerer Zeit her in der eigentümlichen Stellung gele- 
gen, in der sich die schweizerische Eidgenossenschaft gegenüber dem deut- 
schen Reiche befand. Die Steuerfrage, die Reibungen der schweizerischen 
Grenzbevölkerung mit den deutscheu Nachbarn, insbesondere mit den schwäbi- 
schen, waren die unmittelbaren Motive ; dazu kam noch die gereizte Stimmung 
der Schweizer gegenüber dem Hause Habsburg, so wie auch des Bischofs 
von Chur gegen dieses Haus wegen seiner Ansprüche auf die Frauen-Abtei im 
Münsterthale , endlich die geheimen Ränke Frankreichs, welche die Schweizer 
fortwährend in feindseliger Stimmnng gegen ihre deutschen Nachbarn zu 
erhalten wussten. Obgleich man versuchte, durch einen Waffenstillstand 
diesen Krieg in seinem ersten Ausbruche zu unterdrücken, so blieb es doch 
nur beim Versuche, die Kriegsfurie war losgelassen und der Kampf entbrannte 
auf allen Linien. Die Schwäbischen und Tiroler-Schaaren wurden allerorts 
geschlagen, so in den Gefechten am Luciensteig, bei Hart und Johann- 
Höchst, am Bruderholz bei Erinatingen, bei Frastrauz im Schwaderloch, im 
Pfingstgau und bei Doruik, schliesslich auf der Malserheide. Endlich kam es 
in Folge gegenseitiger Erschöpfung zum Ende des Mordens und wurde durch 
den Frieden zu Basel ein Abscbluss gemacht. Die Schweiz wurde dem Reichs- 
kammergerichte gegenüber als unabhängig erklärt und auch der Hader zwischen 
Tirol und den Bünden geschlichtet. Dem deutschen Reiche kostete dies ein 
kostbares Glied, das von nun an, mehr oder minder bewusst, dem hinter- 
listigen Spiel Frankreichs gegen Deutschland als Marionette diente. 

Bei 1504 bemorkt Konrad Beck, dass „der krieg gewesen in payerland 
und in der pfulczgrätin land uud hett wiertemberg vil sigs behalten wider die 
pfallecz." Es ist damit der Kampf gemeint um Georgs des Reichen von Baiern- 
Landshut Erbe, der dieses seiner Tochter Elisabet, Gattin des Pfalzgrafen 
Ruprecht, zugedacht hatte, wogegen die Linie München auftrat und sich 
auf Erbverträge und Agnatenrechte berief. Kaiser Maximilian stand auf Seite 
der Letzteren, der Spruch des Reichstages zu Kölu (1505) machte dem Kampf 
ein Ende. 

Konrad Beck der, wie seine Aufschreibungen unzweifelhaft darthun, 



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bis an sein Lebensende in Mengen lebte, starb iin 76. Jahre am 22. Juli 1512; 
seine Aufschreibungen endigen jedoch schon im vorhergehenden Jahre. Seine 
Gattin Anna lebte noch 27 Jahre und starb erst am 15. Mai 1539. Sie fand 
zu Mengen in der Kapelle, die ihr Gatte gestiftet hatte, an dessen Seite ihre 
Ruhestätte. 



Das Dienstbotenwesen in Niederösterreich in alter und neuer Zeit 

und die Ordnung für dasselbe. 

Von Dr. Jos. Bauer. 

Durch Landtagsbeschluss v. 17. Oktober 1874 war der Landesausschuss 
beauftragt worden, eine neue Dienstbotenordnung, u. z. für das flache Land 
zu verfassen und dieselbe in der nächsten Session vorzulegen. Es handelt sich also 
dabei um Dienstleute, welche bei der eigentlich landwirtschaftlichen Beschäfti- 
gung verwendet werden. Wir entnemen dem interessanten Berichte, welchen 
der Landesausschuss Dr. J. Bauer als Berichterstatter des Landesausschusses 
dem Landtage vorlegte, folgenden Teil über die Handhabung der Strafgewalt. 

„Wünschenswert bleibt wol eine stramme Disciplin unter dem Dienst- 
gesinde. 

Die diesfälligen Klagen rufen nach Polizei und verlangen ordentliche 
Handhabung der Strafgewalt. 

Diese steht derzeit dem Gemeindevorstande zu (Gemeindeordnung §. 26. 
Zahl 6, §. 57), wird aber teils gar nicht, teils mangelhaft gehandhabt. 

Die Handhabung derselben an die politische Bezirksbehörde zu über- 
tragen, würde bei den umfangreichen Sprengein derselben auch nicht den 
gewünschten Erfolg haben, und es müsste diesfalls die auf der öffentlichen 
Tagesordnung stehende Frage der Reorganisierung der Gemeinden und politi- 
schen Bezirksbehörden früher entschieden, deren Resultat daher abgewartet 
werden. 

Aber selbst eine strengere Handhabung der Dienstbotenpolizei und der 
bezüglichen Strafgewalt würde nicht den gewünschten Erfolg erzielen, weil 
solche Strafen nicht bessern, sondern vielmehr verscheuchen, bei der Frei- 
zügigkeit und der vielseitigen Anlockung der grossen Städte und Industrial- 
orte der Mangel an guten' fähigen, intelligenten Dienstboten sich so potenziren 
dürfte, dass man gar bald eine Jagd auf brauchbare Dienstboten veranstalten 
müsste; dass dadurch notwendig entstehende — durch das Gesetz verbotene 
— Abreden von Dienstboten, das Ueberbieteu au Lohn würde, eine arge Korrup- 
tion erzeugen welche geradezu dem Gesetze und dem Zwecke Hohn spräche. 
Man vergesse nicht, dass beispielsweise Wien und die Vororte den massen- 
haften Bedarf an Dienstleuten aus der Landbevölkerung, ja sogar aus anderen 
Ländern beziehen. 

Wir stehen hier so recht vor der socialen Frage, welche nicht durch 
Polizeiverbote oder Strafgesetze geregelt, sondern nur durch gesellschaftliche 
(sociale) Institutionen geebnet werden kann. 

Wie wenig die Strafgesetze fruchten, zeigt die Geschichte — als die lui 



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▼eritatis — und die Gesetzgebung in einem Zeiträume von mehr als drei Jahr- 
hunderten, in welche freilich die Tsrkenkriege, der droissigjährige Krieg und 
die schwedische Invasion mit ihren Consoquenzen fallen. 

Durch die Ordnung und Reformation guter Polizei in den niederöster- 
reichischen Landen Ferdinand I., ddo. Wien L Juni 1542 (Landesbibliothek 
Nr. 752) XVIII wurde rücksichtlich des „Gesynde" verordnet, dass jedor 
Knecht seinem Herrn vollkommen gehorsam sei, vor der Aufkündigung von 
zwei Monaten den Dienst nicht verlassen darf, wie auch dem Dienstherrn 
freisteht, dem Knechte zweimonatlich zu kündigen, es wäre denn, dass dieser 
sich so übel hält und wider seinem Herrn was Beschwerliches „verpräch", in 
welchem Falle er sogleich entlassen werden kann. 

Jener Knecht, welcher ohne böse Ursache seinen Abschied erhält, soll 
einen richtigen Passport und Abschiedsbrief erhalten, um damit einen anderen 
Dienst zu erlangen. Ohne solchen Abschiedsbrief soll kein Herr bei sonstiger 
Strafe einen Knecht aufnemen. • 

Entsteht ein Streit über diesen Abschiedsbrief, so hat sich der Knecht 
an die Obrigkeit des Herrn zu wenden, welche — wenn vom Herrn die Ertei- 
lung des Passportes unbilliger Weise verweigert wurde — den Herrn zur 
Erteilung desselben nebst Abtrag an Kost, Zehrung und Versäumnis zu 
verhalten, den Knecht aber, wenn derselbe im Unrecht ist, mit Gefängnis 
oder in anderer Weise zu bestrafen hat. 

Ursachen, den Abschiedsbrief zu verweigern, sind zuvörderst Gottes- 
lästerung, Zutrinken, Ungehorsam und Untreue, damit [jener Herr, bei welchem 
der entlassene Knecht einen Dienst suchen will, nicht durch einen Abschieds- 
brief verführt wird. 

Sollte ein Herr einem anderen den Knecht abreden, so hat er 32 fl. 
Rheinisch als Strafe zu bezahlen, wovon die eine Hälfte dem Landesfürsten, 
die andere dem beschädigten Herrn zufäUt. 

Wenn ein Knecht den anderen aus dem Dienste abredet oder dazu 
bewegt, so ist er mit Gofänguis zu bestrafen. Dasselbe hat von fremden 
Knechten (von was orten es will), welche in diesen Landen Dienst suchen, 
zu gelten. 

Ganz gleiche Vorschriften wurden auch — ebenda XIX — für Köchinnen 
und dienende Weibspersonen gegeben, welchen der Abschiedsbrief wegen 
Gotteslästerung, Hurerei, Ueberweinen, Ungehorsam und Untreue verweigert 
werden kann. 

Diese Polizeiordnung scheint nicht befolgt worden zu sein, denn anno 
1562, den 15. Oktober erliess Ferdinand I. eine neue Polizeiordnung für die 
fünf niederösterreichischen Lande und Görz *); er klagt darin (I), dass die Polizei- 
ordnung von 1542 nicht nur nicht befolgt würde, sondern schwere Laster, Leicht- 
fertigkeit, Missbräuche und Unordnung vielmehr unter allen Ständen über- 
hand genommen hätten, daher auch das Land von Plagen, Misswachs, Theuerung, 
Hungersnot, wie auch von dem wütenden Erbfeinde der Christenheit heim- 
gesucht würde, deshalb werde die Polizeiordnung erneuert und vermehrt *), 

•) Gedruckt iu Wien 1558 Landesbibliothek Nr. 660 mit der schriftlichen Bemerkung : ist 
niemalen ad effectum gekommen. 

*) Dieselbe enthält nebst den Vorschriften von 1542 auch solche wider Bettler, Juden, 
Zigeuner, 8chalksnarren, fahrende Sänger und über Handworksiunnngen (Zechen, Zünfte). 

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Dom Dienstgetrinde (XXIX) wird nachgesagt, dass es unzüchtig, uurleissig 
und leichtfertig sei, von ihren Herren ui^ht gestraft werde, sondern sieb ver- 
abschiede, den Abschiedsbrief erhalte und damit gleich wieder einen anderen 
Dienst finde, seine Besoldung und Unterhaltung hochstelle. Es werden daher 
dieselben Vorschriften von 1542 wiederholt und nur die Bestimmung ist neu. 
dass bei Knechten, Dienern und gemeinem Gesinde, welche nicht um bestimm- 
ten Lohn gedungen wurden, sondern auf Gnade dienen, dann, wenn über die 
Abfertigung zwischen ihneu und d,em Herrn Irrung ontsteht, die Obrigkeit 
gebührliches Mass und Ordnung festsetzen soll. 

Diesem Gesetze folgten uaeli einander (Cod. Austr. I, 278) die Dienst- 
boten-Ordnungen : Ferdinand L vom 24. Oktober 1550, Maximilian II. vom 26. 
Oktober 1568, Rudolf II. 28. November 1578, Rudolf II. 27. Februar 1581, 
Ferdinand III. 12. Juli 1655, Leopold I. 15. Juli 1688. 

Die bisherigen Polizehnassregelu fruchteten nichts, Untreue und Unge- 
horsam der Dienstleute bildeten eine stehende Klage, sie verweigerten oft 
einzelne Dienstbotenverrichtungen, wenn dieselben nicht von vorne herein 
bedungen waren, erwiesen sich deshalb trotzig, damit ihnen der Dienst gekün- 
digt würde, oder sagten selbst auf, ja verliessen den Dienst eigenmächtig 
und wurden — da man Dienstleute nötig hatte — ohne Zeugnis (Abschieds- 
brief) von anderen Dienstherren aufgenommen. — Auch etablierten sich Prirat- 
zubringer, welche für das Verschaffen eines Dienstes eine Belohnung in Geld 
bezogen, dies aber auch dadurch ausnutzten, dass sie Dienstboten abredeten, 
und selben einen anderen Dienst verschafften, nur um wieder dafür eine T»< 
zu beziehen. — Diese Uebelstäude hatten überhandgenommen, fanden sich bei 
männlichen und weiblichen Dienstboten in der Stadt wie auf dem Lande, 
besonders aber in Wien. — Deshalb wiederholte Leopold I. mit der Dienstboten 
Ordnung vom 15. Juli 1688 die früheren Vorschriften und Generalien von löfti 
1565, 1568, 1578, 1581, 1590 und 1655, und fügte bei, dass keinem Dienst- 
boten bei sonstiger Bestrafung ein Uutorstand zu geben sei, welcher nicht 
mit einem ordentlichen Abschied oder einem Zeugnisse des Wohlverhaltens 
versehen ist 

Für Wien wurden in den vier Vierteln der Stadt und in den Vorstädten 
ein geschworner Zubringer und eine Zubriugerin bestellt, welche der Stadt- 
rath aufzuuemen und mit einer besonderen Instruction zu versehen hat, hei 
welchen sich alle, welche Dienste verlangen, als Sollicitatores, Schreiber. 
Kaufmannsdiener und Jungen, Lackeien, Kellner, Kelluerbuben, Weingarts- 
knechte, Gärtner, Hausknechte, Kutscher, Vorreiter, Fuhrknechte, Ross- und 
Ochsenbuben, Maier und Maierinnen, Maiermenscher, Stuben- und Küchen- 
menscher, Koch und Köchinnen, Kiudsweiber und Ammen zu melden hatten 
und der Dienstort sowie der Betrag des Liodlohns in Evidenz |gehalten wer- 
den sollte. 

Obwol der Begriff des Dienstboten damals ein sehr weiter war und sich 
nicht blos auf Hausdiener und Hausmägde, sondern auch auf Arbeiter mit 
bestimmter Berufsbeschäftiguug erstreckte, . so wurde durch diese Ordnung 
ein Dienstbote namt für Wien geschaffen und zugleich ein eigenes Dienst- 
botengericht ins Leben gerufen, welches aus einem (inneren) Stadtrathe 
als Vorsitzenden, zwei Mitgliedern des Stadtgerichtes und zwei Mitgliedern 
des äusseren Rathes als Beisitzern bestand, im Rathhause wöchentlich einmal 



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137 



Gericht zu halten, über Streitigkeiten zwischen Dieustboten und Dienstgeberu, 
jedoch ohne Intervenierung eines Advokaten zu verhandeln und zu entscheiden 
hatte, sei es über Versagung des Abschiedes, über Bestrafung ungehorsamer 
oder eicessiver Dienstboten oder über Bezahlung des rückständigen Liedlohnes 
oder im letzteren Falle die Sache durch Compassschreiben an das zuständige 
Gericht abzutreten hatte. Zur Entscheidung als Recursinstanz war die nieder- 
österreichische Regierung berufen. — Faule, boshafte, vagierende Dienstboten 
soll der geschworene Zubringer dem Dienstbotengerichte zur Bestrafung anzei- 
gen, dieses aber gegen die Schuldigen mit scharfer Strafe verfahren, Exempla 
statuieren, damit Andere daran Abscheu tragen und schlimme Dienstboten 
gebessert werden. 

Aus der Anordnung, dass Dienstboten und Dienstgeber das Dienstver- 
hältnis vier Wochen vor Ablauf des Jahres kündigen sollen, geht hervor, 
dass der Dienstbote in der Regel auf ein Jahr gedungen wurde, dass die 
ersten 14 Tage eine Probezeit waren, nach deren Beendigung der Abschied nicht 
zu verweigern, sondern mit Handschrift und Petschaft auszufertigen ist. 

Dienstboten sollen ihre Truhen und Effecten in den Dienstort mitbrin- 
gen. Den Abschied hat der Dienstgeber bis zur Verstreichung der gedingten 
Jahresfrist aufzubehalten und selben sohin nebst dem neuen Abschied dem 
Dienstboten einzuhändigen. 

Der Liedlohn war damals von den Dienstboten gesteigert worden, daher 
sollen die Dienstgeber bei dem damaligen Fallen der Preise von Lebensmitteln 
und Kleidung den Lohn verringern, was freilich nicht zu bewerkstelligen war, 
da sich Arbeits- wie Dienstlohn nicht polizeilich regeln, sondern nur nach 
Grundsätzen des Marktpreises bestimmen lassen. 

Nebst den Dienstboten hatten auch „Hauer, Mader und Tröscher" den 
vorhin üblich gewesenen Lohn um das Doppelte gesteigert, deshalb verordnete 
Kaiser Leopold 1. unterm 4. September 1688, dass Herrschaften und Obrig- 
keiten dieselben mit empfindlichen Strafen zur Billigkeit und zum Gehorsam 
bringen sollen. — Dass dieses Mittel nichts gefruchtet hat, sagt das Patent 
vom 14. Mai 1756 ausdrücklich. Dass es nichts fruchten konnte, liegt eben 
wieder in der Thatsache, dass sich der Marktpreis der Lohnarbeit nicht durch 
eine empfindliche Strafe taxieren lässt. 

Die nächste Dienstbotonordnung war joue für ob der Enus vom 
14. Mai 1756. 

Die Kaiserin Maria Theresia klagt, dass der Bauer von seinem Dienst- 
gesinde grosse Plagen, Unlust und Schadon zu erdulden habe, dass es mutwillig 
seinem Herrn fast Gesetze vorschreibe, beliebig aus dem Dienst trete, durch 
lasterhafte Begierden die gute Zucht verletze. Die Dienstbotenordnung Kaiser 
Leopolds vom Jahre 1688 habe nichts gefruchtet, weil die Obrigkeiten nicht 
den gehörigen Eifer entwickelt haben. Es wird der grosse Unterschied zwischen 
Dienstboten in Städten und auf dem Lande nicht verkannt und dabei betont, 
dass das übermütige Dienstvolk in ersteren leichter in den Schranken des Ge- 
horsams und der Ehrbarkeit zu halten sei, als auf dem letzteren. Daher sollen 
alle Dienstboten auf dem Lande auf ein Jahr sich verdingen und vor Aus- 
gang desselben bei Verlust des Lohnes den Dienst nicht verlassen. Die Ver- 
miethung und Aufkündigung soll am Tage Josefi und Martini, die Austritts zeit 
am letzten December und 1. Mai geschehen. Der Dienstherr darf bei soustiger 

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138 t 

Geld- oder Arrests traf" als Angeld nicht mehr als den 20. Teil des Lohnes 
geben. Der verdungene Dienstbote hat den Dienst unweigerlich anzutreten und 
fortzusetzen, doch kann mit Einwilligung des Dienstherrn eine Abänderung 
eintreten. Personalstandsänderung des Dienstboten (Krankheit) berechtigen 
denselben, vor der Zeit seine Entlassung zu begehren. Derselbe darf nicht 
mehr als Lohn und Kost wie landesüblich begehren, soll sich in Allem treu 
und gehorsam zeigen, keiner Verrichtung entschlagen, dem Dienste zu allen 
Zeiten nach dem Willen des Herrn mit schuldigem Fleisse obliegen. Jeder 
Dienstherr hat bei Strafe dem austretenden Dienstboten einen Abschied zu 
geben, und zwar nach dem gesetzlichen Formulare für eine gute, mittel- 
mässige oder schlechte Aufführung. (Cod. Aust. V. pag. 1137). Die Obrigkeiten 
haben Ausschreitungen der Dienstboten zu bestrafen, diese aber auch gegen 
Bedrückung ihrer Dienstgeber zu schützen. Weibliche Dienstboten haben sich 
einer anständigen und züchtigen Kleidung *) zu bedienen. Dienstknechte oder 
Bauerssöhne, welche bei dem verbotenen nächtlichen Gasseigehen betreten 
werden, sind zum Militär abzustellen, im Falle ihrer üntauglichkeit zu vier 
Wochen Arrest in Eisen zu verhalten. 

So wie jenseits der Enns ergieng es auch diesseits dieses Flusses. 

Den 12. August 1765 erliess Kaiserin Maria Theresia eine Dienstboten- 
Ordnung für Niederösterreich, sowol für Wien als das flache Land, da unge-. 
achtet der erflossenen Generalmandate ihrer Vorfahren im Reiche und im 
Erzherzogtume Oesterreich die Beschwerde über Widerspänstigkeit , Unge- 
horsam, Mutwillen, über Bosheit und Veruntreuungen immerfort geführt 
werden 

Dienstboten, welche sich auf bestimmte Zeit verdingen, haben diese 
Zeit hindurch treu, fleissig und ehrbar zu dienen, welche auf keine bestimmt« 
Zeit sich verdingen, den Dienst 14 Tage zuvor aufzudingen. Entwichene sind 
empfindlich zu züchtigen ; um das Entweichen zu hindern, hat jeder Dienstbot 
seine Truhe und Habschaft mitzubringen; seinen Abschied dem Dienstherrn 
zur Aufbewahrung zu geben, sowie nach der Vorordnung vom 27. August 1768 
insbesondere kein Dienstbot aufgenommen werden soll, der nicht einen ordent- 
lichen Abschied von früheren Diensten besitzt. 

Gegen Nichtbeachtung der Dienstbotenordnung werden strenge Strafen 
angedroht; aber auch die Dienstgeber unterliegen geziemender Bestrafung, 
wenn sie ihr Gesinde ohne Ursache, um Kleinigkeiten willen mit Schlägen 
tractieren, und vorsätzlichen oder ohne grosse Nachlässigkeit verursachten 
Schaden sogleich vom Lohne abziehen, oder selben in eigennütziger Weise 
vorenthalten. 

Unterm 30. September 1782 erschion eine Dienstbotenorduung für das 
Landgesinde in Böhmen, Mähren und Schlesien (Zalinsky), welche unterm 
29. September 1787 auch für Inuerösterreich kundgemacht wurde. Für das 
Stadtgesinde in Böhmen, Mähren und Schlesien erschien die Ordnung vom 
1. December 1782, welche mit Patent vom 27. März 1784, jedoch mit einigen 
Abweichungen, für das Land Niederösterreich kundgemacht worden war. 

») Hit dem Erlasse vom 17. Mai 1753 verordnet die Kaiserin Maria Theresia die Abstel- 
lung der allzufrechen Tracht, dass die Hocke verlängert werden «ollen, damit sie den Fuss bi* 
auf die Waden bedecken, dass die uuart g ausgeschoppten Mieder auf »ittsamere Art abgeändert 
werden. 



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139 



Mit Patent Tom 1. Mai 1810 erschien die noch gegenwärtig in Kraft 
stehende Dienstbotenordnung für Wien und den Umkreis innerhalb der Linien 
ein Codex von 166 Paragraphen und einem Anhange über Lohnbediente. 

Am 1. Juli 1856 erfloss eine provisorische Dienstbotenordnung für das 
flache Land Niederösterreich mit Ausschluss der in dem Wiener Polizeirayon 
gelegenen Gemeinden. 

Alle diese Dienstbotenordnungen charakterisiert der durchlaufende Faden, 
dass man durch Polizeimassregeln gute und brauchbare Dienstboten zu erhalten 
8 trebt. Je mehr sich die Gesetze der Gegenwart, nähern, desto mehr tritt aber 
die Ausprägung des Lohnvertrages in den Vordergrund, wobei je nach dem 
Wechsel der Gesetzgebung auch die Instanz über Lohnstreitigkeiten und die 
Competenz zur Ausübung der Strafgewalt sich ändert. 

In neuester Zeit wurden in anderen Ländern der Monarchie Dienstboten- 
ordnungen eingeführt, so in Kämthen mit dem Landesgesetze vom 4 X Juli 1864, 
Nr. 13, für alle Gemeinden mit A usname der Stadt Klagenfurt — in Böhmen 
durch Landesgesetz vom 7. April 1866, Nr. 11, für das Königreich mit Aus- 
schluss der Stadt Prag — in Schlesien durch Landesgesetz vom 25. März 
1,867, Nr. 12. 

Der Landesausschuss hatte sich schriftlich an die Laudesausschüsse dieser 
Länder mit dem Ersuchen gewendet, die Resultate über die woblthätigen 
Folgen dieser Gesetze, über die Frage, ob und wie weit dieselben von den 
Gemeinden gohandhabt wurden, mitteilen zu wollen. Hierüber langte nur eine 
Mitteilung des schlesischen Landesausschusses ddo. Troppau 23. März 1875 
ein, wornach durch das Landesgesetz vom 16. Februar 1874 die im Gesetze 
vom Jahre 1867 bestimmte Kündigungsfrist geändert, zugleich aber auch die 
Resolution gefasst wurde, die Regierung um Vorlage oines Gesetzentwurfes 
bezüglich der im Argen liegenden Dienstbotenordnung zu ersuchen. Es wurde 
darauf hingewiesen, dass die Dienstbotenordnung und deren Handhabung viel 
zu wünschen übrig lasse, dass aber die Abhilfe nicht in der Dienstboten- 
ordnung, sondern in dor Regelung der Gemeindeordnung gefunden werden soll. 

Es soll hier aber der Frage, wie den Klagen über Mangel an Dienstboten 
und ländlichen Arbeitern und über deren Brauchbarkeit abzuhelfen sei, nicht 
aus dem Wege gegangen, sondern die Andeutung gegeben werden. 

Es wurde oben gesagt, dass es sich hier um die sociale Frage der 
ländlichen Arbeiter handelt, welche nicht durch ein Polizeigasetz über Dienst- 
boten geregelt werden kann, denn nicht die Klagen der Dienstgeber, sondern 
die Erwerbsverhältnisse der Dienenden sind hier massgebend. 

Auch muss man ins Auge fassen, dass nur grössere Wirtschaftsbesitzer 
ein eigentliches Dienstgesinde halten, während kleinere die ländlichen Arbeiten 
selbst mit ihren Familienangehörigen verrichten und für diese nicht die 
Gesindeordnung, sondern das Haus- und Familienrecht entscheidet. 

Früher war die Arbeit auf Sommer und Winter verteilt ; durch den 
Aufschwung der Industrie, durch Anwendung landwirtschaftlicher Maschinen, 
entfiel die Winterarbeit des Spinnens, Webens, des Dreschens und Mahlens, 
indem die Produkte der ersteren Arbeit als Fabrikserzeugnisse in besserer 
Qualität und billiger angekauft, die bisherigen Winterarbeiten des Dreschens 
und Vermahlens aber durch Einführung von Maschinen gleich nach der Ernte 
vorgenommen werden. 



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140 



Die ländliche Arbeit drängt sich daher im Sommer zusammen und 
feiert im Winter *). Darin liegt ein Uebergangsstadium, denn dadurch "wurde 
der Dienstbote mehr zum ländlichen Arbeiter, ;den man im Sommer benötigt, 
im Winter entbehren kann, daher auch nicht durch's ganze Jahr zu erhalten 
braucht. Um die Winterbedürfnisse zu decken, muss der Arbeiter für die 
Leistungen im Sommer höheren Lohn begehren, wird sich hier und da im 
Winter industrieller Verwendung hingeben und bei der hier eintretenden 
höheren Entlohnung auch nicht mehr zur Agrikultur zurückkehren. 

Es bleiben daher als Dienstgesinde für die ländliche Arbeit nur solche 
Individuen, welche keine anderen, als die relativ rohesten oder primitivsten 
Arbeiten leisten können, während jeder nur etwas intelligentere Arbeiter sich 
vom eigentlichen Dienstgesinde losschälen und seine Leistung als Lohnarbeit 
— nach den Marktpreisen derselben — taxieren wird, weil man dieselbe nicht 
durch einen Taitarif beschränken kann." 



Das grosse Freischiessen su Wien im Jahre 1563. 
Besungen vom Augsburger-Pritschenmeiiter Lienhart Flexel 1 ). 

Mitgeteilt von A. Cametina K. v. 8an-Yittoro, k. k. ttegiernngsrath. 

(Fortsetzung.) 



Veronnst j st jnn diser Statt 

Gar schön Pietz, darauff man faill hatt 
Hassen, Vogel, Hienner vnnd Hennen ; 

Die pletz khan jeh nit Alsannt Nenen. 
Dann Ainer jst mir woll bekhandt. 

Die Prandstatt jst dieselb genannt, 
Dem selben wünsch ich gluckh vnnd haill. 

Darauff hat man die Klaider faill, 
Rockh, Hossen und Wames, was er 

begertt, 

Was er will khauffen,das wirt er gwertt. 
Noch ist ain Ordnung jnn disser Statt, 

Dann es darin dreier Gericht auch hatt 
Vnnd wellicher wider recht hatt thonn, 

Der muess sich daran straffen lonn. 
Da sprach zu mir der Parssefandt: 

Wie gfelt dir die Statt vnnd dises 

Lanndt, 

Vnnd die du hast so woll beichaudt, 
Gar Vesstigelich jst sie gebaudt. 

Ich sprach : man findt nit jr geleich 
Vnnd ligt die Statt jnn Oesterreich. 

ich sagt, mein Herr vnnd ziernnet nitt, 



Dass jeh euch frag, das jst mein bitt 
Wie haist die Statt mit jrem Namen? 
Ein gantz Lanndt darff sich jr Bit 

schämen. 

Er sprach, es jsst Wienn jnn Oesterreich. 
Die Statt, die siecht dem Gartten 

gleich, 

Wie du endschlieffest vnder dem Baum. 

Die dir fuerkam jnn deinem Traum, 
Ann der Grentz thuet sie sich Nenen 

Gar weit vnnd fer thuet mans erkenen, 
Die Burger seint drin weit erkanndt, 

Inn Deutschen vnnd jnn Wellischen 

Landt; 

Die du hast durch die Heckhe beschaudt, 
Die Ertzhörtzog zu Oesterreich hondi 

gepaudt. 

Sy jst erbaudt nach allem Lust, 
Darin da steet der Rossenpusch, 

Jnn dem du hast denn Adler gesechen 
Mitt seinen Jungen, tbue jeh veriechen. 

Dass jst die Burg vnnd kbayserlich 

Vesstenn, 



•) Dr. Aug. Oeltpn, die ländliche Arbeiterfrage im österreichischen landwirtschaft- 
lichen Wochenblatte Wien. 1875, Nr. 9, Seite 99. —Oo Ii, die landliche Arbeiterfrage. Danaig 18"*- 



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Die was erbaudt woll nach dem besten. 
Stattelburg jst das Schloss genandt, 
Denn Ertzhörtzogen zu Oesterreich 

erkandt. 

Denn Adler, denn du hast gesehenn, 

Dass jst der Khayser, thuejch veriechen. 
Er war Ertzhörtzog zu Oesterreich, 

Der Römisch Khunig dessgeleich, 
Seiner Mayestat geliebter Sun. 

So merkht vnd hört mich weiter nun : 
Haldent Hoff zu Wienn jnn Oesterreich 

der Statt. 

Die sich gar vill erlitten hatt, 
Wie du mir jnn deim Traum hast klagt, 

Vnnd mir vonn Wilden Thieren gesagt, 
Die fuer denn Rossengartten kham; 

Dass warder Turckh mit seinem Nam. 
Mitt dreymalhunder taussent Man, 

Wolt er denn Gartten greiften ann, 
Er wolt die Rossen darin zerprechen. 

Da kham der Adler vnnd thetts rechen 
Woll ann des Turckhen Vbermuett, 

Dass er anthett dem Christenpluedt, 
Mitt mordt, rauben vnnd mit praudt. 

Dass thett dem frumen Khayser andt 
Vnnd nam dasselbig vast zuhertzen ; 

Dem Khunig pracht es grossen schmert- 

zen, 

Der jetzundt Romischer Khayser jst. 

Er hett kain rue zu disser Frret, 
Fordert zu jm sein loblich Rath 

Vnnd wie es nun den Sachen thett, 
Dass sich seine Mayestatt khundt rechen 

Ann dem Tuerckhen, der jm wolt 

prechen. 

Jnn denn Gartten, denn er hatt baudt, 
Darub hielt er rath vnnd hatt 

gschaudt, 

Dass er dem Pfaben zuhilff mocht khomen, 
Dass kam denn Rossen zu guettem 

frumen, 

Der Gartt, war Wienn, die khay serlich 

Statt, 

Die sich gar ehrlich gehalten hatt. 
Der Pfab thett sich darin fast wören, 
Vnnd khundt denn Wurmen woll ab- 

keren. 

Dass wassent Nasseern vnnd Mama- 

luckhen, 



141 

Muestant sich vor dem Gartten scbmuk- 

khen. 

Mitt jrem grosiem gwaltigen schiessenn, 
Dass thet den Turckhen hart ver- 

driessen, 

Wiewoll sie sich hont auch nit gspardt, 

Vnnd da die Statt belegert wartt. 
Der Pfab schrier laudt vnnd wolt er- 

schreckhen, 
Denn Turckhen thett darmit auff- 

weckhen. 

Die Fuersten vnnd daB Romisch Reich. 

Warent all auff bheudt vnnd geleich. 
Alls balt vom Adler jst Post khumen, 

Da wolt sie jr kainer nit säumen 
Mitt guettem gschutz, Harnisch vnnd 

Wehr, 

Es kham zusamen ein grosses Höer. 
Dass seint die Vogel, die da sungent, 
Vnnd jnn dem grossen Walt vmb- 

sprungent, 
Die du jnn deinem Draum hast gesechenj; 

Die Warhaitt muest du selbs veriehen. 
Dann Pfaltzgraff Friderich ann dem 

Reynn, 

Der solfc jr Ober ister Haubtman sein. 
Zu Ross, zu Fuess vnnd auch mit Wagen. 

Jetzt will ich vom jungen Lewen sagen. 
Er war des Oberisten Leudeampt, 

Wie balt er jnn jn Gartten sanndt, 
Zum Pfaben, denn er schreyen hörtt, 

Er hatt auch allen Fleiss ankhertt, 
Dass er zum Pfaben jnn Gartten jst 

komen. 

Sechs Fendle Landsknecht mit jm 

genummen. 
Er wolt beim Pfaben gnesen vnd sterben, 
Dem Adler Preiss vnnd Ehr erwerben. 
Pfaltzgraff Phillips war er genandt, 
Denn HÖrtzogen zu Osterreich woll 

erkhandt. 

Mann thuett vom Adler vnnd Pfaben 

sagen, 

Vill taussent Turckhen honts er- 
schlagen 

Vor Wienn der khayserlichen beruembten 

Statt, 

Die sich gar ehrlich gehalten hatt. 
Der Oberist zug dem Gartten zue; 



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142 



Mitt seinem Häuften war kain rue, 
Der Khunig rist sich zu Rosi vnnd foess, 

Er gab dem Türckhen schwere puess 
Mit Hauen, schiessen, schlagen vnnd 

stechen, 

Sein Gartten thett er ann jm rechen, 
Denn er ann zway ortt hatt erprochen, 

Darob wurdant jr vill erstochen 
Inn jrem lauffen, graben vnnd stuermen. 

Man lauft jnn recht denn argen 

Wuermen. 

Dass haben die zu Wienn gethann, 
Ain ersamcr Rath vnnd gantze Gmain 

Mitt sambt dem Hauss vonn Osterreich, 
Dass was der Pfab, er Bach jm gleich. 

Da kam der Adler mit grosser macht, 
Bracht mit jm »ein Adel vnnd Ritter- 

scbafffc. 

Dass was der Romisch Kbinig guett, 

Sein Mastatt hett Heldesmuett, 
Wann er was warlich gschwingt bedacht, 
Vnnd hatt denn Tuerckhen vom Gart- 
ten pracht. 
Sie habent sich gehalten ehrlich vnd woll, 

Seid jch die Warhait reden soll, 
Vnnd hent dem Turckhen der Rossen 

geben, 

Hatt manichem kost sein Leib vnnd 

Leben. 

Gott thett die Statt gar woll bewaren, 
Ein Adler was vber Meer gefaren, 

Wass Khayser Carolus auss Hisspania, 
Der rertt dem Tuerckhen erst recht ab, 

Er fiell dem Turckhen jnn sein Lanndt, 
Der Turckh zug ab mit spott vnnd 

schandt . 

Vor Wienn, der khayserlichen Statt, 
Die jm der Rossen geben hatt. 

Vnd was jch sag, ist nit erlogen. 
Er hett die Rossen necher zogen, 

Dahaimbt jnn seinem aigen Lanndt, 
Dass thett dem Tuerckhen mechtig 

andt. 

Also gienng es jm auff der Fartt. 

Carolus zu der Zeitt Khayser wartt, 
Der funfft seins Namens aus Hisspänia. 

Er fuert gross Krieg, wie jch euch sag, 
Vnnd der geliebt Herr Brueder sein, 



Ferdinandus Römischer Khunig sein, 
Er war Ertzhörtzog zu Oesterreich, 
Khunig zu Hunger vnnd Böham des- 

geleich. 

Dass redt jch auff mein letzte Fartt. 
Vnnd wie die Statt Wienn belegert 

wartt, 

Da zalt man Daussent Fünfhundert Jar 

Vnnd Neun vnd Zwaintzig, das jst war, 
Dass jch jnn sachen auch nit lieg, 

Vnnd lanng darum- hueb an der Krieg 
Woll mit dem Tuerckhen, das jst war. 

Ich halt, es sey woll Viertzig Jar, 
Das der Krieg hat angefanngen, 

Ich glaub er tej noch nit erganngen. 
Gott wolle verleichen durch sein gnadt 

Khayser vnnd Khunig Mayeitatt 
Gluckh vnnd Haill, Sig, Macht vnnd 

Krafft 

Seiner Mayestatt, Adel vnnd Ritter- 

schafft 

Wider jre Freundt. die da lebenn, 
Denn selben gwaltig widerstreben. 

Betzingen sie alle mit dem schwerdt, 
Wies dann jr Hertzmuet synn begertt, 

Sy weren noch vill Tuerckhen erschlagen. 
Jetzt will jch euch vonn Wienn recht 

sagen, 

Wass sie mit Ehren hont erwarben, 

Darumb seint jr auch etlich gstarben. 
Fuer die Ehrlich vnnd Ritteruch thatt 

Gar ehrlichs der Khayser begäbet hatt, 
Wies ainem Khayser gänntz woll gebuertt. 

Ein Rath wart jnn das Schloss cidiert. 
Vnndt thett jr Lieb vnnd Dreu ge- 

denckhen, 

Mit Freyhaitt begaben vnnd schenckhen. 
Dass soll der statt zü güettem khümen. 

Ein golden Adler hab jch vernumen, 
Der staindt jnn ainem schwarzen Feldt 

Alls jch die Wahrheitt jetzundt meldt, 
Dann mit zway Kopffen, merckh mich 

eben, 

Thett jnn ein Khayser schenckhen 

vnnd gaben. 

Ir Manhait thett er bass gedenckhen, 

DieCron Wolter jnn dartzue schenckhen. 
Dass solt gemainer Statt Sigel sein. 



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143 



Da schanckht jon noch der Khayser 

fein 

Ein schönnes Wappen, das er jnn bott, 
Darin ein weisses Khreutz, das Feit 

jst rott; 

Vnnd der Statt Wappen solt es sein, 
VnDd allen Gwalt gab er jn ein. 

Wolten die Statt haben jn guetter Huett ; 
Dass hatt geschafft das edel Pluedt. 

Dass waren die Rossen jm Gartten fein. 
8oll der Statt Wappen vnnd Klainet 

sein. 

Sj honts erfochten mit dem Schwerdt, 
Dass hab jch Tonn dem Höroldt ghertt; 

Mein Vorredt will ich jetzt beschliessenn, 
Es mocht die Herren sunst verdriessen, 

Wann jch die selbig machet zulang, 
Damit jch zu ain annderen ganng. 

Dann jr habt die Hanndlung woll ver- 

numen, 

Wie zu mir jnn dem Walt jst komen 
So gar ain alter Perssefandt, 
Er trueg ain BruetT woll jnn der 

Handt. 

Ich sprach, mein Herr, mit allen Ehren, 

Wass sted jm Brueff, jch wist es gern, 
Vnnd was darin gescbriben stadt, 

Ob jr darumb kain wissen habt? 
Er sagt zu mir: mein lieber Mann, 

Ich khan dir das woll zaigen ann 
Vnnd glaub es wert dich nit verdriessenn» 

Er jst geschrieben von n ainem Schies- 

senn, 

Wirt mit der Buchsen, so merckht mich 

recht, 

Ich halt du seist ain schützen Knecht, 
Dass dir zu wissen ist so gach; 
Ich glaub du ziechst dem Schiessen 

nach. 

Solst woll ain Pritzenmaister sein. 

Ich sprach, ja lieber Herre mein, 
Gott soll euch olleczeitt woll be waren, 

Ich zeuch jm nach vnnd habs erfarnn, 
Ich bin jnn Diennsten albeg geflissen. 

Er sprach: so mocht jch gern wissen 
Vnnd wann es dich nit wolt verdriessenn, 

Woher khumbt doch das Buchsen- 
sch iessen ? 



Oder wer hatt die Ehunst erdacht, 
Dass er das Pulffer hatt zuwegen 

pracht? 

Ich sagt, ich wils euch zaigen ann, 

Vnnd wer dasselbig hatt gethan, 
Darumb haist mans die Puxenschutzen, 

Inn stuermen vnnd schlachten thuet 

mans nytzen. 
Darmit erradt man Lannedt vnndt Lendt, 

Dass wart erdacht bey vnnser Zeitt, 
Da man zeit Daussent Dreyhundert Jar 

Vnnd Achtzig der myndern Zall. das 

jst war, 

Nach der gebuert Herr Jesus Christ 
Warts Pulffer erdacht woll disser List, 

Dass hatt fuerwar ain Munich gethann, 
Er war ain listiger, gscheider Mann. 

Thett jnn der Archomey studieren, 
Darnach tbett er die Ehunst probieren. 

Da schluegs recht wie der Tonner vnnd 

plitz, 

Dass kam vom Lauder Kelte vnnd 

hitz, 

Alls jch die nach honn recht vernumen. 

Darnach seint Mayster fuerher khumen, 
Die woldant vber denn Munych sein 

Mitt Ehunst, so hörtt jr Herren mein, 
Die schluegant drauff ganntz vngeheur, 

Woll auff das Eissen bey dem Feur, 
Wie es dann khertt zu sollichen sachen, 

Vnnd eisne Rohr die khun Jans machen, 
Die selben warent Zillpixen genandt, 

Denn Schützen seint sie woll erkandt, 
Ir Herren, vnnd last euchs nit verdries- 
senn, 

Darmit da solt man lernen schiessen 
Woll zu der Scheiben vnnd zu dem 

Zill, 

Da lt man dreiben das Ritterspill, 
Vnd was jch sag vnd dass jst war. 

Es hatt gewert vill Hundert Jar, 
Dass Herren vnnd Schützen seiut zusamen 

khumen, 

Woll auff dem Schiessen hab jch ver- 
numen. 

Jetzt habt jr jren vrsprung ghertt, 

Dass es ain lannge zeitt hatt gwertt, 
Ir mochtet jetzundt zu mir sagen, 



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Ach, lieber Hör, ich mues dich weitter 

fragen, 

Vnnd sag mir das bey deiner Pflicht, 

Ich halt der sach eeistn Bericht, 
Khnmbt denn Schützen zu guettem 

frumen. 

Woher jst jnn der Namen khumen 
Vnnd das mans haist das Ritterspill, 

Thuest du der iachen nitt zuyll. 
Inn Kriegen hent sie das erwarben, 

Seinndt vill darob genessen vnnd 

gstarben. 

Alls jeh die sach gar recht bedeut, 
Sy landt sie prauchen wie ehrlich 

Lcudt, 

Inn allen Schlachten thuet mans fieren, 
Da muessent sie jr Khunst probieren. 

Zu sollichen Sachen thuett mans nitsen, 
Darumb haist mans die Freundt- 

schützen. 

Im Khrieg da fuerants ain hortten Ortten, 

Darumb seint sie begabt wortten, 
Vonn Khayser, Khunig, Fuersten vnnd 

Herrn, 

Die helffant jnn die Gselschafft mehrn, 
Der selben thuen sie woll gemessen, 
Fuersten und Herrn thuet mit jn 

schiessen 

Vund der Ritterschafffc ain grosse sumb, 

Darmit jeh ann die Stett auch khumb 
Die Khayser vnnd Khunig hent begabt, 

Vnnd jnn solliche Freihaitt erlaubt. 
Wie es dann khert zu sollichen Sachen, 

Dass schiessen thain sie pflantzen 

vnnd machen. 
Darob jst dann kayner freudt zuuyll, 

Darumb haist mans das Ritterspill. 
Wann man jm Reich will Khuertzweill 

dreiben, 

So thnet ain Statt der annderen 

schreiben, 

Dass radt jeh woll ann allen schaden, 
Auff schiessen thuet man Schützen 

laden, 

Die Fuersten vnd Graüen wollgeboren, 
Mit sambt denn Stetten ausserkoren, 

Vnd allenthalben thuet mans verkynnden, 
Wo man Schützen weis zufynden. 



Die sach khan jeh nit alle ertzöllen. 
Ain jedliche Statt thuet Schützen er- 
wollen, 

Vnnd kain schützen darr ff das nit ver- 

driessen, 

Mann gibt jnn gelt vnnd schickhts auffi 

schiessen. 

Wie es dann kertt zu sollichen sacheii, 
Ein Schönnen Khrantz, denn last man 

machen, 

Darnach thuen sie die Herrn bedenckhen, 
Einander darmit verehrn vnnd schenk- 

khen. 

Jetzt habt jr alle Hanndlung ghörtt, 

Vnnd das die Gselschafft wert gemertt. 
Mein redt die will ich jetzt beschliessen, 

Nun wist jr vonn dem Pixenschuessen, 
Wann dasselbig hatt angefanngen, 

Vnnd wie es darnach zue jst ganngen. 
Der Parssefand, der sprach zu mir: 

Alls jeh ann dir woll merckh vnnd 

spuer, 

So js ain ehrlichs Ding umbs 

schiessenn 
So liss denn Brueff du mochst ge- 
messen, 

Darin da wierst du gar woll hörn, 
Zu wöllicher zeitt das Schiessen soll 

wem. 

Ich sagt, wer thuet dasselbig ausschreiben, 
Vnnd das khain schütz nit soll aus- 

pleiben. 

Die vonn Wienn, die Hochbervembte 

Statt, 

Burgermaister,Camerer vnd ein weiser 

Rath, 

Sy wöllent haben ain Schiessen zu Ehrnn 
Mitt vergunst des grossmechtigen 

Herrn, 

Römische Khayser vnnd Khunigcliche 

Mayestatt, 

Die jnne sollichs erlaubt hatt. 
Ann jrn gnaden hents Suppliciert. 

Vnnd wer hatt zu der Zeitt geregiertt, 
Da sollichs Schiessen wartt verlesen? 

Wer jst Herr jm Lanndt gewesen? 
Ain Römischer Khayser, Hochgeborren, 

Gott hatt sein Mayestett ausserkorren. 



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145 



Sein Mayestett die wirt jch nenen 
Khunig vnnd Fuersten thuen jnn er- 

kenen. 

Dass er ain gwaltigev Khayser jst, 
Merkh mich waider zu disser Frist. 

Die Graüen vnd Herrn Wollgeboren 
Mitt sainbt denn Eeicbsstett ausser- 

korren, 

Die Ritterschafft 70m Adel dessgeleich, 
Er jtt ain merer des Heilligen Reichs. 

Ferdinandns der Erst seins Namens, 
Die ganutze Christenhait soll sie nit 

schämen, 

Wann jm der Turckh feit mer jns Lanndt, 
So solt wir aufsein alleBanndt 

Vnnd denn Turckhen zu tott erschlagen, 
Darnach khundt er vom Christen sagen, 

Helft* u. redten Lanndt, Leudt vnnd Guett, 
Vnnd bey jm lassen Fleusch vnnd 

Pluett. 



Der Romisch Khayser, Hochgeborrenn, 
Hatt jm ain Khunigin ausserkoren, 
Woll zu dem geliebsten Gmachel sein, 
Sy was ain Khunigin zu Hungaren fein, 
Gott nam dieKhayserin jns ewig Leben, 
Hatt seiner Khayaerliche Mayestatt 

geben, 

Gar vill Herrn vnnd Freulein zartt, 

Die waren gebornn vonn hocher Artt. 
Die jungen Herrn so hochgeborrenn, 

Gott hatt jre Mayestatt ausserkorren, 
Seint all Ertzhörtzog zu Osterreich, 

Auff Erdt lebt jetzt nit jr geleich. 
Inn meinem Spruch wirt jch sy nenen, 

Im gantzen Reich wirt man sie khenen. 
Man wirts jnn dissem Buech schonn 

tauen, 

Vnnd wer jst Römischer Khunig ge- 



In der Zeitt, da solliches Schiessenwass. 



(Fortsetzung folgt.; 



Vereinsleben. 

Neu erschienene Blätter der Administrativkarte. 

Sektion Nr. 27. (G. 4.) Horn und Eggenburg. 

Teile von vier Gerichtsbezirken füllen das Blatt Horn - Eggenburg. 
Vom Gerichtsbezirke Horn erscheinen ausser der Stadtgemoinde noch die 
Ortsgemeinden Breiteneich, Mold, Zaingrub, Mörtersdorf, Nonndorf, Kotzen- 
dorf, Meiersch, Buchberg, Zitternberg, Gars und Kammegg nebst einem Teile 
von Feinfeld; vom Gerichtsbezirke Eggenburg ausser der Stadtgemeinde 
noch die Ortsgemeinden Roggendorf, Kl. Ietzelsdorf, Gauderndorf, Kattau, 
Maigen, Kl. Meisseldorf, Engelsdorf, Stockern, Kühnring. Reinprechtspölla, 
Zogelsdorf, Etzmannsdorf, Grafenberg, Burg-Schleinitz, Matzelsdorf, Gumping, 
Kl. Burgstall, Sachsendorf, Buttendorf, und Harmansdorf; vom Gerichtsbe- 
zirke Unt. Ravelsbach die Ortsgemeinden: Oberdürnbach, Parisdorf, Meissau, 
Wilhelmsdorf, Grübern und Teile von Ravelsbach, Limberg, Straning; vom 
Gerichtsbezirke Langenlois die Ortsgemeinden Freischling und Plank. In 
kirchlicher Beziehung treffen auf dieser Sektion zwei Diöcesen zusammen; 
die Wiener Erzdiöcese mit den Pfarren Grafenberg und Meissau, die 
St. Pöltner Diöcese mit den Pfarren Eggenburg, Burgschleinitz, Kattau, 
Kühnring, Maigen, Reinprechtspölla, der Localie Roggendorf (alle im Dekanate 
Eggenburg), dann der Pfarren Horn (Dekanat), Dreieichen, Freisling, Gars 
Stockern und der Localie Plank. 



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146 



Sektion Nr. 67. (M. 7.) Orth. 

Ausser einem Städtchen vom Gebiete der O.-G. Petronell (G. B. Hain- 
burg) teilen sich die Ger.-Bezirke Gr. Enzersdorf und Marchegg in dieses 
Blatt. Ersterem gehören an die O.-G, Ober-Siebenbrunn, Leopoldsdorf, Breit- 
stetten, Orth, Kroat. Wagram, Straudorf, (mit Fuchsenbühel), Haringsee, Pframa, 
Kopfstetten und Eckertaau; letzterem die O.-G. Unter-Siebenbrunn, Schon- 
feld, Breitensee, Lassee, Loimersdorf, Witzelsdorf und te^weise Stopfenreith 
und Engelhardstetten. Die Pfarren Ob. Siebenbrunn und Leopoldsdorf nebst 
der Localie Unt. Siebenbrunn gehören zum Dekanat Bockfiüss ; die Pfarren Orth, 
Haringsee, Eckartsau, Witzelsdorf, Lassee, Engelhardstetten und die Lokalien 
Breitstetten, Breitensee und Stopfenreith zum Dekanate Probsdorf. Die Mitte 
des wasserarmen Marchfeldes, nur von Russ- und Stempfeibach durchschnitten 
und stellenweise sumpfig, liegt hier vor Augen, mitunter bewohnt von slavischen 
Abkömmlingen, im Ganzen wenig dicht, so dass die relative Kopfzahl jene im 
gebirgigen Teile des Landes nicht hoch übersteigt. Während in den Gerichts- 
bezirken Gutenstein. Lilienfeld, Gaming 17 bis 19 Bewohner auf den □Kilo- 
meter entfallen, kommen im Ger.-Bez. Marchegg nur 24 auf denselben Raum, 
und in dem auf dem Blatte enthaltenen Teil des Ger.-Bez. Gr. Enzersdorf 
nicht mehr als 31 ; hingegen auf dem Tulnerboden über 50. 

Sektion A. 7 oder Nr. 56. St. Valentin. 

Dieses Blatt enthält die westliche Ecke von Niederösterreich an der 
Mündung der Enns in die Donau. Den grössten Raum nimmt die Ortsge- 
meinde und Pfarre St. Valentin ein (mit den Catastralgemeinden Ennsdorf, 
Turnsdorf, Altenhofen, Ströbitz und Hofkirchen), den Rest die Ortsgemeinden 
und Pfarren St. Pantaleon und Erla-Kloster. dann Teile der angren- 
zenden Ortsgemeinden Strengberg, Ernsthofen und Haag ; überdies erscheinen 
die angrenzenden Landstriche von Oesterreich ob der Enns, mit der Stadt 
Enns. Die Reichsstrasse nach Linz und die Westbahn durchziehen das Blatt 
und die Rudolfsbahn nimmt von St. Valentin ihren Ausgang und kreuzt, 
sich mit der Bahn nach Mauthausen und Budweis. 

Sektion 37. (F. 5.) Krems-Gföhl. 

Am untern Rande des Blattes erscheint die Stadtgemeinde Krems und 
von dem gleichnamigen Gerichtsbezirke fallen noch auf diese Sektion die Orts- 
gemeinden: Rehberg, Imbach, Senftenberg, Dross, Priel, Stratzing, Gneixen- 
dorf, Ober-Rohrdorf, Landersdorf, Egelsee mit Scheibenhof, Stixendorf, ein 
Teil der 0. G. Dürnstein. Vom Gerichtsbezirke Langenlois findet man die 
Westhälfte der gleichnamigen Marktgemeinde, dann die Ortsgemeinden Len- 
genfeld, Mittelberg, Schiltern (mit Kronsegg) und Ob. Reuth. Dem Gerichts- 
hezirke Gföhl gehören ausser der gleichnamigen Marktgemeinde an die Orts- 
Gemeinden: Jaidhofen, Eisengraben, Reitern, Litsch, Seeb, Meissling, Ostra, 
und die als Ortsgemeinden konstituierten Aemter Gföhl, Mittelberg und Senften- 
berg, dann Teile angrenzender Gemeinden. In kirchlicher Hinsicht gehören 
alle auf der Sektion vorkommenden Seelsorgestationen zur Diöcese 8t. Pölten, 
und zwar zum Dekanate Krems (die Pfarren Dross, Egelsee, Gföhl, Imbach, 
Krems, Lengenfeld, Meissling, Rohrendorf, Schiltern, Senftenberg, Stratzing 
und die Localie Mittelberg). Herr Josef Z eidler, Oberförster in Dross, 
hat die sein Forstrevier betreffende Revision freundlichst "übernommen, wofür 
der Ausschuss des Vereins ihm aufs verbindlichste dankt. 



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Sektion 69 (A. 8) Haag. 

Mit Ausschiusa der Ortsgemeinden , von denen nur Teile über den 
Rand des Blattes reichen, umfasst diese Sektion vom Gerichtsbezirke Haag 
die Ortsgemeinden Haag, Haidershofen und Behamberg, vom Gerichtsbezirke 
St. Peter die beiden Ortsgemeinden St. Peter Markt, und St. Peter Dorl, dann 
St. Michael, St. Johann, Weistrach und Kirnberg. Ausser der Pfarre Haag 
erscheinen die zum Dekanato Haag gehörigen Pfarren Behamberg, Haiders- 
hofen, Kirnberg, St. Johann (in Engstetten), St. Michael (am Bruckbach), 
St. Peter (in der Au) und Weistrach. üeber der Grenze findet man in einer 
Klappe noch die Stadt Steier mit ihren Vorstädten Steierdorf und Ennsdorf. 

Sektion 33. (N. 4.) Hohenau. 

Vom Gerichtsbezirke Feldsberg erscheint auf diesem Blatte die Orts- 
Gemeinde und die zum Dekanat Staatz gehörige Pfarre Rabensburg, von 
Gerichtsbezirke Zistersdorf die Orts-Gemeinde und die zu demselben Dekanate 
gehörige Pfarre Hohenau, ausser diesem Teile der Gemeinde Bernhards- 
thal in Nord und Drösing in Süd. üeber der Grenze in Ungarn, jenseits der 
ron vielen Armen der March durchzogeneu Auen gewahrt man den Markt 
St. Johann und nördlich von ihm das Dorf Kuti, beido an der Strasse von 
Pressburg nach Holisch gelegen. 

Sektion 43. (M. 5.) Zistersdorf. 

Die zwei Bezirkshauptmannschaften, Mistelbach und Gross-Enzersdorf 
haben Anteil an dieser Sektion, erstere durch die dem Gerichtsbezirke Zistersdorf 
zugehörigen Orts-Gemeinden: Stadt Zistersdorf, Inzersdorf, Geislberg, Loides- 
thal, Erdpress, und die Märkto Jedonspeigen und Dürnkrut (nebst Teilen der 
Gemeinde Sulz etc.); letztere durch die zum Gerichtsbezirke Matzen gehörigen 
Orts-Gemeinden Weidendorf, Götzendorf, Velm, Markt Spannberg, Ebenthal, 
Grub (nebst Teilen von Hohen Ruppersdorf, Matzen, Stillfried (die Kirche), 
Waltersdorf, Sirndorf). In der unteren rechten Ecke in Ungarn zeigt sich die 
Meierei Karihaus. In kirchlicher Beziehung gehören alle Pfarreien dieses 
Blattes zur Erzdiöcese Wien und zwar die Pfarren Ebenthal, Götzendorf, St. 
Georg zu Stillfried, Weidendorf zum Dekanat Bockflüss ; die Pfarren Dürnkrut, 
Jedenspeigen, Loidesthal, Spannberg zum Dekanat Pirawart und die Pfarre 
Zistersdorf nebst der Localie Gross-Enzersdorf zum Dekanate Wilfersdorf. 

Sektion 44. (N. 5.) Drösing. 

Diese Sektion enthält nur einen kleinen Teil des Gerichtsbezirkes 
Zistersdorf mit den Ortsgemeinden: Drösing (Pfarre des Dekanats Wilfers- 
dorf), Sirndorf (Lokalie des Dekanats Pirawart) und Waltersdorf. Ueber der 
March zeigen sich in Ungarn die grossen Märkte Malaczka, Gr. und Kl. 
Schützen, Gayring und die Dörfer Diripolcz und Jakobsdorf. 

Sektion 38. (C. 5.) Langenlois. 

Die meisten Ortsgemeinden dieser Sektion gehören der Bezirkshauptmann- 
schaft Krems an, und zwar dem Gerichtsbezirke Krems die Orts-Gemeinden: Brunn 
im Felde, Rohrehdorf und Haizendorf; dem Gerichtsbezirke Langenlois die Orst- 
Gemeinden: Langenlois, Gobelsburg, Haindorf, Zöbing, Neustift, Schönberg, 
Stiefern, Mollands, U. Reith, Hadersdorf, Kammern, Strass, Eisarn, Wiedendorf 
und Engabrunn; dem Gerichtsbezirke Kirchberg am Wagram die Orts-Gemein- 
den: Etzdorf, Feuersbrunn, Wagram, Fels, Gösing und Teile angrenzender 
Gemeinden. Von der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn (rücksichtlich vom 



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148 



Gerichtsbezirke Unter-Ravelsbach) fallen auf dieses Blatt die Orts-Gemeiuden: 
Ravelsbach, Pfaffstetten, Hohenwarth, Mühlbach (mit Ronthal), Bosendirnbach, 
Diendorf am Walde, Zemling, Eggendorf am Walde, Baiersdorf. In kirchlicher 
Beziehung stossen die Diöcesen Wien und St. Pölten zusammen: die Erz- 
diöcese Wien mit den Pfarren Hadersdorf, Haizendorf, Etsdorf, Eggendorf, 
Fels, Feuersbrunn, Gösing, Hohenwarth, Mühlbach, Strass, den Localien Zemling 
und Eisarn, dem Vikariat Engabrunn, die sämmtlich zum Dekanat Hadersdorf 
gehören, und mit der Pfarre (Jnter-Ravelsbach, die dem Dekanat Sitzendorf 
untersteht; die Diöcese St.-Pölten mit den Pfarren Brunn im Feld, Gobelsbnrg 
(Gobatsburg), Langeulois, Rohrendorf, Schönberg, Stiefern, Zöbing, sämmtlich 
zum Dekanat Krems gehörig. 

Sektion 58. (C. 7.) Neustadtl. 

Alle Ortschaften dieser Sektion gehören zur Bezirkshauptmannschaft 
Amstetten, aber drei verschiedenen Gerichtsbezirken an, u. zw. dem Gerichts- 
bezirke Ips die Ortsgemeinden: Neustadtl, Nabegg, Freienstein, Judenhof, 
Windpassing, Kl. Wolfsstein, St. Martin am Ipsfelde, Karlsbach und Teile der Orts- 
gemeinde Blindenmarkt (Veitgraben) und St. Georgen (Krahof) ; dem Gerichts- 
bezirke Amstetten die Ortsgemeiden Kollmitzberg, Ardacker, Viehdorf (mit 
Hainstetten und Seisenegg); dem Gerichtsbezirke Persenbeug die Ortsgemein- 
den St. Oswald (mit Fünfling), Nöchling (mit Mitterndorf) und ein Teil vom 
Amte Priel mit Weins. Ueber der Donau erscheinen noch die Stadt' Grein mit 
dem Schlosse Greinburg, die Märkte Struden, St. Nikola und Sarmingstein 
längs jener einst gefürchteten Strecke des Donaustroms, wo der Strudel 
und Wirbel, der durch die Wegsprengnng des Haussteins verschwunden ist, 
den Schiffern gefährlich waren. Der Granit des linken Ufers setzt sich durch 
den Strom auf die Neustadtter Platte fort und macht mit seinem Felsgrunde 
das Donaubett in der „wilden Riss" unfahrbar. 



Auszeichnung. 

Seine Majestät der Kaiser haben das Werk des hochwürd. Herrn Pro- 
fessors G. E. Friess in Seitenstetten: „Die Herren von Kuenriug. Ein Beitrag 
zur Adelsgeschichte des Erzherzogtums Oesterreichs u. d. Enns" anzunemen 
und dem Verfasser den A. h. Dank kundzugeben geruht. 



Spenden. 

Seine Majestät der Kaiser haben zu Folge Kabinetsschreibens vom 
13. März dem Vereine für Landeskunde von Niederösterreich zur Förderung 
seiner Zwecke einen Beitrag von 100 fl. Oe. W. aus der A. h. Privatkasse 
Allergnädigst zu bewilligen geruht. 

Ferner haben Seine k. k. Hoheit der Durchlauchtigste Herr Erzherzog 
Albrecht einen Jahresbeitrag von 50 fl., Seine k. k. Hoheit der Durchlauchtigste 



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Herr Erzherzog Leopold einen Jahresbeitrag von 100 fl. und Seine k. k. Hoheit 
der Durchlauchtigste Herr Erzherzog Rainer einen Jahresbeitrag von 25 fl. zu 
bewilligen geruht. * 

Der Verein der ersten österreichischen Sparkasse hat in seiner General- 
Versammlung v. 22. März beschlossen, dem Vereine für Landeskunde speciell 
zur Erweiterung seines Vereins-Organ es „Blätter des Vereines für 
Landeskunde von Niederösterreich" den Betrag von 200 fl. Oe. W. zu widmen. 

Der k. k. Statthalter von Niederösterroich, Se. Excellenz 8. Freiherr v. 
Conrad-Eybesfeld, hat mit Note vom 11. Juni dem Vereine für Landeskunde 
von Niederösterreich zur Förderung der Vereinszwecke aus dem Fonde für 
gemeinnützige Anstalten für das Jahr 1875 den Betrag von 500 fl. bewilliget. 



Mitglieder. 

Seit 15. März sind dem Vereine beigetreten: 

In Hausleuthen: Hochw. Windbüchler Franz, Kooperator. 

„ Hitzing: Doppler Eduard, k. k. Postofficial. 

„ Jedenspeigen: Hochw. Roth Franz, Pfarrer. 

„ Kirchberg a. d. Bielach: Prüfer Adolf, Dr. jur., k. k. Notar. 

„ Klosterneuburg: Leeb Heinrich, Volksschullehrer. 

„ Krems: Biegler Karl, Ingenieur. — Le ithner Franz, Dr. jur., 
Advokat. — Utz Josef, Stadtbaumeistor. 

In Mank: Aigner Franz, k. k. Bezirksgerichtsadjunkt. — Exel Lam- 
bert^ Gutsverwalter von Kirnberg. — Mayr Matthäus, Volksschullehrer. — 
Zakucky Karl, k. k. Bezirks richtor.* 

In Mauer (bei Wien): Schmid Franz X., Oberlehrer. — Stöger 
Franz, Lehrer. 

In Mitterau: Moutecuccoli Max, Graf von, k. k. Kämmerer und 
Gutabesitzer. 

In Neunkirchen: Rauchegg er Josef, Med. Dr., k. k. Bezirksarzt. 

„ Pernegg: Dauböck Karl, Revierförster. 

„ Plankenstein: Hochw. Holzmann Ignaz, Pfarrer. 

„ Scheibbs: Hornsteiner Franz von, kais. Rath. — Horst Adolf, 
Gewerke und Chef der Firma Töpper. — Kowand Karl, k. k. Bezirkssekretär. 
Marckhgott Eberhart, k. k. Steuerinspector. -- Span Anton R. v., Dr. jur., 
Advokat. — Hochw. ürlinger Paul, Pfarrer. — Verh Josef, k. k. Bezirks- 
kommissär. 

In Stockerau: Pleistein Karl, Lehrer an der Mädchenschule. 

„ Wien: Durchhalter Johann, Lehrer. — Haberl Johannes, Fa- 
brikant. — Fleischhacker Josef, Volksschullehrer. — Geymüller Rudolf, 
Freiherr von, Gutsbesitzer. — Huber Karl, Volksschullehrer. — Kinsky 
Christian, Graf von. — Pesta August, Concipist im k. k. Finanz-Ministerium. 
— Preis Franz, Volksschullehrer. — Rauscher August, Centrai-Inspektor 
der k. k. Sicherheits wache. — Wözl Med. Dr., k. k. Regimentsarzt. 

In Zwetl: Hochw. Pittner Wilh. Dr., Gymnasialdirektor. 



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Geschenke an die Vereinsbibliothek. 

1. Rundsicht *om Hutberg bei Haugsdorf. Nach der Natur aufgenommen 
von Dr. Anton Sattler. Verlag und Eigentum dei Dr. Anton Sattler in 
Haugsdorf. (Geschenk des Herrn Dr. Sattler.) 

2. Der n. ö. Grossgrundbesitz. Alphabetisch geordnetes Nachschlage- 
buch über den Eigentums- und Besitzstand der landtäflichen Güter nach dem 
alten und neuen Flächenmasse. Nach den neuesten Daten bearbeitet von Franz 
Günther, Güter-Inspector. (Vom Herrn Verfasser.) 

Bochotin oder Geschichte der Stadt Öernäuz und ihrer Umgebung. Von 
F. A. Wickenhause r. 1 Heft. Wien 1874. (Vom Hrn. Verfasser.) 



Sommer - Versammlung. 

Der Ausschuss des Vereines für Landeskunde von Nieder- 
österreich hat beschlossen, die diesjährige Sommer- Versammlung 
in der Stadt Ips abzuhalten, und wurden vorläufig der 15. 16. 
und 17. August dafür in Aussicht genommen. 

Das Programm dieser Versammlung wird in dem nächsten 
Hefte der Vereinsblätter veröffentlicht werden. 



Briefe und Sendungen an den Verein erbittet man sich unter der Adresse: 

.Verein für Landeskunde von Niederösterreich. tt Wien, Herrengasae, 

Landhans. 



Die P. T. Vereinsmitglieder werden gebeten, Veränderun- 
gen der Wohnung oder des Wohnort«» dem S ekretir (Stadt, Herren- 
gasse, Landhaus) mitzuteilen. 



Verlag und Eigentum des Vereines. Redakteur : A. Mayer. 

Druck von C. Finsterbeck in Wien. 



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des 

Vereines 

für 



LandeskunclevonNiederösterreich. 



Neue Folge. 

IX. Jahrg. Auagegeb am L August 1875 Ii. 7, 8 u. 9. 



Inhalt. Programm der am 22., 33. und 24. August stattfindenden Sommer- Versammlung in 
Ips. — Hitteilungen: Grundbuch der St. Michaels-Pfarrkirche zu Gumpolds- 
kirchen aus dem letzten Decenuium des XV. Jahrb. Von Dr. Gustav Winter. — Die 
Ostmark unter Leopold dem Freigebigen. Kritisch-historische Beiträge zur Oründungs- 
gcachichte Oesterreichs von Prof. AinbroB Heller. — Germanische Wohnsitze und 
Baudenkmäler in Niederösterreich. Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen im 
Jahre 1874. (Fortsetzung.) Von Dr. Math. Much. — Komisches ans Petronell und 
Deutach-Altenburg. — Das Schloss Schönbühel in Niederösterreich. (Fortsetzung.) 
Nach J. F. Keiblinger's Nachlas», topographiscb und historisch dargestellt von 
Prof. Ambrog Heller. — Die lateinische Bärgerschule in Wiener-Neustadt. (Fort- 
setzung.) Von Prof. Ign. Pölzl. — Zur Geschichte des Zunftwesens in Niederöster- 
reich. I. 8t. Pölten. Aus dem Sailer'schen Nachlasse (Fortsetzung). Von Dr. A.Hora- 
witz. — Sagen aus der Donaugegend Niederösterreichs. Gesammelt und mit kritischen 
Bemerkungen versehen von Prof. Ambros Heller. — Erklärung einiger Ortsnamen. 
Beitrag zu einem historisch-topographischen Lexikon von Niederösterreich. (Fort- 
setzung.) Von Loop. Kasper Pfarrer in Dorfst&tten. — Das grosse Freischiessen 
in Wien im Jahre 1563. Besungen durch den Augsbnrger Pritschenme'stor Lienhart 
Flexel. (Fortsetzung.) Von A. Caiuesina K. v. Sanvittore, k. k. Begierungsrath. — 
Die Chronik der Familie Beck von Leopoldsdorf. (Fortsetzung.) Von Dr. X. Lind. 
— Die Feldkanincheu als «schädliches Wild in Niederösterreich. Von Dr. Jos. Bauer. 
V . rein sieben: Spenden. — Mitglieder. — Berichtigung. 



Programm 



der am 22., 23. und 24. August 1875 in Ips stattfindenden Sommer- 
Versammlung des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich. 



22. August. 

Um Uhr Früh Versammlung auf dem Bahnhofe der Kaiserin 
Elisabet-Bahn. Abfahrt von Wien um 7 Uhr nach der Station Kemmel- 
bach-Ips. — Ankunft in Kemmeibach um 11 Uhr 9 Minuten. — Fahrt 
nach Ips. — Empfang in Ips auf dem Stadtplatze. — Quartier-Anwei- 
sung. — Gemeinsames Mittagmal (Table d'höte) um ^1 Uhr im Gartenhause 
der „Weinmauth". — Um 2 Uhr Donaufahrt nach Frey enstein. — 
Abends gesellige Zusammenkunft in „Unterberger's" Kaffeehaus auf dem 
Stadtplatze. 

11 



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lft* 



23. August. 

Um 9 Uhr Früh Pleuar- Versammlung im Gartenhause der „Wein- 
mauth" : 

a) Ansprache des Herrn Vorsitzenden. 

b) Vortrag über „die Aufgabo und das bisherige Wirkon des Vereines 
für Landeskunde von Niederösterreich," vom Sekretär des Vereines. 

c) Vortrag des Hochw. Herrn Prof. Gottfried E. Friess über „die 
Geschichte der Stadt Ips, insbesondere vom XV. — XVIII. Jahrh." 

d) Vortrag des Herrn n.-ö. Landes- Ausschusses und Vice-Präsidenteu 
des Vereines, Dr. Jos. Bauer, über r die Frage des Wasserschadens 
und des Wassernutzens vom Standpunkte der Administration". 

e) Schlusswort des Herrn Vorsitzenden. 

Um 1 Uhr gemeinsames Festessen im Garten der „Weinmauth". 
Um */ 2 4 Uhr Fahrt nach Persenbeug. 

Um 7 Uhr Abends gesellige Zusammenkunft im Garten der Gris- 
senberg'schen Restauration. 

24. August. 

Um 7 ''s Uhr Frühstück in „ Unterberge r's" Kaffeehaus auf dem 
Stadtplatze. 

Um 8 Uhr gemeinsamer Spaziergang zum „Klosterbauer". 
Um IO/4 ^ nr Bückreise nach Wien mit dem Dampfschiffe. 



Die Direktion der ö. pr. Kaiserin Elisabet-Bahn hat Vereinsmit- 
gl i edern, welche sich an dieser Versammlung beteiligen und als Mitglieder 
des Vereines mit «Ion gehörigen Legitimationskarten ausweisen, in der 
Zeit vom 20.— 26. August für die Hin- und Rückfahrt einen 33'/,% 
Nachlass von den normalen Gebühren der II und III. Wagenklasse, u. 
z. bei allen Post- und Personenzügen mit Ausname der Courier- und 
Schnellzüge gegen Lösung von Bianco-Tour- und Retour-Karten bewilligt. 

In gleicher Weise hat die Direktion der k. k. pr. Donau-Dampf- 
schifffahrts-GeseUschaft den gehörig legitimierten Mitgliedern des Vereines, 
welche zur Retourfahrt Ips- Wien am 24. August das Dampfschiff benützen 
wollen, eine 33 Fahrpreisermässigung bewilligt, d. h. solche Mit- 
glieder werden berechtigt sein, den I. Platz gegen Zahlung des II. ein- 
zunehmen. 

J)ie auf Namen lautenden und von dorn Präsidium des Vereines 
gefertigten Legitimationskarten, welche wegen Abstemplung an den 
Personenkassen und auf den betreffenden Aufnams- und Endstationen 



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153 

dem Tbürstoher sowie auch auf Verlangen während der Fahrt den 
Revisionsorganen als Beglaubigung für den rechtlichen Besitz ormässig- 
ter Fahrkarten vorzuweisen sind, können in der Vereinskanzlei vom 12. bis 
19. August täglich während der Amtsstunden von 3 bis 5 Uhr Nach- 
mittags entgegengenommen werden. 

Ein Couvert für das gemeinsame Mittagmal am 22. August kostet 
ohne Getränke 2 fl., für das Postessen 3 fl. 

Es wird ersucht, dieso Gebühren nebst 1 fl. zur Bestreitung gemein- 
samer Auslagen bei Ausfolgung der Legitimations-, Speise- und Fahr- 
karten zu erlegen. 

Wien, am 26 Juli 1875. 

Die Geschäftsleitnng.*) 



Mitteilungen. 

Grundbuch der Bt. Miohaels-Pfarrkirche zu Gumpoldskirohen aus 
dem letzten Decennium des XV. Jahrhunderts. 

Von Dr. Gustav Wiuter. 

Das gräflich Wilczek'sche Archiv zu Wien hat jüngst durch die Muni- 
ficenz seines Besitzers eine Anzahl von Urkunden und Handschriften aus dem 
XIV. — XVIII. Jahrhundert erworben, die dadurch vom sichern Untergange in 
den Händen des Goldschlägers oder im Ladenhüter-Winkel des Antiquars 
gerettet sind. Der bereiten Güte des gräflichen Archivars Herrn K. Sehr auf 
verdanke ich die Einsicht in diese Sammlung und die Vermittlung der Erlaub- 
nis zur Berichterstattung über einen für nioderösterreichische Ortsgeschichte 
nicht uninteressanten Codex aus derselben : ein Grundbuch der St. Michaels- 
Pfarrkirche zu Gumpoldskirchen aus dem letzten Decennium des XV 
Jahrhunderts. 

Es ist dasselbe ein Papiercodex, von verschiedenen Händen des ausge- 
henden XV. und des XVI. Jahrhunderts einspaltig geschrieben (nur fol. 61r. 
und v., dann 71 r. — 72 r. sind zweispaltig), 102 Blätter in Quart enthaltend 
(26 cm hoch, 20 c " breit); fol. 49 und 58 siud nachträglich eingeheftete, von 
jüngeren Händen des XVI. Jahrhunderts beschriebene- Zettel. Der Einband 
ist alt; er besteht aus dünner Pappe, die mit einem Blatte aus einer theolo- 
gischen Pergament-Handschrift des XV. Jahrhunderts überzogen ist. Auf der 
Aussenseite des vorderen Deckels ist ein Zettel au/geklebt, der in Zügen des 
XVI./XVII Jahrhunderts die Aufschrift trägt: „Grundbuech Nr. 8 vber das 

*) Das Festkomite in Ips besteht aus den Herren: Schönbichler 
Dominik, Bürgermeister, Gei si nger Ludwig, Kirn bau er Ferdinand, Neu- 
werth Karl und Unterberger Franz, Geineindeausschüsse; dann Med. Dr. 
Job. Hornung, Direktor der n.-ö. Landes-Irrenanstalt, Med. Dr. Job. Wir- 
tinger, Primarius der Wiener städtischen Veraorgungsanstalt, und Karl 
Mengele, n.-ö. Landesbeamter. 

11 * 



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Beueficium S. Barbarae zu Gumpoltskirchen" ; am untern Rande, unmittelbar 
auf dem Pergamente, steht von etwas älterer Hand: „Grundtbuech vber Bene- 
ficium s. Barbarae zu Gumpolzkirchen" ; — Aufschriften, welche dem Inhalte 
des Manuscriptes nicht entsprechen, denn die Aufzeichnungen desselben beziehen 
sich auf die.Pfarre, und nirgends geschieht des St. Barbara-Beneficiums l ) 
Erwähnung. — Aul der äusseren Seite des rückwärtigen Deckels nahe dem 
uutern Rande hat eine neuere Hand bemerkt : „Michi dono dedit de Bergen- 
stain 1 ), secretarius bey den Landständen. Herborn *)*; — die einzige Notiz 
über frühere Besitzer der Handschrift. 

Die Foliierung ist eine doppelte : eine moderne, nach der ich im Folgen* 
den stets citiere, und eine ältere etwa des XVII. Jahrhunderts, vom Buchbin- 
derhobel vielfach weggenommene, welche, da die oberen Ecken und Ränder 
von fol. 4, 5 und 6 fehlen und durch angeklebte neuere Papierstreifen ersetzt 
sind, zum ersten Male auf foL 7 (neue Numerierung) mit der Zahl 10 erscheint, 
und in welcher die Zahl 33 übersprungen ist. Die Blätter 1, 2, 3, dann 100, 
101 und 102 sind von dünnerem Papier und unbeschrieben; fol. 4 ist auf 
einen Falz geklebt, vor demselben scheinen einige Blätter verloren gegangen 
zu sein, und zwar wol sechs, weil die ältere Foliierung, welche das jetzt fehlende 
noch vorgefunden und berücksichtigt haben mag, der modernen um drei voraus 
ist und letztere überdies die drei leeren Vorsteckblätter mit einzählt. 

Auf besondere Correctheit kann keine der an dem Codex beteiligten 
Hände Anspruch erheben; man vergleiche die kritischen Noten der Anhänge. 

Der Inhalt der Handschrift ist im Einzelnen folgender: 

Ä.. foL 4 r. — 12 v.: Jahrtags-Grundbuch, d. i. Verzeichnis der 
zur Ausrichtung der einzelnen Jahrtage Verpflichteten, der Jahrtagsstifter, der 
Güter, atif denen jene Verpflichtung ruht, der für die Begehung des Jahrtages 
schuldigen Giebigkeiten und die Angabe, worin diese Begehung zu bestehen 
habe. Jede Blattseite enthält die Aufzeichnung dieser Punkte für einen Jahr- 
tag ; was an Raum frei bleibt, ist bestimmt zur Eintragung der in der Person 
des Verpflichteten eintretenden Veränderungen ; darauf beziehen sich die von 
jüngeren Händen, bis in die zweite Hälfte des XVI. Jahrhunderts eingetra- 
genen, mit „modo" (= dermalen) eingeleiteten Bemerkungen. — Dieser Teil 
des Codex ist im Anhang I vollständig mitgeteilt. 



') lieber dieses s. Kirchl. Topogr. IV. 145. Darnach ist es 14*9 durch den Gumpolds- 
kirchner Bürger Konrad Schaffer (s. Anh. V nr. 26) gegründet, der dazn in seinem Testamente 
die Erbauung einer Kapelle angeordnet und dem Beneficiaten den Unterhalt angewiesen hatte. 
Die Stiftung, deren l'atronat dem LandesfürBten zustand, blieb in Kraft bis auf die Zeiten de« 
überhand nemenden Protestantismus. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde sie in die 
Pfarrkirche übertragen und 1779 die Besorgung der wöchentlichen Messe auf dem Barbara-Altare 
dem jeweiligen Pfarrer übergebe«. 

») Alois Groppenberger Edler Ton Bergenstamm, geboren zu Wien 1754, gestorben eben- 
daselbst 1821, ein warmer Freund vaterländischer Geschichte und Altertumskunde und eifriger 
Sammler auf diesen Gebieten. Den Sckretärtitel erhielt er von den Ständen 1790, wirklicket 
ständischer Sekretär wurde er 1800. Seine bedeutende Bücher-, Handschriften- und Urkunden- 
sammlung über das Land unter der Enns trat er unter Vorbehalt lebenslänglicher Benützung 
den n.-ö. Ständen ab. Wurzbach I. 299 (daselbst auch ein Verzeichnis seiner gedruckten und im 
Manuscript hinterlassenen Schriften). 

*) Josef Herborn, jub. Pfarrverweser im Deutschen Hause zu Wien, 1830—18x7 Pfarrer 
zu Gumpoldskirchen ; starb neunzigjährig am 9. Jänner 1874 zu Wien. Er schrieb: «Geschichte 
des ersten Klosters der Clarisserinen in Wien« (Anhang zum XI. Bde. d. Kirchl. Topogr.), 
Wien 1831. 



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• • • * 

156 

B . fol. 13 r. — 34 v.: Seelgeräth-G'rundbuch *) (Ueberschrift 
auf fol. 13 r. : „Das sint aeelgerait"): nämlich Aufzeichnung des Stifters des 
Seelgeräthes, des damit belasteten Grundes, des gegenwärtig dasselbe Leisten- 
den, sowie des Was und des Wieviel der Leistung. Auch hier enthält jede 
Seite die Aufschreibung nur über ein Seelgeräth, und wie in A sind die Ver- 
änderungen in der Person des Leistenden, mit „modo" eingeleitet, hie und da 
ersichtlich gemacht. 

Die geringere Ergiebigkeit dieses sowie des zunächst folgenden Teiles 
lassen einen vollständigen Abdruck derselben überflüssig erscheinen. Ich fasse 
daher nur Gemeinschaftliches zusammen und hebe einzelnes Bedeutendere 
heraus. 

Das Seelgeräth lastet (wie die Jahrtagsschuldigkeit) auf einem Grunde, 
zumeist auf Weingärten, auch auf Höfen. Die Verpflichteten sind meist Ein- 
wohner von Gumpoldskirchen ; ausser solchen : der Kämmerer von Heiligen- 
kreuz (nicht genannt), die Hebin von der Neustadt, Pernhard von Trumau, 
Ulrich Plasch von Traiskirchen, der Ungrim von Wien. Die Leistung besteht 
in Geld (15 Pfennig bis 2 Pfund) oder in Wachs (1—6 Pfund), einmal auch 
in Geld und Wachs (1 Pfund Wachs und 3 Pfennig); Welzel in dem Doner- 
hauß dient von dem Hause „iii sol. den. zu vier kerzen, die man armen leuten 
sol leihen, und die selben kerzen ain pfarer und ain burger ainem piderman 
enphelhen, daz er die in hab noch seinen treuen, und ob im icht über wirt 
der iii sol. den., so sol er ander ding mit pesseren pei dem gotzhauß" (fol. 33 r.). 
Auf fol. 32 r. findet sich die Bestimmung, dass die von einem Weingarten zu 
reichenden 3 Pfund Wachs abgelöst werden mögen mit 3 Pfund Wiener Pfennig, 
die dann der Kirche „urab Wachs" angelegt werden sollen. — In der Aufein- 
anderfolge der Aufzeichnungen lässt sich eine Art System erkennen: zuerst 
(fol. 13 r. — 22 r., dann allerdings auch 26 r.) stehen die Geldleistungen ohne 
Angabe ihrer Verwendung; darauf (fol. 22 v. — 25 v.) die Geldleistungen mit 
der beigefügten Bestimmung „zum Licht", endlich (fol. 26 v. — 34 v.) die 
Wachsdienste. 

C. fol. 36 r. — 54 v.: Grundbuch über Dienste an Geld und 
Wein ohne Angabe über ihren Entstehungsgrund (nur in zwei Eintragungen 
auf fol. 40 v, und 43 r. ist Rentenkauf als solcher erwähnt). Durch eine 
Ueberschrift ist dieser Teil nicht hervorgehoben ; aber an seiner Spitze (fol. 35 r. 
oben) steht, eine Art Nota Bene, das Wort „Was. 44 (Auch in B ist auf foL 22 v., 
wo die Aufzeichnung der Wachsleistungen beginnt, dies durch ein „Was man" 
bemerkt, und gleichem Zwecke der Hervorhebung eines neuen Abschnittes 
dient später auf fol. 43 v. ein „Das ist", s. u.) Der Dienst ist ein doppelter: 
an Geld (l Pfennig bis 2 Pfund), hauptsächlich von Weingärten, auch von 
Höfen, Wiesen, Krautgärten, und an Wein (1 Viertheil [Quartal] bis 2 Eimer 
[Urnen]). Die Pfennigdienetpflichtigen sind wieder zu allermeist Einwohner 



*) Seelgeräth ist ganz allgemein das, was man zum Heile der Seele (seiner eigenen oder 
der eines Andern) einer geistlichen Anstalt (Kirche, Kloster) zuwendet, und in diesem Sinne ist 
eine Jahrtagsstiftuag auch ein Seelgeräth, Unser Codex tasst jedoch unter der Rubrik „Seel- 
geräthe** nur solche legata ad pias causas zusammen, welche nicht zugleich gewisse, an bestimm- 
ten Tagen des Jahres zum Gedächtnis eines Verstorbenen abzuhaltende gottesdienstliche Func 
tionen (Seelenmessen, Vigilien etc.) verlangen. 



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1 

m 

156 • 

von Gumpoldskirchen. Wein Zinsen mehrfach Auiwärtige: der herzoglich 
österreichische Kellermeister, der Kämmerer von Heiligenkreuz, Nickel Kreusi 
von der Neustat, Colman an dem Neuniarcht zu Wien, Michel der Premier von 
der Neustat 1 ). — Die Ordnung der Aufschreibungen ist folgende: a) foL 35 r. 
— 43 r. : Pfennigdienste von 60 Pfennig bis 2 Pfund j b) fol. 43 v. — 51 r.: 
Weindienste (an der Spitze von 43 v. zur Hervorhebung : „Das ist") ; c) fol. 
51 v. — 54 v. : kleinere Pfennigdienste von 1 — 12 Pfennig. 

Auf fol. 54 v. steht von der Hand des Textes : „Nota jura montana. 
Wer obfert, der gibt Viii den. von ainem emer, der auffert iiii den." 

D . fol. 55 r. — 60 r.: Verzeichnis der Jahrtage, die der Pfarrer 
von verschiedenen Weingärten zu begehen hat (Ueberschrift auf 
fol. 55 r. : „Vermerkbt : Bchuldig ist zu begen von seineu Weingarten"). Ist im 
Anhange II gedruckt. 

In A, B, C, D (fol. 4 r. — 60 r.) fällt folgende Einrichtung auf : das 
linke Längendrittel einer jeden Seite ist durch vier Vertical- und 14 Horizon- 
tallinien in 39 Felder geteilt, je 13 in jeder der drei Verticalreihen. In diese 
Felder sind bis fol. 16 v. mit roter Tinte Zahlenreihen eingetragen, welche 
jeweils im obersten Felde der ersten Reihe mit 91 beginnen und in der Ver- 
ticalreihe der Felder nach abwärts fortlaufen, um nach Erschöpfung derselben 
auf die zweite und 6ohin auf die dritte und letzte Felderreihe überzugehen. 
Die Zahlenreihen sind von 91 bis 100 ununterbrochen, heben dann mit 1 
wieder an und schliessen auf dem untersten Felde der dritten Reihe mit 29. 
Hie und da ist einzelnen dieser Zahlen ein dt mit schwarzer Tinte beige- 
schrieben (fol. 4r. zu 91-97; fol. 11 r. zu 91—100, 1 und 2; fol. 16 v. zu 
96—100, 4—11 und 22—24). Dass diese Zahlen die Zehner und Einheiten der 
Jahreszahlen 1491—1520 bedeuten, zu welchen durch die Beifügung des „dt* 
(= datum) die erfolgte Abstattung der Jahrtags- oder Seelgeräthschuldigkeit 
resp. des Grunddieastes in dem betreffenden Jahre bemerkt werden sollte (was 
jedoch nur in sehr nachlässiger Weise wirklich geschah), geht daraus hervor, 
dass auf fol. 60 v. eine Aufzeichnung über eine Besitzveränderung an einem 
Weingarten, welcher der Pfarre Gumpoldskirchen jährlich am St. Georgs-Tage 
mit 2 Pfennig grunddienstpflichtig ist, folgendermassen schliesst : „Actum am 

suntag vor sant Jorgen tag 15XXiii. jar. dt. 24 dt. 25 dt. 26 dt * 

und so fort bis 33, je die Zahl mit dem dazu gehörigen dt von einer Haud 
und Tinte. — Damit ist aber auch zugleich die Zeit der Anlage unseres Grand- 
buches fixiert. Auch stimmt der Schriftcharakter vollkommen zu dem ausge- 
henden XV. Jahrhundert. 

E . fol. 60 v. — 61 r.: „Vermerkbt: pharer von akhern und wisen 
dient", Pfennigdienste (von 1—8 Pfennig), die der Pfarrer in die Höfe von 
Gumpoldskirchner Insassen zu reichen hat. 

1 . fol. 61 r. — 61 v. : „Vermerkbt: pfarer dient zu perkrecht": 
an Gumpoldskirchner Einwohner (1 Vierteil bis 1 Eimer), an die Mönche von 
Altenburg (3 Vierteil), den Mauerbachern (5 Eimer vou mehreren Weingärten), 
dem Kämmerer von Heiligenkreuz (2 Vierteil). 

») Es ist wol ein jüngerer dieses Namens, als der in der ersten Anmerkung zu Anh. V 
nr. 20 angeführte. 



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(j . fol. 61 v.: „Vermerkht die Weingärten, so zu der pfarGum- 
polzkirchen gehoeren." Vollständig mitgeteilt im Anhange III. 
fol. 62 r. : Nachträge zu II. 

fol. 62 v.: „Item der zehent zu der pharr ze Gumpolzkirchen 
der Weingärten" (eine Reihe von Namen von Gumpoldskirchner Iniassen 
ohne weitere Bemerkungen). 

H. . fol. 63 r. - 70 v. : „Verinercht wer gber enphacht, aim pfarer 
zugehoerig, anno etc. im andern [1502] jar angefangen": datierte Aufschrei- 
qnngen (c. 1450 — 1566) ü b e r Bes itz Veränderungen an solchen 
Gütern (Weingärten und Wiesen), welche der Pfarre Gumpolzkirchen 
abgabenpflichtig sind, von mehreren oft sehr nachlässigen Händen des 
XVI. Jahrhunderts ; zum grösseren Teile durchstrichen. Die ein und das- 
selbe Grundstück betreffenden Aufzeichnungen stehen nicht immer beisammen. 
— Solche Notizen über empfangene Gewähr an Grund und Boden finden sich 
auch zerstreut auf fol. 49 und 58 (kleine, später eingeheftete Zettel), 60 r. 
und v., 62 r., 99 v. 

Im Anhange IV teile ich zwei Stücke aus diesem Abschnitte in aus- 
führlichem Auszuge mit; das eine gewährt Nachricht über die Niederbrennung 
des Ortes durch die Ungarn im Jahre 1446, das andere ist von Interesse für 
die Bedeutung grundbücherlicher Eintragungen in jener Zeit. — Aus dem 
Uebrigen stelle ich folgendes Verzeichnis der zur Pfarre Gumpoldskirchen grund- 
dienstpflichtigen Grundstücke und ihrer Besitzer zusammen : 

I. Ein Weingarten genannt der Steinfelder, gelegen zu Gumpoldskirchen 
unter dem Paden Weg, mit dem obern Rain angrenzend an Michel Koller, 
Bürger zu Gumpoldskirchen : 1446 Hans am Ort und Lorenz Zechmeister ; 
1527 die Brüder Christof und Dominik Hopfer; 1534 Erhard Kerner, Bürger 
zu Gumpoldskirchen. 

2. Eine Wiesel genannt und die Zwerchwiese, gelegen mit dem einen Rain 
zunächst Paul Dindorfer: 1468 Balthasar Hopfer und Christoph Saxenlander; 
1527 die Brüder Christoph und Dominik Hopfer ; 1534 Erhart Kerner, Bürger 
zu Gumpoldskirchen. 

3. Eine Wiese, in Tberichwiesen bei Gumpoldskirchen gelegen, zunächst 
der Herren von Heiligeukreuz und des Pfarrers von Gumpoldskirchen Wiesen: 
1490 Herr Michel Diendorfer, ein Priester, Sohn weil. Paul Dieudorfers von 
Medling, an jenen gelaugt durch Erbteilung, „all! des ain tailbrief in 
das markpuech zu Medling geschriben ist"; 1545 Georg Hauser, 
Bürger zu Wien; vor ihm Margret, Haus Daufkirchers Hausfrau, weil. Herrn 
Michel Diendorfers Schwester. 

4. Ein Weingarten, genannt in Gartensetzon auf dem Steiufeld, zunächst 
Augustin Walzhofers Weingarten und mit dem andern Rain zunächst des 
Peter Fleischhacker Weingarten : 1490 Jörg Haider und Elisabet seine Haus- 
frau ; 1531 Andre Haidor, Jörgs Sohn ; nach ihm. Hans Mittermaier. 

5. Ein Weingarten, genannt die Gartensetz, zunächst dem Weingarten, 
genannt die Kuehaut : 1491 Hirem (Hieronymus) vom Pfarrhof, „der sich ietz 
nennt Schneperger" und der den Weingarten erlaugt hat mit Erbschaft von 
seinem Bruder Michel vom Pfarrhof und mit Abladung von anderen seinen 
Geschwistern, „alß dan die geweist freuntschatt geschriben ist 



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im marktpuech zu G u rapol zkirchen und die ablasung ligeut 
pei dem grünt puech"; 1545 Pancraz Schützenhofer, Bürger zu Gumpolds- 
kirchen, und Barbara seine Hausfrau ; vor ihm sein Vetter Peter Schützenhofer. 

6. Ein Weingarten , genannt die Kuehaut : 1499 Paul Salomon und 
Dorothea seine Hausfrau, an sie gekommen durch Kauf von Hans Hufnagel, 
der Köm. Kais. Majestät Bergmeister zu Gumpoldskirchen, und Elsbet seiner 
Hausfrau ; 1531 Paul Salomanin von Ober- Walpersdorf, in den Besitz gelangt 
durch Ablösung von ihren Stiefkindern vaterteils ; 1544 Wernhard Zierher und 
Barbara seine Frau zu Ober- Waithersdorf \ 1566 Barbara, Bernhard des Zierhers 
Witwe. 

7. Eine Wiese, gelegen bei Guntramsdorf in der Haid zunächst einer 
Wiese, die man Zechwiese nennt : 1501 Erhard Weinberger zu Guntramsdorf 
und Katharine seine Hausfrau, vorher Hans Freu, Bürger zu Gumpoldskirchen ; 
1523 Christoph Mairhofer und Margret seine Hausfrau von Winstarf (Wieners- 
dorf in der Ortsgemeinde Traiskirchen ; in der sofort zu erwähnenden Auf- 
zeichnung von 1534 heisst er Ch. M. zu L Oesdorf); 1534 Peter Fridl zu 
Pfaffstätten; 1564 Sebastian Gensinger und Helena seine Hausfrau. 

8. Ein Weingarten, in den Aeckern, anrainend an den der St. Michaels- 
Kirche gehörigen Weingarten „Haimendl u , genannt Judenfreithof : 1514 Peter 
Fasziher, Fleischhacker zu Gumpoldskirchen und Margret seine Hausfrau ; 
1528 Michel Semling, Richter zu Gumpoldskirchen, und Margret seine Haus- 
frau ; 1566 Elisabet, Witwe des Wenzel Oesterreicher. 

9. Ein Weingarten, genannt die Gartensetz, mit dem obern Rain zunächst 
Peter Ernreigs, Bürgers zu Gumpoldskirchen, Weingarten: 1515 Matthäus 
Obermaier und Sibylla seine Hausfrau (an die er gekommen ist „mit freier 
ubergab von dem pfarer als reisund guet"). 

10. Ein Weingarten, genannt die Gartensetz im Steinfeld und mit der obern 
Seite anrainend an des N. Daumb, mit der untern an des Meisters Wentl 
Österreicher Weingarten : 1541 Jacob Pfau, Bürger und Nachbar zu Gumpolds- 
kirchen, und Anua seine Hausfrau; vorher Jacobs Bruder Vincenz Pfau; nach 
Jakob dessen Witwe Anna. 

11. Ein Weingarten, genannt der Hauswämpel, und ein Garten dabei : 
1545 durch den Pfarrer Georg Primetz Deutschherrenordens verliehen dem 
Ruepel (d. i. Ruprecht) Müller, Bürger zu Gumpoldskirchen, gegen eine jähr- 
liche Leistung von einem Eimer Most an die Pfarre Gumpoldskirchen. 1549 
zieht Pfarrer Siegraund Zaiser diesen Weingarten wieder ein, weil er vom 
Pfarrer Primetz „unbefuegter weiß und one vorwissen des herren lantcomen- 
theur von der pfarr hindan gelassen" worden. 

12. Ein Weingarten, gelegen in den Gartensetzen und anrainend an des 
Frischherz Weingarten : 1545 Riepel (Ruprecht) Milner und Margret seine 
Hausfrau; vor ihnen Michel Vogel und Elsbet seine Hausfrau. 

13. Ein Weingarten in den Gartensetzen, anrainend an des Ehrenreich 
Weingarten : 1545 Simon Hairaffel und Else seine Hausfrau ; vor ihnen Michel 
Vogel und Else seine Hausfrau. 

14. Ein Weingarten, gelegen in den Gartensetzen und anrainend an des 
Hans Ernreich Weingarten : 1552 Simon Hairaffel, Bürger zu Gumpoldskirchen ; 
1560 dessen Tochter Margret und ihr Hauswirt Hans Wolf, Bürger zu 
Gumpoldskirchen auf der Neustift. 



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J . fol. 71 r. — 72 r. : Bergrechts-Grun dbuch, Verzeichnis dei an 
die Pfarre Gumpoldskirchen zu entrichtenden Bergrechts; nach folgenden 
Rubriken : 

Weingärten, gelegen auf dem Mittern Feld, — auf der Jungen Steingrub, 
— auf der alten Steingrub, — auf dem Steinfeld *), — in den Aeckern und 
Schenken, — im Brundlpach, — in den Swerzkern bei der Roseupeunt, — in 
den Laimgruben, — in dem Aeussern Steinfeld, — in dem Mittern Steinfeld, — 
niederbalb des Dorfs zu Gumpoldskirchen, — zu Hausberg unter Mediinger 
Weg, — zu den Mnlnern, — in der Ried auf dem Steinfeld. 

Bergrechtspflichtig erscheinen ausser zahlreichen Einwohnern von Gum- 
poldskirchen und einem Bürger von Medling : die alte und die neue Zeche zu 
Gumpoldskirchen; Richter und Rath daselbst; die Stifter Klosterneuburg, 
Heiligenkreuz, Lilien feld ; Stephan Gerber von Gars, Pfarrer zu Waltersdorf; 
Meister Jörg Steierecker 2 ) ; Herr Friedrich von Träskirchen; Erasmus der Pon- 
haimer von Wien 8 ). — Die Höhe des Zinses ist nirgends angegeben. 

Fol. 72 v. ist leer. 

K . fol. 73 r. — 97 r.: Diplomatar der Pfarre Gumpoldskirchen 
von 1272—1442, 27 Urkunden, eingetragen von derselben Hand, welche 
A, B, C, D geschrieben hat; eine neuere Hand hat sie mit fortlaufenden Num- 
mern versehen, in deren Reihe jedoch 26 fehlt und 27 vor 25 steht; letzteres 
scheint daher zu rühren, dass die betreifenden Blätter zur Zeit, als die Nu- 
merierung vorgenommen wurde, in unrichtiger Aufeinanderfolge gebunden waren 
und später in die gehörige Ordnung gebracht wurden. 

Im Anhang V gebe ich ausführliche Regesten dieser Urkunden in chro- 
nologischer Folge 4 ). Was in denselben nicht gut Platz finden konnte und zu 
vielfachen Wiederholungen genötigt hätte, stelle ich hier zusammen ; die 
Anhänge I und II sind zur Ergänzung dieses das mittelalterliche Jahr- 
tagswesen beleuchtenden Materiales mehrfach heranzuziehen. 

Der Jahrtag wird auf ein unbewegliches Gut, zumeist auf einen Wein- 
garten „geschafft" (letztwillig angeordnet). Es soll den Weingarten nach 
Abgang des Stifters innehaben und den Jahrtag begehen „das älteste Kind 
oder der nächste Freund (d. i. Verwandter), es sei Frau oder Mann" (nr. 10), 
„der nächste Freund, es sei Frau oder Mann" (nr. 11), „der älteste nächste 
Freund, es sei Frau oder Mann, der unter den Freunden lebt - (nr. 18). Sind 
Kinder und Freunde nicht mehr vorhanden, so soll sich in einem Falle (nr. 2) 
der Zechmeister zu Gumpoldskirchen des Weingarteus unterwinden, und was 
ihm von dem Ertrage desselben über die Kosten des Jabrtags übrig bleibt, 
der Kirche zu Gumpoldskirchen „zur Besserung" anlegen ; oder aber, es sollen 
vier ehrbare zu Gumpoldskirchen gesessene Männer einen biedern Mann aus 

') Selbstrerstindlich ist hier nicht an das Steinfeld um Wiener-Neustadt zu denken. 
„Oberes Steinfeld«, „Steinfeld am Ort» heissen die ltieden, welche nordwestlich an Traiskirchen 
angrenzen. 

*) Georg Steierecker, jor. canon. doctor (regens seit 1144), ein angebehener Kanonist. 
Aachbach, Gesch. d. Wiener Unir. S. 310, 603. 
») 1449- 146 1 Stadtrichter ton Wien. 

*) In der HS. reihen sie sich so aneinander: Anh. V nr. 20, 14, 10, 21, 13, 18, 16, 26, 11, 
19, U 9, 3, 27, 23, 24, 4, 25, 2, 17, 12, 15, 8, 5, 22, 6, 7. 



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der Gemeiude daselbst nach des Pfarren» Rath wählen, der den Weingarten 
innehaben und den Jahrtag begoheu soll, wie er geschafft ist (nr, 10, 11); 
oder endlich, die Verpflichtung den Jahrtag zu begehen ruht ganz allgemein auf 
jedem Besitzer des Gutes (nr. 3, 21). 

Wird der Jahrtag von dem Verpflichteten nicht in der angeordneten 
Weiae begangen, oder wird er gar „verzogen und versessen" ohne des Pfarrers 
Willen und Gunst, so soll in dem Jahr, da das Versäumnis eintritt, der 
jeweilige Pfarrer den Wein auB dem Weingarten fechsen, den Jahrtag davon 
begehen, uud was darüber übrig bleibt, der Kirche zu Gumpoldskirchen anlegen 
(nr. 10, 11); oder es soll sich der nächste Freund (des Verpflichteten) de» 
Weingartens unterwinden nach des Pfarrers zu Gumpoldskirchen Rath und den 
Weingarten inne hahen mit gutem Bau und den Jahrtag davon begehen (nr. 9) ; 
oder bloss, es soll der Pfarrer „netten (nötigen) was Recht ist u (nr. 20). 

Der Weingarten soll weder versetzt noch verkauft werden, weder an 
Juden noch an Christen. Würde ihm „am Bau entzogen", so dass er „baulos" 
zu werden und sein Erträgnis zur Deckung der Jahrtagskosten nicht mehr 
hinzureichen (er „den Jahrtag nicht mehr zu tragen") droht, so sollen die 
nächsten Freunde dazu sehen mit des Pfarrers Rath und sich mit des Iierg- 
herrn Hand des Weingartens unterwinden und in ihre Gewalt fechsen, damit 
der Jabrtag nicht „abgehe" (nr. 9, 10, 11). Einmal (nr. 21) heisst es auch, 
dass der Weingarten in gutem mittleren Bau zu halten ist, widrigenfalls der 
Pfarrer zu Gumpoldskirchen das Recht hat „zu fragen auf selbigen Weingarten, 
und zu behaben (behalten, behaupten) und der Kirche zu Nutz ewiglich zu 
bauen und den Jahrtag zu begehn." 

Bezüglich der Art und Weise der Begehung des Jahrtages findet in den 
meisten Fallen Berufung auf die örtliche Gewohnheit statt („als des Gottes- 
hauses zu Gumpoldskirchen Sitte und Gewohnheit ist 4 *, „nach des Aigens 1 ) 
Gewohnheit zu Gumpoldskirchen", „als daselbst zu Gumpoldskirchen Jahrtage 
zu begehn sittlich und gewöhnlich ist", auch allgemein „als sittlich und 
gewöhnlich ist"; nr. 8, 15, 18, 20, 21, 22). Nähere Erklärung erhalten diese 
örtlichen Gewohnheiten durch die zumeist beigefügte Anordnung einer Vigilie 
am Vorabend des Jahrtages („des Nachts") und einer gesungenen oder gespro- 
chenen Seelenmesse an dem Jahrtage selbst („des Tages"; nr. 8, 10, 11, 18, 
19, 20, 21), wobei einmal (22) auch die Zahl der anzuzündenden Kerzen (vier) 
bestimmt wird ; auch findet sich die Verfügung, dass der Pfarrer am Vor- 
abende des Jahrtages und am Abende desselben „über das Grab gehn" und 
Tags die Seelenmesse halten soll (nr. 13, 19). 

Für die Begehung des Jahrtages werden (in die Pfarre) gereicht: Brot, 
Wein und Fleisch (nr. ; später näher bestimmt: drei Wecken aus Weizen- 
mehl, ein Eimer Wein aus demselben Weingarten oder ein anderer, der eben 
so gut ist, uud ein guter Rindsschlogel (nr. 9, 10, 11) ; noch später wird auch 
der Wert fixiert, den Brod und Fleisch haben müssen: drei Weizenmehl wecken, 
die 30 Pfennig, und ein Rindsschlegel, der 60 Pfennig wert ist (nr. 18, 20, 
21). Ausserdem erhalten der Gesellpriester (Cooperator) und der Schulmeister 
je 12 Pfennig (nr. 10, 11, 18, 19, 20, 21) uud für das Läuten entweder der 



') i)ats Wort Aigen begegnet in österreichischen Urkunden vielfach in der Bedeutung von 
Dorf, Markt. Den vorhandenen Glossarien entgeht dies. 



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„Schüler« (nr. 18) oder der Schulmeister (nr. 20) 4 Pfennig. Endlich heisst 
es auch ganz allgemein, dass dem Gesellen, dem Schulmeister und dem Messner 
„jeglichem sein Recht, als daselbst (zu Gumpoldskirchen) andere Jahrtage zu 
begehn Sitte und Gewohnheit ist", zu reichen sei (nr. 22). 

An dem Jahrtage ist regelmässig auch den „Armen Leuten" (s. Anh. I 
ol. 4 v.), so viel ihrer dahin (nach Gumpoldskirchen) kommen, Almosen zu 
spenden, und zwar Jedem ein „hällerbert prot und ein hällerbert wein, als 
die weil vail ist" (nr. 9) ; später heisst es allgemein : Wein und Brot (nr. 10, 
11, 18, 20). - 

Fol. 97 v. ist leer. 

Jj . fol. 98 r. und v. : Verschiedene Notizen geringeren Interesses. 
Darunter (fol. 98 r.) : „Vermercht die prief, die da ligunt in der lat sant Pan- 
grazeu zech 8 (11 Stück, betreffend das Zechhaus und verschiedene Weingärten 
Mos mit dem Betreffe in kürzester Fassung augeführt). 

Fol. 99 r. und v. : Nachträge zu H. 

Fol. 100-102: leer. 



Zum Schlüsse stelle ich die Gumpoldskirchner Pfarrer zusammen, welche 
in dem Grundbuche bezeugt sind : 

1314 Albrecht, Anh. V nr. 2. 

1334 Ulrich, ebd, nr. 3, 4. 

1358, 1361 Johann, ebd. nr. 7, 8. 

1370-1372, 1375 Ulrich, ebd. nr. 13-10, 19. 

1376 Ludolf, ebd. nr. 21. 

1382 Ulrich, ebd. nr. 22. 

1411, 1413 Wolf hart, ebd nr. 23, 24. 

1415 Wolfgang, ebd. nr. 25. 

1423 Friedrich, ebd. nr. 26. 

1442 Stephan Trachter, ebd. nr. 27. 

1544, 1545 Gregor Primetz, Anh. IV nr. 2; fol. 64 r. 

1549 Siegmund Zaiser, fol. 64 r. 

1552 Sebastian Pursch, fol. 69 r. 

1556 Georg Perg, fol. 70 r. 

1560 Siegismund Morl, fol. 69 r. 

(Fortsetzung und Scbluss folgen.) 



Die Ostmark unter Leopold dem Preigebi«en. 

Kritisch-historische Beiträge zur Gründungsgeschichte Oesterrreichs von Pro- 
fessor Ambros Heller. 
Die Bilder heitern Lebens, welche uns die letzten Jahre Leopold des Hei- 
ligen darbieten, verschwinden bald nach seinem Tode; dafür entfalten sich 
aber die Fruchte dessen, was er gesäet in der Erhebung seiner Söhue. 
Darüber erhielt Leopold (geb. 1. Jän. 1108), wie es schon zu Lebzeiten seines 
Vaters bestimmt worden war, mit Uebergehung des älteren Heinrich die 
kaiserliche Bestätigung im Jahre 1137, ohne dass der neue Markgraf, scheint 



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162 



es, sie persönlich nachgesucht hätte; wenigstens sind yon diesem Jahre, in 
welchem der Kaiser fortwährend in Italien war, noch drei Urkunden erhalten, 
die ihn als Markgrafen, anwesend in Oesterreich, bezeugen 1 ). 

Seine nächste Sorge, die auch seinen edlen Charakter zeigt, war, die 
von seinem Vater angefangenen Stiftungen in dessen Geiste ganz auszufuhren: 
Trumau schenkte er an das Kloster Heiligenkreuz *), in Baden bestätigte er 
die Schenkung, welche seine Mutter an Mariazell gemacht hatte, und gab mehreres 
an Klosterneuburg. 

Aber während er die Mark friedlich verwaltete, in genauer Verbindung 
mit seinen Brüdern — den Hohenstaufen — verharrend, geschah im Reiche 
eine Veränderung, welche es lange beschäftigen und auf Oesterreichs Stellung 
einen entscheidenden Einfluss haben sollte. Kaiser Lothar kehrte im Herbst 
1137 vom italienischen Feldzug zurück und erlustigte sich zu Trient noch am 
St. Martinsfest; schon dort fühlte er sich unwohl, setzte aber doch seinen 
Weg nach Würzburg fort, wo ihn die deutschen Fürsten erwarteten; so 
kam er bis zu einem armen Dorf im Gebirge zwischen dem Inn und Lech 
— vermutlich Breitenwang bei Reut, eine Meile ober Fussen") — dort endigte 
er in einer schlechten Hütte sein Leben, und die Frage, wer sein Nachfolger 
werden sollte, setzte sofort ganz Deutschland in Bewegung. Lothar selbst 
hatte durchsetzen wollen, dass noch bei seinen Lebzeiten sein Schwiegersohn, 
Herzog Heinrich der Stolze von Baiern, erwählt Würde, und darüber auch 
mit dem Papste Innocenz verhandelt; Heinrich hatte auch den Kaiser auf 
dem Zuge, welchen er gegen Roger nach Apulien unternam, begleitet, von 
diesem zu Baiern auch das Herzogtum Sachsen, dann auf dem Zuge auch die 
Markgrafschaft Tuscien erhalten und noch auf dem Sterbebett ebestätigte er ihm, 
als einem Enkel des 1106 verstorbenen Herzogs Magnus von dessen Tochter 
Wulfhilde, Sachsen. 

Bei so ungemessener Vergrößerung konnte sich der Stolze rühmen, 
seine Macht reiche vom Meer bis zum Meer, von der Ostsee bis zum Mittel- 
meer 4 ). Endlich nam er von dem sterbenden Kaiser auch die Reichs- 
insignien in Verwahrung. Aber Sachsen beanspruchte sogleich Albrecht der 
Bär, als Sohn der andern Tochter des Herzogs Magnus, der Eilika, und 
da die verwitwete Kaiserin Richenza auf den 2. Febr. 1138 einen Reichs- 
tag nach Quedlinburg ausgeschrieben hatte, um ohne weiters ihren Schwieger- 
sohn wählen zu lassen, verhinderte Albrecht diesen Tag mit Gewalt. Darauf 
wurde auf Pfingsten (den 22. Mai) ein Wahltag nach Mainz ausgeschrieben; 
aber viele Fürsten setzten aus Besorgnis, dass Heinrich diesen Tag mit »einer 

») Nämlich der Brief Innocenz II* die Urkunde Jasomirgott« über Mariazell, worin er 
Ton dem in der Familie entstandenen Unfrieden spricht, und seine Urkunde über die Wienerkirchen. 
Noch existieren andere Urkunden desselben Jahn*, die ihn als Markgrafen zeigen. Meiller S. 
24. 25. 

») Heiligenkrenz besass (S. Koller) auch Baumgarten nächst dem Marchfelde ; ?o« 
Gütern, welche es im V. 0. M. B. besass, ist keine Spur übrig. Dort hatte es z. B. Gschwend bei 
Z.wetl mit einer Mühle, die schon 1187 erwähnt wird und dann durch Kauf an Zwetl kam. Auch 
die Kuenringe teilten manchmal ihre Freigebigkeit zwischen Zwetl und Heiligenkreuz. G. 
Friess, a. a. ü. 

») S. Bosch manu und Hob's, dessen Note zu Mon. Guelph. 8. S. — S. Chron. inc. Auct. 
bei Canis-Basnage III. 269. 

«) Otto Fris. Chron. VII. 23: „Cuius auetoritas, ut ipse gloriabatux, a man usqne ad 
mare, id «st a Dania usque in Siciliam extendebatur." 



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163 

Macht überwältige — da er sich übrigens auf dem italienischen Zuge alle 
Herzen entfremdet hatte und auch jetzt zu stolz oder zu sicher war, sich zur 
Kunst des Bewerbers herabzulassen — unter Leitung des Erzbischofs von 
Trier Albero und des Kardinallegaten Dirtwin, eines gebornen Schwaben, 
einen Tag in der Mitte der Fasten (den 7. März ') fest, wo sie zu Koblenz 
zusammen kamen und den Hohenstaufen Konrad, den Halbbruder des öster- 
reichischen Markgrafen, zum König wählten, zwar einseitig und gegen die Form; 
doch ward er fast von allen Fürsten anerkannt, zuerst zu Ostern, wo sie auf den 
Fürsten tag zu Köln zusammen strömten ; dann aber berief er einen allgemeinen 
Fürstentag auf PfiDgsten nach Bamberg zur Huldigung. Dort erschienen die Völker 
und Fürsten, hier die Sachsen und die Kaiserin Richeqza, dort auch der Herzog 
Sobieslaw von Böhmen, welcher ihm huldigte und das Recht erhielt, dass sein 
Sohn Wladislaw noch im Knabenalter als Nachfolger in Böhmen erklärt würde; 
Konrad übergab ihm die herzogliche Fahne und liess die anwesenden Grossen 
des Herzogtums auf Reliquien die Treue schwören. Auf diesem höchst glanz- 
vollen Reichstage war auch Leopold von Oesterreich zugegen 8 ), des 
Königs Halbbruder und des böhmischen Herzogs Schwiegersohn'; denn dessen 
Tochter Marie war Leopolds Gemahlin, seit wann? ist unbekannt. 

Herzog Heinrich aber und mit ihm die Mehrzahl der baierischen Grossen 
verschmähten es, auch auf diesem Tage zu erscheinen; auch lieferte er die Reichs- 
kleinodien nicht aus. Vom bairischen Adel standen wenige auf des Kaisers Seite, 
ausser den mit ihm verschwägerten Sulzbachern, da er seit 1135 mit Gertrude, 
der Schwester des Markgrafen Gebhard, vermählt war, so wie dieser hinwieder- 
um die Mathilde, Schwester Heinrichs des Stolzen, zur Frau hatte. 8 ). Da 
wurde dem Herzog auf Peter- und Paulsfest "in Mitte Baierns — in Regens- 
burg — ein Tag angesagt und unterdessen Nürnberg eingenommen. An jenem 
Tage übergab er zwar die verwahrten Kleinode*), doch wurde er wegen seiner 
Reichslehen auf einen Reichstag nach Augsburg beschieden; dort erschien er 
mit seinen Vasallen und einer bedeutenden Kriegsmacht und lagerte sich gegen- 
über der Stadt, am rechten Lechufer stand in der Stadt der König. Durch drei 
Tage wurde verhandelt: der König blieb dabei, es sei unerlaubt, dass ein 
Fürst zwei grosse Reichslehen — zwei Herzogtümer — habe, auch Tusciens 
Mark kam zur Sprache; aber der Herzog wählte, ehe er etwas aufgab, die 
zweifelhafte Entscheidung der Waffen. Seine Anhänger waren bereit, sogleich 
loszubrechen ; der König, welcher die Gefahr merkte, gieng nach dem Abendmale 
scheinbar in sein Schlafgemach, aber insgeheim befahl er, Pferde herbeizuschaffen, 
und ohne sich von den Fürsten zu beurlauben, sprengte er gegen Würzburg. Dort, 

*) 8. Jaffe „Konrad III." S. 5. Not. 16. 

») Er ist unter den Zeugen einer an St. Blasien verliehen un Immunität (Herrgott, geneal. 
gent. Habsburg. T. II. 8. 209). Die Zeugen sind: zuerst 13 BiBCüöfe, dann Willelmus Palatinus 
Comes, Uodalricus dux Boemiae, Friedericus duz, Cunradus duz Burgundiae, Adalbertus Marchio 
(der Bär), Lepoldus Harchio, Engilbertus Marchio (von Istrien), üdalricus dux Carinthiae, 
Cunradus Marcbio de Witnin, Gebhardus Comes de Sulzbach, Poppo comes de AudesBe, ConradoB 
de Hsgin u. b. w. 

») Sie hatte in erster Ehe Diepold, Markgrafen Ton Vohburg, geheirathet, in zweiter Geb- 
hard von Sulzbach. 

*) Anonym. Weingart, (bei Hess II. 34.) : „Quo (nach Begensburg) veniens regalia qnidem, 
multis illectn8 promissis, reddidit, sed ad ea, quae ulterias inter eos tractanda erant, dies ei in 
brevi post Auguste describitur." Dodechin 1138: „Legati a rege ad Henricum Hncem Baioariae 
directi Ratisbbnae aeeeptis regalibus regi occuxrant", als ob sich Heinrich vor der Ankunft des 
Eönigs wieder entfernt hatte. 



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16-4 



all einige Fürsten nachgekommen, ward Heinrich in die Acht erklärt und ihm 
(lau Herzogtum Sachsen abgesprochen, welches zu Weihnachten zu Goslar dem 
Markgrafen Albrecht dem Bären yerliehen wurde; aber durch der Kaiserin 
Eichenza wie durch Heinrichs Bestreben brach ein innerer Krieg aus. 

Von Sachsen gieng der König im Febr. 1139 nach Baiern und über- 
g-ab dieses Herzogtum seinem Halbbruder, dem österreichischen 
Markgrafen, nach dem deutlichen Erzählungsgange des Bischofes Otto von 
FreiBiug im Laufe des Februar oder März 1139; eine nähere Bestimmung ist 
nicht aufzufinden '). 

Der neue Herzog begleitete den König auf seinem Feldzug gegen Sachsen, 
welcher um den 25. Juli begann *); bei Hersfeld an der Fulda stieas auch 
der böhmische Sobieslaw zu ihneu. In der Hälfte Augusts geriethen die Heere 
an der Werra an einander"); aber die Bischöfe traten auch diesmal — wie 
früher 110G geschehen — dazwischen und verhinderten den Bürgerkrieg: die 
Waffen sollten bis künftige Pfingsten ruhen, die Fürsten von Sachsen aber 
am nächsten 2. Febr. auf dem Tag zu Worms erscheinen*). 

Von Sachsen zurückgekehrt begleitete Leopold den Kaiser nicht ferner; 
auf keiner der späteren Urkunden erscheint mehr sein Name. Er brauchte 
Zeit, sich in seinem neuen Herzogtum fester zu setzen. Fast alle Grosse des- 
selben — Einige hatten sich nur nach Sachsen zu Heinrich begeben 6 ) — versam- 
melten sich aus Neigung oder Furcht um ihn ; zuerst unterwarf er Regens- 
burg seiner Abhängigkeit, dann durchzog er mit gesammeltem Kriegavolk das 
obere Baiern und kam bis an den Lech, Augsburg gegenüber. Dort*) hielt 
er als Landesherzog durch drei Tage offenen Landtag; dort verlor er (durch 
einen Angriff Welfs scheint es) auch einige Leute und kehrte schnell nach Regens- 
burg zurück'); denn Heinrich hatte in Sachsen so sehr die Oberhand erhalten, 
dass er Albrecht den Bären zum König zu fliehen zwang und sich auch rüstete, 
um in Baiern dem neuen Herzog zu begegnen. Zu Quedlinburg hielt Heinrich noch 
eine Versammlung, daselbst überfiel ihn aber plötzlich eine Krankheit und raffte ihn 



•) Otto Fr i sing. VII. 23: „Conradus rex Baioariara ingreBSua Ducatura Leopoldo juniori 
tradidit. Proxima media quadragesiraa (d. i. den 29. März jenes Jahres) synodua maxima circiter 
M. episcoporum Komana« celebratur." Der Anon. Weingart. S. 35. widerspricht dieser Angabe i» 
nichts. Jaffe S. 23 und 21 wt ist den Aufenthalt Am Königs vom 20. Mai bis 19. Juli in Weissen- 
burg, Strassburg, Würzburg und Nürnberg nach und scbliesst. Konrads Aufenthalt in Baiern und 
die Verleihung an Leopold gehöre zwischen deu 3. Juni und 25. Juli. Auch wir leugnen nicht, 
dass Konrad damals wiederum in Baiern gewesen sei, mussten aber die Behauptung aufrecht 
halten, dass die Verleihung dieses Herzogtums an den österreichischen Markgrafen bereits früher 
stattgefunden habe. 

») Leopold ist der erste weltliche Zeuge einer zu Uersfeld dem Kloster Volkerode gege- 
benen Urkunde: .Facta est autetn haec venditio in loco Hersfeldensi in expeditione, quam haboit 
Rex adversus S&xonee anno dnininicae. incarn. 1136. Indictione IL, anni vero regni ejus IL 4 * Unter 
den weltlichen Zeugen ist nach Adalbertus, dux Saxonie, und auch Uebehardus comes de Sultze- 
hach (Origg. üuelph. II. 542.) 

J ) Zu Kreuzberg in Thüringen. Annal. Saxo ad 1139. Helmold L 56. 

«) Act. Trevir. Annal. Saxo. Annal. Bosov. 

»J An. Wein gart. S. 35. 

«) Wahrscheinlich zu Friedberg (sagt Huschberg „üeseh. v. Wittelsb. 4 * S. 405). Es wa 
der dortige Lechrain ein altes Besitztum der Weifen. 

') Collecto milite snperiores partes Bauariae usque ad Licnm pertransiens missis aliquot 
de suis festinanter rerertitur. An. Weingart. 



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m 



in jähem Tode weg (20. Okt.). Er ward im Kloster Lutter an der Seite seines 
kaiserlichen Schwiegervaters bestattet; die Sachsen erhoben sich nun für seinen 
zehnjährigen Sohn Heinrich, später „der Lowe" benannt. 

(Fortsetzung folgt.) 



Germanische Wohnsitze und Baudenkmäler in Niederösterreich. 

Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen im Jahre 1874. 

Von Dr. Matthäus Much. 

(Fortsetzung.) 

Die Episode, welche sich durch den Bau und die Zerstörung des Römer- 
kastelles und die Errichtung der Tumuli in der quadischen Festung abspielte, 
ist nur ein Stück ihrer Geschichte, und wir wissen noch nichts über ihre Ent- 
stehung und ihr Ende. Indes geben auch hier einige Umstände annähernden 
Aufschluss. 

Um eine vollkommene Einsicht in den inneren Bau des Walles zu be- 
kommen, grub ich einen natürlich verhältnismässig winzigen Teil desselben 
ab. Hierbei stiess ich auf zahlreiche Wandbewurfstücke, insbesondere aber 
auf unzählige Topfscherben und 27 Stück sogenannte Webstuhlge- 
wi cht e. Die Topf8cherben lagen in Haufen über- und in allen Grössen und 
Formen bunt durcheinander, dazwischen ganze und gebrochene Gewichte, aber 
weder Knochen noch sonstige Reste. Die Scherben waren zum Teile zusammen- 
gehörig und mitunter in recht grossen Stücken da; die Webstuhlgewichte 
kamen zum Teile ganz, zum Teile schon in Bruchstücken auf den Platz, 
was sich daraus ergiebt, dass die zusammen gehörigen Stücke nicht auch bei- 
sammen, sondern an verschiedenen Stellen lagen, wälrrend die ganzen Stücke 
sich als solche erwiesen, die durch den Brand verzogen, somit fehlerhaft waren 
und darum beseitigt worden sind. Aus der genauen Beobachtung dieser Um- 
stände ergab sich, dass in der Nähe dieses Ortes ein Töpfer gewohnt haben 
musste, der die Scherben der bei der Erzeugung misslungenen oder zerbrochenen 
Gefässe und Gewichte bei Auffuhrung des Walles mit auf denselben warf, wo 
sie beim Brande des Walles ein zweites Mal mit gebrannt wurden. 
Dass dieses wirklich so ist, geht daraus hervor, dass die Scherben zum grossen 
Teile mitten in der rotgebrannten Erde des Walles steckten, dass die Erde 
an mehreren Scherben durch den Brand angefrittet wurde, ja dass einzelne 
derselben, die der Feuereinwirkung mehr ausgesetzt waren, blasig und schlackig 
aufgetrieben sind. Die Beschaffenheit der Gefässe wird uns somit sichere 
Anhaltspunkte zur relativen Bestimmung der Zeit geben, in welcher der Wall 
erbaut worden ist. . 

Die Scherben gewähren beim ersten Anblicke ein rohes derbes Aussehen, 
zum Teile wegen der angebackenen Erde, zum Teile wegen der eigentüm- 
lichen Verzierung, die aus nebeneinander laufenden Furclien besteht, welche 
mit den Fingern oder einem mehrzinkigen Werkzeuge von unten nach oben 
um den ganzen Umfang des Gefässes gemacht wurden. Eine andere schon oft 
beschriebene Art der Verzierung besteht aus einer um das Gefäss- gelegten 



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166 



etwa tingerdicken Wulst, in welche in gleichen Abständen Eindrucke mit dem 
Finger gemacht sind, die sich manchmal auch zugleich am Rande des Gefässes finden. 

Beide Ornamente kommen in allen urgeschichtlichen Ansiedlungen 
Nieder-Oesterreichs sehr zahlreich vor, und es ergiebt sich aus ihnen ein nicht 
zu verkennender Zusammenhang untereinander. 

Die Scherben lassen auf Gefasse verschiedenster Form und Grösse 
schliessen, auf solche mit steiler Wandung oder weiter Ausbauchung, auf Ge- 
fässe von VJ t Cm. bis zu 60 Cm. inneren Durchmesser, eine Mannigfaltigkeit, 
wie sie auch anderwärts überall zu finden ist. 

Abweichend ist dagegen, dass das Material selbst der grössten Gefasse 
weitaus gleichförmiger ist, die sonst sehr bedeutende Beimischung von Quarz- 
sand fehlt oft ganz; die meisten Scherben haben innen und ausseu einen aas 
geschlämmt lt Thonerde und offenbar mit noch irgend einem Zusätze bereiteten, 
ziemlich harten, oft fein geglätteten Beschlag von wachsartigem Glanz und 
mildem angenemen Anfühlen. Trotz des nicht zu verkennenden entwicklungs- 
mässigen Zusammenhanges in der Erzeugung der Thonwaaren ist demnach in 
Stillfried gegenüber den anderen urgeschichtlichen Ansiedlungen Nieder-Oester- 
reichs ein bedeutender Fortschritt wahrzunemen, die Bearbeitung zeigt sich 
als eine sorgfältigere, das Brennen als leichter und vollständiger. Es mochte 
dieser Fortschritt dadurch herbeigeführt worden sein, dass die Erzeugung der 
Topferwaare nicht mehr in jedem Haushalte betrieben wurde, sondern, wie sich 
in Stillfried deutlich zeigt, zum Gewerbe geworden war. 

Nur in der Ansiedlung auf dem Uaselberge bei Eichenbrunn, deren 
ich in meinem zweiten Berichte über die urgeschichtlichen Wohnsitze in Nieder- 
Oesterreich *) gedachte, habe ich fast an allen Gefässscherben einen solchen 
Fortschritt der Töpferei gefunden; sonst nur Spuren oder Anfänge desselben. 

Es ergiebt sich somit aus diesem Zustande der Gefasse, beziehungsweise 
aus der vervollkommneten Erzeugungs weise derselben, dass die Erbauung der 
Wälle von Stillfried, gleich der Ansiedlung auf dem Haselberge in eine viel 
spätere Zeit fällt, als die der übrigen bis jetzt bekannteu urgeschichtlicheu 
Ansiedlungen in Nieder-Oesterreich. 

Noch näher einer relativen Zeitbestimmung führen uns Bruchstücke 
eines Gefasses aus feiner roter Thonmasse, einer Urne mit fast senkrechtem 
sich nach abwärts nur wenig erweiterndem Halse und starker gerifelter Aus- 
bauchung, die sich unvermittelt zur Basis zusammenzieht. (Fig. 2.) 

Ihre Form entspricht einerseits dem Typus der Gefasse aus der Byciacala- 
Höhle*), andrerseits genau einem Thongefässe des Hallstätter Grabfeldes, ja 
eine in meinem Besitze befindliche Scherbe einer Hallstätter Urne gleicht 
denen aus dem Brand walle in Stillfried bis zum Verwechseln 3 j. 

•») Mitt. der anthrop. Oes. II. B., 3. 129. 

») Ks ist sehr zu bedauern, dass Dr. Wanke 1 mit den verkeissenen näheren Mitteilungen 
aber die so überaas merkwürdigen and wichtigen Fände in der Byäiscala-Höhle so lange zurock- 
hält, and ich beklage es, dass mir dadurch die Möglichkeit entzogen ist, inniger an dieselben an- 
zuknüpfen. 

3 ) Dnrch die Funde, welche in neuester Zeit in Mähren durch Dr. Wankel, in Niedei- 
Uesterreich durch mich gemacht worden sind, erhält das berühmte Grabfeld Ton Hallstatt, durch 
welches eine frühere Kulturperiode in einzig grossartiger Weise repräsentiert wird, und de*«n 
epochemachende Beschreibung durch Freiherrn von Sacken erhöhte Bedeutung; wir Späteren siii 
durch diese in unverrückbaren Zügen wie in eine eherne Tafel gegrabene Darstellung in der 
glücklichen Lage, unmittelbar an dieselbe anknüpfen zu können, was den Ausdruck unseres tiefst» 
Dankes erheischt. 




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167 



Die Erbauung der Stillfrieder gebrannten Wälle kann 
d alier in keLneältereZeit fallen, als indie Periode dieser beiden 
grossartigen Grabstätten. 



Masse, wie wir sie in den mehrer wähnten alten Absiedlungen Nieder-Oesterreichs 
antreffen; sie zeigen, wie die Gefässe aus dem Walle, in jeder Richtung 
einen bedeutenden Fortschritt, der sie in eine Zeit stellt, die ebenfalls nicht 
älter sein kann, ah die Fundstätten von Hallstatt und der Byciscala-Höhle. 

Hiemit ist ferner in Uebereinstimmung der Umstand, dass ich bis jetzt 
nirgends in der ganzen grossen Ansiedlung ein bearbeitetes Steingeräth gefun- 
den, trotzdem ich an vielen Stellen nachgegraben habe; ja es lässt sich jetzt 
schon behaupten, dass auch bei fortgesetzten Grabungen kaum ein bearbeitetes 
Steingeräth, oder doch nur äusserst wenige zum Vorschein kommeu werden, 
weil gleichzeitig auch die grossen Schleifsteine gänzlich fehlen 1 ). 

Von nicht bearbeiteten Steingeräthen fand sich ein einziger Behuustein, 
der zum Absplittern von Feuerstein gedient hat, von welch' letzterem auch 
einige Splitter aufgelesen wurden. 

Diese können jedoch die Ansiedlung keineswegs in eine ältere Zeit 
hiriaufrücken, da ja, wie bekannt, nicht selten Gräber mit Eisengeräthen auf- 
gedeckt worden sind, deren Boden mit Feuersteinsplitteru bestreut war. 

Es ergiebt sich also auch aus den übrigen Funden, dass die 
Gründung der Stillfrieder Ansiedlung in eine Zeit fällt, in 
welcher der Gebrauch vo n Werk zeugen aus Stein längst vorüber 
war, und dass sie frühestens in die Zeit der Kulturperiode von 
Hallstatt und der By ciscala-Höhle gesetzt werden könne. 

Auch die Frage, wie lange die Stillfrieder Ansiedlung godauert habe, 
lässt sich nur relativ beantworten. Auf der ganzen Oberfläche kommen zahl- 
reiche Scherben von Gefässeu zum Vorschein, die auf der Töpferscheibe erzeugt 

*) Zwischen den eigentlicheil Steinwerkzeugen und derlei grossen Schleifsteinen (nicht 
aber den kleineren Wetzsteinen) besteht ein untrennbarer Zusammenhang, denn diese sind zur 
Erxeugung der ersteren unentbehrlich, darum findet man in allen Ansiedlungen der jüngeren 
Steinzeit Schleifsteine in so auffallend grosser Zahl und darum kann man umgekehrt von dem 
Vorhandensein derselben mit Sicherheit auf den Gebrauch der Steingerätbe schliesseu. Werkzeuge 
auB Bronze und Eisen dagegen sind wenigstens hier in Stillfried, wie heute noch die Sensen, 
vorerst mit dem Hammer gedengelt und dann vielleicht noch mit kleineren Wetzsteinen gesctiliffon 
worden. 




Fig. 2. 



Hiemit stimmen nun 
auch alle Funde auf 
dem übrigen ausgedehn- 
ten Räume vollkommen 
überein, so dass auch 
der Beginn der Ansied- 
lung der Erbauung der 
Wälle nur eine verhältnis- 
mässig sehr kurze Zeit 
vorausgegangen sein kann. 
In den auf der ganzen 
Ansiedlung zerstreuten 
Gefäs8scherben findet sich . 
nur selten mehr jene rohe 



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168 

worden, hart und klingend sind, meist ein gleichmassiges Gefüge haben, jedoch 
nirgends Spuren einer Glasur zeigen. Viele Scherben sind vollkommen identisch 
' mit solchen, welche Felix vonLuschan auf dem Boden der alten Vindobona 
zwischen römischen Ziegeln und behauenen Bausteineu sammelte, so wie mit 
den meisten Scherben der Ansiedlung auf dem Leisser Berge, von dessen rö- 
mischem Kastelle noch die Rede sein wird, endlich sind manche dieser Scher- 
ben mit jenen von Carnuntum auffallend ähnlich. Ornamente sind sparsam an- 
gebracht und sehr einfach; mit einem mehrzinkigen Gcräthe eingedrückte Punkte 
und die Wellenlinie sind das äusserste der Kunstleistung. Am Rande der Ge- 
wisse fiuden sich Zeichen, unter anderen ein Kreuz, das auf das Christentum 
gedeutet werden könnte; da indes auch ein hammerartiges Zeichen darunter 
ist, so Hesse dieses wieder einen Bezug zu Thor annemen, doch sind diese 
Zeichen sehr verschiedenartig, haben jedenfalls keinen symbolischen Bezug und 
sind lediglich als Töpferzeichen zu betrachten. 

Ist hiedurch nachgewiesen, dass die Ansiedlung bis in die Zeit des Ge- 
brauches der Töpferscheibe gedauert habe, so lässt ein anderer Umstand noch 
eine weitere Bestimmung zu. Merkwürdiger Weise befindet sich nämlich die 
Pfarrkirche der Orte Stillfried und Grub ganz isoliert und vereinsamt auf 
dem höchsten Puukte der alten Ansiedlung, kein anderes Wohngebäude, auf- 
fallender Weise selbst weder Schule noch Pfarrhof, sind in ihrer Nähe. Wir 
haben also hier wieder eine ganz ähnliche Erscheinung, wie bei den Ansiedlun- 
gen auf dem Michelsbe rg e uud auf dem Leisser Berge wo sich eben- 
falls nur die Kirchen aus der Zeit der alten Ansiedlung erhalten haben. Es 
lassen sich nur zwei Gründe denken, welche dazu veranlasst haben konnten, 
die Kirche vom Orte entfernt auf einem allem Unwetter ausgesetzten Punkte 
zu bauen, und zwar weil entweder zur Zeit der Gründung der Kirche (natür- 
lich nicht des jetzigen Gebäudes) die Ansiedlung noch auf der Anhöhe bestand, 
deren Bewohner sich erst später in die Niederung hinabgezogen und sich da 
angesiedelt haben, oder weil schon zur Zeit des Heidentums die Stelle, auf der 
die Kirche steht, ein geweihter Platz gewesen ist, der, wie daa ja auch sonst 
häufig geschehen, zur Errichtung einer christlichen Kirche benützt wurde. Für 
die letztere Anname hssen sich jedoch hier gar keine Gründe ausfindig machen, 
es scheint vielmehr die Tempelstätte, wenn ich mich so ausdrücken darf, bei 
den Tumults gewesen zu sein, was ich später zu begründen versuchen werde. 
So lässt sich wol ohne Bedenken annemen, dass unsere Ansiedlung, wie einer- 
seits bis in die Zeit des Gebrauches der Töpferscheibe, so anderseits bis in 
die des Christentums gedauert habe. 

So geeignet der Platz in der Zeit des Kampfes und Streites gewesen ist, 
so wenig mochte es den späteren Bewohnern, als der Schutz der Gesellschaft 
auch ohne Wälle und Gräben sich geltend machen konnte, behagen, auf der 
quellenlosen, dem Windanfalle preisgegebenen Höhe zu bleiben; wahrscheinlich 
siedelten sie sich nach und nach in den ruhigeren Thaleinsclmitten am Fusse 
der Hochfläche an, wo heute die beiden Orte Stillfried und Grub liegen, vielleicht 
war auch eine durch Feuersbrunst oder Krieg verursachte Zerstörung des Ortes 
Ursache allgemeinen Auszuges. 

Noch lebt die Erinnerung an jenes alte Stillfried in den Bewohnern der 



«J Mitt. der authrop. Ües . B. H, S*. 118 u. 125. 



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169 

beiden neueren Orte fort; sie erzählen von einer grossen Stadt, die noch weit 
über diese Orte hinausgereicht und „St. Georgen in der Grünau" geheissen 
hätte l ). 

So wenig indes diese Erinnerung über das Wesen des Ortes sagt, in 
so überraschend schöner Uebereinstimraung st*ht der Name zu demselben. Zum 
ersten Male dürfte er im Jahre 1045 urkundlich erscheinen, und zwar in einer, 
der heutigen schon ziemlich nahen Form, als Stillefrieda. Es wird wol 
kaum einen ernsten Forscher geben, der dieses Wort als gleichbedeutend mit 
stillen Frieden halten würde; es liegt dem Gruudworte vielmehr das ahd. 
frido zu Grunde, in der Bedeutung des Schutzes, der Ein fr iedung, des ein- 
gefriedigten Raumes, gerade so wie in unserem heutigen Friedhof, das 
nicht Hof des Friedens, sondern eine eingefried igte Stätte der Gottesverehrung 
bedeutet, in welcher auch Bestattungen von Leichen vorgenommen werden. Das 
Bestimmungswort des Namens „Stille" steht unserem heutigen Worte Stiel 
am nächsten, das allerdings nicht in seiner gegenwärtigen Bedeutung einer 
Handhabe, sondern in der ursprünglichen eines Pfahles aufgefasst werden muss, 
die sich auch aus dem in's Altfranzösische übergegangenen esteil, welches Pfahl, und 
aus den verwandten latein. stilus, spitziger Pfahl, und griechisch a-niXoc, Säule, 
ergiebt Der Name Still fri eil bezeichnet uns demnach den Ort als eine Pfahl- 
burg und gewährt somit einen unabweisbaren Hinweis auf das alte Festungs- 
werk, der durch Lage und Beschaffenheit desselben und durch die Funde im 
Tollsten Umfange bestätiget wird. Wir gewinnen aber auch in diesem uralten, 
echt deutschen Namen mit seiner so zutreffenden Deutung einen weiteren 
Nachweis dafür, dass der Ort wirklich ein germanischer Wohnsitz gewesen 
sei, womit denn auch ein anderer Name, nämlich der gothischen Stadt „Stili- 
burg aa ) an der unteren Donau in erwünschtester Uebereinstimmung steht. 

Die Fundgegenstände. 

Es erübrigt mir betreffs Stillfried noch, die Fundverhältnisse im all- 
gemeinen und die einzelnen Funde im Besonderen zu besprechen. 

Nach kurzer Untersuchung des Bodens, welche durch die zahlreichen 
Wassereinrisse wesentlich erleichtert wird, gewinnt man die Ueberzeugung, 
dass eine doppelte Kulturschichte den Boden bedecke, die auch äusserlich 
als scharf gesondert deutlich erkennbar ist. 

Die untere Kulturschichte, welche bis zu zwei Meter Tiefe hinabreicht, 
ist charakterisiert durch die alle Vorstellung übersteigenden Massen von Asche, 
Wandbewurfstücken und durch Scherben von Gefässen, die aus der Hand er- 
zeugt worden sind ; der oberen Schichte fehlen die Wandbewurfstücke, und 
die von ihr eingeschlossenen Scherben sind vorwiegend von auf der Töpfer- 
scheibe gearbeiteten Gefässen. 

') Schwerlich ist «Unser Name, oder was sich hinter ihm allenfalls birgt, wirklich alt; 
es ist daher, auch nicht gerathen, an diesen St. Georg Excurse in die heidnische Mythe anzu- 
knüpfen, wiewol wir bei einer anderen Niederlassung, Michelsberg, auf einen St. Michael stossen. 
Beide, der Drachentödter sowol als der Erzengel, treten häufig an die Stelle Wodans (Sirorock, 
Mythol. 224, und W o 1 f, Beiträge, 128, 130). In der Nähe einer dritten vorgeschichtlichen Nieder- 
lassung, bei Kronberg, begegnen wir der Sage von einem Reiter auf weissem Rosse, der dem 
Orte Ulberndorf den Untergang verkündet, und der uns lebhaft an den weissagenden Odhin auf 
weissem Rosse gemahnt. 

*) FÖ rs temann, die deutscheu Ortsnamen, S. 260. 

12 * 



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170 

In der unteren Kulturschichte fallen zunächst die ungeheuren 
Massen von Asche auf, die manchmal ganz rein, ohne irgend welche Bei- 
mengung, kaum von einem Stückchen Kohle oder Knochen begleitet bis zur 
Mächtigkeit eines Meters vorkommt und an einer Stelle in dieser Art eine Fläche 
von mindestens 50Q Metern überlagerte. Für diese massenhaften Ansammlungen 
von reiner Asche vermag ich keine sichere Erklärung zu geben. Es müssen 
hier riesigo Feuer durch lange Zeit oder zu häufig wiederholten Malen ge- 
brannt haben. Der Boden war vor Entzündung des ersten Feuers an dieser 
Stelle geebnet worden, und da die Asche fort und fort liegen blieb, so musste 
Bchon bei dem ersten Feuer die. Erde bis auf mehr als 15 Cm. Tiefe rot 
gebrannt worden sein. Die Asche wurde nie vom Platze gebracht, es scheint 
hier niemals Ordnung geschafft worden zu sein, und so ist diese Stelle kaum 
als eine Stätte der Leichenverbrennung zu erklären, ebenso wie auch bei dem 
sparsamen Vorkommen von Knochenresten in der Asche die Anname grosser 
lange dauernder Opfer, wie sie auf Seeland gefeiert wurden, oder wie jenes der 
Hermunduren — gleichen Stammes mit den Quaden — welche die erbeuteten 
Pferde der besiegten Katten den Göttern opferten, keine ganz sichere ist. Es 
mag sonach vielleicht nicht ganz unberechtigt erscheinen, bei diesen Aschen- 
Anhäufungen auch an die Reste riesiger weithin leuchtender Feuerzeichen, dem 
einzigen raschen Verstäudigungsmittel damaliger Zeit namentlich zu kriegeri- 
schen Zwecken zu denken 1 ). 

Dort wo Asche mit den in wahrhaft unzähligen, manchmal schon wieder 
zerfallenen Stücken Wandbewurfs gemischt ist, kann nicht gezweifelt 
werden, dass beide von Feuerbrünsten herrühren. Zuweilen finden sich auch 
Scherben darunter und formlose Stücke rotgebranuter Erde, und mit solchem 
Schutt sieht mau etwa 2 Meter breite und 2 — 3 Meter tiefe Gruben in grosser 
Zahl angefüllt. Diese sind offenbar durch Aushebung von frischem Lehm ent- 
standen, dessen man für den Bau neuer Hütten bedurfte, während mau den 
durch die Zerstörung entstandenen Schutt in dieselben warf, wodurch es ge- 
schah, dass nun weite Strecken von solchem Schutte erfüllt sind. 

Der ganze Boden macht den Eindruck furchtbarer Kämpfe und erschüt- 
ternder Ereignisse, welche zerstörend und wahrscheinlich wiederholt über den 
Ort hereingebrochen sein mussten. 

Ueber die Beschaffenheit der Wohnungen erübrigt kaum mehr etwas 
zu sagen, da sie sich allem Anscheine nach nicht von denen der älteren An- 
siedlungeu in Nieder-Oesterreich unterschieden haben. Es ist schon von anderer 
Seite 2 ) darauf hingewiesen worden, dass die Hütten der Quaden auf der An- 
tonins-Säule rund dargestellt worden ; sie haben weder Fenster noch Rauchfang 
auf dem kuppelförmigen Dache, dafür zuweilen, wahrscheinlich als eine beson- 



*) Die Griesalm auf dem Höllengobirge in Obor-Oesterreich iut viele Wegstunden weit 
von jedem menschlichen Wohnorte entfernt ; in dringenden Fällen würde bei einer Versündigung 
auf gewöhnlichem Wege Hilfe zu spät kommen, weshalb durch eine verschiedene Anzahl von 
Feuerbr&ndeu Nachricht von der Erkrankung von Menschen oder Vieh oder vom Mangel an 
Lebensmitteln gegebe u wird. Ich wollte hiermit nur zeigen, dass heute noch solche Feuerzeichen 
gegeben werden, habe Jedoch an unserem Orte nicht diesen friedlichen Verkehr vor Augen, sondern 
den kriegerischen Aufruf jener Zeiten „von einem Berg zum andern mit dem Hauch« bei Tag. 
oder Nachts mit den hochlodernden Feuern. 

») Freih. v. Sacken, zuletzt in: Ueber Ansiedlungen und Fuude aus heidn. Zeit in Nieder- 
Üesterreich, 1873, S. 15. 



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171 

dere Stammes-Eigentiimlichkeit, zwei Türen neben einander. Beizufügen wäre 
noch, dass aus der Menge des hartgebrannten Wandbewurfs hervorzugehen 
scheint, dass der innere Raum der Ansiedlung dichter mit Hüten verbaut war, 
als meiner sehr massig berechneten Bevölkerungszahl zu Grunde gelegt wurde. 

Eine allgemeine Beschreibung der Tbonwaare habe ich bereits ge- 
geben. Haben schon die Bruchstücke eines Gefässes aus dem Walle eine merk- 
würdige Aebnlichkeit mit Hallstätter Gefässen ergeben, so tritt dieselbe 
an Fundstückeh in der Ansiedlung selbst noch deutlicher hervor, wie sie auch 
nach anderer Seite den Gefässformen der Byöiscala vollkommen entsprechen 
und lebhaft an jene des Elbethales (Sachsen) mahnen. 

So fehlt fast in keinem der kleineren, mit einem harten glänzenden 
Grafitbeschlage versehenen Gefässe der bei den Hallstätter Becken und Schalen 
aus Thon und Bronze charakteristische Umbo in der Mitte des Bodens, den 



Fig. 3-6. 




Vs der natürlichen Grösse. 



wir auch bei den kleineren Grafitgefassen der Byciscala-Höhle wiederkehren 
sehen. Eine grosse Zahl von Schalen, deren Leib sich vom eingezogenen Rande 
in sanftem Bogen unvermittelt zum schmalen und vom Umbo gebildeten Fusse 
verjüngt, gleicht im Profil der in Freih. von Sackens Werke Taf. XXVI Fig. 1 
abgebildeten Schale vollständig, nur dass die Verzierungen am eingezogenen 
Rande entweder fehlen oder durch schrägen Riefen ersetzt werden. Eine andere 
Art von Schalen, deren Ausbauchung nicht wie bei den vorigen unmittelbar 
am senkrechten Halse, sondern mit einem vom Halse abstehenden Rande be- 
ginnt und von diesem weg sich zum Fusse verjüngt, entspricht im Profil wieder 



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172 



der am angeführten Orte in Fig. 8 abgebildeten und beide Formen können, 
abgesehen von der Ornamentik, als geradezu typisch betrachtet werden. Der 
sich vom Halse abhebende Rand des Leibes der Schalen zweiter Art wird jedoch 
in verschiedener Weise unterbrochen, wodurch eine horizontale Reihe dicht 
nebeneinanderstehender oder durch Bogenlinien verbundener Knöpfe und Buckel 
entsteht. 

Fig. 7 -ib. 






üraphitgefäHse von Stillfried, »/, der natürlichen Grösse. 

Durch diesen Rand der Ausbauchung stellen sich diese Gefässe unmittel- 
bar neben die Schalen der By6iscala-Höhle und nähern sich den bei Linden- 
schmit 1 ) abgebildeten Gefässen aus einem Grabhügel am Perleberge. bei Stade 
im Bremen'schen in auffälliger Weise. 

In der Ornamentik der Thonwaaren ist auch der für die spätere Bronze- 
zeit charakteristische Ring (Fig. 9 und 34) vertreten, der ebenso lebhaft wie 
die Profile an Hallstätter Vorkommnisse 2 ) erinnert. 

Da sich die alten Bewohner Stillfrieds als Tumuli-Erbauer erwiesen haben, 
so kann es nicht überraschen, wenn sich in den Gefässen dieser Ansiedlung mit 
jenen der Tumuli von Zegersdorf und Niede r-Fe llabrunn eine voll- 
ständige Gleichartigkeit ergiebt. Ich habe in Stillfried Scherben gefunden, die 
in der Masse, in der Belegung mit Grafit, in ihren Umrissen, kurz in der ganzen 
sehr charakteristischen Erscheinung (abgesehen von dem stets wechselnden 
Linien-Ornament) den grossen Graburnen der beiden genannten Tumuli so 
genau entsprechen, als wären sie aus ihnen herausgebrochen worden. Erwägt 
man, dass nun auch zwischen den eigentümlichen Bronzenadeln von Hallstatt 



•) Linde nschmit, Die Alterthüiner uns. heid. Vorzeit, B. II. H. 1, Taf. I, Fig. 1, 2. 
») Freih. v. Sacken, das Grabfeld von Hallstatt. Taf. XXVI, Fig. 4, 8. 



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173 

und des Zegersdorfer Tumutus eine auffallende Aelinliclikeit beobachtet worden 
ist 1 ), so ergeben sich so viele Analogien zwischen Hallstatt, 
der Byöiscala-Höhle, der Ansiedlung in Stillfried und einzelnen 
nieder-österreichischen Tumuli s, dass sie zur eingehendsten 
Beachtung auffordern. 

Noch ist zu bemerken, dass sich in Stillfried auch Verzierungen aus 
ältester Zeit erhalten haben, die aus blossen Eindrücken mit dem Nagel 
bestehen. 

Von Geräthenaus Thon fanden sich Siebe, Spinnwirte 1, Bruch- 
stücke von Ringen von circa l*/a Cm. Dicke und 7 Cm. Durchmesser, von 
runden Scheiben im Durchmesser von 7 bis 9 Cm. und mit einem Loche in 
der Mitte oder an der Seite (Pig. 11), wie deren sowol in den nieder- 
österreichischen alten Ansitdlungcu als auch in Hallstatt vorkommen. 

Fig. n. Mit wenigen Worten möchte ich noch 

-••-t-'-" _! ?*w die sogenannten Webatuhlgewichte be- 

rühren, deren Fund im gebraunten Walle ich 
• K schon erwähnt habe. Man hat diese eigentüm- 
V- V. 4 liehen Thongebilde zuerst in der Schweiz als 

" i* '\\ Gewichte am Webstuhle bezeichnet. Schon das 
'<$ffl : ^-f?'] eigentümliche Vorkommen dieser angeblichen 
Webstuhlgewichte im Brandwalle ist dadurch 
bemerkenswert, dass sich vollständige 
Stücke neben gebrochenen und unter 
Scherben und Schutt fanden, dass also 
.^fP* die ganzen Stücke offenbar bo wie die ge- 

***t£j brocheuen als misslungono betrachtet und des- 
Thonscheibe, Hälfte der natürl. Grosso. ] ia i D a i a unbrauchbar in den Schutt gewor- 
fen worden sind. Dem Augenscheine nach ist das aber deshalb geschehen, weil 
sie sich bei dem Brennen verzogen hatten und darum nicht vollkommen sicher 
standen. Wäre ihre Bestimmung die eines Gewichtes gewesen, so hätte dieser 
Fehler ihre Brauchbarkeit nicht im mindesten beeinträchtigt uud daher auch 
nicht ihre Beseitigung veranlasst. Es ist also durch das merkwürdige Fundvor- 
kommen die Erklärung dieser Thonerzeugnisse als Webstuhlgewichte einiger- 
massen in Frage gestellt, und die bedeutenden Schwankungen derselben in 
Form, Grösse und Schwere machen diese Erkläruug noch zweifelhafter. Dieses 
Schwanken ist nicht gerade unter den Fundstücken in Stillfried so auffallend, 
da das grösste derselben auf fast quadratischer Basis (9 zu 10 Cm.) 18 Cm. 
hoch ist, während das kleinste auf einer Basis von 5 zu 8 Cm. eine Höhe von 
127s Cm. hat ; dagegen lässt ein auf der Heideubtatt bei Limberg gefundenes 
Bruchstück (Fig. 17) auf eine Basis von 11 Cm. nach jeder Seite und eine Höhe 
von mindestens 20 Cm. schliessen, während ein Stück von ebenda (Fig. IG) nur 
8 Cm. und eines von Mistkogel (Fig. 19) gar nur 5 Cm. hoch ist und eine kreis- 
förmige Basis von 4 Cm. im Durchmesser hat. Ist dieses letzte Stück vollkommen 
kegelförmig, die vorhin erwähnten sind sämmtlich pyramidenförmig, so ist dagegen 
ein Stück vom Vitusberg (Fig. 20) sphäroidisch, ein anderes von dort (Fig. 15) 
kugelförmig, ein drittes von Kronberg (Fig. 23) cylindrisch mit einem längs der 
Achse gebohrten Loche. Lässt endlich das grösste Stück auf ein Gewicht von 2170 

Freih. v. Sacken, MiU. d. anthrop. Ges. B. I, S. 38. 




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Fig. H— 23. 




ThoDgewicht«, '/ 3 der natürlichen Grö 8 se. 

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175 



Gramm schliesseu, so ergiebt das kleinste mir ein solches von 52 Gramm. Es lässt 
sich nun kaum denken, dass alle diese ihrem Wesen nach allerdings gleichartigen, 
in ihrer Form und Grösse doch verschiedenen Dinge zu einem und demselben Ge- 
brauche gedient haben, und es dürfte sonach die Ermittlung desselben einer 
.neuerlichen Untersuchung, vielleicht noch weiterer aufklärender Funde bedürfen. 

Die nebenstehende Tafel giebt ein photographisch treues, nach einerlei 
Massstab in l { 9 der natürlichen Grösse gezeichnetes Bild der verschiedenen, 
in meiner Sammlung befindlichen Formen von Webstuhlgewichten ; von diesen 
stammen Fig. 13, 15, 16 von der Heidenstatt, Fig. 15, 18, 20 und 21 vom 
Vitusberge, Fig. 14 und 22 von Stillfried, Fig, 19 vom Mistkogel in Mähren, 
Fig. 23 von Eronberg und Fig. 12 aus dem Pfahlbau von Robenhausen. 

Ich möchte mir indes doch noch erlauben auf einen merkwürdigen Ge- 
brauch thönerner Kugeln bei germanischen Stämmen aufmerksam zu machen. 
Während des Krieges Cäsars gegen Ambiorix wurde die Legion des Quintus 
Cicero von den Eburonen, Aduatukern und Nerviern in ihrem Lager einge- 
schlossen. Am siebenten Tage der Einschliessung begannen sie glühende 
Kugeln aus schmelzbarem (?) Thon mittels Schleudern auf die Ba- 
raken zu werfen, welche, weil mit Stroh gedeckt, rasch Feuer fingen und das- 
selbe über das ganze Lager verbreiteten l ). Ich weiss recht wol, dass auch die 
Anname solchen Gebrauches alle Schwierigkeiten einer genügenden Erklärung 
nicht beseitigt; doch bin ich entfernt davon, denselben von allen dieser an- 
geblichen Webstuhlgewichten zu behaupten; dass aber eine grosse Zahl zu 
solchem Zwecke verwendbar sei, wird man nicht in Abrede stellen können. 
Dass sie deshalb schon verschlackt sein müssen, ist durchaus nicht anzunemen, 
da sie doch nur einmal gebraucht werden konnten und ein kurzes Glühen die 
Thonmasse unter Umständen nicht einmal völlig erhärtet, um so weniger schon 
verschlacken muss. 

Ich wiederhole jedoch ausdrücklich, dass ich mit dieser Bemerkung nur 
berichten wollte, wozu änliche Thongebilde einmal historisch nachweisbar ver- 
wendet worden sind, ohne die Anname einer solchen Benützung auf alle aus- 
zudehnen. 

Sehr beachtenswert ist hiebei noch, dass derlei Thongewichte durch eine 
sehr lange Zeit sich im Gebrauche erhalten zu haben scheinen, indem sie 
gleichzeitig mit polierten Steingeräthen vorkommen, aber auch noch hier in Still- 
fried, wo von Steingeräthen keine Spur mehr ist; ferner dass sie sich im ganzen 
westlichen und südlichen Europa, ja noch in Kleinasien finden, wo sie Schlie- 
mann aus dem Boden von Troja in ungemein grosser Anzahl ausgegraben 
hat 2 ), während sie nach den Berichten Dr. Wankel's 8 ) im Nordosten Europas 
ganz fehlen. 

Da ich in Anbetracht des grossen Baumes meine Arbeit trotz eifrigen 
Bemühens doch nur ein Versuchs-Schürfen nennen kann, so sind die Fund- 
stücke ausser den bisher beschriebenen nicht zahlreich, aber um so beachtens- 
werter. 

Vor allem verdient ein zweischneidiges Eisenschwert genannt zu 



') Caesar de bello Gall. V. 43. 

*} Dr. Schlioma nn, Trojanische Altertümer, 8. 25-33 und Tabellen am Schlüsse. 
») Dr. Wanke 1 in den Mitt. der anthropol. Gesellschaft, B. V, H. 1. 



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176 



Fig. 24. 




hm 



d 



TS 



a 

c 

1 



B 
cd 

£ 



Teilen, ist 8.5 
abgerundet, von 



Cm 
der 



werden (Fig. 24). Es lag zwei Meter tief in abwech- 
selnden Schichten ron frischem und gebranntem Losa, 
worin auch Kohlenstückchen und Gefässacherben enthalten 
waren. Vom Rost stark angegriffen, stellenweise blasig 
aufgetrieben, war es in drei Stücke zerfallen gewesen, 
doch Hess sich dasselbe mit Anwendung der gebotenen 
Vorsicht so gut herausheben, dass es nahezu vollständig 
erhalten werden konnte und trotz der Hülle von Rost 
in seiner ursprünglichen Grösse und Form genau erkenn- 
bar ist. Die Länge des Blattes beträgt 67 Cm., die 
Breite am Griffe 5.6 Cm., an der ziemlich stumpfen Spitze 
4.5 Cm. ; der kräftige, roh gearbeitete Angel ist nur 
7.5 Cm. lang. Die Schneide scheint beiderseits gerade 
gewesen zu sein. 

So gestaltet bat es eine grosse Aehnlichkeit mit 
römischen Schwertern, die im Allgemeinen nur etwas 
kürzer gewesen zu sein scheinen. So steht es einem 
Schwerte aus römischer Zeit, das bei Ingelheim und 
einem anderen, das am Fusse der schwäbischen Alp 
gefunden wurde, sehr nahe ■). 

Beider Blätter sind 68 Cm. lang und 5.5 Cm. 
breit, also dem Stillfrieder fast gleich, unterscheiden 
sich jedoch von diesem dadurch, dass sie sich gegen die 
abgerundete Spitze rascher verjüngen, so dass sie an 
derselben nur mehr halb so breit sind, wie am Griffe. 

Auch andere Eisenschwerter der älteren Zeit haben 
bei mancher Aehnlichkeit doch wieder so viel Ab- 
weichendes, dass sie kaum mit den vorliegenden in 
wirksamen Vergleich gezogen werden können. Am nächsten 
dürfte noch ein Hallstätter zweischneidiges Eiseuschwert 
stehen, mit 63 Cm. langer nur wenig geschweifter Klinge 
und stumpfer Spitze, doch hat dieses, obwol ebenfalls 
ohne Parierstange keinen Griffangel, sondern eine flache 
Zunge 2 ). 

Nahe über und unter dem Schwerte lagen Scher- 
ben von Gefässen in der Erde, die den beschriebenen 
aus der Hand gearbeiteten Schalen mit eingezogenem 
Rande und schmalem Fusse entsprachen. Unmittelbar 
neben dem Schwerte fand sich ein eiserner Ring von 
4.5 Cm. Durchmesser, der offenbar zum Wehrgehange 
gehört hatte. 

Zwei Cmtr. unter dem Schwerte lag ein prächtiger, 
vollständig erhaltener Kamm aus Elfenbein. Er besteht 
aus zwei mit eisernen Stiften zusammen gehaltenen 
breit und 6 Cm. hoch; der Griff ist bogenförmig 
Reihe der 2 Cm. langen Zähne durch eine ausgerundete, 



l ) Linde nechm 1 1, 1. c. B. 1, H. I, T. V, Fig. 2, 4. 
') Freih. v. Sacken, a. a. Ü. Taf. VI. Flg. 1. 



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177 

beiderseits durch eine Linie begrenzte Furche getrennt und mit 3 Reiben in 
quincunx stehender Ringe mit Punkten in der Mitte, dem bekannten nament- 
lich bei Beinwaaren so beliebten Ornamente der späteren Bronze- oder ersten 
Eisenzeit verziert. 

Fig. 25. 




Elfenbeinkamm von Stillfried. Natürliche üröBse. 

Kämme fanden sich in den Gräbern im Weaten Deutschlands nicht 
selten, sehr häufig aber im Norden und namentlich in den skandinavischen 
Ländern; der bekannte grosse Pund von Vimose auf der Insel Fünen ergab 
allein an Kämmen 58 Stück. Bis jetzt wurde dagegen meines Wissens in 
unseren Ländern noch kein Kamm aus jener Zeit gefunden, wie denn der vor- 
liegende einer der besterhaltenen überhaupt ist. 

Im Allgemeinen ergiebt sich eine Gleichzeitigkeit der Beinkämme dieser 
Art mit den römischen Ansiedlungen auf deutschem Boden. Darnach und bei 
der nicht zu verkennenden Aehnlichheit des gefundenen Schwertes mit rö- 
mischen Schwertern könnte man daran denken, dass beide Fundobjekte römischen 
Ursprungs, vielleicht auch Beutestücke aus den Kriegen mit den Römern, und 
hier absichtlich vergraben oder durch Zufall in die Erde gelangt seien, umso- 
mehr als man bei den Germanen nur lange Schwerter vorauszusetzen gewohnt 
ist. Indes spricht schon der sehr kurze Angel des Griffes und nicht minder die 
rohe Arbeit gegen den römischen Ursprung. Dann lässt wol die Nachricht des 
Geschichtschreibers Tacitus, dass an Eisen kein Ueberfluss herrsche, wie sich 
aus dem Material der Waffen ergebe, und dass deshalb nur Wenige Schwerter 
oder grössere Lanzen führen *), mit Sicherheit darauf schliessen, dass damals 
die germanischen Schwerter, da man mit dem kostbaren Metalle so sparsam 
umzugehen genötigt war, nicht übermässig lang gewesen sein werden. 

Ausdrücklich beglaubigt sind die kurzen Schwerter der Rugier, bei denen 



*) Tacitus, Germania, VI. 



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178 



sie allgemein waren and deshalb eine Stainmes-Eigentümlichkeit bildeten 1 ). 
Die germanischen Stämme, welche Agricola auf seinem Zuge nach Britannien 
begleiteten, führten ebenfalls kurze Schwerter, die auch bei den Germanen des 
Rheins bezeugt sind s ). 

In gleicher Tiefe und in der Nähe des Schwertes lagerten noch das Bruch- 
stück einer Lanzenspitze von kindlich roher Arbeit — die Tülle setzt sich 
nicht in das Blatt fort, welches ganz flach ist und deshalb gar keine Festig- 
keit haben konnte — dann grössere und kleinere Stücke von Eisen und 
eine grosse Zahl von Eisenschlacken. Diese Begleitung der beiden Fund- 
stücke des Schwertes und Kammes, lässt es als unzweifelhaft erscheinen, dasi 
in unmittelbarer Nähe des Fundortes eine Schmiedewerkstätte sich be- 
funden habe, und macht es sehr wahrscheinlich, dass das Schwert nicht nur 
germanische Waffe, sondern auch germanisches Erzeugnis gewesen sei. 

Diese Anschauung bekräftigt der gleichzeitig gefundene Kamm in hohem 
Masse. Abgesehen davon, dass die ganze Erscheinung desselben eine den Römern 
fremde ist, ist auch der Gebrauch der Kämme bei den Germanen durch die 
Belege, welche die Reihengräber des Westens und durch die nordischen Funde 
für eine spätere Zeit, durch Tacitus 8 ) für das erste Jahrhundert unserer Zeit- 
rechnung bestätigt, ja es wird sich mit der Zeit aus der sehr prägnanten 
Form des Kammes ein sicherer Nachweis auch für das Alter des Schwertes 
gewinnen lassen. So viel ist jetzt schon wahrscheinlich, dass die doppelreihigen 
Beinkämme nicht über das IV. Jahrhundert hinaufgehen, dass jene mit einer 
Zahnreihe und dreieckigem Griff einer etwas älteren Zeit angehören, jene mit 
bogenförmigem Griff am ältesten sind und vielleicht in das I. Jahrhundert 
hinaufreichen, wornach der vorliegende Kamm also ebenfalls dem ersten Jahr- 
hundert unserer Zeitrechnung angehört 4 ). 

Gestatten nun die allerdings dürftigen Nachrichten, welche uns Tacitus 
vom germanischen Schwerte giebt, das Stillfrieder Schwert in seine Zeit, also 
in das I. Jahrhundert zu versetzen, so gewinnen wir durch das wahrschein- 
liche Alter des Kammes eine erfreuliche Uebereinstimmung beider Fundobjekte 
und eine gegenseitige Bestätigung ihrer Herkunft und ihres Alters, und meine 
Anschauung, dass das vorliegende Schwert das nachweisbar älteste 
germanische Eisenschwert sei, dürfte kaum einen wirklich begrün- 
deten Zweifel begegnen. 

An sonstigen Fundstücken kamen noch vor: ein kleines Stück Bronze 
wahrscheinlich von einem bei einer Feuersbrunst geschmolzenen Gegenstande, 
wie sich ja auch an der Münze des Probus zeigte, dass sie im Feuer gelegen; 
ein Bruchstück eines anderen Bronzeobjektes, wie es scheint, eines Haarringes 
und eine kleine Zwinge aus Bronzeblech. 

Auch verschiedenartige Glassplitter finden sich nicht selten, ich kann 
jedoch nur einen derselben mit Sicherheit als alt bezeichnen, der einem in der 
vorgeschichtlichen Ansiedlung von Eggenburg gefundenen Stücke g&nz 
ähnlich ist. 

Geräthe aus Bein mussten noch in häufigem Gebrauche gewesen sein; 

• 

« 

*) Tacituu, Germania, XLIII. 

») Dio Cassius, 38, 49. 

») Germania, C. XXXI und XXXVIII. 

«) Hostmann, der Urnenfriedhof bei Darzan, S. Iii. 



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179 



es zeigen nämlich verschiedene Knochen von Thieren, wie Röhrenknochen, 
Rippen, Elbogenbeine deutliche Spuren der begonnenen Bearbeitung mit scharfen 
Werkzeugen. Von einem prächtigen Hirschgeweih ist die Spitze einer Sprosse 
abgeschnitten, und merkwürdiger Weise hatte sich von demselben gerade das 
aus der Erde heraus ragen de Stück erhalten, während der in der Erde steckende 
Teil bei dem Ausgraben gänzlich zerfiel, wogegen sich ein anderes aus einem 
Geweih gearbeitetes unvollendetes Geräth, das ein Hammer oder Griff werden 
sollte, vortrefflich erhalten hat. 

Der Charakter der Zeit, in der sich die untere Kulturschichte in Still- 
fried bildete, ist durch den Fund dei Schwertes augedeutet: verheerende 
Feuersbrünste haben die Ausiedlung wiederholt zerstört, furchtbare von Kampf 
und Streit begleitete Ereignisse mögen über sie hinweggegangen sein. Täuschen 
die Anzeichen nicht, so ist dagegen während der Bildung deroberenSchichte 
eine Zeit ruhigerer Entwicklung über Stillfried gekommen. Diese Schichte hat 
mehr das Ansehen der Ackerkrumme, und obwol in ihr auch Ansammlungen 
von Asche nicht fehlen, so vermisst man doch die Anhäufungen von Wand- 
bewurf und Schutt, auf die man unterhalb fast überall stosst. Manchmal ist 
die Trennung der beiden Schichten so scharf, dass es scheint, als ob sich die 
Oberfläche der unteren Schichte mit Rasen bedeckt hätte, und an diesen Stel- 
len demnach einige Zeit hindurch keine Wohnungen gestanden seien ; doch 
ist diese scharfe Grenze nicht überall zu beobachten, weshalb auch aus dieser 
Scheidung der Schichten nicht auf eine völlige Unterbrechung der Besiedlung 
des Ortes geschlossen werden kann. 

Auffallend ist der Mangel an hart gebranntem Wandbewurf in dieser 
oberen Schichte. Es lässt sich nicht annemen, dass diese Zeit gar so friedlich, 
ja überhaupt so glücklich gewesen sein solle, dass niemals eine Feuersbrunst 
den Ort heimgesucht habe; man muss vielmehr daraus schliessen, dass die 
Art und Weise des Baues der Häuser eine andere geworden ist. Man 
dürfte aus dem langen Verkehr mit den Römern eine bessere Bearbeitung des 
Holzes gelernt und vielleicht sogar durch die Muster, welche die Römer selbst 
in ihrem Kastelle in Stillfried erbaut haben, angeregt, nunmehr die Häuser 
ganz aus Holz erbaut haben. Diese zerfielen bei allfälligem Brande zu Asche, 
und so gering nach Jahren die Spuren der Brände unserer aus Holz gebauten 
Dörfer sind, so wenig lassen sich dieselben in den alten, mit hölzernen Häusern 
versehenen Ansiedlungen mehr ermitteln. 

Solcher Städte der Germanen, deren Häuser bei dem Reichtum an 
Waldungen und Ueberfluss an Holz, durch aneinander befestigte und inein- 
ander gefügte Balken auf leichte Weise errichtet, die aber ebenso leicht eine 
Beute des Feuers wurden, gedenkt Herodian zur Zeit des Kaisers Maximin *). 

(Fortsetzung folgt.) 



') Herodian, Geschichte des röna. Kaisertums, VII, 2. 



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180 



Bömische8 aus Petroneli und Deutsch- Altenburg. 

Die einzige im Oberbaue noch erhaltene römische Ruine in den öster- 
reichischen Landern diesseits der Alpen ist das Heidentor in Petroneli, ein ' 
riesiger Torbogen, etwa aus dem Ende dos dritten oder dem Anfange des 
vierten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung stammend. Er ist der Rest eines 
Janus Quadrifrons, eines vierseitigen Gebäudes mit] vier Torwegen als 
Durchlass zweier unter ihm sich kreuzender Strassen. Die äussero Verkleidung 
ist bis auf wenige Gesims- und Kragsteine verschwunden und nur mehr der 
aus verschiedenem Materiale aufgeführte Kern des Baues vorhanden ; auch 
dieser musste im unteren Teile mit neuen Stützmauern und Klammern gesi- 
chert werden, um den Einsturz des letzten Zeugen von der Bedeutung des 
alten Carnuntum, der sich noch aufrecht erhalten, zu verhindern. 

So wenig man sonst von ihm wusste und in weiteren Kreisen noch 
heute von ihm weiss, so fanden sich doch Beschützer, welche die unwürdige 
Vernachlässigung der Ruine tief genug empfanden, um aus eigener Initiative 
Massregeln zu ihrem Schutze zu ergreifen. Freilich kamen nur wenige hinaus 
über die pecuniäre Seite der Frage, so häufig gute Worte und fromme Wünsche 
zu ihren Gunsten laut wurden. Namentlich handelte es sich darum, die immer 
dünner werdenden Pfeiler des Bogens zu stützen. Zuerst hat Herr Anton 
Widter, in dessen reichhaltiger Sammlung in seinem Hause der Vorstadt 
Landstrasse zu Wien manche verwahrlosten und dem Untergange geweihten 
Altertümer ein Asyl fanden, sich des Bogens angenommen, und zwar gleich 
in kräftiger Weise, indem er die Pfeiler mit Stützmauern umfing *). Später 
wurden auf Veranlassung und mit Beteiligung der k. k. Centralcommission. 
des Altertumsvereines und der Herren Grafen Hugo und Otto von Abensperg- 
Traun, Mitglieder des Herrenhauses, die Stützmauern renoviert, zum Teil 
weiter hinaufgeführt, der Gewölbebogen gefestigt und die wenigen noch 
übrigen Steine des Gesimses mit eisernen Klammern gesichert. Herrn Otto 
Grafen von Traun ist es auch zu danken, dass man nunmehr zu jeder Zeit 
das Heidentor in der Nähe besichtigen kann. Früher war es, da kein Weg 
zu ihm hinführte, wegen der umliegenden Getreidefelder in der Zeit des 
Sommers bis zu Ende des Schnittes nicht möglich, ihm zu nahen. Durch 
Ankauf eines Ackers, der langgestreckt vom nächsten Fahrweg zum Bogen 
führt und brach liegen bleibt, hat der Graf einen Zugang geschaffen, der 
jederzeit offen steht. 

Des Abends den Bogen zu sehen, gemahnt fast an die Schwermut der 
römischen Campagna. In der kräftigen, warmen Beleuchtung der unter- 
gehenden Sonne hebt sich die Ruine bedeutsamer von der Umgebung ab. 
Der breite, baumlose Höhenrücken, auf dem sie steht, die kahlen Gebirge des 
Hintergrundes mit den tiefblauen Schatten ihrer Felsenmassen, deren Formen 
in der klaren Stromluft plastisch hervortreten, die unsägliche Verlassenheit 
und Abgeschiedenheit des Platzes, — all' das giebt ein Landschaftsbild, das 
lebhaft an Italien erinnert, Zur Linken trifft das Auge über die Donau-Auen 



») Nachdem dies geschehen war, macnte Herr Widter — ein vorzüglicher J'hotograph. 
welcher seihe Knust nur den Altertümern : widmet — treflliche Aufnamen des Bauwerkes, nach 
welchen die Abbildung desselben im X. Bande der Berichte und Mitteilungen des Wiener Alter- 
turosvereines hergestellt wurde. 



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p 



181 



hinweg die langgezogenen, monotonen Linien des Marchfeldes. Sein Anblick 
mischt in das Bild, das wir vor uns haben, einen unheimlich feierlichen Ton, 
ein Andenken an die schrecklich blutigen Kämpfe, welche Rom hier, an der 
Grenze des Weltreiches, gegen die Barbareubündnisse zu kämpfen hatte, erst 
zum Schutze der Grenzländer, dann um seine eigene Existenz. 

Gegen den Strom senkt sich das Terrain, geht dann eben aus in der 
Richtung auf Deutsch-Altenburg zu und erhebt sich etwa in der Mitte des 
Weges zwischen letzterem und Petronell abermals zu einer unbeträchtlichen, 
die Umgebung jedoch dominierenden Höhe, auf welcher das historisch denk- 
würdige Standlager der vierzehnten Legion stand, heute die „Burg" oder das 
„Burgfeld" genannt. Diese Legion hat sich stets mit heldenmütiger Tapfer- 
keit und mit glänzendem Erfolge geschlagen und namentlich seit den Kriegen 
in Germanien und Britannien ihren Namen in der Hauptstadt berühmt 
gemacht; schon Tacitus bezeichnet die „Vierzehner" als hervorragend durch 
ihren kriegerischen Ruf (quartadecumani praecipui fama), die Ehrentitel Martia 
und Victrix waren ihre schönsten Auszeichnungen. 

Uebrigens war nicht sie die Erbauerin des Standlagers, sondern die 
legio XV. Apollinaris, welche Kaiser Vespasian aus Palästina, wo sie bei 
Einschliessung und Zerstörung von Jerusalem im Jahre 70 mit verwendet war, 
hieher verlegte ; gleichzeitig kam die 13. Legion nach Vindobona. Die Nach- 
barschaft beider dauerte jedoch nicht lange. Die 15. wurde noch vor 85 
n. Ch. nach Mösien, dann um 98 bleibend in den Orient verlegt, so dass 
einige Zeit hindurch unser Standlager, wie es scheint, leer gestanden hat. Erst 
als Kaiser Trajan am Beginn des II. Jahrhunderts gegen die Dacier eino grössere 
Armee an der unteren Donau bildete und zu dieser die 13. Legion aus Vindo- 
bona heranzog, wurden die beiden Standlager im Wiener Becken neu besetzt. 
Üm die Germanen im Marchfelde zu verhindern, zu Gunsten der mit ihnen 
verbündeten Dacier einen Einfall in die Flanke der römischen Armee zu 
machen, berief der Kaiser aus Germanien die 10. Legion nach Vindobona, 
die 14. nach Carnuntum in unser Standlager. Daher sind alle Denkmäler an 
beiden Orten, welche sich auf die 13. und 15. Legion beziehen, älter als jene, 
die der 10. und 14. angehören. 

Zu den denkwürdigsten Tagen der „Burg" gehört die Zeit, in der M. 
Aurel, sei es in ihr selbst oder doch in ihrer Nähe, das Hauptquartier hatte, 
als er sich in den Markomanenkriegen an die Spitze der Legionen stellte ; 
er schrieb bekanntlich in Carnuntum einen Teil seiner philosophischen Betrach- 
tungen. Kaum zwanzig Jahre später ward in ihr der pannonische Legat L. 
Septimius Severus zum Kaiser ausgerufen, ein Ereignis, das durch die Tendenz 
seiner Regierung von einschneidender Wichtigkeit für die Geschicko des Welt- 
reiches zu werden bestimmt war. 

Die Umfangsmauern des Standlagers ragen teilweise noch 15 Fuss 
empor, sind aber mit Erde und Graswuchs überdeckt. Die Front, gegen die 
Donau zugekehrt, und der vordere Teil des Lagers sind in Folge der Unter- 
waschung des Bodens stückweise in den Strom gefallen, zu welchem sich der 
Uferrand steil absenkt; doch ist es wahrscheinlich, dass seine Hauptstrasse 
(via principalis) unter der heutigen Landstrasse und in ihrer Richtung noch 
erhalten ist. Zu beiden Seiten derselben ist der Ackerboden mit Trümmorn 



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182 



von Ziegeln, welche die Stempel der Legionen zeigen, und von Gefässen, mit 
Mörtelstücken, Pfeilspitzen, Münzen u. dgl. durchsetzt. 

Von der Stelle weg, wo ehedem die porta decumana, das Tor an der 
südlichen oder Rückseite des Lagers, angebracht war, senkt sich die Erhö- 
hung, auf der die „Burg" steht, allmälig in eine Thalmulde, in deren Tiefe 
der gräflich Palffy'sche Park zu Deutsch- Altenburg liegt. Diesem gegenüber, 
am südöstlichen Abhänge der genannten Erhöhung und in diesen hinein- 
gebaut, wurde mehrere Jahre vor 1848 eine {Badeanlage aufgefunden, über 
welche jedoch nichts weiter bekannt geworden ist. Im Jahre 1848 gerieth 
man 150 Schritte vom Parke entfernt abermals auf eine kleine Badeanlage, 
welche von Freih. v. Sacken in seiner Abhandlung über Carnuntum beschrie- 
ben wurde ; sie zeigte sich in allen ihren Teilen vollkommen erhalten und 
war nach den Ziegelstempeln von Soldaten der 14. Legion erbaut worden. Etwa 
100 Klafter davon stiess man im Oktober 1872 wieder auf eine kleine Bade- 
anlage, deren Heizräume, Präfurnium, Kanäle und halbkreisförmiges Becken 
unter sich in etwas compliciertem Zusammenhange standen und nicht weiter 
verfolgt wurden. Dass auch diese Anlage für Soldaten diente, verriethen 
Ziegel der 14. und der 1. Legion (adjutrix, aus Bregetio bei O-Szöny) so wie 
ein auf der Mauer neben dem Präfurnium liegend gefundenes Bruchstück 
einer Säule, welche der Militärtribun der 14. Legion Cornelius Vitalis dem 
Jupiter von Heliopolis auf dessen Geheiss gewidmet hatte. Auch über dieses 
Bad hat Freih. von Sacken in den Schriften der Centralcommission Mittei- 
lungen veröffentlicht. 

An einer ganz nahen Stelle nun traf man im Winter 1874 auf 1875 
gleichfalls untrügliche Zeichen von unter der Erde vorhandenen Bauten, die 
der Eigentümer des Grundes, Herr Thomas A berh am, Bürgermeister von 
Deutsch-Altenburg, weiter verfolgte. Es zeigte sich dabei, dasfc hier eine 
grössere Bauanlage gestanden haben müsse, deren Blosslogung nach einem 
bestimmten Plane von wissenschaftlichem Belang sein konnte. 

Dieser Umstand bewog Herrn Grafen Otto Traun, die Ausgra- 
bung auf seine Kosten in die Hand zu nemen, zu welchem Zwecke der 
Eigentümer in Würdigung der gemeinnützigen Absicht des Vorhabens das 
betreffende Feld für die Dauer der Arbeiten in liberalster Weise zur Verfü- 
gung stellte. Auf den Wunsch des Herrn Grafen wurde die Fundstelle von 
Herrn Professor A. Haus er und mir am 13. Juni d. J. untersucht und das 
Vorhandensein eines Militärbades constatiort, also des vierten, wenn das 
vor 1848 gefundene hieher gerechnet werden darf, jedenfalls des dritten, von 
dem man Bestimmtes weiss; alle drei von und für Soldaten erbaut. Die 
Ausgrabung des jüngst gefundenen, welches eine grössere Anlage verräth als 
die andere, wird nun nach Professor Hauser's Weisungen unter Aufsicht 
eines Bau verständigen aufgedeckt werden. 

Es lässt sich selbstverständlich vor Abschluss der Arbeiten ein endgül- 
tiges Urteil über diese Badeanlage nicht abgeben. Die mannigfachen, meist 
übertriebenen Angaben aber, welche durch die Tagesblätter in die Oeffent- 
lichkeit gelangten, veranlassen mich, an dieser Stelle schon jetzt die Wahr- 
nemungen zusammenzufassen, welche sich vor Beginn der sachgemässen 
Durchforschung an den bis dahin zu Tage gekommenen Teilen machen liessen. 

Aufgedeckt war damals nur das Kaltbad, ein Raum von etwa drei 



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Klaftern Länge und halb so breit, die Schmalseiten gegen Ost und West 
gerichtet. Der vordere (westliche) Teil desselben hatte Quaderpflaster und 
bemalte Wände. Man fand hier den Torso einer kleinen Statue der Fortuna 
aus weissem Marmor (42 Centimeter hoch), ohne Kopf, das Füllhorn erhalten, 
von handwerksmässiger Ausführung, wie sie die decorativo Plastik zumeist 
zeigt. Fortuna wurde in den Bädern sehr häufig durch Bildwerk und Weih- 
Inschriften geehrt ; zufällig brachte vor Kurzem der „Anzeiger für schweize- 
rische Altertumskunde" die Beschreibung eines in Eschenz bei Stein am 
Rhein aufgedeckten Militärbades, in welchem man einen gleichfalls der Fortuna 
gewidmeten Gelübdestein fand. Der andere (östliche) Teil unseres Kaltbades 
ist zu einem Becken ausgetieft, in welches man über drei Stufen hinabstieg ; 
diese laufen über die ganze Breite des Raumes und stellen zugleich die 
Sitzbänke für die Badenden dar. Sie sind, wie das Becken selbst, mit feinem, 
weissen Cement belegt. Gegen Süden stosst an das Frigidarium, und zwar 
an das Becken selbst ein Raum mit einem Hypocaustum, das noch unter der 
Erde liegt, aber durch ein Loch in der Mauer, die es vom Kaltwasserbecken 
trennte, gesehen werden konnte. Die kleinen Pfeiler, welche den hohlen 
Fussboden tragen, sind aus viereckigen Ziegeln aufgemauert. Von einer anderen 
Seite konnte man, wie im Durchschnitte, die Substruction der Pfeiler wahr- 
nemen. Mächtige Bruchsteine sind da ihrer Höhe nach dicht neben einander 
gestellt, so dass sie eine Art von steinerner Bürste bilden. Darüber ist ein 
Boden aus festgestampfter Erde gelegt, auf welchem die Pfeiler stehen. Diese 
lassen nach ihrer Zahl (6 X 6) auf einen Raum von etwa zwei Quadratklaftern 
Flächeninhalt schliessen. 

Wieder südlich von diesem stiess man an zwei Stellen abermals auf 
Hypocausten, die wahrscheinlich zusammengehören und das Caldarium — das 
Warmbad — bildeten. Auch hier fand sich eine Stufeuanlage in ein Becken, 
das auf dem einen der Hypocausten ruhte ; die Pfeiler desselben, angeblich 
80 bis 100, bestanden aus runden Ziegeln. An der anderen Stelle, gegen 
Südwesten vom vorigen, zeigen sich auch die Wände des zugehörigen Gema- 
ches, und zwar in der bekannten Weise aus Ziegeln für Wärmeleitung gebildet. 
Der zu diesem Räume gehörige Teil des Hypocaustums war aber nicht mit 
runden, sondern wieder mit viereckigen Ziegolpfeilern ausgestattet. Unterhalb 
derselben fand sich an einer Stelle eine schon im Altertume aufgelassene 
Cisterne von etwa einer Klafter Durchmesser, die beim Bau der Badeanlage 
mit festgestampfter Erde ausgefüllt wurde. Bemerkenswert ist auch der 
Umstand, dass man hier, in der Flucht der Ziegelpfeiler, einen Gelübdestein 
in Form einer Ära fand, deren oberes Gesimse abgeschnitten war. Offenbar 
wurde er statt eines beschädigten Pfeilers eingesetzt. Der Inschrift nach war 
er von einem L. Vitalis, strator ( Stallmeister) des Legaten der 14. Legion, in 
Folge eines Gelübdes hergestellt worden, und zwar, wenn ich die ersten Siglen 
richtig deute, zu Ehren der Venus. Die 14. Legion führt in dieser Inschrift 
den Namen Severiana, nach- dem Beinamen des Kaisers Septiraius Severus. 
Da dieser 211 n. Chr. starb und sehr bald darauf unsere Legion den Namen 
Antoniniana, nach dem Beinamen des Sohnes und Nachfolgers des Severus, 
M. Aurelius Antoninus Caracalla, erhielt, kann als sicher angenommen werden, 
dass die in Rede stehende Ära in der Epoche des Kaisers Severus, das ist 
zwischen 193 und 211 n. Chr., ursprünglich errichtet worden ist. Sie kann 

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184 

• 

also auch erst längere Zeit nach 211 als Bauinateriale in unserem Hypocau- 
stum in Verwendung gekommen sein. Das System der Kanäle für Zuleitung 
des frischen und die Abfuhr des verbrauchten Wassers liess sieb nach 
den einzelnen zerstreuten Spuren noch nicht im Zusammenhange erfassen, 
eben so wenig war die Heizkammer aufgegraben worden. Von einem der Kanäle 
hiess es, dass er aus grossen, im Durchschnitte keilförmigen Ziegeln (57 Centi- 
meter lang, 31 Centimcter breit) gewölbt war ; sie tragen den Stempel der 
15. Legion (Apollinaris). Ein anderer Kanal, für erwärmte Luft, aus Bruch- 
steinen gewölbt, scheint durch ein Gemach gelaufen und an einer Seite mit 
weissen Marmortafeln, die auf die Schneide gestellt waren, geschlossen gewe- 
sen zu sein: letztere zeigten- Ausschnitte in Form von Rundbogenfenstern, 
welche dem durchziehenden Strome der erwärmten Luft den Austritt in das 
Gemach, welches der Kanal berührte, ermöglichten. 

Das wichtigste meines Wissens sonst nirgends beobachtete Vorkommnis 
ist die deutliche Spur von schwebenden Zimmerdecken. An den Holz- 
balken, welche die schwere Ziegelbedachung trugen, waren in regelmässigen 
Abständen Eisenstäbc von 14 Centimeter Länge mit zwei Nägeln so befestigt, 
dass sie nach abwärts etwa 6 Ctfntimeter über die Balken vorstanden. Unten 
geheu diese Stäbe in zwei rechtwinkelig umgebogene Teile aus einander, 
welche abwärts gekehrte Doppelhakeu bilden ; auf diese wurden schwere Ziegel- 
platten gelegt, so dass sie von den nach unten übergreifenden Haken in 
horizontaler Lage schwebend erhalten wurden. Die untere Fläche der Ziegel- 
platten war mit Mörtel beworfen und bemalt. Man fand einen Teil dieser 
Decke in der ursprünglichen Lage, so wie sie herabgestürzt war. Obenauf 
lagen die Hohl- und Flachziegel (Leistenziegel) der Bedachung, unter diesen 
unmittelbar kamen die eisernen Klammern mit den Platten der Decke zum 
Vorschein. 

Was die Stempel der beim Baue verwendeten Ziegel betrifft, so zeigten 
sich neben dem schon genannten der 15. jener der 13. und der 14. Legion, 
ersterer sehr selten, der letztere sehr häufig. Es lassen sich daraus verschie- 
dene Perioden des Baues abnemen. Die ursprüngliche Anlage scheint in jener 
Zeit ausgeführt worden zu sein, als zum ersten Male eine ganze Legion nach 
Carnuntum verlegt wurde, d. i. unter Kaiser Vespasian und von der 15. Legion. 
Abteilungen der gleichzeitig in Vindobona garnisonierenden 13. mögen vor- 
übergehend in Carnuntum stationiert gewesen sein und am Baue mitgear- 
beitet haben, wie sich solches umgekehrt aus Wiener Funden erweisen lässt. 
Diese . erste Bauperiode fällt also in die Jahre von ungefähr 70 bis 85 
n. Chr. Geb. 

Der zweiten Bauperiode gehören die Ziegel mit dem Stempel der 
14. Legion an; es mag sich dabei nicht gerade um einen vollständigen 
Neubau des Bades, wol aber um eine selbst in die construetiveu Teile eingrei- 
fende Ausbesserung gehandelt haben, sei es nun, dass eine Zerstörung durch 
elementare Kraft oder durch Feindeshand vorausging. Letzteres dürfte um 
so wahrscheinlicher sein, als eine ganz analoge Erscheinung sich an einem 
Hypocaustum beobachten liess, welches am Hohen Markte in Wien stand. 
Bei den Erdarbeiten für die Hochquellenleitung fand man hier eine grössere 
Anzahl von runden Pfeilerziegeln, alle mit dem Stempel der 13., d. h. jener 
Legion, welche das Staudlager von Vindoboua erbaute. An derselben Stelle 



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fand man zugleich viereckige Pfeilerziegel und Suspen sura-Platten mit dem 
Stempel der 10. Legion, also der später hier garnisonierenden. Mitgefundene 
Dachziegel trugen sowol denselben Stempel als auch jenen der 14. Legion. 
Hier ergab sich nun deutlich, dass aus irgend einem Anlasse, etwa durch 
Einsturz der Bedachung, welche die Suspensura durchschlug und die Pfeiler 
beschädigte, eine Ausbesserung notwendig geworden war, die von der später 
hier anwesenden Legion vorgenommen wurde.- So wie in dem neugefundenen 
Bade von Deutsch-Altenburg, waren auch in Wien runde und viereckige 
Ziegelpfeiler aufgestellt, die ersteren hier durchaus der älteren, die anderen 
der jüngeren Bauperiode angehörig. Noch prägnanter stellte sich eine analoge 
Erscheinung in den Ausgrabungen von Windischgarsten dar, hier Hess sich 
auch die Richtung des Brandes und eine gewaltsame Zerstörung des Gebäu- 
des, das man aufdeckte, feststellen. Ks ist also zwar heute noch nicht erweis- 
bar, aber doch nach diesen Analogien sehr wahrscheinlich, dass die Wieder- 
herstellung unseres Bades bedingt war durch eine Zerstörung der älteren 
Anlage durch Feindeshand, wonach sich deren Periode am füglichsten auf die 
Zeit nach den Markomanenkriegen bestimmen lässt. 

In der Regel waren Soldatenbäder sehr einfach ausgestattet, wie es ja 
an sich natürlich ist. Man wird daher auch in unserem Falle die Erwar- 
tungen bezüglich der Fuudobjekte nicht zu- hoch spannen dürfen. Weder 
. Marmorsäulen mit kunstvollen Capitälen - von denen mau schon erzählte — 
noch der Schatz Attila's, welchen man in den unteren Kreisen der Bevöl- 
kerung allen Ernstes zu finden erwartete, werden zu Tage treten. 

Die Bedeutung des Fundes hängt weit mehr von der Sorgfalt ab, mit 
welcher die Blosslegung vorgenommen wird, als von den eiuzelnen Objekten, 
die dabei werden erhoben werden. So gleichmässig im Wesentlichen Bäder 
gebaut wurdon, so verschieden war der Bau im Detail, weil dieses von den 
verschiedensten Umständen localer Art abhängt; in der Festhaltung dieser 
so leicht verwischbaren Züge liegt der Wert, welchen die neuen Ausgra- 
bungen für die Topographie und Specialgeschichte von Carnuntum haben. 

' So werden sich vielleicht, Anhalte ergeben zur Beantwortung der nahe 
liegenden Frage, wie es komme, dass man auf so kleinem Räume so viele 
Badeanlagen beisammen fand. Es Hesse sich denken, dass hier mehrere 
Warmquellen, etwa Schwefelquellen, wie noch heute im nächstgelegenen 
Deutsch-Altenburg, aufgegangen seien und die -einen für die Legionäre, die 
anderen für die Officiere benützt gewesen seien, was sich wol auch in der 
besseren Ausstattung der Räume des neu aufgefundenen Bades verrathen 
müsste. 

Wie wir hören, sind die wichtigeren 1 Fundobjekte für das Museum im 
gräflich Traun'schen Schlosse zu Petronell bestimmt. Es wäre in hohem 
Grade zu wünschen, dass dieses Vorhaben genau durchgeführt werde. Für 
Fuudobjekte, deren Wert vorzüglich in der Beziehung zur F indstelle wurzelt, 
die eine überwiegend locale Bedeutung haben, ist die Aufbewahrung an Ort 
und Stelle immer am ersten zu empfehlen. Durch ihre Vereinigung allein 
bleibt ihr Wert gesichert, während die Zersplitterung ihn nicht blos vermin- 
dert, sondern, da solche Objekte für sich bedeutungslos werden, ganz vernichtet. 
(Jeberdies bietet das Museum in der Sala terenua im Schlosse treffliche 
Räume zurj Aufbewahrung, nachdem Se. Excellenz der Oberstjägermeister Sr. 

13 * 



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Majestät, Herr Hugo Graf v. Traun, dasselbe vor wenigen Jahren in neuen 
Stand gesetzt hat. Man findet dort die in neuerer Zeit ausgehobenen Mosaik- 
böden, die nahe beim Schlosse gefunden wurden, der eine mit dem Bilde des 
Ganymed, der andere mit dem des Orpheus, welcher den Thieren vorspielt, 
dann zwei interessante Brachstücke mit schwarzen Kämpferfiguren auf lichtem 
Grunde ; ebenso eine reichhaltige Reihe von Ziegeln aller Art, auf denen 
sämmtliche in Carnuntuni vorkommende Stempel von Legionen und Privat- 
firmen vertreten sind, Akroterien, farbige Wandstücke, Gefässe mit den Töpfer- 
marken u. dgl. Der hier schon wiederholt genannte nunmehrige Besitzer des 
Schlosses, Herr Graf Otto Traun, hat, die Thätigkeit seines Oheims fort- 
setzend, in glücklicher Weise neue Erwerbungen hinzugefügt, sowol Inschriften 
als Bildwerke und Anticaglien von erheblichem Werte. Die Besichtigung des 
Museums wird Jedem, welcher Studien zu machen wünscht, in liebenswürdiger 
Weise gestattet, so dass, was anderwärts an den Stätten ehemaliger grösserer 
Römerorte so schwer erreicht wird, hier durch die Bemühungen der gräflichen 
Familie bereits geschaflon ist. — ein Mittelpunkt für Aufbewahrung und 
Benützbarkeit der Ausgrabungen. Es ist für die Wissenschaft selbst, aber 
auch für die Gegend, die eine neue Anziehungskraft dadurch erhalten würde, 
aufrichtig zu wünschen, dass so schöne und wolgemeinte Bestrebungen von 
reichlichem Erfolge begleitet seien. 

Friedrich Kenner. 
(Wiener-Abendpost. 1875. Nr. 148. Freitag d. 2. Juli.) 



Das Schloss Schönbühel in Niedei Österreich. 

Nach J. F. Keiblinger's Nachlass topographisch und historisch dargestellt 

von Prof. Ambr. Heller. 
(Fortsetzung.) 

Um das Jahr 1110 giebt ein Adeliger, Marchward, auf die Bitte 
seiner Gemahlin Mathilde ein Gut, einen Weingarten und eine Mühle mit 
ihren Zugehörungen, bei Bielach gelegen, und am nämlichen Tage ein Gut, 
Marchwartisdorf genannt, mit zwei Weingärten und dem Anteile am 
Kirchenlehen (Patronate), welches er mit Friedrich gemeinschaftlich hatte, 
zu seinem und seiner Eltern Seelenheil auf den Altar der heil. Maria der 
Abtei Göttweig. Marchwartisdorf, das von dem Gründer und Besitzer, dem 
Edlen Marchward, so benannt wurde, ist der jetzige kleine Markt Marker sjdorf 
an der Poststrasse zwischen St. Pölten und Melk, dessen Bewohner der Stifts- 
herrschaft Göttweig unterthänig waren, sowie heute noch das Patronatsrecht 
über die Kirche und über die unter der Regierung des Kaisers Josef II. errich- 
tete Pfarre dor Abtei Göttweig gehört. Marchward und Friedrich (Gebrüder?) 
waren vermutlich als Passauer-Ministerialen in dem nahen Schönbühel zu 
Hause und damit begütert. Um das genannte Jahr sind Marchwart und 
andere Ministerialeu „des heil. Stephan«, d.i. der Domkirche zu Passau, 
Zeugen bei einer durch den Bischof Ulrich I. vollzogenen Tauschhandlung 
zwischen dem Stifte Göttweig mit dem Passauer-Dienstmauue Weriuchard. 



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Im J. 1135 zu Mautern — damals dem ffochstifte Passau gehörig — erscheint 
Marchwart de Sconinpuchele mit andern Ministerialen dieses Bistums 
unter den Zeugen, als Bischof Reginmar der im Erzstifte Salzburg gele- 
genen Abtei Michelbeuern die Pfarrkirche zu Seewalcheu am Attersee mit dem 
Zehent derselben übergab, und gleichfalls als Zeuge auf der Burg Greifenstein, 
einem Lehengute des Bistums Passau, als im nämlichen Jahre Markgraf 
Leopold der Fromme von Oesterreich auf die Zehenten von dreizehn Pfarren 
Terzichtete und der Bischof Reginmar sich dafür des Zehents der Pfarre Niwin- 
burch (Neuburg) zu Gunsten des Stiftes Klostcrneuburg begab 1 ). Um das 
Jahr 1145 schliesst Marquard ron Schönbühel einen Tauschvertrag, Kraft 
dessen er den Chorherren von St. Nikola bei Passau zwei Weingärten mit 
einer anstossenden, öde liegenden Hube zu Hunds heim oberhalb der Stadt 
Mautern für zwei an seinen Wohnsitz zu Schönbühel grenzende Weingärten 
überliess, indem er zugleich die abgetretenen Weingärten dem Bischöfe Regin- 
bert (Reinprecht) von Passau, von dem er sie zu Lehen hatte, unter der 
Bedingung übergab, dass der Vogt der Chorherren, Dietrich, die vom Bischof 
übernommenen Weingärten an das Stift St. Nikola übertragen, der Bischof 
aber die von Marquard in Besitz genommenen Weingärten demselben bestä- 
tigen sollte. 

Nachdem Marquard um das Jaahr 11-10 ") und wieder am Lichtmesstage 
1157 zu Göttweig zwei Vergabungen an diese Abtei als Zeuge beigewohnt hatte, 
bewies er sich auch als einen vorzüglichen Mitstifter der Pfarre Gerolding in der 
Nachbarschaft von Schönbühel ; denn eine Urkunde des Bischofs Ruprecht zu 
Passau vom Jahre 1105 belehrt uns, dass dieser Kirchenfürst auf die Bitte 
seines geliebten Dienstmannes Marquard von Schöubühel und mit Einstim- 
mung des Pfarrers Gebhard von Melk den Tausch zwischen beiden genannten 
Personen erlaubte und guthicss, vermöge dessen Marchward mit Einwilligung 
seiner Söhne die Zehenten von den Weingärten, die er zu Schön bü Ii el vom 
Bistum Passau zu Lehen hatte s ), seinem Lehensherrn mit der Uebercinkunft 
heimsagte, dass derselbe diese Zehenten der Pfarrkirche zu Melk zum Genüsse 
für den Priester Gebhard und seine Nachfolger übergeben sollte, wogegen 
Gebhard dem Anteilo an den Zehenten, die ihm in Geroltingen zustanden, 
in die Hände des Bischofs mit der Bedingung entsagte, dass dieser die 
gedachten Zehenten zur Kapelle in Geroltingen übergeben, auf das Ansuchen 
Marquards und seiner Erben aber daselbst einen Priester anstellen und diesem, 
der Mutterkirche zu Melk gebührenden Ehrerbietung unbeschadet, die pfarrlichen 
Rechte des Taufens, der Begräbnisse u. s. w. verleihen sollte. Wirklich hatte 
der Pfarrer zu Melk in den vorigen Zeiten einen Weinzehent im Ertrage von 
vier bis fünf Eimern Most von Schönbühel zu beziehen, bei dessen Abholung 
aber ein Paar Handschuhe (später statt derselben ein kleiner Geldbetrag) als 
Dienst in das Schloss Schönbühel geschickt werden mussten. 



') Die Narhweisung der (Quellen dieser und der folgenden Daten wird in d«n Kegesten 
gegeben. 

*) Die in derselben Aufzeichnung deB Saalbuches ron Göttweig später vorkommenden 
Zeugen Friedrich und sein Sohn March ward gehören ebenfalls zu dieser Familie. 

3 ) So müssen die Worte der Urkunde: „quas ab ecclesia nostra in Sconenbuhlen in 
henefleio t*nuit" verstanden werden. An eine bischöfliche Kirche tu Schön bühel ist nicht zu 
denken. 



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Noch am Colomanns feste (13. Oktober) um das Jahr 1155—1157 finden 
wir den Marquard von Schönbühel mit seinen Söhnen Ma rquard und 
Friedrich zu Melk bei einer Verhandlung der Grafen Adalbert und Gebhard 
von Rebgau mit dem Abte Albert von Kremsmünster, welche den diesem Stifte entzo- 
genen Ort Viechtwang betraf ; Marquard hatte aber noch mehrere Söhne, da um 
das Jahr 1180 Friedrich, Manegold und Albrecht von Schönbühel, der- 
selbe Friedrich und seine Brüder Albrecht und Manigold wieder zu St. Pölten 
am 24. Januar 1188 in zwei Urkunden des Bischofs Diepold von Passau für die 
Stifte Waldhau seil und St. Florian als Zeugen gelesen werden und um das 
Jahr 1180 oder 1185 Friedrich und sein Bruder Otto von Schönbühel ihren 
Leibeigenen Liupold an das Stift St. Nikola bei Passau schenkten. 

Manegold oder Manigold tritt allein, ohne seine Brüder, um das Jahr 
1190 und in den Jahren 1190 bis 1210 meistens in Gesellschaft mit anderen 
Ministerialen von Passau in vielen Urkunden in der Reihe der Zeugen auf, 
wie aus den Regest n ersichtlich ist. Zwar kommt ein Otto von Schön- 
bühel in einer Urkunde des Propstes Heinrich von Reichers berg am Inn (von 
1218 — 1227) als Zeuge vor, gehört aber wol eher nach Schönbühel in Baiern, 
Landgerichts Freising, von .welchem Schlosse und Gute sich eine adelige 
Familie schrieb, und aus dieser war Oswald Schönpüchler, 1485 Pfleger 
zu Kranichsberg in Bäiern, dessen blauer Wappenschild den Kopf und Hals 
eines weissen Kranichs, aus einer goldenen Krone hervorragend, zeigte 1 ). 
Dasselbe darf wahrscheinlich von Ulrich Schönbühel anzunemen sein, 
welcher um das Jahr 1232 in einem Stiftungsbriefe der Abtei Lambach als 
Zeuge gelesen wird. 

Zuletzt erscheint noch ein Chunrad von Schönbühel 1255 und 1264 
als Zeuge in zwei Urkunden der Abtei Garsten bei Steier und in gleicher 
Eigenschaft ein Otto von Schöubühel 1260 bei einem am 16. Juli im Stifte 
Melk geschlossenen Vergleiche des Bischofs Otto mit dem Edlen von Hauseck 
über Güter um Holenstein. Nach diesen wird kein Mitglied der bisher bespro- 
chenen Familie von Schönbühel bei Melk mehr gefunden ; denn die irrig hieher 
bezogenen Heinrich und Chunrad von Schönbuch aus den Jahren 1230, 
1236, 1261, 1-269 und 1272 gehören nach S chönb u ch bei St. Leonhard im Forst. 
Der Priester Otto von Schönbühel, in einer Urkunde v. J. 1283 und noch 
aus einem Kaufbriefe der Abtei Lilienfeld v. J. 1317 bekannt, scheint Burg- 
kaplan daselbst gewesen zu sein und war zu Kleinschönbühel wohnhaft. 

Das Adelsgeschlecht vou Schönbühel starb entweder gänzlich aus oder 
lebte im Bürgerstande fort. Ein Hanns der Schönpüchler, Bürger zu 
Efferding ob der Enus, findet sich 1410 und erklärt am 24. April 1411, Beiner 
Herrschaft und dem Grafen Johann von Schaumberg das Gut zu dem Stecklein 
bei Neuhaus (ob der Enus) verkauft zu haben 2 ). 

Nach dem Erlöschen der mit Schönbühel belehuten und davon benannten 
Familie kamen auf eine uns unbekannte Art die Burg und Herrschaft Schöu- 
bühel an ihre Leheusherren, die Bischöfe von Passau, zurück, welche sie wieder 

') Fugger 's „Spii-gel der Ehren des Hause» Oester reich", herausgegeben von Sigmund 
toü Birken, S. 933 und »:;:». 

*) Archiv für Kunde österr. Geschichts(iu<dt*u 21. Cd. S. TS. S t ü 1 z „Zur Geschichte «lor 
Herren und Grafen von Schaumberg." K^gesteu Nun». 749, in den Denkschriften der k. Akademie der 
Wissenschaften, philos.-histor. Class« X1L Bd. 



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«in die Her reu von Radeck verliehen. Sehr wahrscheinlich geschah diese 
Vergabung durch Rudiger von Radeck, welcher im Jahre 1218 der erste 
Bischof zu Chiemsee in Baiern, 1233 nach der Resignation des Grafen Geb- 
hard von Plaien Bischof zu Passau und 12.50 vom Papste abgesetzt wurde; 1244 
hatte derselbe das Chorherren stift St. Georgen nach Herzogenburg tibertragen. 

Aus seinem altadeligen bairischen Goschlechte kommen mehrere Mitglie- 
der besonders in Urkunden des Bistums PaBsau vor, ohne dass sich nach- 
weisen lässt, welche derselben mit Schönbühel belehnt waren. Wenn wir auch 
nicht hinreichenden Grund haben, den Gerochus, des Bischofs Rudiger Bruder, 
der im Jahre 1248 bei der Verleihung der Pfarre Obernkirchen im V. 0. M. B. 
an die Abtei Lambach durch den genannten Bischof und bei der Schenkung 
einer jährlichen Salzgabe aus der Saline zu Hallein durch den Erzbischof 
Philipp von Salzburg an eben dieses Stift im Jahre 1255 unter den Zeugen 
erscheint, als Besitzer von Schönbühel anzunemen, so dürfen wir wol eher 
den Heinrich von Rad eck und seinen Bruder Ulrich hierher beziehen, 
von denen jener von 1256 bis 1282, dieser 1274 und 1278 urkundlich vorkommt, 
worüber die Regesten das Nähere enthalten. 

Als mitfertigende Zeugen begegnen wir zu Wien am 30. März 1274 den 
Brüdern Ulrich und Heinrich von Radeck, als Bischof Peter von Passau 
des Eigenrechtes über einige von ihm lehenbare, durch Kauf an die Abtei 
Lilienfeld gelangte Zehenten in der Pfarre Seligenberg (Salinberg im V. 0. 
M. B.) sich begiebt; ferner im Minoritenkloster zu Wien am 17. März 1280 
dem Heinrich von Radeck bei dem Vergleichsvertrage der Frau Euphemia 
von Pain mit dem eben genannten Stifte über einen Wasserlauf zu Hainfeld, 
und nochmals zu Wien am 81. März 1282, als Wernhard von Schaumberg den 
Schutz der Land- und Wasserstrasse zwischen Passau und Efferding über- 
nimmt; daun im Jahre 1291 demselben Heinrich in einem Rechtsstreite zwischen 
dem Chorher renstifte zu St. Pölten, dessen Entscheidung an beiderseits gewählte 
Schiedsrichter übertragen wird. In einer Urkunde des Grafen Wernhard von 
Löwenberg erscheint Heinrich unter den Rittern (milites); Ulrich von 
Radeck, Lehensmann des Erzstiftes Salzburg, ist Zeuge am 14. Juni 1278 zu 
Regensburg bei dem Verkaufe von Gütern um den Mondsee durch den Bischof 
Heinrich von Regensburg an den Erzbischof Friedrich von Salzburg. 

Der gelehrte Hanthaler hält den genannten Heinrich für die nämliche 
Person mit jenem Herrn Heinrich von Radeck, als dessen Todestag der 
11. November eines nicht beigesetzten Jahres im alten Nekrologium von 
Lilienfeld mit dem Bemerken gelesen wird, dass er diesem Stifte ein halbes 
Pfund Gülte zu seinem und seiner Voreltern Seelenheile gegeben habe, wovou 
den Conventbrüdern an diesem Tage ein Dienst gereicht werde. Wir glauben 
also nicht zu irren, wenn wir diesen Heinrich von Radeck auch im Lande 
unter der Enns, und zwar mit Schönbühel begütert annemen. 

Inzwischen war aber auf kurze Zeit mit dieser Burg eine Veränderung 
vorgegangen, indem eino Mathilde von Rad eck im Jahre 1264 die Hälfte 
vou Schönbühel dem Albrecht von Zv Iking um 64 Pfund Wiener- 
rieunige mit der Bedingung verpfändete, dass er auf die Gebäude desselben 
sechs Pfund verwenden und diese ihm bei der Wiedereinlösuug zur genannten 
Geldsumme hinzugerechnet werden sollten, worüber Bischof Ot'o von Passau 



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am 11. November des g< dachten Jahres als Lehensherr seine Genemigtmg 
beurkundete. Heinrich von Rad eck ist unter den Zeugen 1 ). 

Herr Otto von Zelkingen und Herr Gerhoh von Radeck finden sich 
zu Melk am 18. November 1302, wo sie eine Urkunde mitsiegeln, welche Abt 
Konrad von Melk und sein C-mvent über eine von Mathilde, Konrads von 
Goldeck Witwe, gemachte Jahresstiftung ausstellten ; wir dürfen ihn wol 
ebenfalls den Besitzern von Schönbühel beizählen. 

Nicht lange hernach fiel dieses Lehen, wahrscheinlich mit dem Ausster- 
ben der hier hausenden Linie der Herren von Radeck, an das Hochstift Passau 
heim; denn in einem Register der Einkünfte des Bischofs von Passau von 
dessen Besitzungen in Oesterreich, im ersten Viertel des vierzehnten Jahrhun- 
derts, werden auch die jährlichen Dienste und Zehenten zum Schlosse >chön- 
bühel, wie die dazu gehörigen Realitäten aufgeführt. Es geschieht der 
Brücke über die Bielach, eines Baumgartens und einer Mühle bei dem Schlosse 
Erwähnung, eines Herrn Hadmar von Wesen, welchem der Reuthof vom 
Bischöfe versetzt war, und der Frau von Wesen, als Besitzeriii eines Hofes 
zu Schönbühel, eines Hofes im nahe gelegenen Bergern mit Diensten und 
Zehenten, auch von Diensten, Zehenten und Grundstücken, welche sie als 
Pfandschaft inne hatte 3 ). Merkwürdig für die Geschichte von Schönbühel ist 
auch die Angabe des Registers, dass vom Dorfe Siernreut der Bischof und 
die Frau von Wesen den ganzen Zehent zugleich einnamen, die bischöfliche 
Hälfte aber Heinrich dem Schweinwarter nebst einem Bauernlehen zu Gerol- 
ding versetzt war, welches Lehen „de r Ei sen b eutel" für acht Pfund Pfennige 
inne hat, die ihm Herr Zäudlo „der Hofmeister" zugesprochen. Im 
dritten Bande von WissgrilPs „Schauplatz des landsfissigen niederöster- 
reichischen Adels", wo die Familie Eisenbeutel behandelt wird, findet sich, 
dass Konrad Eisenbeutel, Sohn Konrad's des Wassners (sonst auch von 
Waasen genannt), von seiner Mutter, deren Familie nicht angegeben wird, 
die Herrschaft Schönbühel bekam und zu Ende des dreizehnten Jahr- 
hunderts lebte *). Wir vermuten, dass dieser Besitz nicht auf die Burg und 
Herrschaft, sondern nur auf den Hof der Frau von Wesen zu Schönbühel 
bezogen werden müsse und dass der Verfasser des Registers, weil ihm die 
uralte Familie von Wesen ob der Enns bekannter war, die niederösterreichische 
der Waasuer oder von Waasen, die auch von Wesen geschrieben wird 4 ), mit 
ihr verwechselte. 

Diese Erklärung beseitigt die Dunkelheiten und Widersprüche, von denen 
sonst die Geschichte von Schönbühel gegen das Ende des dreizehnten bis 
in das folgende Jahrhundert, soweit unsere Quellen reichen, nicht zu befreien ist. 

») Bach ig er'i (Jeacbichte des Fürstentums Passau" t. Bd. S. 243, mit dem Druckfehler 
„Uelchingcn", dergleichen in diesem Werke bei den östeir. Orts- und Familiennamen sehr viele 
vorkommen. Monum. Boic. XXIX. P. II. p. 457 haben blos die sehr kurze Inhaltsangabe, die wir 
in den Kegesten ergänzen. 

') Notizenblatt. Beilage zum Archiv f. k. österr. GeBchichtsquellen. III. Jahrgang, 1853 
S. 93 -96. 112—114. Das Wichtigste daraus ist auszugsweise in den Regesten beigegeben. 

») Ein Konrad Eisenbeutel, wahrscheinlich der Obige, starb 1332, und ist bei den 
Minoriten (hinter dem Landhause) zu Wien begraben. Hieron. Pez Scriptor. rer. austriac. T. II. 
col. 513. 

*) Hadmar von Wesen, 1301 und 1305 in Urkunden des Stiftes Melk gelesen, gohJrte 
sicher zur Familie von Waasen. (Ph. Huber Austria ex Arch. Mellic. illustr. p. 34 und 35. ftfL 
S. 230 und 231 den Namen Wasen.) 



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Ausser dem angeführten Register bezeugt den wirklichen Besitz der 
ßurg und Herrschaft Schönbühel durch die Bischöfe von Passau im ersten 
Viertel des vierzehnten Jahrhunderts dio Urkunde des Bischofs Albrecht von 
Passau, welche derselbe zu St. Pölten, das wio Mautern damals zu den 
Gütern {.eines Hochstifts gehörte, am Ebenweichtage (d. i.' am Feste der 
Beschneidung des Herrn, 1. Januar) 1324 an Dietrich von Weizzenberch (Weis- 
senburg an der Bielach), dessen Bruder Otto und Dietrich's Hausfrau Agnes 
fertigte, und worin als Zeuge genannt wird: „Ulrich der Zarndel, unser 
Burggraf datz (zu) Schönbühel" — der nämliche, welcher im Register als 
Hofmeister (Magister curiae) und als Ulrich Zändel, Richter (bischöflicher) zu 
St. Pölten, 1322 in einer Urkunde des Stiftes daselbst gelesen wird '). Drei 
Jahre später verbürgt uns eine andere Urkunde, dass Bischof Albrecht selbst 
nach Schönbühel gekommen ist, indem er daselbst am St. Margareten- 
oder am St Laurenz-Tage 1327 die urkundliche Bewilligung respect. die 
Bestätigung zur Schenkung erteilte, welche seine Unterthanen Hiltprant 
Verig und Pilgreim Verig, Bürger zu Mautern, welches ein Gut seines Bistums 
war, jeder mit einem Hause zu Mautern dem Stifte Lilienfeld gemacht hatten, 
und diesen Häusern als Grundherr die Befreiung von allen bürgerlichen Lasten 
verlieh, so lange sie das Stift besitzen würde 2 ). 

Das Lehen-Register des Stiftes Melk aus der zweiten Hälfte des vier- 
zehnten bis in die ersten Decennien des fünfzehnten Jahrhunderts berichtet 
unter der Aufschrift: „Losensteiner": „Item Herr Dyetreich von Losen- 
st e i n, (darunter steht von Schoubuhl) hat zclehen ainen hoff daz Eyhendorff 
in Sand Margreten pharr, davon hat er all jar 11 mutt korn, 11 mutt haber, 
vnd hat in von lewtolten von Grimsing gekauft, vnd ist sider Abbt Friedreich 
zeitten nicht emphangen u — nämlich seit des Abtes Friedrich III. Atzen- 
brücker, welcher dem Stifte von 1371 bis 1378 vorstand.. Uebrigens ist diese 
Aufzeichnung ungefähr zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts oder etwas 
früher geschrieben. Wir wissen von diesem Dietrich von Losenstein, dem 
fünften Sohne Dietmars IL, Herrn von Losenstein, dass er 1353 von Friedrich 
Marschall von Pappenheim einen Zehent zu Heun (Hain bei St. Pölten) kaufte 
und 1372, laut Satzbriefes am nächsten Sonntage nach St. Georgen-Tag 
(25. April) von ihm und seinem Sohne Dietrich dem Jüngeren gefertigt, dem 
Ehrbaren Georg dem Fleming und dessen Bruder Vincenz den obengenannten 
Hof zu Egchendorf (jetzt Eigendorf in der Pfarre St. Margareten an der 

*) Duell ii Excerpta geneologica hist. p. 188. Noch 1322 erscheint zu St. Pulten in des 
Bischofs Diensten Ulrich Zend), Burggraf zu Schönbühel, 12. Juli 1323 zu St. Polten als 
8iegler des Kaufbriefes, womit Leopold der Winsperger, seine Hausfrau Sophie und seine 8chwester 
Engel einen Zehent im Pöltinger (St. Pöltner)-Felde auf einem Kauflehen und auf daB Heumarr 
Habe an Altmann den Watzmannsdorfer und seine Frau Sweigmut um elf Pfund Wiener-Hönze 
Terkaufeu. Ein Görig Zändlein hatte mit lieinprecht von Ebersdorf Streit wegen des 
Wappens, worüber Pilgrim von Pnechheira, Truchscss von Oesterreich, einen Vergleich stifteto. 
Wissgrill II. Bd. S. 207. 

*) Uanthaler FaBt. Campilil. T. II. P. I. p. 212, wo das Datum der Urkunde auf den St. 
Laurenztag (10. August) gesetzt wird, und desselben Hecensus diplom. archiv. Campilil. T. II 
p. 41 et 305, wo der St. Margareten-Tag (12. Juli nach dem Kalender des österr. Mittelalters) 
angegeben ist. Solche Verschiedenheiten zwischen Hanthalor's Jahrbüchern von Lilienfeld und 
dessen Recensus diplomaticus wird man bei aufmerksamer Vergleichnng mehrere finden; z.B. 
wird die erßte bischöfliche Bestätigung dieser Schenkung zu Passau 1327 in den Fastis auf den 
St. Marcus-Tag (25. April), im Recenaus auf den St. Laurenz-Tag datiert. 



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192 



Sirning. seitwärts der Strasse von Melk uaeh St. Pölten) um vierzig Pfund 
Wiener-Pfennige versetzte, unter Mitsieglung von Dietrich's Bruder, Rudolf 
von Losenslein zu Zacking, welcher 1354 das Haus oder die Burg Zacking 
bei Hain nebst mehreren anderen Gölten und Zehenten in der Umgegend 
ebenfalls von Friedrich dem Marschall zu Pappenheim durch Kauf an sich 
gebracht hat und 1350 als Vogt des Stiftes Göttweig gelesen wird. Von seiner 
Gemahlin Margaret, gebornen Herrin von Hohenberg, hatte Dietrich ausser 
dem gleichnamigen Sohne die Töchter Anna au Weikard Herrn von Starhem- 
berg vermählt, und Adelheid, welche in einem Kloster zu Wien den Schleier 
»am 1 ). In einer Stiftungsurkunde für die Stiftskirche der regulierten Chor- 
herren zu 8t. Pölten von Gottfried von Aar, gegeben Montags vor St. Johanns- 
Tag zur Sonnenwende (21. Juni) 1372, werden seine Oheime als mitsiegelnde 
Zeugen aufgeführt: Dietrich und Rudolf von Losenstein (Gebrüder, Rudolf 
war der siebente Sohn Dietmar'« II.), Weichart von Toppel zu dem Haus im 
Pache i Hausenbach bei Karlstätten, Besitzung der Herren von Toppel) und 
Ortlieb von Winkel (bei der Donau im Viertel unter dem Mannhartsberge). 
Dietrich's Siegel an dieser Urkunde zeigt einen quer geteilten Schild, in dessen 
oberer Hälfte ein wachsender Panther (als das Stammwappen der Herren 
von Losenstein) ist ; das rückwärts aufgedrückte kleine Gegensiegel zeigt 
eine Pflanze mit drei dicken Blättern, der sogenannten „Hauswurzel" ähnlich 8 ). 

Der Archivar zn Melk, Philibert Hueber, bemerkt zwar in seiner Ab- 
schrift des angeführten Lehen-Registers, dass Schönbühel etwa damals dem 
Dietrich von Losenstein gehörig war; allein da sonst nichts daran zu finden 
ist, so halten wir denselben entweder für den Besitzer des vorher erwähnten 
Hofes der Familie von Waasen, oder für den Pfandinhaber der Burg 
und Herrschaft Schönbühel, die er einige Zeit satzweise genoss, bis sie durch 
Wiedereinlösung an das Bistum Passau zurückkam. 

Sie blieb im Besitze dieses Hochstiftes, bis sie demselben durch die 
Un Wirtschaft des Bischofes Georg von Hohenlohe für immer verloren 
gieng. Dieser in den Annalen von Passau wegen seines rachgierigen und unver- 
söhnlichen Gemütes, sowie durch seinen Hang zum übermässigen Aufwand und 
die dadurch verursachte Bedrückung der ihm unterstehenden Geistlichkeit hart 
getadelte Kirchenfürst verkaufte im Jahre 1396 den Brüdern Caspar und 
Gundakar von Starhemberg, welche wegen der Gefangenschaft des böhmi- 
schen KönigsWenzel auf ihrem Schlosse Wildberg im Mühlviertel ob der Enns 
im Jahre 1394 und durch die deshalb auf sich geladene Ungnade des öster- 
reichischen Herzogs Albrecht III. bekannt sind 3 ). um 5000 Pfund Wiener- 
Pfennige die Burgen Schönbühel und Teresburg bei Freistadt*). Dagegen 



') Hoheneck"- Genealogisch- und historische Beschreibung der Stande ob der Enw. 
III. Tl. S. 369. 

*) Duellii Excerpt. geneal. hist p. 61. Da» Kiegel Tab. XVIII. Num. 2'i». pag. 192. 

J ) Noch hat sich die Sago im Munde des Volkes erhalten, dass das Fenster des Turmes 
m Schlosse zu Wildberg, wo Wenzel der Faule gefangen sass, nicht vermauert werden kann; 
die unter Tags eingelegten Ziegel werden Nachts wieder hinabgeschlendert. (Ba u m g a rten, au» 
Tolksmiissiger Ueberlieferung der Heimath, Saito 116, im 24. Berichte über das Museum Fran- 
cisco-Carolinum. Nebst der 19. Lieferung der Beiträge zur Landeskunde von Oesterreich oh der 
Enns.) Nach wieder hergestellter Kuhe wurden den Brüdern sowol vom Könige als vom üeruge 
Gnadenbriefe gegeben, 1391 und 1395. 

Die beweisenden Stellen 8. in den Kegesten. 



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193 



verkaufte zwar Caspar von Starhemberg für sich und seinen Sohn Georg die 
Burg Tegernbach, den Obern- und Niedernhof, das Gut auf dem Graben und 
den Markt Grieskirchen sammt allen ihren Zugehörungen im Jahre 1398 seinem 
Oheim und Schwager Andreas von Polheim und dessen Gemahlin Barbara, des 
Bernhard von Hausbach Tochter; allein beide Brüder, Caspar und Gundakar, 
erwarben in der Folge viele ansehnliche Güter im Lande ob und unter der 
Enns. Unter diesen waren das Schloss und die Herrschaft Riedeck mit dem 
Markte Haltneukirchen und dem Kirchenlehen daselbst, welche der Bischof Georg 
vou Passau 1411 dem Caspar von Starhemberg um 5000 Pfund Wiener-Pfen- 
nige verkauft hatte ; ferner die von Eberhard von Capellen 1406 verkaufte Burg 
Stein im Lande ob der Euns, dann Rapotensteiu, Arbesbach, Wolfsberg und 
Dachsberg unter der Enns, welche Güter den genannten zwei Brüdern ihr müt- 
terlicher Ahnherr Georg von Dachsberg im Jahre 1415 vermacht hatte *). 

Von dem blühenden Vermögensstande, dessen sich die genannten Brüder 
erfreuten, geben uns die Urkunden Zeugnis, aus denen sie uns als Gläubiger 
nicht nur des Bischofs Georg, sondern auch der österreichischen Herzoge 
bekannt sind. So erklären die Herzoge Wilhelm und Albrecht den Gebrüdern 
Caspar und Gundakar von Starhemberg 1090 gute Gulden und 895 Pfund 
Wiener - Pfennige ,. welche beide Brüder ihnen zu ihren grosser? Notdurften 
geliehen, schuldig zu sein und versprechen binnen Monatsfrist die Burg 
Waldenfels (im Mühl viertel) als Pfand oder die Rückzahlung obiger Summe, 
wofür Heinrich, Rudolf, Friedrich, Reinprecht und Ulrich von Walsee, Alber. 
der Ottensteiner, Hanns der Ruckendorfer und Göschlin der Inpruker bürgen, 
worüber die Schuldverschreibung zu Wien am 24. August 1396 gegeben ist. 
Zwei Tage später (26. August, zu Wien) bekennen die Herzoge, den genannten 

*) Unrichtig ist die Angabe auf dem Bildnisse Gundakar'B von Starhemberg, welcher schon 
1316 starb, dass er um das Jahr 1330 die Herrschaft Schönbühel nebet Kiedeck an das Haus 
Starhemberg gebracht habe; ebenso irrig, was die Inschrift auf dem Bilde seines Sohnes Kudiger 
(des Vaters der Brüder Caspar und Gundakar) sagt, da6s dieser die Herrschaft Sekönbühel und 
Kiedeck im Jahre 13fi0 seinem Hause erworben habe. Auch auf Kftdigers Bildnis im Schlosse 
Zeilern ist der Irrtum zu losen, dass derselbe die Herrschaft Scliöubuhel und Kiedeck erkauft habe 
(Schwordling, Geschichte des uralten und seit Jahrhunderten um Landesfürst und Vaterland 
höchst verdienten, teils fürstlich, teils gräHichen Hauses Starhemberg. Linz 1880. Seite 103, 108, 
109). Wie wenig Glaubon dergleichen unkritische Aufschriften auf Bildnissen von Personen aus 
so frühen Zeiten verdienen, bedarf keines Beweises. Exempla sunt odiosa ! — Gänzlich unwahr 
ist auch, was Janitsch in seiner von Fehlern strotzenden Geschichte von iMelk, Seite "0, durch 
eine missverstandene Stelle in S c h ra in b's Chr >nicon Mellicense pag. 2S6 vorleitet, erzählt, dass 
Abt Ludwig von Melk, um die vom Herzoge Albrecht III. ausgeschriebenen Steuern uud die 
Geldforderungen des Bischofs Georg an das Stift befriedigen zu köuuen, die Herrschaft Schön- 
bühsl dem Grafen (sie!) Starhemborg verkaufen musste. Zu keiner Zeit und auf keine 
Weise hat die Abtei Melk einen Anteil am Besitze dieser Herrschaft gehabt. (Vgl- Keiblinger's 
Gesch. von Molk, I. B 1. S. 459.) Den l'nsinn des höchst Wuchtigen Jauksch schrieb dann Sc h w e ic k- 
hardt ohne alle Prüfung t.ach, setzte aber hinzu, dass die Herrschaft Schönbühel von Konrad 
von Eisenbentel, welcher sie im Jahre 1307 besass, „auf welche Art wissen wir nicht u , an das 
Stift Melk kam. (Das V. 0. VV. W. VII. Bd. S. 172.) Die schon verausserten Herrschaften Matsee, 
Schönbühel und Kiedeck blieben noch längere Zeit für Passau In der Keiclisinatrikel stehen, 
sohin musste das Hochstift von seinen verkümmerten Kenten noch fortwahrend an das Weich in 
dem Masse fortbezahlen, als wäre keiue Verkümmerung geschehen. (Buching er I. Bd. S. 233 ) 
Ob die Herren von Starhomberg, die von Losenstein und die von Hohenberg Nachkommen der 
steirischen Ottokare gewesen, wie die älteren Genealogen Wolfgang L a z, Preuonhuber, dio 
Freiherrn von Hohoueck und von Stadel, der Jesuit Chaltov und Andere versichern, 
wurde in Hormayr's Archiv 1815, Num. 93 und 100 besprochen. ("Wiener Jahrb. der Litera- 
tur, XL. Bd. 1847. S. 90.) 



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Brüdern 1000 gute Gulden und 995 (sie) Pfuiul Wiener-Pfennige schuldig zu 
sein, und verpfänden ihnen dafür die Burg Waldenfela und deren Zuge- 
hörungen *). 

Viel grösser waren die Summen, welche das Hochstift Passau als Dar- 
leihen von den Brüdern von Starhemberg erhielt. Die Burg Riedeck kommt, 
als Caspar dorn Starhemberger verpfändet, 1401 urkundlich vor 2 ); zu Passau, 
um Mittichen nach dem Ebenweichtag (2. Januar) 1404, beurkundet der Bischof 
Georg, dass er den Brüdern Caspar und Gundakar von Starhemberg 2230 Pfund 
Wiener-Pfennige schuldig geworden, die sie ihm bar zu seiner und seines 
Gotteshauses Notdurft geliehen haben und die er ihnen bezahlen soll in ihrer 
Burg Wildberg (die sie vom Hochstifte zu Leheu hatten) oder in der Stadt 
Linz, wo es ihnen beliebt, vom nächstkünftigen St. Georgen-Tage über Ein 
Jahr. Darum setzt er ihnen zu Selbstschuldnern (Selbscholn) und Bürgen 
den Wilhelm Mautter zu Katzenberg (im Innviertel), seinen Marschall; den 
Heinrich Puchberger, seinen Pfleger auf St. 3örgenberg; Andreas den Herleins- 
berger, Hanns den Geiselberger, Christian den Wazmanstorfer, llapolt den 
Albrechtsberger, seinen Pfloger zu Wesen; Eberhard den Mülbanger, seinen 
Pfleger zu Ebelsborg, und Niklas den Zelter, seinen Pfleger auf dem Niedern 
Haus zu Passau. Geschieht die Zahlung der Schuld nicht, so haben die Brüder 
von Starhemberg volle Gewalt und Recht, jeden der Bürgen, wo er die Zeit 
wohnt, auf Zahlung zu mahnen, worauf jeder ohne Weigerung am dritten Tage 
nach der Mahnung einen ehrbaren Diener mit zwei Knechten und drei Pferden 
nach Linz in ein ehrbares Gasthaus, wohin sie denselben zeigen, senden und 
einlegen und diese daselbst iuliegen und leisten sollen, „als Inliegens und 
Leistens Recht ist 1 *, und vor bezahlter Schuld nicht herauskommen. Würde 
ihnen (den Gläubigern) die Leistung verzögert, so soll ihnen der Schaden, 
den sie dadurch nemen, durch den Bischof und die Bürgen ersetzt werden. 
Ferner weiset der Bischof dd. Passau, 4. Januar 1404, eine dem Caspar von 
Starhemberg wegen der ihm übertragenen Burghut zu Viechtenstein schul- 
dige Geldsumme von 630 Pfund Wiener-Pfennige auf die bischöfliche Mauth 
zu Passau an. (Diese Burghut übertrug Georg's Nachfolger , der Bischof 
Leonhard, und im Jahre 1424 1'ilgrim Rottauer seinem Pfleger daselbst, l In Folge 
der geschehenen Verpfändung von Zehenten des Hochstifts zu Stein, Krems, 
Radendorf, Stratzing, Gcrersdorf (jetzt Gedersdorf), des Zehenthauses zu Stein 
und der zwei Weingärten, genannt der Griesberg und die Widen, untergiebt 
Bischof Georg dd. Passau, 28. April 1411, au die Brüder Caspar und Gundakar 
von Starhemberg für die ihnen noch schuldige Summe von 7185 Gulden, 
wovon er am nächstkünftigen St. Gilgen-Tag (1. September) 1900 Gulden, 
dann über ein Jahr 3000 Gulden und wieder über ein Jahr 2285 Gulden 
bezahlen soll, indem sonst die verpfändeten Zehenten, das Zehenthaus und 
die Weingärten gänzlich verfallen wären, die Mauthgefälle zu Passau einem 
gemeinschaftlichen Verschlusse mit dem Domcapitel auf so lange, bis aus 
denselben die Brüder von Starhemberg hinausbezahlt und der versetzte Zebent 



1 ) Bern. Pez Codex dipl. hist. epist. F. IIT. p. 115. Kurz, Oesterreich unter Herxog 
Albrecht IV. 1. Tl. S. 22. L ich n o wsk y, Geschichte des Hauses Habsburg Tl. Regesten. Nam. S6 
beide aus Pez. Die zweite Urkunde bei Lichnowsky, Kegelten Num. 87, aus S c h w e r d 1 i n g 
S. 437. 

*) Buchinger I. 101. 



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I 



195 

«. s. w. wieder eingelöst sein wird. Zu der versperrten Truhen, worein die 
eingegangenen Gefälle wöchentlich zu legen sind, sollen der Bischof, das 
Capitel, Andreas der Herleinsberger und Hanns der Geiselberger, alle vier 
je einen Schlüssel haben und nichts daraus genommen werden. — Laut Ur- 
kunde dd. Constanz, 5. Februar 1418 verkauft der Bischof Georg wegen der 
Schulden des Hochstiftes Passau dessen sämmtliche Besitzungen zu König- 
stetten, wie sie vorher die Herren von Walsee und auch etliche Zeit Albrecht 
von Ottenstein inne gehabt und genossen haben, an Caspar von Starhemberg 
und dessen Söhne: Georg, Ulrich und Hanns und an Caspars Bruderssohn 
Ruiger (Rudiger) von Starhemberg, auf dieser fünf Personen Lebenszeit um 
2500 ungarische Dukaten in Gold und 200 Schock guter böhmischer Groschen. 
Königstetten kam aber bald wieder, unbekannt wie, zum Hochstifte zurück *). 
Der Tod des leichtsinnigen Bischofs Georg, welcher einige Zeit hindurch auch 
Administrator des Erzbistums Gran war, machte im Jahre 1423 dem Unwesen 
fortgesetzter übler Wirtschaft ein Ende. 

Caspar von Starhemberg war 1397 des Herzogs Albrecht IV. von Oester- 
reich Pfleger zu Freistadt, 1401 des Herzogs Wilhelm Rath gewesen, der ihm 
eine jährliche Besoldung von 100 Pfund Pfennigen auf die Mauth zu Linz 
anwies, nach dessen Tode er wegen des Bruderzwistes der Herzoge Leopold 
und Ernst über die vormundschaftliche Regierung zuerst für Leopolds 
Ansprüche Partei nam, dann aber mit seinem Bruder Gundakar zum Herzog 
Ernst übertrat. Am 27. September 1408 schlössen zu Enns Herzog Ernst von 
Oesterreich, Bischof Georg von Passau, der Landeshauptmann ob der Enns, 
Reinprecht von Walsee, und die Brüder Caspar und Gundakar von Starhem- 
berg im Namen aller Anhänger des Herzogs Ernst im Lande ob und unter 
der Enns ein Bündnis mit dem Herzog Heinrich von Baiern gegen den Herzog 
Leopold von Oesterreich und seine Anhänger, und an demselben Tage stellten 
daselbst die bairischen Bevollmächtigten Ulrich Ecker, Vicedom in Nieder- 
baiern, Wilhelm Frauenhofer, des Herzogs von Baiern Hofmeister, und Wilhelm 
Achaimer, herzogliche Räthe, die Gegenurkunde über diesen Vertrag aus 2 ). 

Schon Herzog Friedrich II. der Streitbare hatte 1241 einem Ahnherrn 
der genannten Brüder von Starhemberg, Namens Gundakar, das Recht der 
Mauth- und Zollfreiheit zu Wasser und zu Lande in Oesterreich für den Haus- 
bedarf an Lebensmitteln bestätigt und die Herzoge Albrecht III. und Leopold 
HI hatten 1367 auf die Bitte Rudigers von Starhemberg dieses Privilegium 
in deutsche Uebersetzung bestätigt. Ebenso gewährte Herzog Albrecht V. die 
Bitte der Brüder Caspar und Gundakar von Starhemberg, indem er ihnen dd. 
Wien, 21. März 1415 gleichfalls die Bestätigung dieser . Freiheitsbriefe verlieh 
und am 26. März einen Befehl an alle Mauthner und Amtleute erliess, den 
eben genannten Brüdern alle Bedürfnisse ihrer Burgen raauthfrei verführen zu 



l ) Monument, boic. Vol. XXXI. P. II. Nutn. 15. pag. 29—31. Num. 16, p. 31—3?. Vgl. 
Num. 95, p. 188.) Num. 49, p. 97—99. Num. 80, p. 153 155. Lang, Kegesta sive rer. boic. auto- 
grapha Vol. XII. oder der Fortsetzung von F r ei be rg Vol. VIII. Buchinger L 102. Die Herren 
Ton Starhemberg waren auch in der Gegend von Krems und in weiter Umgebung bis an die 
Thaia und S"tockerau begütert. (Notizenblatt. Beilage zum Archiv für Kunde österr. Geschichts- 
quellen. III. Jahrg. 1853. S. 7-8.) 

*) Bauch, Berum auBtr. scriptor. Vol. III. p. 483-485. 



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196 



lassen »); Bischof Georg von Passau, welcher diesen Brüdern so gross«. Verbind- 
lichkeiten schuldete, erhob dd. Passan 29. April 1411 für sich und im Namen 
seines Capitels in Betrachtung ihrer treuen Dienste und zur Vermehrung des 
Gottesdienstes auf ihre Bitte die Kapelle zu Kirchberg, vorher zur Pfarre 
Altenfelden (im Mühlviertel) gehörig, zur selbstständigen Pfarrkirche und gab 
ihnen als Besitzern der vom Bistum Passau lehenbaren Burg Pirhenstein das 
Priiseutationsrecht bei derselben 2 ). 

Caspar von Starhemberg wurde dem jungen Herzog Albrecht V. bei des- 
sen hoffnungsreichen Antritte der Regierung (1411) von den österreichischen 
Standen, deren Landmarsehall er 14<H) geworden, als Rath beigegeben ; docb 
genoss er diese hohe Würde nur wenige Jahre, da er schon am 5. Februar 1418 
starb und in der Kirche zu St. Michael in Wien sein Grab faud, wo sein 
Wappenschild an der Wand die Aufschrift hatte: 

„Anuo Domiui 1418 Sabbathi post festum Purilicationis Mariae obiit 
Dominus Caspar de Stahrenberg Vienuae" 3 ). 

Sein Bruder Gundakar beschloss im nämlichen Jahre sein Leben, auch 
seine Gemahlin Agnes, geborne Herrin von Polheini, als Witwe, obgleich andere 
sagen, sie habe hernach einen Herrn von Ror geheirathet. Dem Schlosse 
Schönbühel haben beide Brüder eine vorzügliche Sorge gewidmet, da sie es 
durch neue Hauten vergrösserten und befestigten, sowie auch zur Burgkapelle 
nn Jahre 1414 einen eigenen Priester st fteten. Wie aus dem Testamente des 
Grafen Konrad Balthasar von Starhemberg vom Jahre 16(>8 erhellt, gehörte su 
diesem einfachen Beneficium (ohne Seelsorge) vermöge der Stiftung uebst-dem 
Beneficiateu- Hause im Markte Schönbühel, „das Amt Wiesenbach." 

Noch bis in die neueste Zeit besass die Herrschaft Schönbühel mit der 
Ortsobrigkeit Kreussbach und dem Stifte Lilienfeld im Dorfe Wiesenbach (79 
Häuser nächst der Traisen, in der Pfarre St. Veit an der Gelsen) grund- 
h erreiche Rechte. Auf Caspar'* Bildnisse zu Efferding steht unter Anderiii. 
dass er ^die erste Stiftung der Schlosskapellen zu SchÖnpühl gethan Anno 
1414", und auf seinem Bildnisse zu Zeilern: „Er hat die Stiftung eines Bene- 
ficiaten in der Schloss-Kapellen zu Schönpühel gemacht" 4 ). 

(Fortaetzuiig folgt.) 



Die lateinische Bürgerschule zu Wiener-Neustadt. 

Von J. Pölzl. 

(Fortsetzung.). 

Die erwähnte Schulordnung des Leonhard Schwan stammt aus dem Jahre 
1535 5 ). Leider ist sie nicht vollstiind ig. Sie lautet folgendermassen : 

„Vermcrkht die Instruction, so dem Magister Leonhard Schwan, derzeit 

- 

•) Lichnowsky V. Tbl. lU»gesten. Nuiu. 1522, lf.21, v. Meiller*s Regesten derBabeii- 
berger, Seite 16'.). Num. 93. 

») Archiv für Kunde öwterr. (ienchicbtaquelleu. XXIV. 13d. 8. 78. 

») Uoroiti« de Wurmbrand Collect, geneal. bist. pag. 223; aber nacü «1er Ang»l« 
des Freiherrn von Hoheneck zu St. Michael in der Wachau. 
*) Scbwerdling, Seite 114 und 115. 
>) Stadt-Archiv. 



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Schulmeister allhier, durch Bürgermeister, Richter und Rath aufgericht und 
gebeu und er nach seinem vermugt-u vollziehen soll wie nachvollgt: 

Erstlich, dieweill man Imm ain beneficium von wegen der Schuell, so 
lauge er schuelmeister ist, damit er sich zu sambt der Besoldung, so ain 
schuelmaister von gemeiner Statt jährlich gehabt, auch allen Zwaintzigsten 
einkhemen und anderen verlihen, damit die schuel zu einem aufnemen bracht 
und in guetten, ordentlichen wesen gehabt werde, 

So soll er annfenklich ainen Cantor, Succentor und Locaten, wie von 
allter herkhumen, mit will und wissen eines Burgermeisters aufnemen und 
damit versehen sein, dieselben in guett Ordnung in seinem gehorsam halten. 

Er soll auch sein möglichen vleis aukheren, dass die schuel, dyweill 
dieselb bissher in abfal gekumen, widerumb Restaurirt, gestifft und in auf- 
nemung bracht und der Cor us stattlich versehen werde. 

Und soll er Zuvordrist bedacht sein, dass die schueler latein Reden 
und desshalb custodes und Advertentes gehalten werden. 

Auch zu morgeust nach dem prymleuthen Ei und seine Collaboratores 
in der schuell sein und nach gelegenheit der saoheu anfahen zu Resümieren 
bis auf das Hochambt, Auch allten und jungen nach jeder g«legenhaitt umb 
Ir unzucht und unfleiss zimliche straff thueu und fürnehmen. 

Der Cantor ist auch wocheulich am -Freitag nach Essens In cantu grego- 
riauo zu übersingen schuldig, damit in dem chor kain error contmitiert werde. 

Und wann processiones bestehen, soll der schuunaister als ain Magister 
in seinem Erberii Corrogkh sammt denen schuelern 'ordeutlich in und auss 
der Kirchen gehen und zum Ambt und vesper, Es sey das Im etwas fürfuel, 
In summis festivitatibus In seinem stuell stahu und auch an Feiertagen nach 
essen mit den schueleru in guett Ordnung, meuigklicheu zu guetem ebenpild, 
zur predig gehen. 

Desgleich soll am Carfreitag und Sambstag darnach das passiouspill, 
das mau planctum nennt, zu sambt dem umbgankh des grab, auch ander spill, 
wie von alterher und In dem gradual puech stett, gehalten werden. 

Sonntag und anderen Feyertageu soll er ejüstolas Pauli auch die Evan- 
gelien zusambt dem Coraputo Ecclesiastico den. schillern vleissig fürhalten und 
sye darinnen lernen und unterweisen." 1 . 

Diese leider unvollständige Schulordnung giebt uns Aufklärung über die 
Stellung des Schulmeisters; wir sehen, wie schon darauf gehalten wurde, dass 
die Schüler lateinisch reden mussten und zur Ueberwachung Aufseher bestellt 
waren. 

In einer andern Schulordnung ohne Angabe dos Jahres, aber nach der 
Schrift wol auch aus der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts stammend, 
finden wir dagegen einen ziemlich genauen Lehrplau 1 ). In demselben 
heisst es : . 

„Singen frue Veni creator spiritus, veni sancte spiritus. Morgest frue 
Sintaxis, darnach Cicero nem lese, Nachmittag die Grammaticam und 
Terentium, Cqnstructiones grammatices, Sintaxis zu repetirn, Auch den 
Ciceronem und terentium. 

Alle wochen einmall am Montag ein Teutsch Argument od epistel 



') SUdt-Archiv. 



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198 

■ 

fürgeb und am Freitag latine dem schuelmaister oder Collaboratorem zu 
übergeben. 

Am Samstag die Septem Manalia zu recitiern. Was Euch Herr 
Schuelmeister und Collaboratorem füer guet ansieht das den Knaben zu guettem 
khumbt, werdet Ir und sie füerzunemen ' wissen. Dass der Schulmeister bei 
den Knaben darob sei, dass sie latine reden. 

.Was Ir Herr fuer Collaboratores aufnemen wellt die schuell mit euch 
zu versehen. 

Auch dem Collaboratorem Ir Solarium zu machen und geben an Gag 

halten. 

Die Tenebration am Freitag, so im Jar ersungen wird, soll quottem- 
berlich durch die Superintendenten *) Inen nach gelegenheit aussgethailt werden 
und khert dem schulmaister mit zue, dass er's selbst khelt und den Knaben 
und Armen Pueben nichts gibt, Damit die Pueben inen ain Pfait od. schuech 
khauffen mugen und ein Papier. 

Mit den Coljaboratoren und astanten zu handeln, damit sie auf Michaelis 
verbleiben. 

Die grindt, die in Verlassung sein, dieselben nit stagern welle, sondern 
wie sie in brauch gewesen, bleiben lasse. - 

Die grosse reformatorische Bewegung des IG. Jahrhunderts hat sich 
auf einen grossen Teil der gelehrten Schulen Niederösterreichs erstreckt 
und auch die lateinische Bürgerschule Neustadts wurde nach den protestan- 
tischen Vorbildern anderer Orte umgestaltet. Wann diese Schule protestantisch 
wurde, lässt sich nicht genau angeben ; da nun nach dem Vorgänge der 
gelehrten Schulen in Deutschland die Schulleiter Rectores genannt wurden, so 
dürfte die Reform um die Mitte des 16. Jahrhundertes stattgefunden haben ; der 
Schulmeister des Jahres 1552, Meister Jacobus, fahrte schon den Titel: 
Rector *). 

Zwischen 1552 und 1555 stand der Rector Johannes Strobl an der 
Spitze' der Schule. Von ihm ist ausser einem Lehrplan ohne Angabe des Jahres 
weiter nichts bekannt 3 ). . ■ 



') Die Superintendenten sind die 8chulinspectoren. Der Stadtrath ernannte immer zwei 
Mitglieder des Käthes dazu. 

») In der „Topographie von Niederösterreich", herausgegeben vom Vereine für Landes- 
kunde, finde ich pag. 424, Anmerkung 53 unter Hinweis auf Böheim'e Chronik von Wr. Neustadt 
für das Jahr 1580 einen protestantischen' 8chnlmeister in Neustadt, den Baccalaureus Thomas 
Kieneckher, angeführt. In den Akten für das Jahr 15K0 kommt aber ein derartigen Name nicht vor; 
dagegen zeigt das Kathsprotokoll am 3. September 1545, dasB der Rath den Baccalaureus Thomas 
Kieneckher als Schulmeister aufgenommen hat. Ob derselbe Protestant war, ist mir nicht bekannt. 
Znm letzten Male finde ich den Namen im Marz 1549. 

> ; Die Zeit, in welcher Strobl gelebt hat, lässt sich nur annähernd bestimmen. In Beinern 
Lehrplan giebt er an, dass der Kath den Stadtschreiber Lienhart Freisleben zu- ihm geschickt 
habe, um von ihm eine Schulordnung für den Kath zu verlangen. Der Name deB Sladtschrei- 
bers Lienhart Freisiebons steht in den Rathsprotokollen der Jahre 1556—1563. Ob Freialeben 
schon vor 1556 Stadtschreiber war, ist nicht zu eruieren, denn die Protokolle vor 1556 fehlen. Da im 
Kathsprotokolle des Jahres 1559 ein „junger Lukas Strobl" vorkommt, dessen Vater Hanns 
Strobl schon als gestorben erwähnt wird, so ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser Hanns 
Strobl identisch ist mit dem Rector Johannes Strobl, welcher den oben ermähnten Lehrplan 
verfasst hat. Auch der Inüalt und die Schrift dos- Lehrpianos weisen auf die Mitte des 16. 
Jahrhundertes hin. 



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199 

Auf Verlangen des Rathes teilte Johannes Strobl den Lectionsplan 
der Bürgerschule mit. 

„Zu morgens frue von der sechsten stundt im Winter und im Sumer 
von der fünfften stundt biss auf das zambleiten ist den grösseren interpretiert 
worden ain compendium D ialectices Casparis Rodolphi Agricolae, 
deraelbigen praecepta ausswendig recitiert, die jüngeren aber den Donat. 
Auf das aber volget der khnaben exposition Terentii sambt nachfolgender 
Syntai von ainem Sententz auf den andern. 

Darzwischeu, wo sich ein fremder Terminus begeben, vleissig erfragt 
und declariert worden ist; nachdem die praesentation scripturae, wellicher 
VurgeschriiTt auss den Episteln Ciceronis vleissig verteutscht, als nemblich 
auss denen ad Brutum, ad Quintum fratrem, ad Atticum etc., welche in den 
16 Buecheru seiner Episteln nit gefunden werden, und dass darumb ainer dem 
audern nit zu leihen hat, sundern Ire Ingenia darinnen exercieren muessen ; 
sulcl e werden am Freitag wöchentlich nach irer Eleganz vorgelesen, so vil die 
Wochen angesclniben seindt worden. 

Und hat Horatius wol gredt, mit waserlay saßt oder Feichtigkeit ain 
new geschirr genetzt werde, behebt den geschmack, also von nöten ist der 
besten Autuores zu gewinnen in der Jugenfe, welcher zierliche Redo dermassen 
anhenging bleibt. 

Nachmittag werden die regeln Syntaxeos Philip pi Melanchthonis 
auswendig recitiert, darauf volgeut die teutsch exposition, welcher ain kleine 
weil zue repetiern gelassen wurdt. Zu dem Leitten der Vesper wurdt ange- 
fangen die Exposition Terentii Lateinisch und teutsch. 

Des Succentors Lection ; deren, so erst anheben zu declinieren und con- 
jugicren die casus und tempora verteutschen ex octo partibus oratiorris Donat i, 
deren Latein ist des hochberümbten Erasmi Kotterdamij Civilitas morum 
der bürgerlichen Sitten, darauf ich mein sunderlich aufmerkhung und khainen 
uegligeutz gestat; mau findt selten wolgelert, den diese lection succentoris 
annemblich und Cantores daneben sein. Es werden auch alle Feyerabent die 
Psalmen Eobani Hessi, dessgleichen an den Suntägon Evangclia und Episteln 
gelesen, Bin auch des willens, das elementale graecarum literarum 
zu lesen. 41 • 

Von 1555 bis 1565 findet sich ausser den Namen der Rectorou Wil- 
helm Fröschl (1555-61) und Christof Lindauer (1563) nichts weiteres 
über die Schule. 

Unter (km Rectur Bonuius Volkberus (1565 —67) nam die Schule 
einen neuen Aufschwung. Derselbe war wahrscheinlich Protestant 1 ) und hat 



*) Er resignierte 15»!7 auf seine Stelle als Rector mit der Motivierung „dass er einen andern ' 
Glauben annehmen lnüssto". (Stadtarchiv.) 

In einem launig geschriebenen Gesuche an den Stadtrath bittet er kurz vorher um einen 
vierwochentlichen Urlaub, um die hohe Schule in Padua besuchen zu können. „Weil yitzund das 
lessen vorhanden, dass alle Ire Wein einbringen, khanu mir vast in db vier Wochen od länger 
kbeiu Schuelhaltung sein. Weil mir nun selbst (Gott sei lob) khein Wein im kheller ausrinnen 
kann, auch khein einzubringen >«>ilarf, so wird mir im lessen die we.) Juluin allem gar langk- 
weirig sein. Hett mir derhalben ein Spazierweg fürgenoninien, um die Stadt und hohe Schnei 
Padua zu besehen, damit ich was löblichs scheu und erfahren möchte." Der Urlaub wurde ihm 
bewilligt, doch ist es nicht ersichtlich, ob er die Keise gemacht hat. 

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200 



einen ausführlichen Lehrplan verfasst, der uns ein klares Bjld der Schule jener 
Zeit giebt. Wir ersehen daraus, dass die Neustädter Bürgerschule ebenfalls im 
Sinne der übrigen evangelischen Schulen de* Landes umgestaltet wurde. 

(Fortsetiung folgt.) 



Zur Geschichte des Zunftwesens in Niederösterreich I. Bt. Pölten. 
Mitgeteilt aus dem Nachlasse Heinrich Friedrich SailerV 
Von Ür. Adalbert Horawitz. 

(Fortsetzung.) 

I. Der pekcheu brief. 

Wir Albrecht von Gots gnaden Bischoff ze passaw vergehen offenleich 
mit dem brief vnd tun kund, allen den di in seheut oder horent lesen die 
nu lebent vnd hernach künftig sind, daz wir mit verdachten mut vnd mit 
guten Rat haben westett vnd verschriben Vnsern purgern den pekchen Reichen 
vnd armen dacz sand polten Alle irre Recht als si die vnd ir vodern herbracbt 
habent von alter gowohnhait des besten geben wir In daz recht, vnd wellen 
auch, daz ein yesleich pekch der daz recht hat, pachen sol von waicz zwaierlay 
prot ain Bemleins vnd laybeins das die güt sein, Si sullen .auch pachen von 
waicz aynerlay pröt daz haizzent zamczigew wekhl. vnd sullen auch in der 
wochen virstund newpachen prot austragen, an dem Mitichen, phincztag, Sainb- 
stag vnd am Sun tag wer des vberfarn wirt mit ainer gewiss, daz er nicht 
pachet vnd austreit als er ze recht sol, der sol dem Richter geben ze Wanndl 
vir vnd zwanikh phenuing vnd den pekchen in ir czech ain phunt wachs, wir 
wellen auch daz die pekchen ze weinachten pachen lautter semein prot, wer 
des nicht tut, der sol dem richtet geben zu Wanndl zweu vnd sibentzig 
phenniug vnd den pekchen In ir czech zway phunt wachs, wir wellen auch 
daz all Gewpekchen ze Weinachten ayns markhttages vor lautter semlein prot 
in die stat fueren vnd nicht mer In dem Jar. Ist awer das prot nicht lautter 
semleiu so sol man In den wagen zu slahen, vnd sol er daz prot wider aus 
fueren, vnd dem Richter geben ze wanndl zwen vnd sibenczig phenning vnd 
den pekchen zwai phunt wachs. Es sulle auch di Gewpekchen nur an dem 
markchttag rokcheu prot in die stat fuom vnd nicht mer in der wochen, vnd 
sullen daz prot auch nicht in seczeu, wo aber sie ez in seczent, daz nynipt 
man in vnd geit ez in daz Spital vnd inuz der wirt da man daz prot inseczt 
dem Richter geben ze wandl vir vnd zwainczikh phcnng, So geben wir allen 
Muthpekchen di in der stat sind, daz rocht, vnd wellen cz auch, daz si nur 
aynerlay rokcheiu prot pachen von guten Choru daz si auf dem Markcht kauf- 
fent, daz sie nicht waicz darunder my sehen sullen, und sullen auch dauon 
pachen die weil der Mutt gankch hab umb zwelif Schilling helbert vnd phen- 
bert als ander vnser pekchen die daz nicht habent vnd sullen alle tag in der 
wochou ze markcht sten mit irm prot vnezt man dacz der pharr gesinget, 
denn an dem Maikchtag so sullen si mit irem prot sten wie lang Bi wellen, 
wir wellen auch daz dhain fraguer noch fragnerinn nicht fail hobm prot noch 
Griezz noch sen (seinel?), wo man ez darüber vor in vindet daz schol man In 



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201 



nemen vnd in daz Spital gebeii vnd sol der man oder fraw wer ez fall hat 
dem Richter ze wanndl geben vir vnd zwainczkch phenng. "wir wellen auch 
welich witib oder Junkfraw aus dem hant werich heyrat die sullen ir recht 
damit nicht verloren haben. Ob si mit in pachen wellent, wellent aber si mit 
In nicht pachen, do habent si das recht nicht, Jst aber daz ain gast kumt in 
di stat vnd heiiat mit ayns pekchen tochter, Stiribt si an erben So mag der 
man dennoch wol mit den pekchcu pachen, die weil er witibcr ist, Heyrat 
awer er nicht in daz hantberich so hat er des rechten nicht vnd welich kind 
nicht ein ee kind ist, daz offenbar ist, daz hat des rechten nicht Wir wellen 
auch wer zw den pekchen in ir recht sten wil der sol uns geben drew phundt 
phenning, den pekchen In ir czeche dreissig phunt wachs, dem Richter Bechczig 
phennig den zwelfen vnssn gesworen purgern aym ysleichen zwelif phenning, 
darzu dem Richter den zweiten vnd den peken ein mal, In dacz Spital dreissig 
phenning den sichen vor der stat iix d, (30 den.) vnd ayn emer Weins nach 
tysch, wir wellen auch daz kain Schuppffen in der Stat nicht mer sein sull, 
wann wir selb gewaltig sein, irs leibs vnd irs guts, vnd si vns.vmb di 
egenanten recht die wir in verschriben vnd westett haben als si von alter 
gewonhait her komen sind, diernnt alle Jahr drew phunt phenning in vnser Gericht 
daselbs einem vrkunt Wir wellen auch wer den pekchen ir recht pricht der 
boI vns geben fünf phunt phening vnserm Richter ayn phunt den zwelifen 
vnsern gesworen purgern ain phunt vnd den pekchen in ir czech ain phunt. 
Daz In die Wanndlung stet beleih So geben wir ir zu vrkunt disen brief 
versigelt mit vnserm Insigl der ist geben ze Wienn Nach kristi gepurd drew 
zehen hundert Jar darnach in dem Sibeti vnd dreissigsten Jar an Sand Thomas 
abent vor Weinachten. 

Datum Wien, 21. December 1337. 



II. Der Seinl pekchen brief. 

Wir Virich, von gots gnaden Bischowe zu passaw Bekhennen Mit dem 
offen brief vnd tun kund allermäniklich Bas vus vnnser getrew Vnnser Burger 
die pekchen Reich vnd arm vnnser Stat zu Sanndpolten weylent vnser voruor- 
deren loblicher gedachnus Bischofi* Albrecht brief dar Inn ett wil gerechti- 
kait vnd freyhait Irs Hanntw- rchs begriffen die dann nachmalleu durch Bi- 
schof leonharten brief bestat und bekrefftigt sint doch mit vorbehaltung dar- 
Inne ze lewttern ze meren vnd ze luyndern wie dann sy vnd all Ir nachkomen 
des nat vnd gut beduirkheu wurde In gegenburtigkait Vnnserr getrewen lieben 
Ambtman Richtter Rat vnd gemain der gannczen Stat iurbracht haben, dabit 
gegta haben vnns di yzgeuannten vnnser Burger aigentlich vnuderricht Das 
durch soloh gerechtikait gemaiuer nutz diser Stat vass$ geschwecht vnd 
gemindert wurde vnd dieselben vnser stat an lewten gepaw vnd hewsern merk- 
lich abgenomen hiet. Vnd wann wir mit begirlichen gmüt ye zu furdrung 
gmaiuer nutz aufnemung vnd widerbriugung vnnser Stet vnd geslösser genaygt 
seinn als wir das pilich tun haben wir von beder obenanter tail willen nach 
Rat vnnser rnt die obgenannten gerechtikait vnd freyhait In die nachgeschriben 
Ordnung wol bedachtlich bracht vud gesetzt als wir getraweii bayden taylen zu 

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202 

. nutz fruinen vnd aufnenien komen vnd auch leydenlich sein sullen. Vontnt 
geben wir in das recht vnd ordnen auch da« ain yglicher pekh der das recht 
hat pachen sol von waycz zwayerlay prot, ain senileins vnd ein laybens vnd 
das die gut seitin Sy sullen auch pachen von waytz ainerlay prot das da 
haisst ganntz waytzenew wegke vnd sullen also In der wochen ze vier mallen 
newpachen prot austragen an dem Mitichen, an dem phincztag, an dem Samb- 
»tag vnd an dem Sütag vnd welher das wissentlich uberuaren würde, der das 
Nicht pacht oder austregt als er zerecht sol, der sol vnnserm Richter sie 
geben vnd ueruallen sein viervndzwainczig pfening vnd den pekchen in Ir 
zech ain pfunt wachs. Wir ordnen vnd wellen auch das di bemlten pekchen zu 
weychnachten pachen lautter semlein prot vnd welher das nicht tat der sol 
vnserm Richter ze wanudl geben zwenvndsibenczig pfening vnd den pekchen 
in Ir Zech zway phunt wachs. Wir ordnen vnd wellen auch das -all Gewpekchen 
ze weinachten aius markhttags vor lautter semleins prot In vnnser Stat bie 
füren mugen vnd nicht mer In dem Jar, Wer aber das prot nicht lautter 
semleius, so sol man Im den wagen zuslahen vnd sol das prot wider aus der « 
Stat fiiren. Aber an den inarkchtagen mugen si wochenlich allerlay annder 
prot dann semlein hereinfüren vnd verkauften, Doch sulleu sy das prat nicht 
Insetzen wo sy aber das Insetzen das nymbt man In vnd gibt das in da* 
Spital Vnd sol der wirt, da mau das prot hin seczt vnnserm Richter zu wanndl 
geben vier vnd zwaintzig pfening wir ge!;en auch allen mutlpekchen So sie 
Iu vnser Stat sint die freybait vnd Recht vnd wellen das sy nur gut Rogkein 
prot pachen. Si sullen auch alle tag In der wochen zu markht sten mit Irem 
prot vnczt man Zu der pharr gesingt ausgenommen an dorn Markchttag, So 
sulleu vnd mugen sy mit Irem prot zemarkht sten So lang sy wellen, Wir 
wellen auch ob ain gast der auf dem Hanntwerch der pekchen gelernut vnd 
das mit der bannt geweist hat, In die Stat kumbt vnd heyrat mit aius pekhen 
Tochtter derselb gast hat damit das pekchenrecht erlangt vnd mag das die- 
weil er lebt, arl'aitteu. Weiher pekh aber das Hanntwerch nicht arbaitten 
wolt vnd ze arbaitten vermocht der hat dadurch das pekheurecht verloren vnd 
mugen dann Irew kind mit dem benannten nicht iner verheyratten, Wir welleu 
auch wer zu den pekchen in Ir Recht sten wil d.'r sol vor genügsame kunt- 
schafft bringen das Er eelich goporn sey vnd sich Erberlicb vnd frumblich 
gehalten darzu auf dem Hanntwerch gelernnt hab, vnd sol das hanntwerch 
mit der hannt vnd seiuer arbait vor den *beuanten vnsern pekhen beweysen, 
würden sy In aber dar Inn zu hert furuenien dar Inn sol er(V) vnnser Richter 
vnd der Rat Enntscbaiduug haben Er sol auch vnns geben drew phunt phening 
den pekchen In Ir Zech fünfzehn phunt wachs, Vnnserm Richter zwei vnd- 
dreyssig phening In das Spital viervndzwainczig phening und den pekhen ain 
phunt phening, Das sullen sy miteinander vmb Essen vnd trinkhen frewntlich 
Venern vnd damit hat er alsdann das pekrecht für sich vnd sein leybserben 
so er nochmals eelich gewint erlangt. Auch wellen wir von Sundern gnaden 
die pekchen der Schuphen vertragen In Hoffnung das sy sich In Irin Hannt- 
werch vnd solher vnser Ordnung also halten werden dardurch sy solher straff 
nicht vorschuld doch auf vns vnd vnnser nachkomen Widerruffen vnabgenomen 
der dreyer phunt gelts So vnns die pekhen in vnser gericht Jerlich dienen 
Wir ordnen vnd seezen auch das albeg zwen aus Vnserm gesworen Rat hie, 
Vnd zwen auf aus den maisteru der pekhen, wochenlich ains oder iner so 



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203 

offt sy des verlangt das prat semleins vnd anders mit vleiss beschauen Das 
das recht gepachen auch an der gross oder wag gegen dem gemaynen kauff 
des getrayds wie dann das da zezeiten seinn gankh hat zu pfennberten 
Helleberten also' gefloatet sey das der pekh vnd die so es kauften nach geleichen 
dingen damit abkomen mugen. So aber dar Inn durch di pokchn oder mütl- 
pekchu verhandelt wurde So mugn dieselben vier für sich selbs oder aber so 
es uatthun wurde nacli Rat vnnscres Richtters vnd Rats hie dasselb prot 
• ausgeben vnd in das Spital geben oder anndcr gepurdlich straff von 
vnnsern wegen furnemen dar Inn In die pckchen gehorsam sein sullen. Es 
schullen auch solh beschawer So offt sy sich gepurt vnnserm Richtter vnd 
Rat hie geloben. Solh beschaw In der gemain trewlich vnd vngeuerdlich zetun 
vnd zuuerbringen. Wer aber den benanten pekhen wider solh lr Freyhait vnd 
Recht ainicherlay Ingrif täte der sol Ynns geben fünf phunt phening vnserem 
Richtter ain phunt vnd den pekhen In Ir zech ain phunt phening. Wir behal- 
ten auch vns vnd vnsern Nachkomen den geualt beuor das wir die obenanten 
Recht vnd Freyhait mugen lewttern meren vnd mindern nach vnserem oder 
derselben vnser nachkomen wolgeualleu vnd willen darauf gebieten wir vnnsern 
getrewen lieben vnnsern Amtman Richter Rat vnser benanten Stadt sannd- 
polten mit Ernst, das sy die obenanten vnser pekhen bei solhen Iren Frey- 
haiten vnd Ordnung vngehindert lassen beleiben noch von ander yemants 
andern daran gestatten geirtt werden In kainerlay weis auch bei den benanten 
pekhen von vnnsern wegen mit Ernst darub vnd an sein solh vnser Ordnung 
vnd geseczt in allen punkhtten vnd artikeln stät zu halten vnd dem nachzegen 
augeuerde das maynen wir Ernstlich Mit vrkund des briefs Geben zu Sannd- 
poltn an Saund Luceintag nach Christi gepurt xiiij C vnd lxiij Jare. 



III. Ain schreyben von dem vorgebauten vnnserem gnädigen 
Herrn von passaw der pekhen halben. 

Vnnsern grus zuuor Getrewen lieben. Ewr schreyben vns yeczo getan 
von wegen der pekhen Iii vnser Stat zu Sanndpolten vnd darauf vnderrichtung 
von peter paulsen ( ?) den Mutlpekhen haben wir vernomen, vnd wiewol wir daraus 
nicht aigentlich vnderricht auch sunst zu disen Zeiten nit etngedenkh seinn 
auf was lautt vnnser freyhait [(Vlre von Gots gnaden Bischouen zu passaw) 
am Rande] so die Semelpekhen von vnns zehaben vermaiueu gegründet sey 
yedoch ist vnns nit gemaint jdas gemaine Stat vnd vnnsere Bürger durch solh 
freyhait ob sy die bieten vnd doch selbs gemaine Stat mit notdurftigen pachen 
nicht versehen mochten beswärt werden oder abgang an prot haben sollten, 
darvmb so Emphelhen wir Ew vnd wellen das lr von vnnsereu wegen dismals 
In die sache sehet vnd nach gelegenhait vnnser freyhait auch gemainer Stat 
nucz vud notdurfft Ein Ordnung zwischen den bemelten Seml vnd Mutlpekhen 
machen wellet, damit yglichem tail souil bescheh als pilich ist, vnd gemainer 
Stat nucz vnd notdurfft mit dem pahen besunder In den Lewffen nit verhin- 
dert, sunder gefurdert werd, als Ir vns auch selbs vnd Ewr gewissen auch 
den bemlten pekhen Ewreu mitburgern des schuldig styt, vnd was Ir also 
dismals dariun furnemen oder ordueu weidet, Das schaffet vnd bestellet von 



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204 



baiden tailen auch den knechten des hanntwerchs zehalten wie solang wir 
furan selbs in die Sachen sehen vud Ordnung nach der bilikait darfen machen 
mugen vnnser freyhait den bemelten Semelpekhen gegeben damit verpriffenlicli 
die wir damit zu künftigen Zeiten, so wir selbs Ordnung machen werden zehal- 
ten nit abnemen wellen vnd thut hier Inne guter vleys als wir Ew vertrawen, 
das ist vnnser maynung vnd weilen das genädiklich gegen Ew Erkennen dat 
passaw an freytag nach marie Ma?dälene Anno dorn. cd. lxxiij. 

Vnnserer getrewen lieben dem Ambtman Richtter und Rate unser 
Stat zu Sanndpoltn. 



IV. Statpuch von St. Pölten. (Deckel.) 

Anno dorn. 1496. (MCCCC°96) am freitag vor Viti ist durch den Edlen 
vnd vessten CristofFen männinger (!) Romischen kl. M. ambtman auch durch 
Richter vnd Rat vnnd Ettlich der genannten den pekhen hie geordnt vnd 
gesetzt, wenn man den motzen waitz gibt bei sechtzig pfenige Sollen die 
pekchen pachen Semein die sechzehen Lat geben gut vnd gerecht, auch waitz 
ein helbert wegkl des sich die pekchen verwilligt haben vngeuerlich. 



Sogen aus der Donaugegend von Ni od er Österreich. 

Gesammelt und mit kritischen Bemerkungen versehen von Professor 

Ambros Heller. 

1. Die Teufelsmauer. 

Während bei dem Anblicke alter Gebäude unbekannten oder zweifelhaften 
Ursprungs mancher Golehrte dem Flügelrösse seiner Phantasie die Zügel 
schiesBen Hess, um sich zu den Mysterien der „Ritter vom Tempel", zu verirren, 
tummelt sich der Aberglaube des Landvolkes nicht minder romantisch auf 
dem schauerlichen Felde des Teufelsspukes und der Gespnnsterfurcht herum. 

Vom „Teufelsschlössel zu Schönbühel", wo jetzt das Serviten- 
kloster steht, ist kein weiter Weg zur „Teufels mau er", deren Bau die Sage 
dem bösen Geiste zuschreibt. 

Die Teufelsmauer oder Teufels wand ist ein Felsenkamm, der sich 
unterhalb des Ortes Schwallenbach längs eines Berges, von der Spitze desselben 
bis an die Donau, herabzieht und in einiger Entfernung sehr wol für eine 
uralte, an ihrer schiefen Fläche an vielen Stelleu eingeschnittene oder durch- 
brochene Mauer angesehen werden kann. Jeder Schiffer, wie die ganze Umge- 
bung, kennt das „Wahrzeichen" auf dem Turme zu St. Johann, dessen „hoch 
geweihte und weitberühmte Kirche" den neidischen Grimm des Teufels erregte, 
der nichts Geringeres beabsichtigte, als das ganze von unzähligen Wallfahrern 
durchwanderte Donauthal in dieser Gegend durch eine Mauer, welche er von 
einem Berge zum andern mitten durch die Donau auffuhren wollte, abzu- 
sperren und somit zu überschwemmen. Sein unheilbarer Versuch wurde 



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205 

ihm unter der Bedingung erlaubt, dass sein Werk vollendet sein müsse, bevor . 
der Hahn auf dem rechten Ufer des Donaustroms zum drittenmal gekräht 
hätte. Rüstig arbeitete der schadenfrohe Geist des Abgrundes an der 
Steinwand des jenseitigen Ufers, noch eilfertiger, als die Stimme des verhäng- 
nisvollen Hahns schon zum zweitenmal erschallte ; aber erst bis zur Donau 
herab war die Mauer geführt, und zum drittenmal Hess sich der Ruf des 
Morgenbotens vernemen ! Darüber erzürnt, schoss der Teufel dem Hahn einen 
Pfeil in den Hinterleib und verliess seine Unvollendete Arbeit Zum Andenken 
dieser Geschichte soll der eiserne Hahn mit dem Pfeile auf dem Turme von 
St. Johann gesetzt worden sein ; oder — wie Andere sagen — dieser Hahn 
selbst, ursprünglich ohno Pfeil, soll durch sein Krähen das Werk des Teufels 
gestört und dessen Absicht vereitelt haben 8 ). 

Eine neuere, von uns aus dem Munde des Volkes niemals gehörte Sage, 
geben wir mit den Worten, womit sie in der uns zunächst vorliegenden, 
neuesten Quelle 8 ) erzählt wird : „Es wohnte in dem jetzt gänzlich verfallenen 
Schlosse zu Aggsbach eine schöne Maid, für welche die Ritter von Spitz 
und Aggstein minniglich erglühten. Nach dem Ausspruche des Vaters sollte 
die Jungfrau aus beiden Werbern demjenigen zu Teil werden, welcher als 
Sieger von dem Turniere zu Wien heimkehren würde. Zur Freude der Tochter 
und des Vaters gewann der Ritter von Aggstein den Dank. Die Vermählung war für 
den nächsten Morgen festgesetzt, und der Ritter von Spitz stürmte verzweiflungs- 
voll zur Donau herab, um in ihren Fluten sich zu begraben. Da trat ihm ein 
kleines verwachsenes Männlein entgegen und sprach höhnisch lachend: „„Warum 
so verzagt, Herr Ritter? Es hängt ja nur von Euch ab, die schöne Braut 
morgen nach Spitz zu geleiten. Befehlet, so führe ich eine Mauer auf, die 
den Strom dämmt, damit er zur Veste emporsteige. Ein besseres Mittel, die 
Braut Euch zu verschaffen, kann nicht ersonnen werden."" Und der Ritter, 
von neuen Hoffnungen beseelt, gebot das Werk zu vollbringen. Dass der 
Teufel — denn er und kein Anderer steckte in der Haut des krummen Männ- 
leins - seinen Bau zu fördern wusste, sieht man an der aus gewaltigen Fels- 



i 

') Nach dem interessant™ Aufsätze des Pfarrers F. Hoffstätter zu Aggsbach dies- 
seits der Donau: .St. Johann im Mauernthal* im Hippolytas, theologische 1 »urtalschrift der 
Diöcese 8t. Pölten. Herausgegeben und redigiert von Dr. Kerschbaume r. VI. Jahrgang 
I. Quartal 1863, 2. Abtl. S. 20-21. 

>) Des Freiherrn von Schmidtburg Donaufahrt, im sechsten Jahrgange toii Sarto- 
r i's malerischen Taschenbuch, berichtet — mit Uebergehnng der Sage vom Hab 1 zu St. Johann 
— „der Teufel habe hier die Donau zumauern wollen, allein die Steine, durch eine unsichtbare 
Gewalt geschleudert, ontglitton immer seinen kralligen Händen, wenn er sie zusammenfügen wollte 
und so musste der schwefelduftende Baumeister sein Unternemen aufgeben.* — Einige nennen 
statt der Kirche zu St. Johanu die Kirche zu Maria-Taferl, welche der böso Feind habe 
vernichten wollen ; allein diese ist ja auf der Höhe des BergeB in weiter Entfernung von der 
Teufelsmauer gebaut und als Wallfahrtsort erst aus der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahr- 
hunderts! Die Verwechslung scheint entstanden zu sein, als die Kirchfahrten nach St. Johanu 
aufhörten, während Maria-Taferl noch houte der besuchteste Wallfahrtsort ist. Die Volkssagen 
nemen es eben mit der Zeitrechnung nicht genau! 

') „Maria Langegg und die Burg Aggstein" von B. Hüllrigl, in der Volksschrift : „Der 
Pilger. Illustrirter Kalender für das kathol. Volk.* III. Jahrgang 19G'j, S. 117-118. Die obigo 
Erzählunjr lässt sich übrigens durchaus nicht auf eine urkundlich« oder ge-chichtliche Begrün- 
dung zurückführen. Das erwähnte Schloss Aggsbach, der Stammsitz der gleichnamigen Ritter, 
wurde später zum Bau der Karthause Aggsbach durch Haderich oder naid.nreich von Meissau 
verwendet. 



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206 

• 

stücken aufgetürmten Mauer, die dem Strom bereits nahe kam, als in St. 
Johann am rechten Donauufer plötzlich der Hahn krähte. Zu spät wollte der 
Böse den Morgenverkündiger hindern, indem er ihm einen Pfeil durch den 
Kopf schoss j der erweckte Tag lähmte die Macht der Hölle. Der Ritter von 
Spitz fiel anf seine Knie und that Busse durch sein ganzes Leben, und zwar 
unerkaunt in der Karthause zu Aggsbach. 

Ah bleibendes Wahrzeichen dieser Begebenheit sieht man auf dem 
Kirchturme zu St. Johann noch heute einen kupfernen Hahn, der von einem 
Pfeile durchbohrt ist" *), 

Bekanntlich ündet man sogenannte „Teufetfcmauern" auch in andern 
Gegenden ; so zieht z.B. bei der Stadt Blankenburg am Harz, durch grosse Lücken 
unterbrochen, bis zu den GegenBteinen bei Ballenstadt ein aus Quadersand- 
stein in grotesken Formen aufgetürmter Wall von 800' Höhe, „oft in so 
gerader Serie hinunter, dass jemanden, der es nicht wusste, secundum rectis- 
simam lineam, einen Ayd schwüre, es wäre nicht naturell" 2 ). 

Ihrer grossen Aehnlichkeit wegen mit der Donausage von der Teufels- 
mauer wollen wir die von Hohenfurt hier schliesslich erwähnen 3 ). 

„Die Frömmigkeit der ersten, aus Wilhering berufenen, Bewohner des 
Stiftes Hohenfurt hatte einen so hohen Grad erreicht, dass sie zu einer Volks- 
sage Veranlassung gab, vermöge welcher die Geister der Unterwelt den Ent- 
schluss fassten, sie zu vertilgen oder doch aus dieser Gegend für immer zu 
vertreiben. Zu diesem Zwecke sollen sie die eine halbe Stunde westlich ober 
dem Stifte vorhandene sogenanute Teufelsmauer erbaut haben, um die 
Moldau zu zwingen, sich über jenen Hügel, den die Frommen bewohnten, ein 
neues Flussbett zu bahnen. So die Sage, welche auf einein im Jahre 1685 
verfertigten, in dem Bibliotheksgange aufbewahrten grossen Oelgemälde darge- 
stellt wird. 

Allein schon die Lage der benachbarten Berge zeigt die Unmöglichkeit 
der Ausführung dieses Planes, so dass eine solche Schwelle mehr den weiter 

1 ) Zuerst fanden wir die Sage in dieser Gestalt, aber mit einigen Abweichungen, in den 
romantisch-historischen Skizzen ans Oesterreichs Vorwelt, von Emil + * (Job. Franz Trimmel) 
Seite 136—137, unter der Aufschrift : „Die Teufelsmauer zu Aggsbach", wo ein Schiffer dem seinen 
geliebten König Kichard Löwenherz aufsuchenden Blondel die Sage vom Hahn auf dem Kirch- 
turme zu Aggsbach erzählt und die Worte beifügt: „die Geschichte mag euch ' belehren, dass 
blinde» Vertrauen in die eigene Starke, so wie die Macht des Bosen stets zu Schanden wird.« 
Der Kitter berente den Bund mit dem Teufel und zog nach Palästina, wo er don Tod suchte, aber 
nicht fand; denn er soll zurückgekommen und unerkannt im Servitenkloster zu Sehrt u- 
bühel seine Tage der Busse gewidmet haben ('.'.'.). In B 1 u in e u b a c h's Bemerkungen, gesam- 
melt auf eineT Donaufahrt von Melk bis Spitz (Vaterländische Blätter, Jahrgang 1813, Num. 18 
u. s. f.) heisst es blos — ohne nähere Umstände — der Teufel soll die Teufelsmauer gebaut haben, 
„um durch eine fürchterliche t'cbersch wemmuug Land und Leute zu ersäuf*«. Aber die grossen 
Schwierigkeitea schreckten ihn von der Ausführung seines Vorhabens ab, und seitdem mied et 
die Gegend, uro nicht Menschen zum Gespötte zu werdet." 

') H. Pröhle: „So schön und siunig ist die dichterische Naturanschauung des Volk«* 
selbst da, wo e« sich um den 1' ferdefuss handelt, und auch dadurch bewährt sich diese 
Anschauung in ihrer ahnungsvollen Wahrhaftigkeit, dass mau bei näherer Ansicht aller dieser 
Felsblöcke sie weder als unmittelbar von der Natur in dieser Lage geschaffen, noch als Wl 
Menschenhänden aufgerichtet betrachten, sondern diesen Versuch babylonischer Türme sich in 
der That nur durch eine fei ai liehe Kraft in der Mitte der Natur, durch grosse Umwälzungen 
in ihrem Schoose, erklären kann." 

3 ) M illauer, der Ursprung des Cistercieuser-Stiftes Hohenfurt in Böhmen. Frag 1814. 
S. 43—14, Note S4. 



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207 

oben in Heuraffel einst wohnenden Eremiten des heiligen Antonius schaden 
konnte. Diese Teufelsmauer, auf der Müller'schen, Wieland'schen und Erber'- 
schen Karte „angustae montium", ist wahrscheinlich das Produkt einer derje- 
nigen bedeutenderen Erderschütterungen in unserem Vaterlaude (Böh- 
men), deren Hayeck in seiner Chronik und nach ihm mehrere andere Schrift- 
steller bei den Jahren 819, 1036, 1071, 1201, oder wenn an dieser Sage nur 
das für Wahrheit angenommen wird, dass dieses Ereignis erst nach der 
Errichtung des Stiftes vor sich gieug, bei den Jahren 1326, 1348, 1380, 1511 
erwähnen." 

2. Sagen vom heiligen Albinus. 

Diese, obgleich nicht weniger denkwürdig, entfremden sich doch allmälig 
immer mehr der Erinnerung des Volkes, daher sie durch schriftliche Aufzeich- 
nung vor gänzlicher Vergessenheit bewahrt werden mögen. 

Unweit der Backstallenwand, bei dem heutigen roten Kreuz, lull vor 
Zeiten eine Einsiedelei gestanden haben, in welcher Alb in und Rosalia, 
beide verlobt, ein so unschuldiges und gottseliges Leben führten, dass sie im 
Hufe der Heiligkeit starben. Sie hatten sich gegenseitig versprochen, dass der 
Ueberlebende am Grabe des Anderen wachen sollte. Rosalia starb zuerst und 
den Albin traf das Loos der Wache au ihrem Grabe, welches sie, wie allgemein 
geglaubt wird, im Schiffe der Kirche zu St. Johann erhielt. Hütten im Schiffe 
derselben stand nämlich bis zum Jahre 1862 ein kunstloses gemauertes 
Grabmal, einem Sarge oder einer Tumba ähnlich, mit der Statue des Pilgers, 
welcher bei demselben Wache hält. Bei dem Grabe befand sich auch eine 
Vertiefung mit einem Löffel oder Schaufelchen, womit Erde herausgefasst 
wurde, welche weithin als Heilmittel gegen Fraisen und Halsschmerzen bei 
Kiudern gebraucht wurde. — Um endlich jede Gelegenheit des Aberglaubens zu 
entfernen, wurde das Grabmal abgebrochen und die Statue an einen anderen. 
Platz in der Kirche — in das Westende des Schiffes, in eine Ecke unter dem 
Musikchor — übertragen. 

Unwissende halten aber noch immer dafür, dass diese Statue den heiligen 
Albinus vorstelle, dessen augeblicher Grabstätte die Kirche ihren alten Ruhm 
verdanke ; allein offenbar hat der dem Beuedictiner-Orden angehörige und im Jahre 
549 als Bischof zu Angers in Frankreich gestorbene heilige Albinus, dessen 
Fest am 1. März gefeiert wird, keine Beziehung zu dem in St. Johann hoch- 
verehrten Albinus, über welchen mau aus den Erzählungen der Leute nichts 
Befriedigendes erfährt. 

Wir erlauben uns, zuerst Alles zusammenzustellen, was noch jetzt von 
dem augeblichen Heiligen und seinem Grabmal erzählt wird, und lassen dann 
einen Bericht, der sich darüber in einem Göttweiger Manuskript vom Jahre 1(537 
noch vorfindet, selbst sprechen. 

Die Albins-Statue führte einst zur Entdeckung eines Mörders. Das 
Hilduis war so befestigt, dass wer das rechte Verfahren damit (deu Vorteil) 
nicht wusste, nicht im Stande war, es von der Stelle zu heben. Daraus nam 
mau die Veranlassung, zu sagen, dass, wer die Statue nicht heben könne, ein 
überaus schwerer Sünder sein müsse. Als eines Tages Mehrere in der Kirche 
ihre Andacht verrichteten und hierauf nach damaligem Gebrauche — den 
heiligeu Albiu hoben, glückte es Allen bis auf eiueu Unbekannten, der dieses 



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208 



trotz aller Mühe nicht vermochte, daher ihn die Uebrigen geradezu für einen 
sehr schweren Sunder erklärten und mit diesen und andern Worten ihr 
Bedenken gegen ihn laut äusserten.. Der Unbekannte, darüber bestürzt, hielt 
sich für entdeckt und bekannte den verübten Mord. 

Einigen Mädchen von Arnsdorf — so erzählt man — missfiel die Statue 
i lirer Schwärze wegen, daher sie dieselbe aus der Kirche zur Donau trugen und 
darin wuschen. Allein, was geschah hierauf? Wegen seiner grossen Schwere 
vermochten sie das Bildnis nicht mehr in die Kirche zu bringen, sondern der 
eben auf einem Versehgange begriffene Pfarrer von Arnsdorf setite es wieder 
an Ort und Stelle. Diese und die noch zu erzählenden Wunder machten eben 
„die hochgeweihte Kirche" zu einem weitberühmten Wallfahrtsorte, wohin 
aus weiter Umgegend, ja sogar aus dem tiefsten Ungarn, Pilgerschaaren gezo- 
gen sein sollen' und das Zuströmen des Volkes so gross war, dass die geräu- 
mige Kirche die Andächtigen nicht fasste und daher für sie an den Aussen- 
wänden sechs Beichtstühle angebracht waren, welche erst bei der französischen 
Invasion im Jahre 1805 weggerissen und als Brennholz zur Feuerung von den 
Soldaten verwendet wurden. Für das hohe Ansehen spricht auch die Erzählung, 
dass einst ein Weib aus dem Dorfe St. Johann, welches an einen anderen 
Wallfahrtsort gieng, um dort ihrer Andacht obzuliegen, von einem Priester 
daselbst gefragt, woher sie käme, mit der Zurechtweisung weggeschickt 
wurde : „Wie ? Ihr kommt hieher, und wir haben vielmehr nötig, zu euch zu 
kommen ! K 

Die — bisher vergeblichen — Versuche zur Erklärung der Volkssage 
vom hier ruhenden Leichnam des heiligen Albin haben schon vor längerer 
Zeit — wie noch erwähnt wird — die irrige Meinung in die Sage selbst hinein- 
getragen, dass der heilige Adalwin, Erzbischof von Salzburg, hier begraben 
sei. Dieses für wahr angenommen, wäre nur Ein Schritt zur Vermutung, 
dieser Kirchenfürst selbst habe zuerst hier eine Kapelle gebaut, und zwar 
während seines Aufenthaltes zu Arnsdorf, dem seinem Erzstifte gehörigen Gute. 
Wir wissen zwar, dass Adalwin, Graf von Taur, welcher im Jahre 859 oder 
800 den erzbischöflichen Stuhl zu Salzburg bestieg und 860 zu Rom das 
Pallium empfieng 1 ), seine grosse Diöcese bis nach Pannonien hinab bereiste, 
wo er unter andern Kirchen auch die zu Spi tz (ad Spizzum) am H.Januar 
8G5 zu Ehren der heiligen Margaretha weihte und ihr einen eigenen 
Priester gab. Er starb am 23. April 873 mit dem Ruhine der Heiligkeit bei 
den Nachkommen, wie er denn auch einst mit einem Heiligenschein in der 
Domkirche zu Salzburg abgemalt war, wo er in der Gruft unter dem Chor der 
alten St. Ruprechtskirche bei dem Altare des heiligen Erasmus zur Erde 
bestattet wurde*). Allein da bei dieser Nachricht keineswegs an die St. 
Mauiitiuskirche zu Spitz an der Donau, in Oesterreich unter der Enns, 



') Juvavia, diplomatischer Anhang Seite 92, Urkunde Num. XXXVI. 

*) H ansiz Uermania Sacra, Tom. II. p. 138—136. Im Urazerkreise von Steiermark sind 
zwei, nach Stradcn eingepfarrte Dörfer: Ober- und Unter-SpiU, l/, bis 2 Stunden von Mureck. 
in Ungarn, im Eisenburger-Comitat, 3V, Meilen von Güns, ein kroatisches Dorf Spie; oder Oläh- 
Cziktin, ein Filial der Pfarre Etiri-Szent-Martony. Alle übrigen im österr. Kaiserstaate gelegenen 
Ortschaften, welche den Numen Spitz oder einen mit Spitz zusammengesetzten führen, wie z.B. 
Spitzach, boinabo 2 Stunden von Klagenfurt, passen nicht auf das uralte Spiizum, dessen 
Kirche Adalwin geweiht hat. 



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209 

Arnsdorf gegenüber gelegen, zu denken ist, so ist jene Vermutung als unge- 
grüudet zu verwerfen, und die Kirche St. Johann nicht als die Ruhestätte 
des Erzbischofs Adalwin anzunemen. 

Eine sehr interessante Volksitte, die sich gleichfalls an die Sage des 
hochverehrten Albinus knüpft, bleibt uns noch zu erwähnen. Sehr alte, noch 
lebende Leute gedenken recht gut der vielen geopferten H u f e i s e n, die sie in 
der Kirche haugen sahen, bis sie zur Zeit der französischen Invasion im Jahre 
1805 gestohlen wurden. 

Es begab sich nämlich einst — erzählt die Sage — dass stromaufwärts 
fahrende Schiffleute den an Rosaliens Grabe wachenden Albinus aus der Kirche 
mit sich namen und ihn einstimmig zum „Kranzelmeister" ernannten 1 ). 
In seiner Gesellschaft kamen sie glücklich spät Abends am Strudel an. Sie 
stiegen aus dem Schiffe, liessen den Kranzelmeister Albin als Wache zurück 
und übernachteten zu St. Nikola. Am Morgen des anderen Tages fanden sie 
zwar ihr Schiff, aber zu ihrem Leidwesen nicht den Kranzelmeister Albin, 
von dem Einige glaubten, man habe ihn gestohlen, Andere, er sei in das 
Wasser gefallen. Die Fahrt in das Oberland wurde fortgesetzt. Als die 
Schiffleute nach einiger Zeit mit dem nämlichen Schiffe wieder stromaufwärts 
fuhren, konnten sie bei der Kirche zu St. Johann nicht vorüber, und es half 
nichts, die Pferde noch so scharf anzutreiben. Man hielt sie also für krank 
und holte änderte, aber ebenso vergebens ! Nachdem die Schiffleute anderthalb 
Stunden auf derselben Stelle gestanden, fiel es ihnen auf, dasa sie gerade bei 
St. Johann aufgehalten wurden ; sie giengen zum Pfarrer von Arnsdorf Namens 
R. und baten um Rath. Der Pfarrer trug ihnen auf, ihre Andacht in der Kirche 
zu St. Johann zu verrichten, wo sie zu ihrem Erstaunen den heiligen Albin 
auf seinem vorigen Platze stehen sahen. Sie opferten nun d i e Huf e i se n 
von jedem ihrer Pferde, worauf sie, obschon mit unbeschlagunen Rossen, ihre 
Fahrt den Strom aufwärts ohne Hindernis vollendeten *). 

Da Albin's Grabmal — wie wir schon erwähnten — nicht mehr besteht, 
so ist die getreue Abbildung desselben, die in einem handschriftlichen Werke 
der Stiftsbibliothek zu Göttweig aufbehalten ist, um so wertvoller; dasselbe 
wurde in den Jahren 1776 und 1777 von dem Stiftskämmerer und Archivar 
Hartmann Dückelmann (gest. den 22. Oktober 1784) mit mühsamem Fleisse 
verfasst und enthält Zeichnungen von Siegeln, Wappen, Grabsteinen und Inschrif- 
ten 3 ). Der Abschrift des Berichtes vom Jahre 1637 setzt Dückelmann ein 



1 ) So wird der Erste im aufwärts gezogenen Schiffe, Naufßrg — eigentlich Nauverg — der 
Erste hei der Fahrt abwärtB genannt. 

*) K. In der Reihe der Pfarrer zu Arnsdorf erscheinen: Franz Keis von I7 r 0 biB 171?, 
Franz Warmnnd Resch Ton 1759 bis 1787, sein Nachfolger Joh. B. Rossi von 1767 bis 1787. 

s ) Miscellanea. Handschrift Num. 895. Der Bericht fol. 75—77, das Grab des heil. 
Albin fol. 73 — 74, die Kirche (weniger genau) fol. 74. b. — Albin's .Statue ist mit den Farben, 
womit sie bemalt ist, dargestellt: Der Pilgorhut schwarz, vorne mit einer Muschel; das Unter- 
kleid bis über die Knie reichend, rot, auf der Brust auf einor von kurzen Strahlen umgebenen 
runden Platte oder Tafel der Name Jesus (I H S, auf dorn H ein Kren/, unter dem Bucnstabon 
ein Herz) ; der vorn hcrübergeschlagei e Mantel blan, die Endsäume des Rockes und Mantels sind 
mit vergoldeter Einfassang, die über die Waden heraufgehenden schwarzen Stülpstiefel mit je 
zwei Muscheln verziert. Die eine Hand des Pilgers, der einen braunen Schnur- und Vollbart 
trägt, hält den Sta\ die andere den Mantel. Augenscheinlich wurde die SUtue in jüngerer Zeil 
neu bemalt. 



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210 



Vorwort in lateinischer Sprache voran, worin er sagt, dass in der dem Patronate. 
des Erzbischofs von .Salzburg und der Diöcese von Passau «jetzt St. Pölten, zum 
Dekanate Melk) unterstehenden Filialkirche St. Johann ein Grab zu sehen 
sei, von welchem man vermiedene „Fabeln" erzählt, die gemeinere Ueber- 
lieferung aber angiebt, dass hier der heilige Adalwin, Erzbischof von 
Salzburg, begraben sei. Darüber werde so lange unmöglich sein, etwas 
Gewisses festzustellen, bis nicht das Grab geöffnet *) und vielleicht ein Denk- 
zeichen zum Vorschein kommt, welches alle Vermutungen zerstreut und irgend 
eine Gewissheit darthut. Aus dem Berichte und den Aussagen, welche verschie- 
dene Zeugen vor dem Beamten und Pfarrer zu Arnsdorf legten, lässt sich nichts 
Gewisses entscheiden, aber annemen, dass zur Zeit des Lutheranismus, da die 
meisten Menschen in Oesterreich dieser „Secte" anhiengen, die im Berichte 
ausgesagten Wunder geschehen seien, dass und obwol damals solche Begeben- 
heiten von den Lutheranern nicht Mos nicht aufgezeichnet, sondern vielmehr 
verheimlicht wurden, dennoch einige Katholiken, welche vielleicht Augenzeugen 
davon gewesen, dieselben ihren Nachkommen erzählt haben, und da der 
Hofmeister von Arnsdorf. Michael Stuben voll, das Gerücht von diesen 
Thatsacheu ebenfalls vernommen, sich dafür interessiert und einige Zeugen von 
vorgerücktem Alter verhört habe, indem er, wenn er zu einer Gewissheit würde 
gelangen können, den Ruf dieses Heiligen und die in ihren Heiligen wunder- 
bare Vorsehung Gottes verbreiten wollte. Der Bau dieses Grabes (bemerkt 
das Vorwort) weiset darauf hin, dass eben hier ein Mensch von nicht gemeinem 
Stande der Erde übergeben worden sei. — Dück elmann schliesst mit dem 
frommen Wunsche: Es gebe Gott, wenn vielleicht die üeberbleibsel eines 
Heiligen hier ruhen sollten, dass die ganze Geschichte offenbar und so die 
Ehre und der Dienst Gottes mehr befördert werde ! 

Wir bemerken noch zur Erklärung des „Berichtes", dass der im Eingänge 
genannte Pfarrer zu Arnsdorf, Johann Georg Landvogt, später 
Unter dem Stiftsnamen Athanasius Benedictiner zu Melk wurde und dort 
am 1 . Juni 1G44 die feierlichen Ordensgelübde ablegte. Er war geboren zu 
Münze uberg, einer Stadt an der Wetter in der Wetterau des Grossherzog- 
tums Hessen- Darmstadt, der Provinz Überhesseu, des Amtes Butzbach (mit 
einer gleichnamigen Ruine), und starb am 21. Februar 1657 »). Der Bericht 
wurde dem genannten Archivar im Original von dem damaligen Verwalter zu 
Arnsdorf, Bernhard Herrn au nieder, mitgeteilt. 

(Schluss fülgt.) 



') Dies geschah 1S02. Bei dem Hinwegräumen der Tuinba entdeckte man eine kleine 
gewölbte Gruft, die nur für wenige Särge Kaum hatte und leer war! 

») Stiftskatalogo von Melk, wo der Ort Myezenburg geschrieben wird. Kitter's geogra- 
phisch-statistische» Lexikon. 4. Auflage, Leipzig 1855. S. y>3. 



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211 

Erklärung einiger Ortsnamen. 

Beitrag zu einem historisch-topographischen Lexikon von Niederösterreich. 
Von Leop. Kasper, Pfarrer in Dorfstätten. 

(Fortsetzung.) 

• 

Sch uste riehen 
im Stiegeramte zu St. Oswald (0. M. B.). 

Der Name dieses Bauernhauses scheint mit grosser Wahrschein- 
lichkeit nicht von einem Schuster, sondern von einer Oertlichkeit herzustammeu , 
die vor Zeiten für St. Oswald und den dortigen Bezirk von Wichtigkeit war, 
nämlich von einem einstmaligen Wartturm, welcher auf einem Berge am 
Loseneckev Bächlein erbaut war. 

Dieses Bächlein hat dort eiuen starken Fall zur Kronbergmühle hinab, 
und auch der Berg am rechten Ufer desselben, welcher dort eiu Eck macht, 
senkt sich steil in den Graben hinab. 

Bei dieser Kronbergmühle vereinigten sich in alter Zeit zwei öffentliche 
Verkehrswege oder Strassen. Die eine führte von Waldhausen in Ober-Oester- 
reich zur Fesehntthle und auf dem Grunde des Furtbüchler-Hauses durch den 
Kleinen-lsperbach oder auf einer Brücke *) über denselben nach Nieder-Oester- 
reich, von welcher Furt eben der Furtbüchel den Namen empfangen hat. Vom 
Isperbache führte dieser Weg zur Kronbergmühle -f und von da aufwärts neben 
dem Bächlein, welches von der Westseite des Urtalhofes herabkoinmt, gegen 
St. Oswald hin. Zu diesem Wege stiess bei der Kronbergmühle ein anderer, 
welcher von der Donau oder auch von Nöchliug her über die Holtmühle (Oel- 
inuhle) heraufführt. 

Vormals wurden die Haupt-Verkehrswege, besonders wo mehrero zu- 
sammentrafen, vorzüglich zur Kriegszeit sorgsam bewacht und verwahrt. Dies 
geschah auch hier auf dem letzten Berg am rechten Ufer des Lohenecker 
Bächleins, welcher von dieser Bewachung noch jetzt der „Lausch bei* g" heisst, 
von lauschen d. i. sorgfältig beobachten. Zur Bewachung und Bewahrung des 
Weges war auf dem stumpfen Felsengip/el dieses Herges ein Wartturm oder viel- 
leicht eine kleine Burg erbaut. Noch jetzt findet man dort unzweifelhafte Spuren 
des gänzlich verfallenen Gebäudes und zwei Gräben um dasselbe. Es gehört jetzt 
zum Bauernhause Schusterlehen. Aus diesem Hausnamen mag man entnenien, 
dasB der genannte Turm vermöge seiner Bestimmung zur Wegwache der 
„Schaustein" geheissen habe, welcher Name mit dem Bergnamen „Lausch- 
berg- - übereinstimmt, dass ferner derselbe im J. 1450 vermutlich schon verfallen 
und die dazu gehörigen Gründe in Bauernhäuser aufgelöst waren, indem im 
Grundbüchel der Pfarre St. Oswald vom J. 1450 schon das Bauernhaus Schuster- 
lehen erscheint, und dass endlich dieses Haus, welchem der Burgstall Schau- 
ste in verblieb, deshalb das „Schaustei Illeben" genannt wurde, welcher 
Narae in der Folge in „Schusterlehen" entstellt worden ist. 



>) Im J. 1117 war laut einer Urkuude des Kai-, Konrad III. (Keih* S, 218) schon eine 
Fahrbrücke, pons ricinus. — Vicus war nämlich im mittelalterliclu-n Latein ein Fahrweg; daher 
püus vicinus eine Fahrbrücke. 

») Besteht jetzt noch als Privatweg. 



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212 

Bärukopf. 

Der Bergrücken, welcher von Gutenbrunn am Weinsberger Forst bis zur 
Gemeinde Marchstein an der Grenze von Ober-Oesterreich hinzieht, macht die 
Wasserscheide zwischen dem nordwärts fliesaenden Kleinen- Kamp und seinen 
Zuflüssen einerseits und den südwärts fliessenden Grossen- und Kleinen-Iaper- 
bach und dem Sarmingbache andererseits. Derselbe erhebt sich nicht in steilen 
Gipfeln, sondern bildet teilweise eine Hochebene, welche daher der Gupf der 
Berge oder „Bergengupf" heisst. — Gupf 1 ) ist die Spitze eines Berges, 
Hügels oder Haufens, besonders wenn sie breit und abgestumpft ist ; gebräuch- 
licher ist das Verkleinerungswort „Gipfel", d. i. ein schmaler, zugespitzter Gupf. 

Die Holzhacker-Häuser, welche in der zweiten Hälfte des vorigen Jahr- 
hundertea auf dem Bergengupf gebaut worden sind und zur Gemeinde Weins- 
berger Forst gehören, heissen auch im „Bergengupf, welcher Name aber in 
„Bärnkopf" entstellt worden ist. 

Zilleck. 

Zilleck in der Gemeinde Weinsberger Forst (0. M. B.) liegt am westliches 
Eck der einstmaligen Herrschaft Weinsberg. Dieser Ort ist seit der ersten An- 
Siedlung daselbst das angesiedelte Eck oder kürzer „Sied leck' genannt, und 
dieser Name in „Zilleck" entstellt worden. Die erste Ansiedlung war ohue 
Zweifel ein herrschaftlicher * Maierhof ; ein Gebäude daselbst mit Holzhacker- 
Wohnungen heisst noch jetzt der Maierhof. Derselbe wurde dann eine hen. 
schaftliche Glashütte und verhlieb so bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts 

Darnach wurde zur Absteckung des Waldes in und um Zilleck und in 
dem umliegenden grossen Waldrevier am Hirschberg und Sauberg eine weit- 
schichtige Holzhacker-Ansiedlung mit dem Namen „Ziileck" errichtet *), welche 
über 200 Bewohner hatte. 

Diese ist nach Beendigung des Holzschlages seit 1812 wieder eingegangen, 
so dass jetzt, obgleich der Holzschlag im J. 1836 "wieder begonnen hat, nur ( [ 
Hausnummern mit beiläufig 50 Bewohnern übrig sind. 

I 

Peggstall. j 
Der Name des Marktes Peggstall (0. M. B.) wird in den Urkunden sehr I 
verschieden geschrieben; nämlich: Pehstal, Pechstal, Peggstal, Peggstall, Pa | 
stall, Beckstall, Pechstal, Bächstal, Pöckatall, Pöggstall 8 ). 

In der ältesten Urkunde vom J. 1118 heisst der Ort „Pehstal", in welchem 1 
Namen das h kein Dehnungszeichen ist, sondern wie ein gelindes ch lauw I 
und daher „Pechstal" gesprochen werden muss. 

Das Wort „Pech" bedeutet hier aber nicht ein Baumharz, auch nicht Waastf-J 
bäche, ebensowenig Böcke oder Bäcker, sondern „Hölle, Unterwelt." In der Bedes- 1 
tuug „Hölle u erscheint es schon in einer altdeutschen erklärenden UebersetiuiAjl 
des heil. Evangelisten Lukas nämlich im 24. Kapitel von Otfrieds „Helianfl*! 
Derselbe schreibt von dem Tode und der Auferstehung des Erlösers: „Tho 
euuiniga guat uz fon themo grabe irstuant, thaz lib thaz bi unsih t*! 



. ') Knppe. 

») Zu gleicher Zeit mit der Ansiedlung in Bergengupf. 
>) Iteil's Donaulindchen 8. 535. 



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213 

irstarb fou beche liera uuidar uuarb, thes dageB fuarun etc." das heisst: 
da das ewige Gut (Jesus) heraus von dem Grab erstand, das Leben (Hb), 
das für uns hier erstarb, von der Hölle (beche) her wieder kehrte (warb) j 
dieses Tages reisten etc. Wie man nun im apostolischen Glaubensbekenntnisse von 
Jesus sagt: „Er ist abgestiegen zu der Hölle," ebenso heisst es hier: „vor der 
Hölle das Leben wiederkehrte" *). 

Demgemäss bedeutet der Name Pechstal das „Höllthal". — Diese 
Namenserklärung hat ihren guten Grund, weil heut zu Tage noch das Thal 
des Weitenbaches, an welchem Peggstall liegt, eine halbe Stunde oberhalb 
Peggstall von Wörnstorf bis Thumling zurück das „Höllthal" oder „in der 
Hölle« heisst. 

Der Name Höllthal war für das Weitenthal sehr entsprechend; denn es 
ist tief und schmal, und die hohen Berge zu beiden Seiten senken sich in 
steilen Abhängen in dasselbe hinein. Vom Thale hat also das Schloss und der 
Markt den Namen Pechstal empfangen *). 

Zu dem deutschen Ortsnamen Pechstal haben die Slaven die Veranlassung 
gegeben. Es ist gewiss, dass im Spitzergraben, um dem Jauerling und im 
Weitenthaie zur Avarenzeit Slaven gewohnt haben 3 ). Noch jetzt sind dort 
manche slavische Namen übrig: Kava (ravnagora, Bergebene), Povat, Pölla 
(Pola, das Feld), der Bach Gradisch, Feistritz, Sading (von Sad d. i. 
ein grüuender Ort), Pömmerstall (Böhmisch Thal) etc. Sicherlich waren 
Slaven auch im Hauptorte des mittleren Weitenthaies und gaben dem Thal 
und Ort in ihrer Sprache den Namen, welcher deutsch auch das Höllthal oder 
Pechsthal heisst. Uuterwelt, Hölle, Bache heisßt aber in böhmischer Sprache 
„Peklo" und Thal Audolj (Dol.). Ohne Zweifel bestand der slavische Name aus 
diesen zwei Wörtern. 

Nach der Vertreibung der Avaren im J. 791 unterwarfen sich die Slaven 
den deutschen Siegern, welche sich hier ansiedelten. Diese behielten den Be- 
griff des slavischen Namens für das Thal und die Ortschaft bei, gaben aber 
dem Thale (wenigstens der wildesten Strecke desselben oberhalb Wärnstorf) den 
deutschen Namen „Höllthal" und der Ortschaft wegen der vielen mitwohuenden 
Slaven den anderen deutschen Namen „Pechstal", weil dieser dem alten 
slavischen Namen ähnlich war, indem Beche und Peklo, — Thal und Dol (audolj) 
ziemlich gleichlautend ist. 

Würn8dorf. 

Würnsdorf, vormals auch Wirnstorf, Wiriustorf, Wirmelsdorf und Wir- 
merstorf geschrieben, ist ein Markt (0. M. B.) eine halbe Stunde westlich von 
Peggstall am Weitenbach; dieser fliesst von Martinsberg in Büdlicher Richtung 
bis Würnsdorf, und nachdem er diesen Ort durchflössen hat, wendet er sich 
ostwärts nach Peggstall. 

Von dieser Wenduug des Baches hat der Ort Würnsdorf den Namen 



•) Ii emann'H altdeutsche« -Lesebuch S. 12. 

a ) Auf dem Reichstage zu Worms vom 3. Mai 1521 wurden die Herrschaften Peggstall 
und Holleuburg zusammen zur freien Herrschaft des deutschen Meiches und ihr Besitzer Wilhelm 
v. Koggendorf zum HeichB-Preiherrn erhoben. Seit dieser Zeit hiess das Schloss zu Peggstall „ScuIobb 
Koggendorf zu Peggstall". (Ke il 8. 343.) 

») Zeitschrift Hippolyts 1863. S. 26. 



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214 

empfangen. Dieser stammt von dem gothisch-deutschen „hvairb an" oder dem alt- 
hochdeutschen „werpan", d. i. sich wenden, «ich werfen 1 ), sich drehen, und ist 
verwandt mit den noch jetzt gebräuchlichen Wörtern Werfel, Wirbel, wirbeln, 
Wurm, Würmer, etc. Wilmsdorf bedeutet also die Ortschaft an der Wendung 
des Weiteubaches oder Wendungsdorf. 
St. Oswald (0. M. B.) Nöchling, Herrschaft Isper und Uohreck. 
Nach der Vertreibung der Avaren aus dem Haselgraben bei Linz bis zum 
Grossen-Isperbach um das J. 730 wurde das gewonnene Land dem Herzogtum 
Baiern unterworfen, und erhielt neue Ansiedlungen und neues Leben. 

Der Landstrich zwischen dem Siirniing- und Grossen-Isperbach von der 
Donau bis nahe zu den Quellen jener Bäche war ein zusammengehöriger Bezirk. 

In demselben geschahen 2 Ansiedlu.igen ; die eine 2 Stunden vou der 
Donau entfernt auf einer Hochebene in der Mitte des Bezirkes (jetzt St. Os- 
wald), die andere beiläufig eine halbe Stunde oberhalb des Donauufers in der 
Mitte s wischen den Mündungen desSarming- und des Isperbaches (jetzt Nöchling). 
In jeder dieser Ansiedlu:igeu wurden eine Kirche uifd au dieselbe zwei Häuser- 
reihen, welche eine Gasse bildeten, erbaut. Von der Kirche nannte man jede 
dieser 2 Ortschaften „N e u k ir ch i u g" oder in der damaligen schwäbischeu 
Mundart der Ansiedler „Nonchilchinga." Schon im J. 9i>8 erscheint der Name 
„Non'chilinga" ; im J. 1151 Nochelinge, im J. 1100 Nochelingen ;). Der Name 
Nonehilching besteht aus non, oder no, noi, nö, niu, dann aus chilch und ing. 
Non, no. noi, nö, niu bedeutet . . Neu- 
en i Ich bedeutet in schwäbischer Mundart ........ Kirch- 

i ng bezeichnet eine Abstammung, Zusammengehörigkeit, und hier 
eine Verbindung der Ortschaft, mit der Kirche ......... ing. 

dass Nonehilching wirklich Neukirehen bedeutet, lässt sich aus des Job. 
v. Müller Geschichte der schweizerschen Eidgenossenschaft nachweisen. Dort 
wird im 1. Buch 13. Kap. nota 113 und 18. Kap. nota 52 der Ort „Neu- 
kirehen" im alten Herzogtum Schwaben, im jetzigen Kantou Schaphausen, in 
einer Urkunde vom J. S75 Niuchilchun (Niu-clulch-un) genannt 3 ). Ferner heisst 
es im 11. Buehe 5. Kap. nota 45b' zum Erdbeben in Basel im J. 1357: „Es 
blieb kein Kilche, Turne noch steinin llus in der Stadt ganz - ; und im V. 
Buche 1. Kap. nota Dil im 15. Jahrhunderte: „Die Eidgenossen wollten in 
Ansehen der obersten Htupter der Christenheit sieb erzeigen als gehorsame 
der H. Küchen, und der Kais. Majestät"; — und die Grafen von Kirchberg 
werden in dieser Geschichte sehr oft auch von „Kilchberg" genannt. Kilch 
bedeutet also Kirche. 

In dem Namen Non-chilch-inga hat man die erste Silbe r Non u lang 
ausgesprochen; dadurch wurde die zweite Silbe abgekürzt, und verlor das 
letzte eh. So entstand Non-chil-inga, Nochelinge, und durch fortgesetzte Ab- 
kürzung der zweiten Silbe mit \Vegw-?rfung des i das jetzige Nö-chl-ing. 
Nöchling. 

Da die zwei Ortschaften Nonchilinga ihre Namen empfangen haben, so 
ist dies ein Beweis, dass 1. dio Kirchen vor oder zugleich mit den Ort- 

') Man sagt z. B.: „Das Holz wirft sich", wenn es' sich beim Trocknen bieget. 

Reift Donauländchen S. 2SS. 
>) In Job. Hübner's Kvnversations-Lexikon vom J. 1753 Seite 759 erscheint dienwr Ort 
mit dem Namen „Nunkilcü". 



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215 

schaften, keineswegs aber nach derselben erbaut wurden; 2. dass bei jeder 
dieser zwei Kuchen oder doch für beide zusammen vermutlich ein Seelsorger 
angestellt war; und 3. dass die ersten Ansiedler aus Schwaben kamen, weil der 
Name Nonchilchinga aus der schwäbischen Mundart stammt. . 

Von diesen zwei Ortschaften, besonders aber von der grösseren,- bekam 
dann der ganze Bezirk den Namen: Gut oder Herrschaft Nonchilinga; ein 
Beweis, dass dieses grössere Nouchiling damals der Hauptort und daher auch 
die Gerichtsstätte der Herrschaft war. Man kann nicht umhin, das nördliche 
Nöchling (d. i. St. Oswald), welches ziemlich in der Mitte der Herrschaft liegt, 
als solchen Ort anzuerkennen. Au jedem Gerichtsorte war ein Richtplatz mit 
Galgen, Rad und Stock (zum Köpfen) und ein Scharfrichter oder Freimann. 
Dies findet man auch in St. Oswald. Dort ist ein kleiner Borg, der wegen 
seiner freien Lage mit allseitiger Aussicht zu einem Hochgerichte sehr geeignet 
war und deshalb noch jet/.t der Stockberg heisst, dessen nun mit Wald 
bewachsenen Gipfel manche Leute mit einiger Scheu betreten wie einen Galgen- 
b<«rg. Auch wohnt nicht fern davon der Wasenmeister, welcher vormals auch 
Scharfrichter war, und in den alten St. Oswalder Pfarr-Protokollen als Frei- 
niann der Herrschaft Rohreck vorkommt. Daraus kann man abnemen, dass 
das nördliche Nöchling (Zum St. Oswald) einstmals die Gerichtsstätte und 
somit auch der Hauptort der Herrschaft Nocheling war. Kaiser Otto III. schenkte 
laut Urkunde dd. Rom 29. April 998 *) dieses Gut (prädium allodium Nonchi- 
linga) als Eigentum seinem Vetter (nepöti) dem Herzog Heinrich von Baiern, 
welcher nach Otto vom J. 1002 bis 1024 unter dem Namen Heinrich II. Kaiser 
war. — Also bestanden diese 2 Nonchilingen schon vor dem J. 998. 

Nach Heinrichs II. kinderloser Tod vererbte dieses Gut an die Baben- 
berger Markgrafen von Oesterreich, welche eine weibliche Seitenlinie des 
sächsischen Kaiserhauses waren, indem Brunhild, Schwester des Königes Hein- 
rich I. des Voglers, die Gemahlin Adelberts, Grafen von Babenberg deB Ent- 
haupteten und somit Grossmutter des Markgrafen Leopold I. des Erlauchten von 
Oesterreich war 2 ), — und blieb fortwährend auch ein Eigentum (Eygen) der öster- 
reichischen Landesfürsteu, bis es Kaiser Rudolf II. im J. 1593 an die Freiherren 
v. Hoyos verkaufte, von welchen es im J. 1800 durch Kauf wieder an die 
allerhöchste kaiserliche Familie zurückkam 8 ). 

(Fortsetzung folgt.) 



Das grosse Freischiessen zu "Wien im Jahre 1563. 

Besungen vom Augsburger-Pritschenmeister Lienhart Flexel. 

Mitgeteilt von A. Camesioa K. v. 8an-Vittore, k. k. Keperungsratb. 

(Fortsetzung.) • 

Der Parssefanndt sprach zu mir, dass Vnnd Zway vnnd Sechtzig, das jst war, 

leb khann dir das woll zaigen ann, Wie jeh dir die Jartzall hab ertzölt, 

So du daruon wilst wissen bann. Da wart ain Romyscher Kunig erwolt, 

Da man zölt Taussent Funffhunder Jar Zu Frankhfortt jn der beruembten Statt. 



') Reil, Donaul&mlchen S. 288. 

») IIa nt aal er, lasti Oainpil. I. 37. 

') K e il's Donanlandchcn S. 32S. 

' 15 



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216 

Wann sie also denn Namen hatt 
Vonn Chur vnnd Fuersten vnnd Stendt 

des Reichs 
Er wart erwölt man khrönt jnn gleich. 
Sein Khunigcliche Mayestett will jch 

nennen, 

Im ganntzen Reich wirt man jnn 

kennen ; 
Maximilian jst er genandt, 

Wirt jetzt ziechen ins Vngerlanndt, 
Dasselbs die Vugerisch Krön empfachen 
Dass wirt dem Turkhen hartt ver- 

schraachen ; 

Zu Pressburg, da wirt es gf Schechen, 
Dass mues jch fuer ain Warhaidt 

jechen. 

Vnnd alls jchs warlich jetzundt meldt, 

Sein Mayestatt wirt ligen zu leldt, 
Zu Boss zu Fuess vnnd auch zu Wagen. 

Will vonn der Cron zu Behani s:igen, 
Die selbig hatt er auch endpfanngen, 

Gar köstlich js dasselbs zueganngen, 
Dass khann jch mit der Warhait zechen, 

Zu Prag jnn Böham jst es geschechen. 
Ich khann die sach nit alls ertzöllen. 

Sein Mayestatt thett jn ausserwöllen, 
Ein schönne Khunigin, zartt vnd fein, 

Woll zu dem geliebsten gmachel sein. 
Vonn Khayserlichem Gschlecht wass sie 

geborren, 

Ein Khunigin aus Hisspania ausser- 
koren, 

Mitt allen Tugent war sie getziertt. 

Sein Mayestatt hatts mit jin gfüertt 
Genn Prag, Franckhfortt vnnd jus Vnger- 
lanndt, 

Ir khunigcliche Gnadt gecront zuhandt. 
Die Sach hastu nit alls vernumen, 
Noch thett ain edler Ertzhörtzog 

khumen, 

Ertzhörtzog Ferdinand t war er gnandt. 
Ir Durchleuchtigkhait jst weitt er- 

khandt. 

So merckhant mich zu disser frist, 
Dass er ain Ertzhörtzog zu Osterreich 

jst; 

Helt Hoff zu Prag jnn der khunigcliche 

Statt, 



Der Khayser jnn dahin verornnet hatt, 
Vnnd was des Khaysers geliebter Sun. 

Somerckht vnnd hört mich weitter nun, 
Der Edel Faerst so frum vnnd zartt, 

Ehain Vnkosten hatt er nitt gesparrtt. 
Alls balt die Post vom Khayser jst 

khumen 

Genn Prag vnnd er hatt sie vernumen 
DasB Römischer Khunig Maximilionn 

Emdpfachen wolt die Vngarisch Cron, 
Er dacht aus Turckhen argen List, 

Gar gschwingt vnnd phendt was er 

gerist 

Zu Robb, zu Fuess vnd auch mit Wagen. 

Will auch vonn Hertzog Carl sagen, 
Ist ain Ertzhörtzog zu Osterreich, 

Nit balt findt man jres geleich. 
Er was gerist phandt da zuhanndt, 

Zug auch mit jnn jns Vngarlanndt. 
Woldant all bey ei annder sterben, 

Dem Romischen Khunig helffen er- 
werben 

Die KhunigliclieCron vnnd» Vngerlanndt. 

Jetzt hast du die Hanndlung allesandt, 
Ich honn dir alle Ding erdeckht 

Vnnd deinen Draum gar schön aus- 

glegt, 

Dass redt jch woll ann allen Spott. 

Ich zeuch vonn dir, bewar dich Gott. 
Darbey da will jchs lassen pleiben. 

Anfachen vonn ain Schiessen z'schrei- 

ben, 

Ja, wann dasselbig -hatt angefanngen 
Vnnd wie'a daraufTauch zuejstganngen. 

Da wert jr hören ain zichtigs wessenn, 
Hab denn Brueffauch selberst glessenn, 

Da jch denn selben Brueff verlas», 
Darin fnnndt jch geschrieben, dass 

Mitt richtigen Worden vnnd Schönnen 

Sitten 

Thett man die Herrn vnnd Schützen 

bitten. 

• 

Vnnd das jr kaynner wolt ausspleibeu, 
Solt sie richten nach dem Ausschreiben, 

Darmit das Niemants hab kain Klag, 
Da was benendt der sibeut Tag, 

Dass Monat Augusti merckht mich eben. 
Ain ersanier Rath wolt dartzue geben, 



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Hundert vnnd Zehen Taller par, 

Dass legant jr Gnaden willig dar. 
Doch solt dasselbig zum besten pleiben, 

Wie es dan stett jnn dem Ausschreiben. 
Da solt ain Schutz ann der Herberg sein 

Vnnd zwelff Schilling auch legen ein. 
Dann, dass solt sein lauder grob Gelt, 

Wie es jm Schutzenbrueff was gemelt, 
Vnnd Vier vnnd Zwaintzig Schuss solt 

ainer thenn. 

Wöllicher vill draff, dem gab man z'lonn 
Gelt vnnd Seckhel vnnd ain Fann, 

Darmit solt er sein gericht bindan 
In zwo vnuersert schwebet Scheiben. 
Noch ains thett man jm Brueft aus- 
schreiben, 

Dass thett oft manigen Schützen andt. 
Gleich wann er genn wolt an den 

Staudt, 

Darmit das Niemants wurt bedrogen, 

Sein Erbel hatt er abgetzogen. 
Er wer gleich, schwartz, weiss oder rott, 

Alle gferlichkaitt man da verbott. 
Wiewoli kain Schützen dorffts verdrissen, 

Vnnd on ain Erbel muest er schiessen. 
Der selbig muest sein abgedrent, 

Was durch die Herrn vonn Wienn 

erkendt. 

Alle gferlichkaitt soll verpotteri sein, 

Dasselbig was auch geschriben drein, 
Da jeh denn selben Brueff hatt gar ver- 

lessen, 

Verstuendt jeh woll das ehrlich wessen. 
Dass werden solt so ain gross schiessen 
Zu Wienn, das thett mich nit ver- 

driessen. 

Dasselbig thett man weitt ausschreiben, 

Da khundt jeh nit lenger pleiben. 
Thett zu dem Schutzenmaystern ganu 

Vnnd wolt mich bey jnn zaigen ann, 
Wer Oberister wer vber das Schiesseun, 

Die mue thett sie gar nit verdriessen. 
Sy zaigant mir denn Herren fein 

Vnud woldant albaitt bey mir sein. 
Zu dem Herren ganutz wollgethaun, 

Kr wass fuerwar ain weiser Mann, 
Mitt Zucht vnnd Dugeut gezieret woll, 

Seit jeh die Warhaitt reden soll. 



217 

Sein gnadt gab mir ain guetteu Be- 

Schaidt, 

Er nam mich an schanckh mir ain 

Klhaidt 

Vnnd auch dem lieben Sune mein. 

Inn Diensten soll wir fleissig sein, 
Dass inues jeh reden auff mein Aidt, 

Gar fuerstlich vnnd schönn wart mir 

beklaidt. 

Wir sagdant sein gnaden gross Lob 

vnnd Danckh 
Vmb die Verehrung vnnd vmb das 

gschanckh. 
Auch ein ersamer hochweiser Rath, 

Der vns auss Gnaden begäbet hatt. 
Denn oberisten Statt Camerer wuert jeh 

nennen, 

Die Schützen thain sein gnadt woll . 

kennen, 

Dass er jn hatt vill güetts gethan, 
Dahaimbt da woraus sichs zaigen ann. 

Ir Oberigkaitt auch Weib vnnd Khyndt 
Sein Namen jr jetzt geschriben fyndt, 

Herr Hannss Vbermann ist sein Gnadt 

genandt, 

Khayser vnnd Khunig woll erkanndt. 
Irer Mayestatt diennt er mit Ehren, 

Dasselbs huett er gross fleiss ankeren. 
Sein Gnad hatts auch den Schützen 

gethonn 

Vund kaiueu Kosten nit thauren Lonn, 
So grosse Ehr thet er jnn beweisen, 
Ich khann sein Gnadt nit gnuegsam 

preissen ; 

Dann grosser Lob jst er woll werdt, 
Dass hab jeh vonn denn Schützen 

ghertt. 

Darbey da will jehs lassen pleiben, 
Anfachen vonn der Zilstatt schreiben, 

Vonn seinem gebey vnud aller Zier. 
Der Schutzenmayster sprach zu mir: 

Khunib lieber Flexlein vnnd las vnns 

gann 

Auff denn Schiessplan, jeh zaig dir 

ann, 

Wass man hatt baudt woll zu dem 

Schiessen. 
Der Mue thett mich gar nit verdriesseun. 

15 * 



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. 218 

Wir kamen auff denn Schiesiplann, 
Da zaigt er mir zum ersten ann 
Zway schönne SchiesshauaB, gar lanng 

vnnd gross, 
Vnd mich der Mne gar nit verdross. 
Da daucbt es mich jnn meinem Synn, 
Woll Daussent Schützen khundant 

drein 

Darin woll haussen, wischen vnnd laden. 

Dass redt jch woll ann allen schadenn, 
So artlich vnnd woll was es gemacht 

Vnnd alle Ding gar woll bedracht. 
Es hett lanng Disch vnnd dartzue Benckh, 

Die hatt man gmacht woll zu der 

Sehen ckh 

« 

Inn der mitt vnnd zu baiden seitten, 
Da khundt jch warlich nymer beitten. 

Baidt Hutten khundt jch nit vergessenn 
Vnnd hon ain jetliche selbsabgmessen ; 

Da waren sie vonn dem Anfanng 
Guetter sechs vnnd dreissig Schridt 

lang, 

Dass khan jch reden auf mein Aidt, 
Vnnd Achtzehen Schridt war aine 

praidt. 

Ein Ross hett mugen darin erlaufifenn, 
Khain Schutz khan mich darumb nit 

straffen. 

Dann grösser zwo Hutten hab jch nie 

gsechen, 

Dass muessant die Schützen selbs 

veriechen. 

Alls laug jch bin auff die Schiessen 

zogen, 

Ann dem hab jch gar nit gelogen. 
Da muest jch weiter fuerbass gönn, 
Ein schönues gross Hauss Bach jch 

da stonn. 

Darin khund man geen drin auss vnnd 

ein, 

Darin soldannt die Neuner sein. 
Dass jch jnn Sachen auch nit Heg, 

Inwendig hets ain hoche Stieg, 
Dann jch habs ordenlich beschaudt, 

Zway Zymmer wassent auff ein ander 

baudt. 

Im vndern soldant die Schreiber sein. 
Das ober gab man den Neunern ein ; 



Dasselbig las jch nun Gott waldeu, 

Darin da hont sie rath gehalten. 
Wann es die Nott erfodert hatt, 

So seint sie gesessen frue vnnd spatt, 
Biss man denn Handel hatt verricht. 

Dass sag jch euch bey meiner pfliebt. 
Darin khundt man Bechen vberall auss, 1 ; 

Hett menicher Mann ain solliches Haus. 
Er hielt sich darin woll Jar vnnd Tag. 

Vonn Niemants hob jch ghörtt kain 

Klag. 

Da thet jch weitter fuerbas gönn, 
Vier sebönner Staudt sach jch da stonn. 

Die warent gar fein vnnd luftig gebaudt, 
Ich gienng hinein vnnd habs beschaudt. 

Mitt Pretter schönn gmacht vnnd be- 

deckht, 

Dasa Wetter darin khain Schützen 

ersehn ckht, 
Es regne, es schneib oder wee der Wyndt, 

Vnnd das kain Schutz kain Ausredt 

fynndt, 

Dass er nit gab dem Wetter die Schuldt, 
Vnd sie nit verlner der Schützen huldt 

So woll was alle Ding bedracht 

Vnnd vmb denn Siesplan Schranckhen 

gmacht, 

Er wass verschranckht vnd woll ver- 

sechen, 

Dass niemants solt khain Schadt ge- 

schechen. 

Ich redt das auff mein letzte Fartt, 
Ann Muee vnnd Arbaitt war nichts 

gespartt. 

Ich will jetzt reden vonainem Schwanckh. 

Da sach jch stonn ein Prutzenbanckh. 
Die was gar schönn vnnd hoch auff- 

gmacht, 

Vnnd wann sie ain darauff hontpracht, 
Dem solt man da die Prutzen schlagen. 

Die Warhai tt thett man jnn da sagen. 
Wass er fuer Dueberey hatt gethann, 

Dass hat man gesungeu vor jedermann 
Vund gab jm Ains woll fuer seinkherben, 

Mauicher inaiut, er muest gar sterben. 
Dass jch jrn Sachen auch nit lieg, 

Zu baiden seitten het er stieg, 
Die muestant sie woll auffig genn 



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Mann hett j im lieber herunden glonn. 
Dasselbs thet man vill Khurtzweill 

dreiben ; 

Vund wöllicher nit dahaiinbt wolt 

pleiben, 

Der da wolt volgen seinem Synn, 

Er gienng hinausa, nam gelt zu jm. 
Fanndt ainer zu Khuertzweillen vnnd 

zu Spillen, 
Solt ainer lieber dahaimbt seinplibenn, 
Dann wellicher hatt sein Gelt verlorenn, 
Der hatt dass Schiessen woll halb 

vergeh «rorenn. 
Ir habt mich auch gehöret nun, 

Ehugelstadt was nit weit daruon, 
Dasselben was gar wenig rue 
Mitt werffen vnnd wetten, jch sach 

jnn zue, 

Hatt sich manicher gar woll bedacht, 
Ein Seckhel voll mitt Thaller pracht, 

Vnnd ehe die Sonn jst vnndergangen, 
Nitt vill Thaller hatt er empfangen 

Vnnd hatt seine Thaller dartzue ver- 

lornn, 

Dass thuett jm auss dermaBsen Zorn. 
Da solt jch weitter fuerbass gönn, 
Zway haimlich Gmach sach jch auch 

stonn. 

Die selben warent fein gebaudt 

Vnnd gieng hinein vnnd habs be- 

schaudt, 

Dann Niemants khann das überig sein, 
Darumb hab jchs auch geschriben ein. 

Vnd alles, wass ich gesechen han, 
Dass hob jch euch getzaiget ann. 

Denn Schiessplatz will jch lassen pleibon, 
Anfachen vonn dem Schiessen z'schrei- 

ben, 

Ja, wann dasselbig hatt angefanngeu 
Vnnd wie es darauff zue jst ganugen. 

So merkhand weitter, was jch nag. 
Aull denn benenden sibenden Tag 

Dess Monat Augustj, merckh mich woll, j 
Dass man an der Herberg so in soll, 

Am Morgens kamant die Schützen zu- 

■amen, 

Dass Schiessen anfachen jnn Gottes 

Namen. 



219 

Es khundt vnnd mocht furwar nit sein, 

Ain ersamer Rath legt sich darein 
Vnnd schickhet hinauss mit grossen 

Ehren, 

Zwen fuersichtig vnnd auch weys 

Herren, 

Ir Gnadt will jch mit Namen neuen, 
Die Schützen werants woll erkenen. 
Vnnd all s jchs warlich jetzt bedeut 
Sy warent ansechlich vnnd fuernem 

Leudt, 

Herr Hanns Vbermanu jst sein Gnadt 

genandt, 

Was B urgermay ster vnnd was j m Ambt ; 
Herr Georg Zymerman thue jch nenen, 
Sein Weishaitt thue jch sehr woll 

kenen. 

Die Herrn woldant nit langer beitten 
Vnnd woldant hinauss zun Schützen 

reitten. 

Hinaus zu denn Schützen was jnn gach, 
Vnnd gar vill Knecht giengaut jm nach, 
Dass mues jch reden auff mein Aidt, 

Die warent all jnn Rott beklaidt, 
Denn Schützen dreulich zaigens ann, 
Wass Khayser vnnd Khuuig woldeut 

hänn. 

Ir Mayestatt mit grossen Ehrenn, 
Soll jetzt erwölt vnnd gekhronet 

werden, 

Dass wirt geschechen jm Vngeriandt, 
Darumb hatt vnns ain Rath herauss 

gsanndt. 

Dass soll euch warlich nit verdriessenn 

vnnd verschmachen, 
Die Vngerisch Cron dasselbs end- 

pfachenu. 

Mitt zichtigeu Wortten vnnd Schönnen 

Sitten, 

Thueu sie die Herrn vnnd Schützen 

bitten, 

Dass sie woldant haben ain klain gedult, 
Ain ersamen Rath nit geben die Schuldt. 
| Dass man nit anfaug zu schiessen, 

Es solt die Schützen nit verdriessen, 
Ir Weishait wer nit schuldig daran. 
Dass wolt Römischer Khayser vnnd 

Khuuig hanu. 



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220 

Vonn jrer Mayestatt khundans nitfliecben, 
Sechs Fendle Bürger muest mit jin 

ziechen, 

Bey seiner Mayestett gnessen vnnd 

sterben 

Die Cron zu Vngeren helffen erwerben. 
Ir wolt also bey vnns beleiben, 
Mitt Bchiesssn Zeitt vnnd Weill ver- 

dreiben, 

Dass wollen wir jnn gnadt bedenckfcen, 

All tag ain erlichen Fordaill schenckhen. 
Dass wirt euch warlicb nit verdriessenn, 

Vnnd mit ein aunder darumb schiessen. 
Dass soll geschechen alle Tag. 

Jetzt merckhans weitter, was jch sag, 
Dass mues jch reden bey meim Leben. 

All wochen wolt man ainem geben 
Ein ehrliche Erhaltung, das jat war, 

Sagt jnn der Herr gar offen war, 
Vnnd wöllicher aber nit wolt pleiben, 

Mitt schiessen sein Zeitt vnd Weill 

verdreiben. 
Wolt sich ain ersamer Rath bedenckhen, 

Ainem jedlichem ain ehrliche Zerung 

schenckhen, 
Dass er khumb haini zu Weib vnnd 

Khyndt. 

Alls jch die Sach geschriben fynndt, 
Dass sag jch auch aun als gefer, 

Herr Borgermaister vnnd Statt Camerer, 
Sein Gnadt thuet sich jnn gnaden be- 
denckhen, 
Denn Schützen thett man all Tag 

schenckhen 
Wein, Kess vnnd Prott hatt man hinauss 

tragen. 

Jetzt will jch auch vonn Tallern sagen. 
Vill Hundert hatts die Herrn gestanden, 

Dass wtrt man hören jnn allen Landen, 
Denn Herrn vonn Wienn als guetts nach- 
jagen, 

Ich sprich das, jch bey meinen Tagen, 
Grossere Ehr hab nie gesechenn, 

Dass Lob mues jch aim Rath veriechen, 
Ich khans nit gnuegsam loben vnnd 

preyssen, 

Mitt allen Schützen west ichs be- 
weissen. 



Vnnd wöllicher weit ziechen hinab, 
Denn ferdiget des Herrn gnad bald ab. 

Geen Prespurg jn dass Vngerlandt, 
Da woldans ziechen allgotz sanndt. 

Also honnt sie jr Zeitt verdriben, 
Die Schützen, die zu Wienn seint 

pliben, 

Biss das dass schiessen hatt anngefangen; 

Gar kostlich js darauff zueganngen. 
Alis balt die Zeit was khumen herumb, 

Herr Camerer lies schlagen umb. 
Sein Gnadt sprach: das muest schreyeü 

auss, 

Dass man solHihumen fuer mein Haust. 
Alls balt die Glockh wird Zwelffig 

schlagen, 

So sols ain Burger dem Annderen 

sagen. 

Fuerwar was Puxenschutzen waren, 
Gar schnell vnnd behaudt, muest ainer 

faren 

Geen Prespurg auff aim Gutschj hinein, 
Solt hollen die anndern Schützen fein. 

Ain Jetlicher soll sie woll bewarenn, 
Auff dem Gutschj herauff faren. 

Da thett des Herren gnadt hinab schreiben. 
Vnnd das sie soldant nit auspleiben. 

Zwen Schul zenmaystern ward auch ge- 
schriben 

Vnnd das sie nit daniden pliben; 
Sy sollent zum Burgermayster khumen, 

Dass wirt jnn pringen guetten frumen. 
Der jetzt jm Feit der Oberist jst, 

Sein gnadt, gibt jnn gar guette Frist, 
Dass sie mochdant auffs Schiessenn 

khumen. 

Die Post, die hont sie balt vernumen. 
Ich lass daselb denn lieben Gott walden, 

Nitt lenger soll man sie aufhalten, 
Dass hatt Herr Oberister gar dreulich 

thann. 

Denn Schützen lassen zaigen ann, 
Inn zway Tagen facht ann dass Schies- 
senn, 

Dess wegs last euch gar nit verdriessen 
Vnnd keret ann gar guetten fleiss, 

Mann wirt Puch geben Lob vnnd Preiss 
Da wolt sich jr khaiuer nit sainen, 



I 

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Die Schutzenmaister zum ersten 

khanieu. 

Sy seint mir albaitt woll bekanndt, 

Anndreas Wolff jst der elter genandt 
Dasselbig hab jch woll vernumen. 

Georg Khlele, der jst mit jm khumen, 
Sic waren zu Schutzenmaistern erwölt; 

Der Herr hatt jnn alle sach ertzölt. 
Auf? Zweifle batt man geschlagen umb, 

Dass jr albait herauff zu mir khumbt. 
Ir Bollent khumen jnn mein Hauss, 

Mit Ehren wollen wir ziechen hinauss, 
Mit freuden auff denn schönn Scbiess- 

plann, 

Das Schiessen muess sich fachen ann, 
Dann jch will nitt leunger beitton, 
Will selbs mit auch hinaus faren vnnd 

Reitten. 

Vnnd auch mit mir Herr Jorg Zymer- 

mau, 

Die Handlung wirt jnn dreffen ann. 
Wie jch es euch bab offt ertzölt, 

Dass wir albait soldant die Oberisteu 

• . • 

sein 

Vnnd allen Gwalt gab mann vunss 

ein. 



221 

Wie jnn ein ersamer Rath hatt draut, 
Dass Schiessen honts gar schönn ge- 

baudt 

Vnnd khundt dasselbig woll ermessen, 
Ir Gnaden woldant nit vergessen. 

Dasselbig soll wir woll bedenckhen, 
Ann denn Schiesskrantz, den man thet 

schenckhen, 

Herr Burgermaister, ein ersamer Rath, 

Sein Gnadt ju selbs endpfanngen hatt; 
Zu Krembs auff dem Schiessen jst es 

geschechen, 
Die Warhait mues jch selbs veriehen. 
Herr Hörman Bayr jst sein Gnadt ge- 
nandt, 

Der Burgerschefft gar woll erkandt 
Vnnd alls jcha warlich jetzt undt meldt 

So jst er zogen mit jn jns Feldt. 
Der Burgerschafft Oberister solt er sein, 

Vnnd allen Gwalt gab er jnn ein, 
Dessgleichen aiu ersamer hochweiser 

Rath, 

Der die zwen Herrn erwöllet hatt ; 
Dann die zwen edlen Herren zartt, 
Aun Zucht vnnd Ehren houts nichts 

gespartt. 



(Fwrtd«Uuug folgt.) 



Die Chronik der Familie Beck von Leopoldadorf. 
Besprochen von Dr. K. Lind. 
II. 

Die erste Fortsetzung der Familien-Chronik besorgte Konrad's ältester 
Sobn aus erster Ehe, Namens Hans. Seine Mitteilungen siud die an Uinfaug 
geringsten und an Interesse unbedeutendsten. Da sie mit der Notiz über den 
Tod seines „Fatters" Kourad Beck endigen, so scheint es fast, als wäre damals 
die weitere Obsorge der Chronik dem anderen und an Alter nächsten Sohne 
MarciiB übertragen worden, der im öffentlichen Leben jedenfalls eine bedeutendere 
Stellung einnam. 

Unter den Nachrichten seines Vaters findet sich nichts über Hansens 
Jugend und Erziehung, nur beim Jahre 1506 erzählt uns Konrad Beck, dass 
sein Sohn Hans „um sant thomastag in wichennechteu" Hochzeit machte mit 
„Elizabethen Kunsen". Sonderbar klingt wol die als selbstständiger Absatz 
geschriebene Fortsetzung dieser Notiz, die nach ihrem Inhalte ein zufälliges 



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222 



Auslassen der Jahreszahl, nämlich des nachfolgenden Jahres 1507 vermuten 
lässt: „Und in dem j;tr am fünften tag novembris gelAg Elisenbet ainer tochter, 
haisst barbara, zwischen zehnen und aylffen vormittag was ain Donstag vor 
martine und starb am montag sant otmarentag was des XVI. tag, got ay ir 
gnädig." 

Seinen weiteren Kindersegen führt Hans Beck unter der allgemeinen 
Rubrik: „Hansen kiudpurt" auf, nämlich: 

„lt. das Aendlin ist geborn ao. 1511 am 23 tag marcii was der sonntag 
„oculi morgens frie vor tag vor dem ainen 

„It. Margareth ist geborn ao 1512 am 17 tag februarii was dinstag nach 
„valentini zu nacht zwischen aylffen vnd zwelffen 

„It. Conradt ist geborn ao. 1513 am tag Januarii was ain sonntag." 

lieber den Ort, wo Hans lebte und wirkte, fehlt jede Mitteilung; wahr- 
scheinlich war er in der Heimat seiner Eltern in Mengen, für so lange 
wenigstens, bis sein Vater (1512) starb. 

Ebenso fehlt uns jede Nachricht über die öffentliche Stellung, die er 
einnam, oder das Geschäft, das er betrieb. Zwar wissen wir dies auch nicht 
von Konrad Beck, der darüber nichts berichtete, doch Hesse sich dies beim 
letztereu aus den übrigen Aufsätzen, die sich in dem Buche der von ihm 
begonnenen Chronik finden, vermuten. Es fiuden sich daselbst: Eine Anlei- 
tung zur Sterndeuterei untermischt mit medicinischen Vorschriften, eine 
Abhandlung, „was natur ain jiglicher planet an sich hab (an 1491 seita feria 
post nicolay)", eine Abhandlung über die vier Temperamente, feiner „erzney 
der allergnädigsten herrn des römischen künigs zu der pestilenz." Demnach 
dürfte es nicht vorgegriffen sein, wenn wir Konrad Beck für einen Arzt halten, 
einen Manu, der nun für das Reisen uad ebenso an der schönen Literatur ein 
Interesse hatte, da er 1478 die Uebersetzung einer „epistel francisci petrarche 
von grosser stättigkeit eines frawen, geissei gehaissen" und „die Geschichte 
der Mclusina im Jahre 1367*, d. i im Jahre des Beginnes der Chronik in das 
Chronikbuch eintrug. 

Wissgrill weiss auch von einem Hans Beck zu berichten, dem er die 
Bezeichnung II. giebt. Selber soll mit Anna Prackhin verehlicht gewesen sein, 
aus welcher Ehe eine Tochter Namens Elisabet stammte. Diese Mitteilung 
könnte nur dann mit der Chronik in Einklang gebracht werden, wenn Anna 
Hansens zweite Ehegattin war, in welchem Falle dann angenommen werden 
könnte, dass Frau Elisabet, die erste Gatt in, am Iti. November 1508 gestorben war. 

Wir wollen an dieser Stelle, wenngleich der Chronik vorgreifend und 
bereits die Notizen des Marcus Beck benützend, die Lebensverhältnisse des 
dritten Sohnes des Konrad Beck, des Hieronymus, des jüngeren und vollbür- 
tigen Bruders des Marcus besprechen. Freilich ist's nur Wen ges, was wir 
über ihn, der ebenfalls seine Heimat verlassen hatte und unfmi von Wien 
lebte, aus der Chronik erfahren. Es war im JahTe 1521 am Freitag nach St. 
Augustinstag, als Dr. Hieronymus Beck zu Kittsee starb und in Pressburg 
auf dem St. Martins Friedhof eine Ruhestätte fand. 

Ueber die weiblichen Geschwister enthält die Chronik keine Nachricht. 
Dafür nennt uns Wissgrill noch einen Leopold Beck als Kourad's Sohn, der 
bereits 1511 mit Katharina von Oberhaim, Hannsens von Oberhaim und Anna 



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223 

von Stubenberg Tochter, vermählt war. Diesen Leopold Beck als in die Konrad 
Beck'sche Familie gehörig anzunemen, dürfte bei der Genauigkeit, mit 
welcher Konrad Beck seine Nachkommenschaft verzeichnete, sicherlich ein 
Irrtum sein. 



Die Feldkaninchen als schädliches Wild in Nieder-Oesterreich. 

Von Dr. J. Bauer. 

Bekannt sind die Klagen über die bedeutenden Schäden, welche den Kul- 
turen durch die Feldkanincheu (Uipiri) zugefügt werden. Ihre riesige Frucht- 
barkeit l ), sowie ihr Nahrungstrieb macht es natürlich, dass sie Gras, Heu, 
Kräuter und Wurzeln verzehren, Felder und Gärten, Wald und Weinberge zer- 
stören, indem sie nicht Mos Laub, Blätter Kohl, Beeren verzehren, Obst- und 
Waldbäume abschälen, sondern durch die Unterminierung die Wurzeln der Bäume 
und Gesträuche zernagen. 

Strabp und Plinius erzählen schon; dass die Kaninchen sich auf den Bale- 
areu Majorkauud Minorka so stark vermehrten, daäs die Einwohner sich derselben 
nicht mehr erwehren konnten und den Einsturz ihrer untergrabenen Städte 
befürchteten, so dass über deren Bitte Kaiser Augustua militärische Hilfe sendete, 
um die Kaninchen zu vertreiben und zu tödten. 

In Spanien waren sie einst eine Landplage, daher auch der Beiname 
Hispania cuniculosa, denn sie zernageu Alles, was ihnen unterkommt, unter- 
wühlen das Erdreich oft derart, dass es einstürzt. In Holland haben sie durch 
Unterminieren den Dünen geschadet. 

Im Jahre 1481 brachten die Portugiesen auf die Iusel Puerto Santo 
zwei Kaninchen, welche sich derart in zwei Jahren vermehrten, dass Perestrello 
den Auftrag, auf dieser Insel Kolonien anzulegen, nicht durchführen konnte, 
weil diese Kaninchen, ungeachtet 3000 getödtet wurden, alles Getreide und 
alle Pflanzen zernagten *). 

In der Gegenwart hat auch Niederösterreich von den Kaninchen zu leiden. 
Das Marchfeld in der Gegend der Eisenbahn von Unter-Gänserndorf bis March- 
egg ist fast ganz uuterwühlt, die Kulturen sind streckenweise vernichtet, so 
dass bei der Wasserarmut und der Uuterwühlung des Bodens die Sandwehen 
überhand nemen. 

Bei der Gefrässigkeit und Fruchtbarkeit dieser Thiere ist es erklärlich, 
dass sie, sobald sie eine bestimmte Strecke abgeweidet und dadurch zur Sand- 
wüste gemacht haben, in fruchtbarere Gegenden ziehen und diesen gleiches 
Schicksal bereiten. 

Dem n.-ö. Landesauschusse liegt eine Klage aus dem Jahre 1874 von 
Zeilsberg. Gemeinde Gobelsburg im Bezirke Langenlois vor, dass die Kaninchen 
jährlich den Weingärten bedeutenden Schaden verursachen, ohne dass dafür 
ein Wildschaden vergütet wird. 

Bei der riesigen Vermehrung dieser Thiere, bei ihrer Gemeinschädlich- 

') Die H&Bin wird, 5 Monate alt. zur Zeugung tauglich, wirft dann fast joden Monat 
4 bin 8 Junge und erreicht ein Alter von 8 big 9 Jahren. 

») Krünitz, ökonomische Lncyklopädie, Brünn 1790, 34. Band. 

1Ü 



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224 



keit für die Kulturen em-heintn t-ie da, wo sie vorkommen, geradezu alseine 
Landplage, welche im gesetzlichen Wege zu beseitigen wäre. 

Die Feldkaninchen wurden bisher als Wild betrachtet und auch als 
solches erklärt '), die Jagd auf dieselben von Jagdfreunden mitunter sehr ge- 
schätzt, und es lässt sich nicht leugnen, dass sie nach» der Kategorie als Wild 
das Nationalvermögen vermehren und ein gesuchter Consumtionsartikel sind. 

Allein dieser Vorteil kann in grösserem Massstabe durch die Zucht 
zahmer Kaninchen bewerkstelligt werden. Man hat berechnet, dass ein Paar 
Kaninchen in vier Jahren 1,274.840 Nackkommen haben kann. Man begehrt 
dieselben in England sehr häufig und es werden von Frankreich aus (Ton 
Ostende) wöchentlich über 50.000 Stück dahin importiert. Zahme Kaninchen 
werden dort von der ärmeren Bevölkerung häufig genossen, haben gutes, 
gesundes und auch zur Fabrikation von Selchwürsten verwendbares Fleisch 1 ). 

Neuester Zeit wird eine besondere Gattung von Kaninchen (Bastarde), 
Leporinen, in Korneuburg gezüchtet. 

Anders steht es aber mit den Feldkanincheu. So wie die Rücksicht für 
Feld, Garten und Wald den übermässigen Wildstand einzuschränken gebietet 
und der Jagdinhaber s ) nur berechtigt ist, die im Jagdreviere im Freien 
vorkommenden nützlichen Wildgattungeu in einer dem Feld-, Wein- und 
Waldbaue unschädlichen Menge zu hegen, so stellen sich die Feld- 
kaninchen nicht als. nützliches, sondern schädliches Wild dar, da sie nicht 
wie anderes Wild auf der Erde leben, sondern unter derselben, folglich gegen 
rauhe Jahreszeit, gegen Wind und Wetter, so wie gegen ihre Feinde: Hunde, 
Katzen, Wölfe, Wiesel und Iltisse geschützt sind, daher sich auch in riesiger 
Progression vermehren. 

Gegen die Hegung der Kaninchen in geschlossenen Räumen und Ställen 
wird Niemand eine Klage erheben, weil sie nur dort, wo sie gegen die Witterung 
und Kälte nicht geschützt sind, sich in die Erde vergraben. Allein die dem 
Wetter preisgegebenen Feldkaninchen, welche die Erde unterwühlen und die 
Wurzeln der Kulturen vernichten, erscheinen als ein diesen letzteren schäd- 
liches Wild, gegen welches der einzelne Grundbesitzer sich nicht wie gegen 
anderes Wild schützen kann, weil der Feind seiner Kulturen ihm unsichtbar 
im Boden wühlt und bei der Unerhebbarkeit selbst des bedeutendsten Wild- 
schadens eine Vergütung nicht geleistet wird. 

Fragt man nun, wie dieser Landplage zu steuern sei, so lautet die Ant- 
wort einfach: durch Vertilgung der Feldkaninchen, wol nicht mit Landes- 
mittein,, sondern dadurch, dass man es der Bevölkerung überlässt, die Razzia 
gegen den Feind ihrer Kulturen durchzuführen. 

Sowie es nun im Jagdgesetze dem einzelnen Jagdinhaber gestattet ist, 
Schwarzwild nur in geschlossenen Thiergärten zu halten, ausserhalb eines Thier- 
gartens aber dieses Wild gleich anderen schädlichen Raubthieren, wie Wölfe und 
Füchse, von Jedermann erlegt werden kann *), ebenso müsste auch das ausser 
geschlossenen Thiergärten angetroffene Feldkaninchen als ein schädliches 
Wild erklärt werden, das Jedermann erlegen kann. 

>) Ministerialerlass rom 2. September 1S62, Z. 18035. 

J ) Vergleiche Administr. Bericht des Bürgermeisters Dr. Felder vom Jahre 1871, pag. 48J. 
») Nach dem MinisterialerlaBse Tom 15. December 1852, L. G. Bl. Nr. 473. 
«) Ministerialerlass vom 15. December 1862. 



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225 

Vereinsleben. 

Spende. 

Frau Alide von Fleisch mann hat zur Förderung der Bestrebungen 
des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich in bochsinniger Weise 
den Betrag von 50 fl. gespendet. 



Mitglieder. 

• • 

Seit 15 Juni sind dem Vereine beigetreten: 
In Auerstbal: Fuchs Franz, Lehrer. 

„ Brandstatt (Gemeinde Neustift, 0. W. W.): Breitensteiner 
Alois, Mühlbesitzer. 

In Ebenthal: Wogritsch Karl, Überlehrer. 
„ Franzensdorf: Hartl Josef, Lehrer. 

„ Fünfhaus (bei Wien): Hochw. Fliedl Johann, Religionsprofessor 
am Kommunal-Real- und Obergymnasium in Mariahilf. 

In Gänse rndorf (Unter-): Schmid Laurenz, Lehrer, 

„ Götzendorf: Kraft Egidi, Lehrer. 

„ Hirschstetten: Kramer Johann, Lehrer. 

„ Hohenruppersdorf: Göschl Andreas, Lehrer. 

„ Ips: Hof er Karl, Med. Dr. und k. k. Bezirksarzt. — Schön b ichler 
Dominik, Bürgermeister. — Schönbich ler Kail, Baumeister. — Will von- 
seder Eduard, Oberlehrer. 

In Kagran: Brodschek Franz, Lehrer. 

„ Kahlenbergerdorf: Weld Laurenz, Oberlehrer. 

„ Krems: Pammer Max, Buchdruckereibesitzer. 

„ Lassee: Bei tl Mathias, Lehrer. 

„ Leopoldau (Alt-): Mittermayer Leopold, Lehrer. — Ruthner 
Anton, Oberlehrer. 

In Matzen: Döltl Mathias, Lehrer. 
„ Pirawarth: Richter Eduard, Oberlehrer. 
„ Pr obstdorf: Niedermeier Franz, Oberlehrer. 
„ Raasdorf: Mölzer Karl, Lehrer. 
„ Raggendorf: Klein Karl, Lehrer. 

ff St. Leonhard am Forst: Schmidt Engelbert, Oberlehrer und 
k. k. Bezirksschulinspector. 

In Scheibs: Gall Josef, k. k. Bezirkssekretär und Referent der k. k. 
GrundBteuerregulierungskommission. — Pils Anton, Lehrer. — Resch Josef, 
Wirtschafts- und Hausbesitzer. — Unterhofer Leopold, Oberlehrer. 

In Schönfeld: Mentschick Johann, Lehrer. 

„ Schönkirchen: Wagner Markus, Lehrer. 

„ Siebenbrunn (Ober-): Neckam Franz, Lehrer. 

„ Wien: Wibiral Franz, Dr. jur., Hof- und Gerichts- Advokat. 

16 * 



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226 

In Witzels'dorf : Sehinnerl Johann, Lehrer. 
„ Zwetl (Stift): Hochw. Matiegiczek, Stiftskapitular. — Hochw 
Rösa ler Stephan, Stiftskapitular. 



ßerlehtigung. 

Im Hefte Nr. 4, 5 und 6 der diesjährigen Vereinsblätter sind in dem 
Aufsatze: „Der Hügel bei Unterzögersdorf in Stockerau" einige sinnstörende 
Druckfehler durch Verschulden der Druckerei stehen geblieben: 
Seite 83 Zeile 22 von oben muss es Goldmann heissen statt Geldmann. 
„ 85 „ 17 „ unten „ „ Glut B „ Flut. 
„ „ „ 23 „ „ „ „Holzbohlen „ „ Holzkohlen. 
„ 86 „ 8 „ „ n „ Raub „ „ Staub 

„ 87 9 IS „ „ kommt nach dem Worte Befestigungen noch der 

Zusatz; Lauriacuins. 
„ 89 n 24 n. 25 von oben muss es statt „von der späteren Erstürmung 

der Avarenringe oder ähnlicher Bollwerke durch die 
Ungarn" heissen: von der Ersürmuhg der Avaren- 
ringe oder ähnlicher Bollwerke der späteren Ungarn. 



Briefe und Sendungen an den Verein erbittet man sich unter der Adresse: 

„Verein für Landeskunde von Niederösterreich." Wiea, Herrengassc, 

Landhaus. 



Die P. T. Vereinsmitglieder werden gebeten, Veränderun- 
gen der Wohnung oder des Wohnorte» dem Sekretär (Stadt, Herren- 
gasse, Landhaus) mitzuteilen. 

Die Redaktion. 

■ 

Verlag und Eigentum des Vereines. Redakteur : A. Mayer. 

Druck von C. Finsterbeck iu Wien. 



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de« 

Vereines 

für 



LandeskundevonNiederösterreich. 



Neue Folge. 

IX. Jahrg. Au8g0g eb. am 15. December 1875. 10 > 11 Ut 12 ' 

— . , . 

Inhalt. Programm der Vereinsamend© im Winter 1875 -76. — Mitteilungen: Grand Wh 
der St. Michaols-Ffarrkircho zu üumpoldskirchen aus dem letzton Decennium des 
XV. Jahrh. (Schlnss.) Von Dr. Gustav Winter. — Die Ostmark unter Leopold den 
Freigebigen. (Schlnss.) Von Gymn. Dir. Ambros Hellor. — Germanische Wohnsitze 
und Baudenkmäler in NiederÖBterreich. Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen 
im Jahre 1874. (Fortsetzung.) Von Dr. Math. Mach. — Das Schtoss Schon bü hol 
in Niederösterreich. (Fortsetzung.) Ambras Heller. — Die lateinische Bürgerschule 
in Wiener-Neustadt. (Fortsetzung.) Von Prof. Ign. F ft 1 zl. — Zur Geschichte des Zunft- 
wesens in Niederosterreich. I. 8t. Pölten. (Fortsetzung). Von Dr. A. Horawitz. 

— Sagen aus der Donaugegend Niederösterreichs. (Schluss.; Gesammelt und mit 
kritischen Bemerkungen versehen von Gymn. Dir. Ambros Heller. — Erklärung 
einiger Ortsnamen. Beitrag zu einem historisch-topographischen Lexikon von Nieder- 
österreich. (Schlnss) Von Leop. Kasper, Pfarrer in Dorfstätlen. — Die nächtigen 
Kathsherrn und Bürger von Wien anno 1529. Ein urkundlicher Beitrag zur Geschichte 
der ersten Türkenbelagerniig Wiens. Von V. Reuterer. — Gösing (U. M. B.) in 
Hinvicht auf die pfarrlichen Verhältnisse und das dort bestandene Carmeliterkloster. 
Von Ad. D u n g e 1. — Die hohe Wand in der Wachau. Von Dr. A. Kerschbaumor. 

— Das ehemalige St. Veitskirchlein zu Vitis. Von Job. Edingen — Das grosse 
Freischiessen in Wien im Jahre 1563. Besungen durch den Augsbnrger Pritschen- 
meister Lienhart Flexel. (Fortsetzung.) Von A. Caraesina B. v. Banvittore. 

— Vereinsleben: Die Sommer-Versammlung in Ips am 21., 82. und 23. August. 

— Besprechungen. — Spenden. — Bibliothek. — Mitglieder. 



» » 



Vereinsabeude im Winter 1875/76. 

Freitag den 17. December: Dr. K. Haselbach: „Der Oetscher." 

7. Jänner: Dr. H. W. Reichardt, k. k. Univ. Prof.: 
„Der botanische Garten." 
21. „ Hofrath M. A. R. v. Becker: „Gloggnitz." 

(L Teil ) 

28. „ Generalversammlung. 

10. Februar: Archivs- und Bibliotheksdiroktor K. Weiss: 

„Der älteste Stadtplan Wiens." 
25. „ Hofrath M. A. R. v. Becker: „Gloggnitz." 

(II. Teil.) 

10. März: Excellenz Baron v. Helfert: „Die Presse 

des Jahros 1848." 
24. „ Hochw. Canon. Dr. A. Kerschbaumer : 
„Die Burg Greifensteiu." 
Dr. M. Much: „Weitere Ergebnisse meiner 
Forschungen in Stillfried." 
7. April: Dr. Jos. Bauer: „Die historische Entwick- 
lung dor Agrarverhältnisse in Niederöstorr." 
___ 17 



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228 

Mitteilungen. 

Grundbuch der 8t. Michaels-Pfarrkirche zu Qumpoldskirchen aus 
dem letzten Decennium des XV. Jahrhunderts. 
Von Dr. Gustav Winter. 

(SchluSB.) 

Anhang*). 
I. 

Jahrtags-G rundbuch. 
(Pol. 4 r.-12 v.) 

Item Michel Schaffer begeet ain (jartag) 1 ) Eisbeten seiner mutter, des 
Kaunperger tochter, von ainem Weingarten gelegen in dem Brundlpach und 
stosst an den Steinhaufen zu nächst der Kaunpergerin. Für den selben jartag 
dienet er lxx den. dem pfarrer, und dem gesellen 2 ) und schnlmaister 8 ) xxiiii den. 
von der vigili, und dem mesner iiii den. von dem geleut. — Modo Hans Kellner 
Chiemser. — Modo sant Pangrazen zech*). [fol. 4r. 

Item die Stiglerin begeet ain jartag Conraten am Eck und Berichten 
seiner hausfrauen von ainem Weingarten gelegen auf der Alten Staingrub 
zunächst Casparn, und von ainer wisen gelegen zunächst Seufrid des Manns, 
des ersten suntags in dem adveut, des nachtz mit vigili und des morgens mit 
ainem seelambt, mit oblai, mit dreu semlen 6 ) wekhen, mit ainem einer wein 
auss dem selben Weingarten und mit ainem rintfleisch, daz wol lden. wert 
sei, und dem gsellcn x den. und auch dem schulmaister x den. und dem schulet 
iiii den. und armen leuten 9 ) prot und wein und xx ein leines tuchs haus- 
armen T ) leuten. — Modo Stigler halben jartag und Rosswurkh halben jartag. 

[fol. 4 t. 

Item Toman Kölbl 8 ) begeet ain ewigen jartag Präunreichen dem Eölrer 
von dem hof zenachst der Kaunperger hof oder wer in nach im innen hot, 
also mit vigili und mit ainem seelambt, und das sol man begen ze hant 9 ) 
nach unser frauen tag zu der schidung ,0 ) mit oblai, mit drein wekhen semlen 
protz von ainem metzen und mit ainem diech 11 ) fleisch um lx den. und mit 

*) Ich gebe den Text gereinigt von jenen orthographischen' Wucherungen, durch welci# 
die Texte dieser und der folgenden Zeit oft bis zur Unlesbarkoit entstellt sind, und scheido i und;', 
w und v (w) je nach lihrer vocalischen oder consonautischen Function . jedoch wahre ich all» 
dialektischen Besonderheiten (zu denen ich auch dio aspiriert© Guttural-Tenuis, kh, rechne). 

') Ergänzungen, zu denen Lücken im l'apior nötigeu, setze ich in Anh. I— III in ronde, 
Worte, die der Schreiber aus Versehen weggelassen hat, in eckige Klammern. 

*) Hill'sgeistlicher, Cooperator. 

») In der Zwischenlinie, von jüngerer Hand- 

') Vgl. Anh. V nr. 19. 

. *) Semel ist Weizenmehl; sein pH n, semlein, semlen das Adjectiv: von Weizenmehl. 

*) So heissen nicht nur die Dürftigen, sondern auch die unfreien Bewohner d«<r Dörfer. 
Kriegk, Deutsches Bürgert, im MA. I. 161. Kurz, Oesterr. unter Ottok. und Albr. I., II. ». 
Hier ist vielleicht die letztere Bedeutung vorauszusetzen, wegen der sofort erwähnten ,haus- 
armen Leute.* 

') Armer, der kein Haus und Obdach hat. Lexer. 

•) Cod.: KftMj s. aber Anh. V nr. 17 und 21, vgl. auch nr. 15. 

•) Sogleich. 

") Assumptio (16. August). 

") Oberschenkel von Menschen und Thieien. 



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229 

ainem emer wein, und dem gsellen xüden. und dem schulmaister lüden, und 
dem schuler iiii den. ze leuten, mit v sol. den. *) [fol. 5 r. 

Item Paldweinin die Salzpeckin begeet ainen ewigen jartag irm wirt 
Paltwein dem Sulzpecken 9 ) des sontags vor vaschung *) also : des nachtz mit 
yigili und des morgens mit ainem seelambt, und wer gesell ist, dem sol man 
geben xii [den.] und dem schulmaister zii den. und dem schuler iiii den. zu 
leuten, und ze oblai drei semlen wekh und ainen emer wein und ain diech 
fleisch, und armen leuten wein und prot. — Modo Hirsin i tal. den. — Modo 
Haiman Fleischhakher, auf seinen gern daz peragit 4 ) die alt zech. [fol. 5 v. 

Item Anna die Knaussin (begeet ainen ewigen) jartag Niclasen dem 
Kna(o88en irm wirt) nach voller gewonhait de(s aigens, *) als der) brief doruber 
sagt, auf ainem (halben) Weingarten gehaissen die Jung Staing(rub) *). 

[fol. 6r. 

(Item )t Smurkin beget ain jartag Pilgreimon Gewofn, der in 

gesrhaft hat auf ainem Weingarten gelegen auf der Alten Staingrueb, zenagst 
dem Kaunperger. Der selb jartag ist zu begen nach gwonhait des aigens an 
vigili. [fol. 6 v. 

Item Dietl pei dem Prun begeet ain jartag seinem vater Stefan dem 
perkhmaister, den er beget mit lx den., und nach seiner Schwester tot sol es 
ain ganzer jartag werden. [fol. 7 r. 

Item Hensl Dasser dient i tal. den. für ainen jartag, den geschaft hat 
Kudl von Loh T ) daselbs. i tal. den. ligt auf ainer rächlin 9 ) gelegen auf dem 
äussern Stainfelt zenagst 9 ) ..... dorumb sol man des nachtz gen über daz 
grab und des morgens ain seelambt singen und umb die seel pitten, und sol 
ain pfarrer dem gesellen und dem schulmaister ire recht geben noch des briefs 
sag, der doruber gegeben ist von Andreen dem Rauschen 10 ). [fol. 7 v. 

Item Jacob Bair und Nigel Fair begeut ain jartag hern Hainrichen dem 
Bair ainem briester. der in geschaft hat auf ainem Weingarten gelegen in der 
viechtrift gegen den krautgerten zenagst dem Kuschelra. Pur denselben jartag 
sollen si ainem pfarrer dienen iii sol. den. und x den., dorumb man über das 



•) Vgl. Anh. V nr. 21. 

') Cod.: der Snltzpeckin. • 

*) Am Paschingsonntag. 

») Cod.: peragj. 

») S. o. S. 160 nt. 1. 

•) Vgl. Anh. V nr. 18. 

7 ) Laa 8sö. Ton Wien ? — Vgl. Anh. V nr. IS. 

«) Ein Weingarten-Flichenmass, nach welchem jedoch nur in der Umgebung Ton Wien 
gerechnet worden in sein scheint, zu Meidling, Klosterneuburg, Perehtholdsdorf und Uum- 
poldakirchen, während anderwärts in Nieder-Oosterrßich (hier auch in Klostorneuburg) die Rech- 
nung nach Jochen (jeuch) die gewöhnliche war. S. Font. ror. Austr. 2. Abt. X. 258 nr. 266; 
281 nr. 293; S12 nr. S19; 351 nr. 361 (J. 1336—1354, Klosterneuburg) ; — ibid. XVI. 139 nr. 13C; 
283 nr. 257 (J. 1330—1368, Perehtholdsdorf ) ; — Ca m e si n a. Reg. z. Gesch. d. 8t. Stephans-Domes 
S. 65 nr. 317; 66 nr. 318; 80 nr. 370 etc. (J. 1434—1447 etc., Perehtholdsdorf); 75 nr. 348 
i J. 1442, „Meurling an dor Wien« d. i. Meidling bei Wien) ; - Blatter d. Vereins f. Landeak. t. 
NOo. Jahrg. 1868 (N. F. II. Jahrg.) S. 139 nr. 35; 140 nr. 41 (J. 1383-1386, Perehtholdsdorf).— 
Lieber Kahen, Rachen (mhd. rahe. dimin. rehelin = Stange, rgl. nhd. Raa) als Ilolzmass s. 
Schmeller III. 75 ( Sch m e 1 1 er- Fr o m m an n II. 81— 82). 

•) Die HS. hat hier keinen freien Kanm wie unten fol. 8 t. ; offenbar aber fehlt die 
nähere Ortsbestimmung. 

»•) Vgl. Anh. V nr. 13. 

17 • 



230 



grab 8ol gen und ain seelambt singen und umb die seel bitten, und sollen dem 
gesellen und schulmaister ire recht geben. [fol. 8r. 

Item Peter BlaUindasgut begeet ain jartag Conraten Blatzindasgut 
seinem vater, der in gescbaft hat auf [ainem] Weingarten gelegen in der viech- 
trift zenagst »). Der jartag ist zu begen noch gewonhait des aigens 

an vigili. [fol. 8 t. 

Item die alt Schafferin sol begen ain jartag von ainer setz s ) gelegen 
auf dem Stainvelt gegen den gärten und haisst die Rauschin, und hat geschalt 
die alt Rauschin der Schafferin mutter. [foL 9r. 

Item Michel Aireich begeet ain jartag seinem Vater Leublen 9 ) Aireich, 
der in geschaft hat auf ainem Weingarten under [der] viechtrift gegen den 
garten zenagst Seidien dem Maurer noch gewonhait des aigens etc. 

[fol. 9 t. 

Item ain pfarrer ist schuldig zu begeen ainen ewigen jartag Hainrichen 
dem Vischlen *), der in geschaft 6 ) hat auf ain Weingarten in den äkhern zenagit 
dem Chletten, und hat den selben Weingarten der Chlatt gekauft mit dem 
selben jartag und hat der Chlätt xiiii tal. den. pharrer Hansen •) für den 
selben jartag [geben], dorumb ain ieglicher pharrer gepunden ist zu begen den 
egenanten jartag, und solten die selben pfenning angelegt sein worden auf ain 
ander erb, des nicht geschehen ist. [fol. 10 t. 

Item Eathrei, Seidlens des Maurer witib beget ain jartag an sant 
Agnesen tag dem selben Seidien dem Maurer, der in geschaft bat auf seinem 
hof gelegen zu Gumpolsakirchen zeuagst Wölflens des Höflings hof, noch voller 
gewonhait des aigens mit vigili, mit furtragen und mit almuBen armen leuta 

[fol. löt. 

Itom Niclas der Chlett begeet ain jartag an saut Matheus tag Niclaien 
dem Chletten seinem vater mit voller gewonhait des aigens, mit vigili und 
mit furtragen und mit almusen armen leuten, von ainem Weingarten haiiit 
der Hofweingarten. Uber daz ist ain brief do stet ain f auf. — Und nu der 
Haiden von Peterstorf. — Modo maister Niclas Seidennater von Wien. 

[fol. 11 r. 

Item Hansl Pranger beget ain jartag vun ainem Weingarten gelegen in 
dem Prundlpach und haisst die Pörstlin, und beget in dem alten £werge[r]n, 
der Cholmans bruder an dem Markt gewesen ist, der in geschaft hat noch 
voller gewonhait des aigens. Und sol man in begen an sant Bertholmes tag. 
— Modo plebanus per se"). • [fol. 11?. 

Item Chonrat Rausch hat geschaft ainen jartag an seinem totpet auf 
ainem Weingarten gehaissen die •) Spitalerin auf dem auserm Stainvelt zunagst 

_ „ . . * 

*) sie. 

») Ein mit Reben bepflanzte» Grundstück (junger Weingarten). 
») Cod. : Hewblen. Vgl. Auh V nr. 10. 

») Die Fiscblein, Pisciculi, waren ein bedeutendes Uürgergeschlecht der Neustadt, hinauf- 
reichend bis in die erste Hälfte des XIII. Jhd. Man vgl. die Zeugen der Urk. von 1245 M 
Duellius, Hist. ord. equ. Teuton. I. 78 nr. 1. 

$ ) Cod.: geschaffen. 

•) 1'farrer Jans, Johann erscheint 1358 und 1861 : Anh. V nr. 7 und 8. 
T ) Vgl. Anh. V nr. 20. 

«) 1). h. der Weingarten ist mit der darauf lastenden Jahrtags-YerpHichtung auf «i* 
Pfarre überkommen, s. Anh. III. ' 
•) Cod.: dor. 



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231 



dem Neitharten gegen dem aigen her, auf zehen jar, noch gowouhait des aigens. 



Ich Michl Aireich, burger zu Gumpolzkircben vergich — — , das ich 
geschaft hab — — aineo jartag noch gewonhait des aigeus mit vigiü und 
seelines auf meineu Weingarten gelegen in den äkhern und stosst auf die 
krautgärten, gelegen zenagst Hansen Hufnagl, durch meiner seel hail und 
durch meiner beider baussfrauen seel hail willen Eisbeten und Annen genant; 
alzo beachaidenlicb, wer den Weingarten in hat, boI [den jartag] davon begen 
jerlich nach gewonhait des nächsten sontags vor Martini, ausgenommen ob 
desselben jars ein gemaiue pisicht ') kemme, so sol er in bogen noch seinen 
treuen. [fol. 12 v. 

IL 

Vermerkht: schuldig zu begeen von seinen Weingarten. 

(Fol. 55r.-60r.) 

Item von den Laimgruben zwen ebig jartag, der man ainen begeet an 
saut Merten tag, den andern auf saut Georgen tag mit voller gewonhait des 
aigens, mit vigili und mit ainem gesuugen selampt, und armen leuten was do 
hinkhompt wein und prot geben etc. *) [fol. 55 r. 

Item von dem rählen niderhalb des dorfs, des zwei tail sind, von dem 
obern tail und von dem Weingarten im Peiltal 8 ) und von ainer wisen und 
äkhern einen ewigen jartag, den ain pfarer begeen sol Jacobeu dem Leisgaug, 
der in darauf geschaft hat, mit vigili und mit ainein gesungen selampt, und 
armen leuten wein und prot uud ainein armen menschen iiii eleu, wolleus 
tuchs, das 1 den. chost. [fol. 55 v. 

Item von dem andern tail des rählen a sol ain pfarer begen ain gedecht- 
nus mit ainem seelampt Jansen von dem Bor 4 ), der lxx den. gelts doraut 
gestift hat, und her Hans der pfarer hat die ubenuass gekauft von Iteichruuten 
seiner hausfrauen. . [fol. 5<I r. 

Item von dem rählen in dem Brundien begeet ain pfarer ainen ewigen 
jartag Otten, der keller gewesen ist in dem pfarrhof, der in geschaft het auf 
ainem Weingarten gehaissen der Prodan, gelegen an Pfafstetter perg, den 
pfarer Ulrich verwechselt umb das vorgenant rähl, und den jartag dorauf hat, 
der also zu begen ist: des nächsten mitichen vor weichenachten des nachtz 
mit vigili, mit vier kerzen, und des morgens ain gesungens seelambt und aim 
armen menschen vier elen wolleng tuchs nach sag als die brief lauten, die 
dor über gegeben sein. Auch ist ze merkhen, ob ain pfarer den jartag ver- 
saumbt und nicht begen wolt als vor geschriben steet, so mugeu in die burger 
genoeten und [sich] des Weingartens underwinden und den jartag selbs dovon 
begen, noch des briefs sag, den si dor über haben in ir lad 6 ). [foL 56 v. 



*) Kirchen-Visitation ? ? Vgl. Grimm, Wb. s. t. besichten; Sch raeller-Fro m mann 

IL 246. 

») Vgl. Anh. V nr. 8. 

>) Das hente BOgenannto Beithal (gebildet Ton den Abhängen dea Anninger, des Vierjoch- 
kogela nnd des Schuberthof-Hügel« oder Eichkogels)? 
*) Vestenrohr bei Baden. 
•) Vgl. Anh. V nr. 14 nnd 15. 



[fol. 12 r. 




232 



Item von dem Weingarten gehaissen der Holzapfel sol ain- pfarer leuchten 
das licht vor unser frauen, das gestift ist mit z sol. geltz *). [fol. 57 r. 

Item von dem Weingarten, der haisst der Satl, sol begen ain pfarer 
ainen jartag Philippen dem Schenkhen 2 ) und Berchten seiner hausfraun umb 
sand Merten tag, des nachtz über das grab gen und des morgens ain gesungens 
selambt, und dem gesellen und dem schulmaister geben ire recht, und Wer 
kerzen aufstekhen. [fol. 57 v. 8 ) 

Item von ainem Weingarten gehaissen die Dreimarkhtin sol ain pfarrer 
begen ain gedechtnus mit ainem selambt und über das grab zu geen, und 
dem gesellen und dem schulmaister geben ire recht, und hat geschaft Hain- 
rich Dreimarkht und Raiz sein hausfrau. [fol. 59 r. 

Item von ainem rahl gehaissen die Wentlin, gelegen auf dem Stainfeld, 
sol ain pharer begen ain gedechtnus mit ainem gesungen aeelambt ainer 
junkhfrauen gehaissen Wentel, die das rähl zu der kirchen geschaft hat. 

[fol. 59 v. 

Item ain Weingarten gehaissen der Teufen taler, zenagst dem Aetznagl. 
sol ain pfarer davon begeen ein ewige gedechtnus umb sant Mertens tag mit 
ainem gesungen seelambt Jansen dem Schilher und Katherein seiner hausfrau. 
die den vorgenanten Weingarten zu der khirchen geschaft haben. [fol. GOr. 

m, 

Vermerkht die Weingärten, so zu der pfarr Gumpolzkirchen 

gehören. 

(Fol. 61 v.) 

Item der Cramer*). 
Item Peiltaler. 
Item Ebner. 

Item grosser Laimgruber 5 ). 

Item klain Laimgruber. 

Item Alt Staingrub 6 ). 

Item rahlen in jiem Brundlpach. 

Item Pörstlin'). 

Item rahl niderb alb des dorfs. 

Item Spanprait *). 

Item Rainvalakher. 

Item Wentlin 0 ). 

Item Langweingertl. 

Item Schneiderin. 

Item Dreimärktlin. 

Item Holzapfl, gehoert zum liecht 10 ). 

») Vgl. ebd. nr. 16. 

») Ton Ournpoldskirchen. 

») Fol. 58 ist ein nachträglich eingeheftetes Bl&ttchen Ton nicht hieher gehörigem Inhalt«. 

«) Vgl. Anh. V nr. 6 und 7. 

») Vgl. e hd. nr. 8. 

•) Vgl. Anh. IV nr. 2. 

7 ) Vgl. Anh. I fol. 1| t. 

•) Vgl. Anh. V nr. 24. 

•) Vgl. Anh. II fol. 59 T. 

,0 ) Vgl. Anh. II fol. 57 r. nnd V nr. 16. 



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233 



IV. 

1. 1446, im Sommer, tiumpo ldskirchen. — Item Hans am Ort 
und Larenz Zechmaister dint i tal. den. von ainem Weingarten auf dem 

Stainvelt Daz phunt das hat gelegt der richter vom Piesting auf seinen 

Weingarten genant der Stainvelder da selbs zu Gumpolzkirchen in untern 
Faden weg zue nagst dem pfarer, mit wissen und rat des richter und purger 
zu Gumpolzkirchen Mert Heumcl der richter die zeit. Des selbigen jars 
waren die Unger in dem lant und verpranten das umb, auch 
Gumpolzkirchen 1 ). — Actum anno [m. cccc] ilvi. in dem sumer, in der 
stuben Merten Heumels des richter und des rates. [foL 63 r. 

9 ■ 

— ■ 1545, August 16, Gumpoldski rchen. — Gregorius Primetz, 
Priester des Deutschen Ordens und Pfarrer im Markt zu Gumpolzkirchen 
verleiht den der Pfarre daselbst gehörigen Weingarten in den Staingrueben 
(mit dem obern Ilain zunächst Mathescn Dreniels Weingarten), der in Abbau 
und Verödung gekommen ist, dem Ulrich Wiser, Agatha dessen Hausfrau und 
Jörgen beider Sohne auf ihrer dreier Leib, damit sie denselben wieder zu Bau 
bringen und jedem Pfarrer zu Gumpolzkirchen davon 5 Schill. Pfenn. rechtes 
Zinsgeld reichen. „Und zu bekreftigung diss contracts hab ichs [der 
Pfarrer] in gegenwurtigs grundpuech lassen vermerk he n. a — Gum- 
polzkirchen, am sontag nach unser frauen schidnung, 1545. [fol. 68 v. 

V. 

Hie heben sich an die brief über di jartag des pfarrers 

zu Gumpolzkirchen. 

(Fol. 73 r,-97 r.) 

1. 1272, April 21, Wien. — Lutwinus, Hennannus et Wulfinguus 
filii quondam domini Lutwini de Sunnenberch, una cum sorore sua Brigida 
donationem factam per dictum patrem suum Chunrado Bavaro civi Wieum'nsi 
de quadam vinea sita in Gumpolzkirchen et area ad eandem vineam pertinente 
ratam habent, et Pilgrimo institori ejusque heredibus omne jus, quod Ch. 
Bavarus iu praedicta vinea ei contulerat, confirmant, dummodo ecclesiue de 
Altenburch 2 ) de ipsa vinea singulis annis pro jure montis una urna vini. quae 
pergember dicitur, persolvatur. — Testes: Dominus Heinricus de Botievelde, 
dominus Ditmarus de Schonenchirch militeB ; dominus Chuno quondam 3 ) magi- 
ster monetae, Chunradus Pilgrimus et Gregorius fratres dicti Crigelarii *), Ulricus 

') Die ungarische Invasion fallt in das Spatjahr 1446. Itin. Wolfgangi de Stjra Bened. 
Mellic, bei Pez, SS. II. 449—450: .Item a. 1446 in Adventu domini Ungari vastaveruut terram 

Austriae igne Dcvastaverunt antem rillas multas et fora. puucis exceptis, videlicet l'aden 

et Medling et si qua alia sunt, qnae so pecnnia data ab hujnsraodi iucendio redemerunt ; inci- 
pientes incendii nujusmodi vastationem in metis Ungariae, ubi Austria terminatur, circa fluvium 

[Litbam?] et ulterius progrediendo univen»a usijue ad Kodawn incendio vastanteti " 8. auch 

Chmel, Gesch. K. Friedriche IV., II. 567 u. fg. 

*) 1460 bestätigt K. Friedrich III. den Mönchen zu Altenburg alle ihre Privilegien und 
Besitzungen, darunter auch ,ainn brief umb ir phenning dienst und weingult zu Gumpolz- 
kirchen" (Font. rer. Austr. 2. Abt. XXI. 337 nr. 417) ; diesor .briet» fehlt. - VgL K e ib 1 in g er, 
Gesch. v. Melk II. 1. 770 nt. 2. 

») Dadurch wird die Angabe der Tabelle in Hormayr's Wien. 1. Jahrg. III., am Ende 
Ton Heft 1 n. 2 (,1260-1278*) berichtigt. 

«) Konrad Kriegler ist 1274. 1275 .Stadtrichter von Wien. 



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234 



prolocutor, Ulricus de Fulkcnstain et Ulricus Ii Im.- ejusdein, Otto et Ulricus 
dicti Hnetzl, Norpertus Iii ins Bavari, Heinricus Springintzel, Heinricus Meiserl, 
Pertholdus de Nutteuberch *), Otto Meiserl, Albertus *), Heinricus et Wem- 
hardus dicti Evter :i ). Erkel institor, Gerungus Ii Ii us Itae et Ulricus fratrw 
de s. Yppolito, Rudolfus et Liupoldus de s. Yppolito, Ulricus Winduest *), Hinu 
institor. — Wiennae, a. m. cc. lxiii., in Coeua doniini. [fol. ö5 r. ur. 11. 

2« 1314, Februar 1, Guinpoldskircben. — Albrecht, Pfarrer zo 
Gunpolzchircbeu gibt seinen Weingarten genannt der Chleuber, gelegeu 
zwischen Pfafsteten uud Guupolzkircheu seinem Freunde Niclau, wogegeu 
dieser und dessen Erben den Jahrtag des Pfarrers davon begehet) sollen. 
Stürbe Niclas ohne Erben und wäre Niemand, dem der Weingarten von Hecht 
angehörte, so soll sich der Zechmeister in dem Dorf zu Guinpolzchircheu des 
Weingartens uuterwiuden uud den Jahrtag davon begehen. — Besiegelt „mit 
ainem [meinem?] iusigtt* — Zeugen: Dietrich der perkhmaister und Fridericb 
der perkmaister, Otte der Cheiuer, Chuurad der Kusch, Cuurat au dem Elke, 
Janse der Sinit, Kueger Chaunperger, Chuurat Chauuperger, Ulrich des Scbniidi 
aidem, Gundel Kueurades sun an dem Ekke, und ander frum leute geuug. - 
Ze Gumpolzkircheu, 1314, au sand Breiden tage. [fol. 90 v. ur. 18 

3. 1334, November 11, o. AO. — Hertbeich, des Schmiedes zu Gum- 
polzkircheu Sohn, uud Margret seine Hausfrau verkaufen mit Hand ihr« 
Bergherrn, des Kitters*) Horm Chunratz °) Hubmeisters in Oesterreich dem 
Herrn Ulrichen, Pfarrer zu Gumpolzkircheu uud dessen Amtsnachfolgern 1 Pfi 
Wiener Pfeuu. Burgrechts um 10 Pfd. Wiener Pfenn.; und liegt dieses Bur?- 
recht auf ihrem Weingarten, „dez ain setz wol gen f ) ainem halben jeuch ut 4 
(gelegen zunächst oberhalb Chunrades des Fleischgadeu zu Guuipolzkircheo 
Weingarten bei dem Prennelein) *), wovon man jährlich in dem Lesen 1 Eimer 
Wein zu Bergrecht dient. Wird die Zahlung des Burgrechts versäumt, so »oll 
von selbst Zwispilde auf den Weingarten gehen bis zum Werte desselben, 
und sodann der Weingarten dem Pfarrer in's Eigentum zufallen ohne alle 
Klage. — Siegler („seit wir selb nicht aigeu insigel haben-): a) der vorgenanute 
Bergherr Herr Chunrat der Hubmeister in Oesterreich ; 6) Herr Philipp der 
Schenk von Gumpolzkircheu. — 1334, au sand Merteiiis tag. [fol. 86 v. nr. 13. 

4. 1334, December 25, o. AO. — Bruder Hermann Chuendorfer '), 
Landchumteur der Brüder vom Deutschen Hause in Oesterreich und Steier 
beurkundet, dass Ulreich, Pfarrer von Gumpolzkirchen mit etlicher seiner 
Pfarrmannen Hilfe 10 Pfd. Gülte, ewig zu dienen dem Gotteshause daselbst, 
gekauft hat, also, dass ein jeglicher Pfarrer daselbst täglich, ausser an Feier- 
tagen, eine Frühmesse halten soll. Würde dies versäumt, so soll das Pfarr- 



*) sie ; Mittenberch ? 

>) Zweifelhafte Lesung. 

») Zweifethafte LeBung. 

•) Zweifelhafte Lesung. 

•) Cod.: des erbe[i]n richter. 

*) Konrad der Haarmarkter der Jüngere. 

7 ) Cod.: gan. 

•) Cod.: prennnelein; et ist wol prunnelein zu lesen, rgl. Anh. II fol. 56 
•) Ueber ihn Hör may r a. a. 0. 2. Jahrg. IL, 1. Heft S. 108-106. 



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235 



volk Zwei oder Drei aus seiner Mitte erwählen, welche „das vorgenant gult, 
als iz gescriben stet au dem messpuech", verkaufen und den Erlös in 
drei Teile theileu: ein Teil anzulegen dem Gotteshause zu Gumpolzkirchen 
„ze pezzerung M , der zweite den Brüdern vom Deutschen Hause datz der Neun- 
stat „ze pitanz« *), und der dritte den Dürftigen in das Spital zu Wien. — 
1335, au dem weinachtag. — Siegel: a) „aiues ieglicheu lantchumteurs 
iiisigel" ; b) des [Deutschen] Hauses zu Wien 8 ). — Zeugen : Prueder Ott von 
Preuzzen, brueder Dietreich von sand Florian, prueder Fridroich von dem 
Valkenstaiu, brueder Niclas von Droppau di priester, prueder Ulrich der 
Zirberger chumteur zu Suntag 3 ), prueder Herbort vom Winkil, prueder Eckhart 
Chrechsner, prueder Perchtolt, prueder Ott der Zuber, und gemainiklich das 
pfarrvolkh zu Gumpolzkirchen. [toi. 8_ v. nr. 16. 

5. 1353, März 18, Wien. — Andre der Sinit von Seuginten*) verkauft 
mit Hand seines Bergherrn, Herrn Hainrichs von Hackeuperg einen Weingarten 
zu Nidern Sufriugeu 6 ) im Velde, des */* Jeuch ist (zunächst Herrn Ohunratz 
Weiugarteu), der Herrn Hainreichen von Hakhenberch jährlich 6 Wiener Pfenn. 
zu Bergrecht uud den geistlichen Herrendatz dem Deutscheu Hause [zu Wieu?] 
Vi Eimer Wein und 1 Wiener Helbliug zu Ueberzins dient, und der ihm (Andre 
dem Smit) uuerstorben ist „wittiber weis** von weil, seinem Vetter Stephau 
dem Helenweigen, — um 14 Pfd. Wieuer Ffeun. Micheln dem Eibensprunner 
und dessen Hausfrau Jeuten. — Siegler („wand ich selber nicht aigens iusigels 
bau 4 *): o) der Bergherr Herr Hainreich von Hackenberch ; b) Herr Fridreich 
der Goltschlaher. — Ze Wieuue, 1353, des uagsten mantags vor dem oster- 
tag. [fol. 9_ r. Nr. 23. 

6. 1357, Mai 17, Wieu. — Heinrich der Würfel, Bürger«) zu Wien 
und Kathrei seine Hausfrau verkaufen mit Hand ihres Bergherru, des Abtei 
Seifrit zu Altenbüren ihren Weingarten zu Gumpolzchircheu hinter dem Dorf 
genannt der Chramer') (zunächst dem Weingarten vormals Chunratz des 
Vogels), und die 12 Wiener Pfenn. Gelts, die Hiezz der Haller von seinem 
Hof zu Gumpolzkirchon jährlich zu rechtem Dieust iu den genannten Wein- 
garten dient (welchen Weingarten Hainrich dem Würfel seine erste Hausfrau 
Frau Elzbet geschenkt hat, und der jährlich dem Gotteshause zu Altenbüren 
drei Vierteil Wein zu Bergrecht dient), — um 135 Pfd. Pfenn. Wiener Münze 
dem Andre, Kammerschreiber Herzog Albrechts zu Oesterreich, und seiner 
Hausfrau Kathrein. — Siegler : a) die Aussteller; 6) der Bergherr Abt Seitfrit 
zu Altenbüren; c) Niclas der Würfel, „niain vorgenanten Hainrichs sun des 
Würfels**"); d) Heinrichs Oheim Haunolt der Schuchler, Bürgermeister zu 
Wieu 9 ). — Ze Wien, 1357, an dem heiligen auffert abent unsers herren. 

__________ [ foL 96 v - nr - 25 

*) Aufbesserung an Kost und Wein. Vgl. Z ei big in Font. cit. X. pag. xlri. 
*) Abbildung denselben bei Ha n th al e r, Recens., tab. 14 fig. 12 (ton 1361) und Duelliuii 
1. c. II. 127 flg. 74 (von 1399). 

») Gross-Sonntag, Deutschordens-Comniende im Marburger Kreise Steiermark*. 

«) sie ; Sengingen (Senging U. M. B.) ? 

*) 8ievering. 

') 1353 Bürgermeister. 

*) Cod.: Cbarmer; s. aber Anh. III, und Anh. V nr. 7. 

') Cod. : Hainrichs seh mides Wurfeis (!). Ich emendiereauf Grund Ton Font. cit. X. 405 nr. 416. 
•) Haunold der Schuchler ist 1857, 1358, 1360, 1361 Bürgermeister Ton Wien; auch Niltlaf 
der Würfel bekleidet später, 1368-1370, diese Würde. 



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236 

7. 1358, November 12, Wien. — Andre, vormals Kammerschreiber 
weil. Herzog Albrechts von Oesterreich, und Kathrein seine Hausfrau verkaufen 
mit Hand ihres Bergherrn, des Abtes Seifrit von Altenburch, ihr rechtes 
Kaufgut: den Weingarten zu Gumpolzchirchen hinter dem Dorf, genannt der 
Chramer (zunächst dem Weingarten vormals Chunratz des Vogels) — von 
welchem man dem Gotteshause zu Altenburch jährlich drei Vierteil Wein zu 
Bergrecht dient — und die 12 Wiener Pfenn. Gelts, die Hierz der Haller 
jährlich in den genannten Weingarten dient, um 138 Pfd. Wiener Pfenn. dem 
geistlichen Herrn Bruder Jansen Deutschherrenordens, Pfarrer zu Gumpolz- 
kirchen und seinen Amtsnachfolgern daselbst. Würde die Pfarre Gumpolz- 
kirchen aus dem Besitze der geistlichen Herren .vom Deutschen 
Hause zu der Neunstat 1 ) kommen, so soll der vorgenannte Weingarten 
an dieselben fallen und der Pfarrer zu Gumpolzkirchen kein Recht mehr daran 
haben. — Siegler : a) die Aussteller ; 6) der Bergherr Abt Seifrit zu Alten- 
burch; c) Paldwein der Vierding, Kathrei's Vater; d) Hainrich der S traicher*). 
— Ze Wieune, 1358, dez negsten montags nach sant Merteins ta^e. 

ffol. 95 v. nr. 27. 

8. 1861, Mai 25, Wien. — Ulrich, Chormeister zu St. Stephan in 
Wien, verkauft mit Hand des Bergherrn, des geistlichen Herrn Bruder Hein- 
rich, Cumeteur des Hauses der Deutschen Herren datz der Neuustat, anstatt 
seines Oheims Fridrich, der noch nicht zu seinen Jahren gekommen ist, Sohnes 
weil. Jansen des Sliten von Gunpolzkirchen zwei Weingärten daselbst (der 
eine gelegen auf der Laimgrueb zunächst der geistlichen Herren von Liligen- 
velde Weingarten 3 ), der andere zunächst der Jansen der Rauscbinne zu Gum- 
polzkirchen Weingarten), von denen man den Deutschen Herren datz der 
Neunstat jährlich 3 Eimer Wein zu Bergrecht, und zu der Frühmesse zu 
Gumpolzkirchen 2 Pfd. Wiener Pfenn. zu Burgrecht dient ; und wer diese zwei 
Weingärten inne hat, soll jährlich zwei Jahrtage in der Pfarrkirche zu Gum- 
polzchirchen davon begehen, die des vorgenannten Oheims Fridrich Vordem 
darauf geschafft haben *) ; — und zwar verkauft er die genannten Weingärten 
dem geistlichen Herrn Johansen, Pfarrer zu Gumpolzkirchen, und allen seinen 
Amtsnachfolgern um 13 Pfd. Wiener Pfenn., und um die vorgenannten 2 Pfd. 
Wiener Pfenn. Burgrechts, die der Pfarrer und seine Nachfolger jährlich zu 
der Frühmesse dienen sollen. — Siegler : a) der Aussteller; b) das Haus der 
Deutschen Herren datz der Neunstat 5 ) ; c) Herr Fridreich von Inzestorf. — 
Ze Wien, 1361, an unsers herren gotes leichnam ambt. [fol. 93 r. nr. 22 

9» 1364, December 13, o. AO. — Chunrad das Chind zu Gumpolz- 
kirchen beurkundet, dass weil, sein rechter Vetter Hainrich der Wiser einen 



') Von Herzog Friedrich II. iBt 12U da« Patronatsrecht der Pfarre üumpoldskirchen 
sammt allen dazu gehörigen Einkünften und Rechten dem Deutschen Orden geschenkt (Hor- 
majr a. a. 0. 2. Jahrg. II. Urkdb. p.clxxvii— viii nr. 227). Es war bei der Commende Wiener- 
Neustadt bis zu deren Vereinigung mit der Commende Wien. 

») Ist 1358, 1357 und 1360 Bürgermeister von Wien. 

») Weingärten zu Gumpolzkirchen erwarb daa Kloster Lilienfeld 1270, 1275, 1315 (Han- 
thaler, Fasti Campilil. II. 1053. 1123. III. 159) etc. 
«) Vgl. Anh. II fol. 55 r. 

») Abbildung seines 8iegels bei D u e 1 1 in s 1. c. II. 127 flg. 71. 



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237 

ewigen Jahrtag bei der Pfarre zu Gumpolzkirchen geschafft hat auf einem 
Weingarten gelegen daselbst in den Aeckern (zunächst Ulrich des Chnappen 
Weingarten), genannt das Preialäckerl *), von dem man jährlich ein Vierteil 
Wein in Chunrad Prengers Hof dient und der ihm (Chunrad dem Chind) nach 
rechter Freundschaft nach Hainrichs des Wisers Tode angefallen ist — Siegel: 
n Herzog Rudolfs ze Osterreich, das er von seinen genaden gegeben hat dem 
aigen zu Gumpolzkirchen ze ainer pestetigung seiner gueter da selbs w 2 ). — 
1364, an sand Lucein tag. [fol. 85 v. nr. 12. 

10 • 13G5, Januar 10, Wien. — Dietreich bei dem Prun zu Gum- 
polzchirchen, weil. Niclas des Bergmeisters Bruder, und Elspet seine Hausfrau ; 
Stephan, des genannten Niclas des Bergmeisters Eidam, und Margret seine 
Hausfrau ; Johans Eitel, desselben Niclas Eidam, und Katbrei seine Hausfrau ; 
und Michael, Leubl 8 ) Alreichs Sohn, auch desselben Niclas Eidam, und Elspet 
seiue Hausfrau beurkunden, dass der vorgenannte Niclas der BergmeiBter mit 
Gunst und Hand der obersten Bergherren : Albrechts des Schenkhen«), obersten 
Kellermeisters Herzog Rudolfs von Oesterreich, und Dcgenharts, Pfarrers zu 
Lachsondorf einen ewigen Jahrtag bei der Pfarre zu Gumpolzchirchen für sich, 
seine Vorvordern und Nachkommen geschafft habe auf einem halben Wein- 
garten genannt der Han, gelegen am War[t]perg ö ) (zunächst der Deutschen 
Herren von der Neunstat Weingarten), wovon man jährlich dem Herzog von 
Oesterreich dritthalb Vierteil Wein zu Bergrecht dient. — Siegel („wau wir 
selb nicht aignes insigel haben") : a) „Herzog Rudolfs pergrecht insigel in dem 

laut zu Osterreich •), das herr Albrecht der Schonkh, sein obrister 

chelerraaister an den brief gehangen hat" ; b) Herrn Degenharts, Pfarrers zu 
Lachsendorf ; c) Niclas des Chletten, Bürgers zu Gumpolzchirchen. — Ze 
Wien, 1365, des nagsten vreitags nach dem Perihtag 7 ). [fol. 74 v. nr. 3. 

11. 13(J5, Juli 25, o. AO. — Ulreich der Holzapfel zu Gumpolz- 
kirchen beurkundet, dass Bein Bruder weil. Ott der Holzapfel mit Gunst und 
Hand des Bergherrn, des geistlichen Herrn MaurreichB, Gumteur des Deutschen 
Hauses iu der Nounstat einen ewigen Jahrtag geschafft hat bei der Pfarre zu 
Gumpolzkirchen auf einem Weingarten gelegen in dem Prundlein-Weg und 
hinausgehend auf die Laimgruber (zunächst der Chaunperger und der Prenn- 



') d. i. „Aeckerlein des Priors.« Cod.: l'reyalächerl. — 1498, März 1« gibt Wolfgang 
Sannleiter, oberster kaiserlicher Kellermeister in Oesterreich dem HanB Frei, Bürger zn Gum- 
poldfikirchen, Dorothea seiner Hauwfrau und beider Kindern den Weingarten daselbst .genant das 
klain Preyal Ekherl, zunagst mit aim rain an die vier greften* (über dieses Wort 8chmeller 
II. 107) in Bestand. (Orig. auf l'erg. im k. und k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv - .) 

J ) 3. Melly, Beitr. x. Siegelk. d. MA. I. 25— 26; darnach lautete die Umschrift dieses 
(in der 8 ra i t m e r'schen Sammlung in einem Abdruck vorhandenen) Siegels: „S. KV0D0LFV8. 
DVX . AVSTRIE ." .Wie es kommt, dass dieses Siegel bloss Namen und Titel des Landesfürsten 
ohne Bezeichnung der Gemeinde, der es angehört, trage, wäre interessant zu erforschen." 

») Cod.: Lwebel. 

«) ron Ried. 

M 1S36 erscheint in einer Heiligenkreuzer Urkunde ein Weingarten „gelegen ze Ound- 
ramstorfan dem Wartperge" (Font. cit. XVI. 223 nr. 214). Vgl. auch Keiblinger a. a. 0. 
X. 374 nr. 3. 

•) Ueber dieses Kürschner im Arch. für österr. Gesch. XLIX. 65 nr. 4; Sara, Die 
Siegel d. österr. Beg. (Sep.-Abdr.) p. 122 nr. 13 (mit Abbildung). 

T ) Das Original dieser Urkunde hat Smitreern vorgelegen,^. Sava a. ». 0. 



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. 238 



reichin Weingarten), davon man jährlich dem Deutschen Haute in der Neunstat 
30 Wiener Pfenn. zu Grundrecht und einen Eimer Wein zu Bergrecht, und 
zu der Frühmesse bei der Pfarre zu Guinpolzchirchen ein Pfund Wiener Pfenn. 
ewigen Gelte dient. — Siegel: a) der Deutschen Herren in der Neunstat; 
b) Ulreichs des Chnappen, c) Niclas des Odetten, beide Bürger zu Gumpolz- 
chirchen. — 13G5, an saud Jacobs tag. [fol. 82 v. nr. 9. 

12 • 13G8, März 10, o. AD. — Peter des Ualler Sohn verkauft mit 
seines Amtmannes, Petreins des Chnaus, Richters zu Gumpolzkirchen Hand 
1 Pfd. Wiener Pfenn. Burgrechts (gelegen zu Gumpolzkirchen auf einem Wein- 
garten auf dem Staiu velde zunächst Niclas des Chern Weingarten), das ihm 
alle Jahre Jacob der Schawel und Kathrei dessen Hausfrau gedient haben, dem 
Chunraten Purger uud Frau Geislein dessen Hausfrau um 7 Pfd. Wiener Pfenn. 
Mau dient auch von demselben Weingarten jährlich 6 Wiener Pfenn. zu rechtem 
Gruuddieust in Otten des Denken Hof. — Siegel („wan ich und mein egenanter 
arnptinann Peter der Chnaus ze den Zeiten richter ze Gumpolzchirchen selb 
aigen insigel nicht haben"): „des gerichtz insigel 1 ) ze Gumpolzkirchen, daz 

di fursten in Österreich habent geben dem aigen ze Gumpolzkirchen ze 

ainer bestatigung ir gueter daselbs." — 13HS, des vreitags in der andern 
vastwochen. [fol. 91 v. nr. 20. 

13 . 1370, März 19, Wien. — Audre der Kau seh zu Gumpolzkirchen 
uud Anna seine Hausfrau beurkunden um den ewigen Jahrtag, den weU. Rufer 
von Lach *) geschallt hat bei dem Gotteshause zu Gumpolzkirchen auf eia«m 
Weingarten daselbst gelegen in den Aeckern (zunächst der Deutschen Herrn 
Weingarten), welchen Weingarten sie Schulden halber verkauft haben : das* 
Bruder Ulrich des Deutsch herreiiordene, Pfarrer zu Gumpolzkirchen, ihnen 
diesen Jahrtag (erfassen hat um '/a W<L Wiener Pfenn. ewiges Burgrecht, 
und dass sie dieses '/a PM. dem Pfarrer Ulrich und allen seineu Amtsnach- 
folgern mit uYs Grundherrn Thomans des Schafters zu Gumpolzkirchen Hand 
gemacht und bestätigt haben auf ihrem Weingarten daselbst gelegen an der 
Sozz (zunächst Meinhartz zu Gumpolzkirchen Weingarten), von dem man jähr- 
lich dem genannten Thoman dem Schaffer in seinen Hof zu Gumpolzkirchen 
ein Vierteil Wein zu Bergrecht dient. Von dem */* Pfd. wird ein jeder Pfarrer 
zu Gumpolzkirchen den Jahrtag begehen ; würde es am bestimmten (sand 
Merteius) Tage nicht gezahlt, so soll der Pfarrer oder fein Anwalt vor dem 
Richter zu Gumpolzkirchen „auf den egenauten unsern Weingarten gelegen an 
der Sozz umb zwischpild klagen 8 ) ze vierzegen tagen, als umb versezzem 
purkrecht recht ist und des lande» recht ze Österreich. 4 * — Siegel („wand wir 
selber nicht aigens [insigel habenj): „[des aigensj insigel ze Gumpolzkirchen, 

das im die herzogen in Osterreich über die bestetigung ir gueter da 

selbens von iren gnaden gegeben habent" — Ze Wien, 1370, des nechsten 
erchtags vor mittervasten. [fol. 77 t. nr. 5. 

14. 1370, April 6, Wien. — Peter der Chnauz, Richter zu Gumpolz- 
kirchen, beurkundet, dass vor ihm und den Bürgern daselbst der geistliche 

') Abbildungen desselben bei Melly a. a. 0. p. 26, und bei Dnelliua I.e. fig. 70 
(minder gelungen). 

») Vgl. Anh. I fol. 7 T. 
») Cod.: graben. ' 



i 



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239 



Herr Bruder Ulreich des Deutachherrenordens, Pfarrer zu Gumpolzkirchen, 
bewieien und bewährt habe das Vermächtnis, dai ihm Ott weil, sein Kellner *) 
in Gegenwart seines (Otten) Beichtigers, des Priesters Herrn Merten yon Mans- 
werd (derzeit Geselle zu Gumpolzkirchen), und der ehrbaren Leute : Niclas an 
dem Markt, Seidleins des Manns und Leupoltz des Pinter, alle Bürger daselbst 
geschafft hat mit einem Weingarten genannt der Prodan gelegen an Pfafstetor 
Berg (zunächst der geistlichen Herren von Melkch Weingarten genannt der 
Straihant) *) und mit all seinem fahrenden Gute, also, dass ihm dafür der 
genannte Bruder Ulrich einen Jahrtag und ein 8eelgeräth bei der Pfarrkirche 
zu Gumpolzkirchen stiften und widmen soll. — Siegel : „des selben aigens 

insigel ze Gumpolzkirchen, das im die herzogen ze Osterreich ze einer 

bestetigung gegeben habent über iren gueter da selbens." — Ze Wien, 1370 
an dem palmabent"). [fol. 74 r. nr. 2. 

15. 1371, April 3, Wien. - Niclas der Poltel Ton Pfafsteten giebt 
mit Willen seiner Erben, mit Gunst seines Pfarrers Herrn Albrechts, Pfarrers 
zu Dräschirchen, und mit seines Grundherrn Otten des Cholbleins zu Gum- 
polzchirchen Hand dem Bruder Ulrichen Deutschherrenordens, Pfarrer zu 
Gumpolzchirchen, und allen Amtsnachfolgern desselben zu einem rechten Wider- 
wechsel seinen Weingarten gelegen zu Gumpolzkirchen bei dem Prundelpach 
(zunächst Ulrichs des Holzaphels Weingarten), yon dem man in des vorge- 
nannten Otten des Cholbleins Hof zu Gumpolzkirchen jährlich 15 Wiener Pfeun. 
zu Grundrecht dient. Dagegen giebt Bruder Ulrich Niclas dem Pöltel auch 
zu einem rechten Widerwechsel einen Weingarten gelegen am Pfafsteter Berg 
genannt der Prodan, den ihm weil. Otto sein Kellner vermacht hat, von dem 
man den geistlichen Herreu zu Maurbach 4 ) jährlich 2 Eimer Wein zu Berg- 
recht und 12 Wiener Pfenn. dient. Zu Aufschatz hat Niclas dem Pfärrer 
3 Pfd. Wiener Pfenn. gegeben. Den Jahrtag, der auf dem Weingarten zu 
Gumpolzkirchen gelegen ist, sollen Niclas und seine Nachkommen, die den 
Weingarten am Pfafsteter Berg nach ihm inne haben, seiner Muhme weil. 
Frau Margreten, Leubleins des Pairs zu Pfafsteten Witwe, die denselben Jahrtag 
geschafft hat, in der Pfarrkirche zu Dreschirchen begehen. — Siegel („wand 
ich noch der vorgenaut gruntherre Ott der Cholbel selber nicht aigner insigel 

haben") : a) „des aigens insigel ze Gumpolzchirchen, das im die herzogen 

in Osterreich zu einer bestetigung ir guet da selbens von irn gnaden gegeben 
habent y ; 6) Albrechts Pfarrers zu Draeskirchen. — Ze Wienne, 1371, des 
negsten pfinztaga vor ostern*). (fol. 92 r. nr. 21. 



*) Übte Iis U, a. o. nr. 2; 1322, Font. cit. XVI. 81 nr. 78. 

*) sie. — 1319 gibt Hugo, Pfarrer von Traiskirchen den Weingarten tu Pfaftstätten 
genannt derStarchant dem Kloster Melk zur Stiftung eines Jahrtages. Keiblinger a. a. 
ü. II. I. 875. 771. 

») Vgl. Anh. II fol. 56 t. 

•) In der Stiftungsnrknndo dieser Karthauso tou 1316 werden derselben u. a. zugowiesen 
„de jnro montano Tini carratae xx, scilicet in Qumpolskircben carratao viii, in Pfafsteten carratao 
xii", ausserdem „acies seu fines contigui montium praedictorum locorum, quantum pro uisriom 
xx carratis Bufficit." (Ans dem Orig. im k. und k. Haus-, Hof- und Staatsarch. Der Druck dieser 
Urkunde in den Ber. u. Mitt. d. Wiener Altertli.-Ver. XIII. 70 nt ist unbrauchbar.) Vgl. auch 
Kaltenbach, Oesterr. RechtsbQcber des MA. 1. 149—159 nr. 25 u. 26 (Hechte dos Gotteshauses 
Mauerbach an Bergrecht und Gründen bei Uumpoldskirchen, TraiBkirchen und Pfaffntätton). 

») Vgl. Anh. II fol. 6« r. 



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240 



16. 1372, Mai 25, o. AO. — Chunrats des Igels von Gumpolzkirchen 
Witwe beurkundet, dass sie sich mit Herrn Ulrich, Pfarrer zu Gumpolzkirchen, 
verglichen habe über alle ihre Ansprüche auf ein Rachel Weingarten gelegen 
unter dem Paden-Weg, genannt der Holzapfel (zunächst Hainreichs des Cbiuds 
Weingarten), welches Rachel geschafft ist zu einem Licht in das Gotteshaus 
zu Gumpolzkirchen *), und wovon man jährlich den geistlichen Herren datz 
dem Heiligen Creuz ein Vierteil Wein zu Bergrecht dient: und zwar habe 
sie, mit Hand des Bergmeisters Dietreich bei dem Prune zu Gumpolzkirchen, 
Amtmannes der geistlichen Herren datz dem Heiligen Creuz für sich und ihre 
Erben auf den genannten Weingarten Verzicht geleistet - Siegler („wan ich 
selber nicht aigens insigel han u ): a) der Bergherr Abt Cholman datz dem 
Heiligen Chreuz; b) Niclas der Chlett zu Gumpolzkirchen. — 1372, an gotes 
leichnam abent. [fol. 80 v. nr. 7. 

17 . 1373, Januar 3, o. AO. — Thoman der Chelbel zu Gumpolz- 
chirchen und Margret seine Hausfrau bestätigen mit Hand ihres Grundherrn, 
des geistlichen Herrn Bruder Colmans, Abtes zu dem Heiligen Creuz, ein Seel- 
geräth : nämlich 5 Pfund Wachs, die weil. Wolfhart der alte Chol[r]er " ) zu 
dem Gotteshause zu Gumpolzchirchen „zu einer Wandlung cherzen" 8 ), jährlich 
an sand Kathrein Tage zu reichen, geschafft hat von seinem Weingarten, den 
weil. Prau[n]reich der Cholrer, Margretens Vetter, darnach von ihm gekauft hat 
und der dann von diesem an Margreten angeerbt ist. Es liegt derselbe Wein- 
garten niederbalb Gumpolzkirchen in den Aeckern (zunächst Jansen, Perngen 1 ), 
Sohn von Gumpolzkirchen Weingarten), und man dient von demselben d« 
geistlichen Herren datz dem Heiligen Chreuz jährlich 5 Wiener Pfenn. zu 
Grundrecht, und dann die genannten 5 Pfund Wach«. Wer den Weingarten 
inne hat, soll jährlich an sand Kathrein Tag zwölf Armen ein Mahl und je 
1 Wiener Pfenn. geben, was der genannte Wolfhart der alte Cholrer darauf 
geschafft hat ; ferner jährlich an demselben Tage 30 Wiener Pfenn. dem Pfarrer 
zu Gumpolzkirchen um eine Seelmesse, die der vorgenannte Praunreich daraaf 
geschafft hat. — Siegler („wan wir selber nicht aigens insigel haben"): a) der 
Grundherr, Abt Colmanus datz dem Heiligen Creuz; b) Niclas der Chlett zu 
Gumpolzkirchen. — 1373, des nagsten montags nach dem ebenweichtag. 

[fol. 91 r. nr. 19. 

18. 1374, December 7, o. AO. — Anna, Niclas des Chnauzz von 
Gumpolzkirchen Witwe, beurkundet, dass ihr verstorbener Gatte mit ihrem 
Willen einen Jahrtag bei der Pfarre zu Gumpolzkirchen geschafft hat auf einem 
halben Weingarten daselbst genannt die Staingrueb (gelegen zunächst Stephans 
des Rucmzagels Weingarten), wovon man jährlich in Michael Alreichs Wein- 
garten (gelegen gegenüber dem erstgenannten Weingarten) 1 Wiener Pfenn. 
dient. — Siegel („wand ich selber nicht aigens insigel han") : „des aigens 



') Ebd. fol. 57 r. 

*) Wolf hart der Cholrer von Guiupolzkirctatn uud Reichmut seine Hausfnm 
1348 (Font, cik XVI. 204 nr. 2O0). 

») Ueber die Wandelkerzen (grössere Kerzen, die bei der Heese während der Wandlung 
angezündet waren) «. Seh mal le r IV. 9b f. 

•) Niclas Pernger Ton O., 1378 (Pont. ci*. XVI. SM nr. 286). 



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241 



insigel ze Gumpolzkirchen, das die forsten in Osterreich von iren gnaden 

da hin gegeben habent dem aigen ze Gumpolzkirchen zu einer bestetigung ir 
gueter do selbens." ■— » 1374, des negsten phinztags nach sand Niclastag *). 

[fol. 79 r. nr. 6. 

19. 1375, April 11, o. AO. — Michel der Schaffer zu Gumpolz- 
kirchen beurkundet um den Jahrtag, den seine Mutter weil. Frau Elsbet 2 ), 
Wolfhartz des Champergers Tochter, geschafft hat auf dem Weingarten gelegen 
zu Gumpolzkirchen bei dem Prundlein (zunächst Niclas des Chletten Wein- 
garten), wovon man jährlich in Giligen des Mesners Hof zu Gumpolzkirchen 
ein Vierteil Wein zu Grundrecht dient: dass er, da der genannte Weingarten 
den darauf geschafften Jahrtag nicht trug, mit Herrn Ulrich, Pfarrer zu 
Gumpolzkirchen, also übereingekommen sei: dass ihm der Pfarrer den Jahrtag 
um 70 Wiener Pfenn. ewiges Gelts (er)lassen hat, die er (Michel der Schaffer) 
dem Pfarrer und allen dessen Amtsnachfolgern mit des Grundherrn Giligen 
des Mesners Hand auf dem vorgenannten Weingarten bestätigt hat; dafür wird 
ein jeder Pfarrer daselbst den genannten Jahrtag begehen. — Siegel („wan 
ich selber nicht aigens insigel han a ) : „des aigens insigel ze Gumpolzkirchen 

das im di herzogen zu Osterreich über die stetigung irer gueter do 

selbs von irn genaden gegeben habent." — 1375, des mitichens vor dem palmtag. 

[fol. 84. r. nr. 10 

20. 1376, Februar 6, o. AO. — Kathrei, Niclas des Chletten von 
Gumpolzchirchen Witwe, und Niclas der Chlett ihr Sohn beurkunden und 
bestätigen mit Hand ihres obersten Bergherrn, des Bruders Hainreich, Priors 
zu Maurbach, den ewigen Jahrtag, den weil. Niclas der Chlett geschafft hat 
auf einem Weingarten zu Gumpolzchirchen genannt der Hofweingarten (gelegen 
zunächst der geistlichen Herren von Altenwurch Weingarten genannt der 
Vierecke), von dem man jährlich 2 Eimer Wein den geistlichen Herren zu 
Maurbach zu rechtem Bergrecht und 1 Eimer dem Prenner 8 ) nach der Neun- 
stat dient. — Siegler („wan ich vorgenante Kathrei nicht aigens insigel hau« 4 ) : 
a) Niclas der Chlett, Kathrei's Sohn ; 6) der Bergherr Bruder Hain reich, Prior 
zu Maurbach. — 137G, an sand Dorothe tag der heiligen junkfrauen *). 

[fol. 73 r. nr. 1. 

21. 1370, Februar 23, o. AO. — Thoman Cholbel zu Gumpolz- 
chirchen und Margret seine Hausfrau beurkunden um den Jahrtag, den weil. 
Praunreich der Chol[r]er, Margretens Vetter geschafft hat bei dem Gotteshause 
zu Gumpolzkirchen auf seinem Hause daselbst (gelegen zunächst .lausen des 
Chaunperigers 5 ) Haus) uud dessen Zugehör, das der Margret von ihrem 
genannten Vetter angeerbt ist: dass sie mit Gunst und gutem Willen Bruder 
Ludolfs vom Deutschherrenorden, Pfarrers zu Gumpolzkirchen, densolben Jahrtag 
von dem Hause genommen und auf ihre Weingärten gelegt haben, und zwar : 

') Vgl. Anh. I fol. 6 r. 

») Der Name ist aus Anh. 1 fol. 4 r. hier substituiert; der Cod. hat ein unleserliches 
Wort (ethe?). 

») Ein Jacob Trenner ist 136.3 Stadtrichter, 1367—1369 Bürgermeister Ton Wiener-Neu- 
dtadt: Michael Prenner 1380 Bürgermeister daselbst. Bö heim, Chronik r. W.-Nenst. II. 233. 
*) Vgl. Anh. I fol. 11 r. 
Cod.: Channpiger. 



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242 

a) auf einen Weingarten, der gelegen ist „zenegst dem Judenfreithof ») Chol- 
mans Weingarten am Marcht" , von dem man jährlich dient in Hainreichs 
Hof „von boliben" 2 Wiener Pfenn. ; b) auf ihren Weingarten genannt der 
Chollerer (gelegen daselbst gegen den Garten zunächst Leubleins des Schaffers 
Weingarten), von dem man jährlich dient 5 Wiener Pfenn. den geistlichen 
Herren von dem Heiligen Chreuz und 5 Pfund Wachs zu dem Gotteshause zu 
Gumpolzkirchen, die weil. Wolfhart der Cholerer darauf geschafft ; c) auf einer 
Setz gelegen auf dem Stainveld (zunächst Giligeins des Mesners Weingarten), 
die der genannte Praunreich zu dem genannten Hause geschafft hatte, dass es 
den Jahrtag desto besser tragen möchte ; von der man jährlich in Hormanns 
Hof zu Gumpolzkirchen 1 / 9 Eimer Wein dient. — Siegel („wan wir nicht 

aigens insigel haben") : „des aigens insigel ze Gumpolzkirchen, das in 

die herzogen in Osterreich über ir bestetigung ir gueter do selbs von iren 
genaden gegeben haben.« 1 — 1376, an sand Mathias abent des heiligen 
zwelfpoten a ). [fol. 76 r. nr. 4. 

22. 1382, August 25, o. AO. — Bruder Wernhart von Uebesheim 
des Deutschherrenordens, Land-Comenteur in Oesterreich und Steier, und 
Bruder Ulrich desselben Ordens, Pfarrer zu Gumpolzkirchen, geloben und 
verbinden sich für sich und die nachfolgenden Pfarrer und Verweser zu 
Gumpolzkirchen um des Vermächtnisses willen, das Cholman an dem Markt 
zu Gunpolzkirchen zu der Pfarrkirche daselbst mit folgenden Gütern gemacht 
hat: zwei Aecker (einer gelegen im Molesdorfervelt 9 ), des 14 Jeuch sind, und 
der andere in Dreschirchervelt, des 8 Jeuch sind) und eine Wiese zu Molestorf, 
der 6 Tagwerk sind (zunächst der Lilingvelder Wiese), — dass fürder Jeder- 
mann in der genannten Pfarre der 7 Wiener Pfenn. Seelgeräth, „so mau 
vormaln von den toten menschen gegeben hat", und der 12 Wiener Pfenn., 
die man ehemals von dem heiligen Oel gegeben hat, ledig und frei sein soll. 
Auch verbinden sie sich und ihre Nachfolger, alle Jahre zwei Jahrtage daselbst 
zu begehen. Würden sie dies versäumen, so sollen „des vorgenanten Chol- 
mans nagste erben di weisisten, und auss der gemain ze Gumpolzkirchen der 
pesten vier" sich ohne Klage und Gericht der genannten Güter unterwinden 
und das Seelgeräth davon ausrichten. Auch soll der Pfarrer diese Güter nur 
mit Wissen, Rath und Willen der genannten Erben und jener Vier verkaufen ; 
der Erlös ist der Kirche zu Gumpolzkirchen wieder an ein anderes Erb oder 
Gut zu legen. — Siegler: die beiden Aussteller. — 1382, des nagsten montags 
nach sand Pertelmes tag des zwelfpoten. [fol. 94 v. nr. 24. 

23. 1411, December 19, o. AO. — Christän der Stubenvoll zu 
Gumpolzkirchen und Elspet seine Hausfrau beurkunden, dass sie um 12 Pfd. 
Wiener Pfenn. ein Haus gekauft haben, gelegen zu Gumpolzkirchen innerhalb 
des Purgerthores zunächst Thoman des Rotlein Haus (darum sie auch einen 
Kaufbrief von dem geistlichen Herrn Wolfhartz, Pfarrer zu Gumpolzkirchen, 
haben), davon man jährlich den Herzogen in Oesterreich 10 Wiener Pfenn. zu 
Grunddienst dient. Von dem genannten Hause sollen sie und jeder kommende 



') Cod.: Jnder Fr«ithoff. Vgl. die Einleitung unter lit. H. nr. 8. 
») Vgl. Anh. I fol. 5 r. 

») Möllersdorf in der Ortagonioinde Traiskirchon. 



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243 

Besitzer dem Pfarrer zu dem St. Niclas-AItar in der St. Michaels-Pfarrkirche 
zu Gumpolzkirchen jährlich zu rechtem Dienst 1 Pfd. Wiener Pfenn. zu einem 
ewigen Lichte reichen, unter Vorbehalt der Ablösung dieses Dienstes. — Siegel: 

„des aign anhangendes insigel ze Gumpolzkirchen, dass in di herzogen 

in' Osterreich von iren gueten gnaden geben habent zu ainer bestetigung und 
vestigung irer gueter da selbsv, und das die erbern purger da selb 8, di 
dar zu gesät zt sind, durch unser fleisigen pet willen an den briet gehan- 
gen haben." — 1411, des sambztags vor sand Thomanatag des heiligen zwelfpoten. 

[fol. 88 r. nr. 14 B. 

24 . 1413, December 13, o. AO. — Thoman der Parzner, Bürger zu 
Gumpolzkirchen, und Elspet seine Hausfrau beurkunden, dass sie mit Chunratz 
des Malers, Bürgers zu Gumpolzkirchen, Haud einen Weingarton in dem Indern 
Stainveld genannt der Spannprait (zunächst Simon des Gremsers Weingarten 
an einem Teil, und Merten des Judings ') Weingarten an dem andern Teil, 
beide Bürger daselbst zu Gumpolzkircheu), von dem mau jährlich in des 
genannten Cbunratz des Malers Haus zu Gumpolzkirchen (zunächst Hansen 
des alten Huefnagel Haus an einem Teil, und Seifriden des Klsesser Haus an 
dem andern Teil) ein Vierteil Most Wiener Harn *) in dem Lesen zu rechtem 
Grunddionst dient, — um 16 Pfd. Wienor Pfenn. dem geistlichen Herrn Wolf- 
harten, Deutschen Ordens, Pfarrer zu Gumpolzkirchen und allen seinen Amts- 
nachfolgern verkauft haben. Davon sind 10 Pfd. gefallen von Heiraann, Bürger 
zu Gumpolzkirchen, derzeit Richter daselbst, der damit einen Jahrtag oder ein 
Seelgeräth von 1 Pfd. Wiener Pfenn. abgelöst hat, das auf einem andern Wein- 
garten genannt der Gern (zu Gumpolzkirchen zunächst Kunrats des Werfers, . 
derzeit herzoglich österreichischen Bergmeisters Weingarten an einem Teil, 
. und der Priester Bruderschaft Weingarten am andern Teil) gelegen gewesen 
war. Das übrige hat Herr Wolf hart selbst dazu gelegt. — Siegel („wan wir 

aigen insigel nicht haben"): „des aigen insigel zu Gumpolzkirchen, das 

in di herzogen in Osterreich von genaden zu ainer bestetigung irer 

gueter da selbs gegeben habent, und das die vier man da selb s, didar 
über gesetzt sind, durch unser fleissigen gepet willen an den brief 
gehangen habent." — 1413, an" sand Lucein tag der heiligen junkfrauen. 

[fol. 88 r. ur. 15. 

2D. 1415, Mai 10, Wien. — Andreas de Grillemberg 3 ), canonicus 
ecelesiae et ofificialis curiae Pataviensis, notum facit Nicolaum Juding de Neu- 
sidel et Martinum de Gumpolzchirchen filium ejus quandara perpetuam missam 
super altare 8. Nicolai in ecclesia parochiali in Gumpolzkirchen ex testamento 
cujusdam N. dicti Champerger fundasse et dotasse, proprium capellanum ad 
hanc deputantes missam. Datae sunt praesentes literae dominorum Michaeli» 4 ) 
commendatoris domus Deutunicorum Wiennensis et Wolfgangi provisoris sivo 
plebani iu praedicta ecclesia parocbiali expresso consensu. — Wiennae, die x. 
raensis Maji, a. m.cccc.xv. [fol. 90 r. nr. 17 

') Cod.: Luding; emendiert anf Grund von nr. 2-5 nnd 26. 
*) häm = Mass (vgl. „Ohm«) 

3 ) Cod.: «Momberg. Aber Mon. Boira XXXI. II. 100 nr. fifi, 132 nr. 70, 138 nnd 140 
nr. 73 etc. 

«) Die Ueihe der Comthuro boi Horm a j . a. a. 0 2. Jahrg. II. 1. lieft S. 100 kennt 
diesen nicht. 

18 



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244 

■ 

26 . 1423, März 18, o. AO. — Chunrad der Schaffer, Bürger zu Gum- 
polzkirchen, Jost der Wernsdorfer, Bärger zu Pfafsteten, Hans Paur, Chunrad 
Lerenstibich, Bürger zu Guinpolzkirchen des andern Teils, Mert der Juding, 
Bürger und Richter zu Gumpolzkirchen, und Simon der Aigenmaister, Bürger 
zu Pfafsteten, entscheiden den Streit zwischen Bruder Fridreichs, Deutschen 
Ordens, Pfarrer zu Gumpolzkirchen, einerseits, und Leupolten dem Lengenauer, 
Bürger daselbst, und Annen seiner Hausfrau andererseits von wegen eines 
Weingartens genannt der Katzpuchler, gelegen an dem Katzpuchel im Pfafsteter 
Gebiet (zunächst des vorgenannten Merten des Judings Weingarten), darauf 
ein Jahrtag gewesen ist. Spruch : Leupolt der Lengenauer und Anna seine 
Hausfrau sollen 3 Pfd. Wiener Pfenn. dem Zechmeister der alten Zeche zu 
Gumpolzkirchen geben, und der letztere diese Summe nach des Pfarrers und 
der Brüder der genannten Zeche Willen so anlegen, dass sie jährlich 3 Schill. 
Pfenn. trägt; diese sollen dem jeweiligen Pfarrer zu Gumpolzkirchen gereicht 
werden und derselbe dafür jährlich ein Seelamt siugen lassen. Der Weingarten 
selbst wird der vorgenannten Anna zugesprochen. Wer dem Spruche zuwider 
handelt, der soll im Voraus alle seine Rechte gegen seinen Widerpart in der 
Ansprache verloren haben und schuldig sein, dem Herzog Albrecht zu Oester- 
reich 20 Pfd. Wiener Pfenn. und jedem Spruchmann 1 Pfd. Wiener Pfenn. zu 
zahlen. — Siegler : a) Chvnrat der Schaffer ; b) Mert der Juding. — 1423, in 
der vasten, des pfinztags vor dem schwarzen suntag. [fol. 81 r. nr. 8. 

27 4 1442, April 4, o. AO. — Larenz Lerenstibich, Richter zu Gum- 
polzkirchen, beurkundet, dass vor ihn in die Schranne zu Gumpolzkirchen, da 
er sass und mit ihm der Rath und das Gedinget an offenem Gericht, gekom- 
men sei Bruder Stefan Trachter, Pfarrer zu Gumpolzkirchen, Deutschen 
Ordens, „und clagt da vor mein mit varsprechen var recht zu drein vierzehen 
tagen, als des marks zu Gumpolzkirchen und der schrann in Osterreich recht 
ist, auf aim haus mit seiner zugeherung, gelegen do selbs zu Gumpolzkirchen 
mit aim tail zenagst Erhart Hecklein haus, an dem andern tail zenagst an 
das purichtor, umb ain phunt ewigs diensts, di dar auf ietz im viorden *) jar 
nach datum des brief versezzen und davon nicht gedingt wer Warden nach 
inhaltung aines versigelten briefs, so der auf das benant hauss inne halt, der 
do vor offem rechten gelesen und gehert wort; und chlagt dar umb als. verr, 
ob iemant darumb geladen 2 ) zu recht wer Warden, das haus mit seiner zuge- 
herung umb den versezzen dienst, als oben beruert ist, ze verantwurten, und 
geschech dar nach was recht wer. Do wort der fronbot var recht gefragt, 
ob er iemant geladen het, das er den vodert auf antburt; der ofnat und 
sprach, er hiet Margreten, Merten des Mulner saelig hausfrau geladen, und 
vodert die auf antburt. Do cham aber niem auf antburt, das haus umb das 

versezzen phunt phennig dienst ze verantburten. Do pat des 

herren Stephans Trachter redner den richter, dar umb ains rechtns in das 
geding ze fragen. Der fragt dar umb ainen man in dem geding ains rechtens. 
Der selb erchant und sprach zu recht: ehern iemant umb das phunt phennig 
gclts versessene dienst auf dem haus, für recht das ze verantburten, di weil 



') Cod. : werden. 
*) Cod.: ruladen. 



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245 

der rtchter zu recht sess, so geschech darnach was recht ist ; ehern l ) aber 
[n]iemant, so solt das haus sein tag haben vierzehen tag nach den vierzehen 
tagen; so solt ich dem vorgenanten brueder Stephan Trachter des mein 
gericlitsbrief geben. Do fragt ich in das geding umb darumb ains rechtens, 
ob ich im das schuldig wer ze tuen. Da wart erchant zu recht von man zu 
mau, ich geb im des s ) redleich mein gericlitsbrief, und solt er mir dar umb 
meine recht geben." — Siegler: der Aussteller. — An sand Ambrosi tag, 1442. 

[fol. 87 r. nr. 14 A. 



Die Ostmark unter Leopold dem Freigebigen. 

Kritisch-historische Boitriige zur Gruudungsgeschichte Oesterrreichs. 
Vom Gymnasial-Direktor Ambras Heller. 

(Schi uhb.) 

Während dieses ausserhalb der Mark vorgieng, erhob sich hier eine neue 
Stiftuflg, wirksam für die Kultur des Landes ob dem Man nhartsberg 
und vielseitig in die Geschichte des Landes eingreifend, interessant auch durch 
die Familie, welche durch diese Stiftung auf einmal aus dem Loose vergessener 
weil verschwiegener Verdienste gerissen wird. Der Held Azzo von Gobats- 
burg, von den Markgrafen }nit Gütern reich bedacht jenseits der Donau 
im Nord w aide, der als Ausläufer des mächtigen Böhmerwaldes von der 
Krems an 3 ) weithin bis in Baiern und gegen Böhmen hinzog*), wo er auf 
dem ihm von Heinrich IV. (?) geschenkten Gute zu Azmannswiese (dort, wo 
jetzt die Stadt Eggenburg und der Ort Kuenring) als Monument seines Sieges 
über die Böhmen eine Kirche baute, und wo er unter Leopold dem Schönen 
gum einheimisch geworden war. Dieser hatte nun, nach Ebro, des Abtes von 
Zwetl, späterer Aufzeichnung 5 ), drei Söhne: Anselm, Nizo und Albero Die beiden 
ersteren erwänt schon der Schenkungsbrief Ernst des Gestrengen an Melk (um 1074) 
unter den Zeugen* 1 ); Anselm wird auch sonst erwähnt'), darunter im Loben des 
. 

1 ) Cod. : chora. 

») Cod.: das. 

*) M. B. 29, 2 66. 

*) Wie in OberSsterroir.h an der Donau „dio Grafschaft" hinter Mumbach schon 
„im Wald" ist, ebenso heisst in Nioderöstorrcich die Gegend nm Zwetl noch immer .das Wa!d- 
Tiflrtel". Seifrid Helbling L 167 : „ in wald Tnd in der Uagz-gegend". Auch in Baiern heissen die 
Gegenden nördlich von Straubing, Deggendorf nnd Vilshofen »im Wald* oder „vor dem Wald - . 

s) Ebro, Abt von Zwetl 1273—1305, schrieb einen .über fundationum" (vom Einband .die 
Bärenhaut" genannt) nm 1288, und darin über den Anfang der Kuenringo aus mündlichen Uober- 
liüfornngen in deutschen Reimen, lateinischen Versen nnd in Prosa, worin er wie bei allen mündlichen 
Ueberlioferungen Personen, Zeit nnd Begebenheiten durcheinander warf. 8. darüber dio äusseret 
wort volle Arbott des Prof. G. E. Frioss „dio Herren von Kuenring" in den Voreinsblättern Jahrg . 
1873 n. 1R74, Separat- Abdruck 1874. 

*) „Et Ministoriales Marchiae Azo de Gobaczpurich, et fllii ejus Anshalm et Nizo." 

T ) Anselm von Hezesmanniswisin mit seiner Frau Tranta (Gertrand) erscheint anch in 
den Klostornenburger-Traditionen (S. 9 n. 33). Und in den Göttwoiger-Traditionen (M. B. 20, 
2. 8. 64.) erscheint er neben Erchenbert, dem Kastellan von Gars. Und wiederum exeorpierto ich: 
„Quidam AnBhelmns de primis ministorialium marchionis tradiiiit dominichalo quoddam Ebingin," 
wiederum ein Gut ad Chamba (am Kamp). 

18 * 



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l>4<; 



Abtes Bertold von Garsten, aber gerade nicht mit Ehren eine wüste Natur, scheint 
es, von Jagdhunden uinbellt. Er hatte die inarkgriifliche Kastellanie 6ars zu 
Lehen und wollte sie, obwol auf einer Seite gelähmt, nicht anfgeben; von den 
väterlichen Lehen gehörte ihm ganz gewiss Kruraau am Kamp; er starb ohne 
Erben. Nizo (Nithard?) wird ohne nähere Bezeichnung hie und da erwähnt; er 
sass zu Krems als Ministerial des Markgrafen Leopold des Heiligen und ver- 
machte bei seinem Tode an Klosterneuburg Besitzungen zu Kirchliugen und 
Watzeudorf durch die Hand seiner Gemahlin und seines Sohnes Herbord 2 ). 
Dritter Sohn Azzo's war Alberoj er soll um 1138 gestorben sein und nannte 
sich zuerst „von Kuonring". Nizo's Sohn (berichtet Ebro) hiess II ad mar „von 
Kuenriug" 3 ) ; er sass im Schlosse zu Zwetl mit seiner Gemahlin Gertraude, 
Dass sie kinderlos waren, hielten sie für ein von Gott gegebenes Zeichen, ihre 
Habe seinem Dienste zu widmen. Da nun Hadmar (erzählt Ebro) mit dem 
frommen Gedanken eines Klosterbaues umgieng (wie man denn auf die Wahl des 
Platzes besondere Aufmerksamkeit richtete, und entweder den eines historischen 
Ereignisses, das man verowigen oder sühnen wollte, erkor, oder darüber im 
gespannten Nachsinnen vertieft irgend himmlische Zeichen oder Eingebungen 
erwartete) — so erschien ihm im Traume die Himmelskönigin und zeigte ihm den 
Platz, wo sie wollte, dass ihr zu Ehren gebaut würde, und als Stelle des 
Hochaltars eine grünende Eiche, die mit Stamm und Aesten die Form eines 
Kreuzes darstellte. Der Platz ward bei der am 1. Jänner 1139 angestelltes 
Umschau gefunden, und zum Andenken des Ereignisses ist noch jetzt am 
Hochaltar der Stiftskirche von Zwetl eine Eiche aufgestellt, die ihre Zweige 
und ihr Laubwerk mächtig ausbreitet. 

Ebro's Kenntnis der Ahnentafel seiner Stifter ist erstens nicht er- 
schöpfend und auch, in wie weit er sie aufführt, sehr zu bezweifeln; denn wir 
vermöchten nicht mit ihr einige gleichzeitige Personen-'Notizen in Uebereiu- 
8timmung zu bringen. Unter Leopold dem Heiligen erscheint ein Hadmar „von 
Chufftim" als Zeuge, dann wieder Hadmar von Chuffarn und dessen Sohn Otto 
von Kamsperch 4 ); wieder in Gegenwart des Markgrafen Leopold, des Abtes 
Nanzo (von Göttweig) und des Schirmvogtes Adalbert erscheinen unter den 
Zeugen einer bestätigten Schenkung: Ekkirch und sein Sohn Hadmar 6 ), und 
'schon um 1102 in einer durch Markgraf Otokar von Steier übergebenen 
Schenkung ist „Ekkirch de Chufarin" als Zeuge zu lesen 0 ). Und in demselben 
Traditionsbuche giebt Ekkirch von Chuffarn für die Erziehung seines gleich- 



') Vita B. Bortoldi bei Pez S8.Il. 118: «Erat Marchioni Orientali Liupuldo praepositus 
nomine Anshalmns, vir magnarum opnm ot amplae possessionis, sad tarn plenu vitiis quam 
divitiiH. Hic cum praeposituram multis administraaset annis, percusBus paralysi nna parte 
corporis totuB factus est invalidns; sed quarovis iain alter idom agerot officium, ist«- tarnen ad 
resignandum nulla potnit ratione convinci. Uogutus est ergo Sanctus Pator (sc. Bertoldus) ab 
ipso marchione, nt aegrura viBitarot et ei salutis dare consilium dignarotnr* n. b. w. Der Zuspruch 
fand kein Gehör. 

*) M. Fischer, Lib. Tradd. n. 230 und 586. 

») Dieser Hadmar wird mit dem gleichnamigen „von Kuffurn" verwechselt; ein Chuflarn 
in OborÖBterreich, von dorn jenen vielleicht der Ableger, erwähnt Bischof Altman im Stift»brief 
von St. Nikola 1067. 

*) Tradd. Qotvic. in den M. B. 29, 2. S. (12. Ein Otto von Ramisperg auch in den Kloster- 
neuburgi r-Traditionon n. 435. 

s ) M. B. 29, 2. S. (1. « 
«) S. 57. Hadmar von Chuffarn Zouge um 1155 M. B. 28, 2. S. 232. 

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247 



namigen Sohnes im Kloster Göttweig ein Gut zu Zuelochiffigin (Zwölfaxing); 
Zeugen sind: „Wolfker frater ejusdem Ekkirici etfilius ejus Hademar". Ekkirich's 
Frau' („nobilis matrona") erscheint in demselben Codex: sie heisst Gertrud' 
und wird mit ihren Söhnen Hademar und Meginhard aufgeführt. — Noch viele 
andere Namen tauchen in den Traditionsbüchern von Zwetl, Klosterneuburg und 
Göttweig auf, die wir auf jones .weitverbreitete und mächtige Geschlecht be- 
ziehen müssen; wir enthalten uns aber längeren Vorweilens um so mehr, als 
durch Prof. Friess neuerlich nachgewiesen wurde, dass die Familien „von 
Kuenring" und die Kueffarner in keiner Verwandtschaft zu einander stehen 1 ). 

Hadniar'n gefiel der neu .in Oesterreich eingeführte Cisterzienserorden. 
tlrüder wurden von Heiligenkreuz herüberbegehrt und auch bewilligt; 12 nach 
Gewohnheit und Abt Hermann erschienen im December 1138. ihnen wurden, bis 
der Bau vollendet war, hölzerne Zellen in Obernhof errichtet. Da jedoch die 
Kuenriuge nicht Herren der Güter waren, auf denen sie bauten, sondern Leheus- 
träger und Ministerialen, so brauchten sie für ihre Stiftung die Bestätigung 
des deutschen Königs. Konrad III. gab sie 1139 zu Selz „mit Einwilligung, 
Beistimmung, Bitte und Mitwirkung Lupolds, des Herzogs von Baiern* *) — so 
dass man daraus deutlich ersieht: jene Güter im Nordwalde waren alte Reichs- 
lehen, den Markgrafen von Oesterreich als solche (scheint es) verliehen, so 
dass diese in deren Entäusserung einwilligen mussten. Konrad also mit 
Hadmar und dem Herzoge in dieser Urkunde 

hat ausgezaigt vnser Frauen ihr Gemerch 
Got geh in allen drin die ewige Sterch! 

welches Gcmärke uns in Spuren uralter Zeiten führt; nämlich: vom Markstein 
oberhalb Moydratsleite gegenüber bis an den Weg, der seit alten Zeiten heisst 
der Polaii-steig, welcher Weg gerade führt gegen Norden zum Behum-steig, 
von da nach der guten Tanne bis zum Fluss Zwetl, und von da bis zur 
grossen Krems 3 ). 

Unterdessen war in Böhmen Herzog Sobieslaw, da er seine östliche 
Grenze bereiste — um sie etwa bei der Verwirrung Polens durch Boleslaw 
Schiefmauls Tode (den 28. Oktober 1138) zu sichern — auf der neu erbauten 
Burg Hostas (Hostin-Hrad), jetzt Arnau, von einer tödtlichen Krankheit befallen 
worden (17. December 1139) und entschlief nach vielen Leiden am 14. Februar 1110 
in den Armen seiner geliebten Adelheide, die ihm den 15. September desselben 
Jahres gramverzehrt über die Ereignisse nachfolgte. Denn obwol nebst der Tochter 
Marie, die damals in erster Ehe mit Herzog Leopold vermählt worden war, vier 
Söhne das Elternpaar überlebten*), unter weichender junge Wladislaw bereits 1138 
als Herzog erklärt worden war, so traten dennoch die Barone, als sie erfuhren, 
dass die Krankheit ihres Herzogs, dessen feste Hand ihnen unbequem, ganz 



») Sein mehrfach citiertes Werk S, 52. Anmerkung 1. 

*) „Consentiente, annnente. rogante, atqne una mecum mann »ua tribnente Lupoldo, 
bawarico dnee" giebt er das Gnt Zwetl, genannt im nordischen Wald mit den Orten: Gezescrucca 
(QeisBruck, ein verschwundenes Dorf), Bacensruta (Ratschenhof i, Zembecclines (l'ezles), Jerattes 
(Gerotten), Oradenze (Gradnitz», Rudmares (Rudmans), Scelebaes (Strahlbach). 

*) Man sehe dag Genauere in der „Kxpositio tentonicalis circnli, in quo Hadmams fundum 
ri mom et limites cum metis Zwetlensis roonasterii circumiens disterminat et ostendif, S. 43. 

*) Wladislaw, Sobieslaw, Ulrich, Wenzel. 



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248 



zum Tode sei, auf dem Wisohrad zu einer förmlichen Wahl zusammen 
und entschieden sich fast einstimmig für Wladislaw, den ältesten Sohn 
des 1125 gestorbenen Wladislaw, Enkel jenes Wladislaw, der unter Heinrioh IV. 
den königlichen Titel verdient hatte. Den 17. Februar 1140 . ward der 
neue Herzog in Prag auf den Fürstenstuhl gesetzt, und, um alle Gefahr zu 
beseitigen, warb man für ihn nm Gertrud e, des Markgrafen Leopold 
Schwester nnd König Konrads Halbschwester. Die Hochzeit ward in dem- 
selben Jahre, wahrscheinlich in der ersten Hälfte desselben gefeiert 1 ^ die 
zweite Hälfte hielt Leopold in Baiern — er erkannte wol die Wichtigkeit 
eines ruhigen Rückhaltes in Böhmen bei seinen anderweitigen Verwicklungen, 
und es sollten bei Lebzeiten von Wladislaw und Gertrud sowol Oesterreich 
als Böhmen durch gegenseitiges Wirken im Range der Staaten bleibend erhöht 
werden. 

Io demselben Jahre kaufte Leopold die Domäne und Stadt Liuz von 
dem Letzten des Stammes der Kirnberge r. Dort war zu gleicher Zeit neben 
den Kastellen Steier, Enns u a. um's Jahr 906 ein Schloss als Zuflucht ge^eo 
die vorbeibrausenden Ungarn entstanden; auf dem Schloss war die Kirche 
St. Martin und ringsherum erhoben sich bald Häuser. Im Jahre 1098 hatte 
die Stadt schon Wälle und Türme und gehörte den mächtigen Dynasten von 
Kirnberg, deren Sitz in der Nähe von Wilhering war 2 ); die Donaubrücke 
stand bereits 1106, ein Beweis regen Verkehrs. 

In der zweiten Hälfte des Jahres 114Q begab sich Leopold nach Baiern. Am 
9. Juli lesen wir einen von ihm zu St. Laurenz am Regendusse gehaltenen offenen 
Tag 3 ); Gegenstand einer Verhandlung, über welche sich noch die Urkunde erhal- 
ten hat, war die Umtauschung des Reichsgutes Buoch, welches den jedesmaligen 
Burggrafeu von Regensburg verlehnt war, an das Kloster Prüfling bei Regena- 
butg gegen ein äquivalentes Gut zu Manngoldingen, geschehen mit Einwil- 
• ligung Leopolds. Dieser nam hierauf den Kampf wieder auf, den nach Heinrichs 
des Stolzen Tod- dessen Bruder Weif für seinen juugen Neffen, jedoch keines- 
wegs von einer allgemeinen Zuneigung des Volkes unterstützt, fortsetzte. Es 
waren noch die beiden Brüder, die Grafen Konrad und Gebhard von Valai 4 ), 
die »ich in dieser Veste, in dem alten von der Mang umflossenen Gebiete der 
Weife gegen den Herzog erklärten. Im August war er vor der Veste und be- 
lagerte sie; am 13. erschien Weif zum Entsatz seiner Bundesgenossen und 
überfiel das Lager: beiderseits wurde viel Blut vergossen, und Leopold war 
endlich genötigt, die Belagerung aufzuheben. Während derselben fiel unter 
andern Ausgezeichneten seines Heeres — von einem Pfeile tödtlich verwundet — 



1 ) Um es gleich anzumerken, sie gebar ihrem Gemahl drei Söhne: Friedrich, Herzog. 
Primislaw, König — reide von Böhmen; Albert, Erzbischof von Salzburg. Sie stiftete auch das 
Frauenkloster Doxa, wo sie 1151 beerdigt wurde. 

») Im Best&tigungsbriefe der Stiftung Wilhering 1146 giebt Eberhard, Bischof Ton Bamberg, 
unter dem Besitz des Klotsers an: „locum, qui vocatur wilheringen, cum sylva adiacente Khnrn- 
berch". Und F. Kurz bemerkt, dass man beim dortigen Jägerhause Ueberbleibsel eines Schlosses 
fand, welche man noch immer »die Burg" hiess. 

*) M. B. XIII. 169. 

*) So nennt sie Huschberg S. MC ; Aventin VI. und nach ihm Cölestin Katisb. 
monaat. 175 i nennen sie Otto und Konrad. Otto und Adelheide sind die Eltern; Konrad, Gebhard 
und eine Tochte r Adelheide sind die Kinder. (Huschberg S. 40S. Jaffe S. 34. Note 16.) 



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249 

der junge Albert, Graf von Bogen, Sohn Alberts und der Hedwig von Pitten- 
Neuburg; ihn überlebten seine Eltern und empfiengen trauernd die Leiche 1 ). 

Der König war im September zu Nürnberg 8 ), wo er auch die oben be- 
rührte Verhandlung des Herzogs bestätigte 8 ), und im November zog er vor 
Welfs befestigte Stadt Weinsberg am Neckar in Schwaben. Die Einschliessung 
dauerte bis gegen Ende December ; denn am 21. Dccember wagte Weif auch 
dort einen Ueberfall, erlitt aber eine gänzliche Niederlage, und ihn selbst mit 
einer kleinen Schaar rettete nur die Flucht. Bei der Uebergabe der Festung soll 
sich jenes Labsal, an dem deutsches Gemüt noch jetzt, wenn auch mit vermin- 
derter Nachamungs-Freudigkeit der Frauen, schwelgt, ereignet haben, nämlich 
dass die Frauen ihr theuerstes, die Männer, auf den Rücken fortgetragen haben 
— möglich, dass einigen Schwäbinen so etwas eingefallen ist 4 ). Leopold war in 
Baiern verblieben ; dort, als er Anfangs des Jahres 1141 5 ) zu Regensburg Gericht 
hielt, entstand durch den Ungestüm des Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach ein Auf- 
stand 8 ). Nähere Umstände der Sache, das Benemen, die Absicht oder selbst die 
Pläne des Pfalzgrafen sind unbekannt; allerdings kann mau aus dem früheren 
Losbrechen der von Scheiern-Valai, sowie daraus, dass Leopold darauf wieder 
friedlich an den Lech hinaufzog, auf zusammenhängende Pläne jenes Hauses 
schliessen. Genug, da die Volkshaufen allenthalben zusammenströmten, er- 
griff der Herzog die Waffen; einige Gassen wurden in Brand gesteckt und, 
während so die Bürger aus Furcht vor den Waffen und vor dem Brande hiu 
und her liefen, entwich er der Gefahr. In Wahrheit! übel beherrscht ein Fürst 
widerstrebende Köpfe: ist er unmächtig, scheuen ihn Wenige, kommt er in 
Waffen, hassen ihn Viele — aber jene Widersetzlichkeit in einem Herzogtum, 
das sich seit Jahrhunderten fremde — eingesetzte — Herzoge hatte gefallen 
lassen, ist nur erklärbar durch die mächtige Partei des weifischen Hauses, das 

x ) Albert von Bogen, Advokat von Niederaltaich, starb 114? und hinterliess (nach Heines 
altera Sohnes Alberts Tode) nur Bertold als Erben, welcher Luitgarde, Tochter Leopolds, Her- 
zoge von Oeuterreich, zur Gemahlin hatte. 

») M. B. 29, L 273. 

*) M. B. 31, 1. 396. worauf Leopold das Instrument am 23. Oktober ausfertigte. M. It. 
XIII. 169. Nämlich: „actum VII. Jd. Julii, datum X. Kai. Nov. liatisboue per mannin Kouberti 
canonici et Capollani ejusdem ducis Liupoldi. u In der Bestätigung des Königs waren als Zeugen 
anwesend : Kabodo comes — wol der Bruder Ulrichs, Herzogs von Kärnten, und des Markgrafen 
Engelbert — Gotefridus Castellanus de Nuriuberch u. 8. w. Bei Leopolds Ausfertigung: Heinrich 
et Otto, Iii ii prefecti, fiüus Falatini Otto, Perhtold, filius Perhtoldi comitis de Aniehse, Walchoun 
de Ahlant u. s. w. noch 24 Zeugen. 

») 8. Jaffe S. 36. U m die Sache vollständig im Genre der Bürger'schen Balladen auszu- 
malen, wird dem deutschen Gemüt getrost «rzähH : Anch den Weif trug seine Gemahlin so hinaus ! Der 
Kaiser lobte die Treue der Weiber, aber Weif war auf diese Art frei, und l>ehiolt die HofFuung, 
das Herzogtum zu bekommen. Uebrigens war es nicht ungewöhnlich, bei Eroberung einer Stadt, die 
geplündert werden sollte, den Einwohnern freien Abzug mit so viel Habe, als jeder tragen konnte, 
zu gestatten; so z. B. bei Eroberung von Tortona durch Friedrich den Rotbart. 

*) Otto Fr i sing. VII. 25. fährt nach den Woinsberger Ereignissen fort: „Non raulto" 
post duce Leopoldo in urbe Ratispona" u. s. w. 

*) Otto Fr i sing L c. : „Ex palatini ComitiB Ottonis importunitate*. nichts weiter. Auf- 
allend ist eine Stelle in der am 28. Oktober 1140 ausgestellten Urkunde über den Umtausch d.'s 
Gutes Buoch gegen Manegolding ; er sagt, dass nach der ersten im Juli geschehenen Verh nd- 
lung hierüber: „statim per manum ipsius «'ttonis palatini comitis, qui tum temporis a d v o- 
catiam gerebat, super bonis regni, et per manum Adalberti comitis de Windeberge (des 
Advokaten von Prüfling) data et aeeepta alterutra et iusta recoropensatione idetn concambium 
perfeeimus." Vielleicht hatte er mittlerweile dieses Amt verloren, und entstand daraus der Grnnd 
des Widarstrebens? 



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250 



durch Glanz und Macbt liinriess, dann durch die bisherige Stellung der 
Mark zum Herzogtum, das, eigentlich dazu gehörend, sich durch 
die Talente ihrer Fürsten und die Gunst der Umstände immer mehr 
von den Verhältnissen gegen Baiern befreit hatte und sich nun über das- 
selbe schwingen wollte, während sich inländische Fürsten, in alten 
Erinnerungen und Ansprüchen schwelgend, berufen fühlten, bei Erledigung 
des Herzogtums alte Titel geltend zu machen, was später seine Erfül- 
lung fand. 

Leopold verheerte die Umgegend; nach einiger Zeit schlug er mit 
zusammengezogenen Truppen ein Lager vor der Stadt, strafte sie um Geld und 
empfieng ihre Unterwerfung. Von da (um die bei Valai erlittene Scharte aus- 
zuwetzen) zog er bis an den Lech, zerstörte befestigte Plätze seiner Feinde, 
verheerte das Oberland und kehrte durch Freisingisches Gebiet nach Oesterreich 
zurück. Damals, scheint es, oder bald darauf gab er bei seiner Anwesenheit in 
Reichersberg am Inn, „weil er die Armut der dort Gott Dienenden (militantium) 
gesehen, auch bemerkt hatte, dass einige ihrer Güter verwüstet worden sind, da 
das Heer durch das Gebiet des Klosters hin- und zurückzog, zwei Lehen im Dorfe 
Laubes(Langenlois? SchrötterÖ. 282 meint Leoben), ferner die Erlaubnis, 
dass der dortige Forst zwischen den Flüssen Kamp und Krems so- 
wol zum Bebau jener Lehen als zu was immer für Benützung der Brüder 
für zwei Karren oder Wägen derselben offen sein soll, ohne dass die Besorger 
(procuratores) jenes Forstes von ihnen Entgelt oder Leistung zu verlangen 
haben. Auch jene zwei Lehen sollen sie so besitzen, wie er sie bisher besai«, 
so dass nicht Kämmerer oder Marschälke oder andere Bedienstete (servitom) 
ihnen beim Durchführen herzoglichen Gutes oder mit Pferdefutter oder andern 
Diensten lästig sein sollen". Diese Uebergabe machte er auf Begehreu durch 
die Hand des Grafen Luitold von Blaien, die Zeugen 1 ) Bind grösstenteils 
Oesterreicher (Oberösterreicher), das nähere Datum der Urkunde fehlt. 
Wenn ich die Worte Otto's von Freisiug erwäge : nach dem Aufruhr in Regena- 
burg t) urbe recessit et vastalis in circuitu agris ad tempus inde revertens 
collecto milite non longe a civitate castra posuit", so scheint daraus her- 
vorzugehen, dass er an den Grenzen Baierns den Zuzug der Sejnigen (Oester- 
reicher und Oberösterreicher, zuverlässige Leute, an deren Spitze Otokar von 
Steier) abgewartet habe, mit denen er nachher Baiern zur Ruhe brachte. 

In der Mitte des Monats Mai (1141) war er in Regensburg bei einem 
Hof, den der König daselbst hielt, zugegen; dort gab er seinem Verwandten, 
dem Grafen Ekbert von Pitten, auf dessen Besitz Neunkirehen, Markt und 
Münze 8 ). Pfingsten (19. Mai) hielt Konrad zu Würzburg mit zahlreicher Zu- 

') Die Uhrgezogenen Zeugen Bind wichtig, fast lauter Nichtbaiern : Otaker Marchio, Comes 
Ekkebertns (von Naubarg-Pitten, in dessen Grafschaft das Kloster lag), Otto von Machlant, 
Werintgart von Jagelbach (Julbach) und sein Sohn Werinhart, Wolfherr »on Tegernwach, Albwin 
von Stein (de Petra), Haderaar von Chnofaren, Gebbehard Ton Abbadesdorf *<Abtsdorf), Cadelhohus 
der Lange von Kor, Eberhard von ßrunau (Braunau) nnd Ulrich dessen Bruder, Hartnit von Orte, 
Kechern von Sebach, Walter von Tobein, Ainwich von üriheim, Hartnit von Salzburg. Actum in 
ecclesia S. Michaelis in Reichersberg ad 1141 Ind. IV. Das Datum fehlt leider in den M. B. 
IY. 408. 

») Uebrig davon ist der Akt in den M. B. IV. 132. „Precibus dilecti consanquinei 
nostri Ekkeberti comitis in quadam villa sua Neunkirchen forum el monetam illi conces- 
simus." Es war damals ein Grenzort der österreichischen und steirischen Mark und der Verkehr 
auf jener Haide lebhaft, wie später die Verordnungen für Neustädte Verkehr bezeugen. 



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251 



sammenkunft der Fürsten; man verhandelte VieleB über die Herstellung des Frie- 
dens (hauptsächlich über Sachsen), gieng aber ohne Erfolg auseinander, bis 
endlich mit ßichenza's Tod (10. Juni) allmälig der Heerd. der Aufstände erlosch. 
Anfangs Juli war Konrad wieder in Regensburg und es erübrigen von diesem 
Reichstage noch Verhandlungen, welche bezeugen, dass Leopold zugegen war 1 ); 
darauf (im Herbst scheint es) erkrankte er zu Regensburg. Nach seinem Oester- 
reich sehnte er sich, nach Oesterreich wollte er zurück, aber auf der Rückreise 
in Niederaltaich, ereilte ihn am 18. Oktober (1141) der Tod nach dreijähriger, 
unruhvoller Verwaltung eines ihm übertragenen Landes. 

Fünf- Jahre hatte Leopold die ahnherrliche Mark verwaltet; obwol viel 
abwesend, scheint es doch, dass er seine Zeit weise zwischen beide Länder teilte, 
auch sind trotz der kurzen Regierung viele Andenken seines Namens vorhanden. 
Er hiess der Freigebige ; nicht umsonst bekommt man diesen Beinamen, grosse 
Summen gehen darauf, ehe der Ruf davon erschallt. Er scheint eine edel-stolze, 
durchaus ritterliche Natur gewesen zu sein. Sowie er seines Vaters Liebling 
gewesen, ehrte und pflegte er auch dessen Stiftungen; Trumau und Talern hat 
er an Heiligenkreuz, Pirchenwart und Anderes an Klosterneuburg, Dornbach 
an St. Peter in Salzburg gegeben, das Gut Zwetl zu einer Stiftung seines 
Ministeriais bewilligt; Krumau am Kamp, das er noch auf dem Todbettc 
seinem treuen Begleiter Adalbert von Bergen zur Uebergabe dahin auftrug, 
zeigt seine Gesinnung. In seinem letzten Lebensjahre, ungewiss in welchem 
Monate — ob Anfangs des Jahres, ob im Juni — bezeugt seinen Edelmut die 
in der Stadt Klosterneuburg ausgestellte Bestätigung und der Schutz der 
von dem edlen Otto, genannt „von Machlant", gemachten Stiftung Baum- 
gartenberg für Cisterzienser, welche dieser dem von Leopold hochverehrten 
Abt Gotschalk von Heiligenkreuz a ) zur Besetzung übergeben hatte, und be- 
zeichnet die Grenzen der Schenkung, die, sagt er, in seiner Gegenwart zwei- 
bis dreimal waren bestimmt worden. 

Nebst dieser scheint er auch fürstliche Freigebigkeit an seinem Hofhalt 
entfaltet zu haben 8 ). 



') Zwischen dem 18. und 25. Mai ist Leopold auch Zeuge der vom König bewilligten 
Wiederherstellung von Münchsraünster (M. B, 29. 1. 27S). Konrad bestätigte die Wiederher- 
stellung von Münchemünster (M. B. 29. 1. 273); Zengen nach dem päpstlichen Legaten Theodowin 
und drei Bischöfen sind: Liupoldus, duz Bauariorum, Dietpaldus marchio, Otalcer, murchio de 
Stire, Henriens, frater regis (der Jasomirgott), Otto Palatinus, Otto prefeetns (Barggraf von 
Kcgensburg) et filii eins Henricus et Otto, Fridericus Katisb. advocatus. Das Diplom (bemerkt 
Jaff'e) i B t zwischen dem 1. nnd 17. Juli ausgestellt, weil an letzterm Tag der Erzkanzler Adal- 
bert von Mainz, der hier noch erwähnt wird, starb. 

») Leopold wendet das Diplom an ihn : „(Juapropter, domine Gotescalce, abba de saneta 
cruce, quem loco patris amplectimur, tuis sanetissirais et dignissimis annuentes 
preeibus" etc. 

*) Nichts zu erwähnen von anderen Beweisen fürstlicher Freigebigkeit, wie z. B. an Alders- 
bach (M. B. 330. 356), an das er „exemplum patris sui Marchionis Leopoldi ad lonitatera imitatus 
mann potestativa absque omni con dr ad i c ti o n e jure suo abdicato in jus 
Perpetuum dat (das Out) Wietoldeshoven per inanum nobilis viri Wernhardi de Jnlbach." 
Wieder befreit er ihm 1140 einen Weingarten in Krems vom Bergzins (a iure suo censuali). 



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252 



Germanische Wohnsitze und Baudenkmäler in Niederösterreich. 
Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen im Jahre 1874. 
Von Dr. Matthäus Much. 
(Fortsetsang.) 

Wie schon früher erwähnt wurde, kommen in • der oberen Schichte vor- 
wiegend Gefäsrfe vor, die auf der Drehscheibe gemacht worden sind. Zugleich 
ist ein bedeutender Fortschritt im Brennen bemerkbar, die Scherben klingen 
und sind von unverwüstlicher Härte. Die Erleichterung in der Erzeugnng 
der Thongefässe durch Anwendung der Drehscheibe bewirkte jedoch gleich- 
zeitig eine auffallende Vernachlässigung der Form, eine Gleichgiltigkeit gegen 
die äussere Erscheinung der Gefässe; die Haud wurde durch das Dazwischen, 
treten der Drehscheibe dem Materiale entfremdet, es schwand die liebevolle 
Behandlung desselben, die früher durch die unmittelbare und innigere Be- 
rührung mit demselben wahrhaft formschöne Gebilde schuf. Man gewöhnte sich 
nach stehenden Mustern zu arbeiten uud vernachlässigte in Folge dessen die 
frühere Mannigfaltigkeit. Ja selbst die Töpferscheibe wurde mit Leichtfertigkeit 
behandelt, und die technische Verarbeitung des Materials hat gelitten, denn obzwar 
dasselbe härter geworden, so vermissen wir jetzt trotz der Drehscheibe doch die 
gleichmässige Dicke, die fleissig geglätteten Wandungen, den milden wachs- 
artigen Ueberzug, und sogar zur Mischung des Thon es mit grobem Sande hat man 
zurückgegriffen. Wir konnten uns auch an einem Bruchstücke der früheren 
Zeit erwärmen, die nüchterne Erscheinung dieser Zeit lässt uns kalt. Aus allen 
Gefässresten zeigt sich, dass man nur bestrebt war, Gefässe der wenigen ge- 
bräuchlichen Formen in genügender Zahl, kurz Marktwaare zu erzeugen. 

So wie die Formen der Gefässe gegen jene der vorangegangenen Periode 
zurückstehen, so ist auch deren Ornamentik eine arme zu nennen ; sie fehlt 
entweder ganz oder beschränkt sich auf einfache parallele Linien, mit einem 
mehrzinkigen Geräth, eingedrückte Punkte und auf die Welleulinie. 

Bei der Betrachtung der Thonerzeugnisse beider Perioden drängt sich 
Einem das Gefühl auf, als ob zugleich mit der Drehscheibe ein fremdartiges 
Element eingedrungen wäre, das auf die alte einheimische Kultur vernichtend 
eingewirkt hat. 

Der Bestand einer alten einheimischen Kultur in unseren Gegenden und 
in Deutschland überhaupt wurde allerdings oft genug geläugnet, so ueuestens 
von Ho st mann, der jedes halbwegs feinere Erzeugnis selbst noch im IV. 
Jahrhundert unserer Zeitrechnung einer ausgebreiteten römisch-etrusiischen 
Industrie- und Handel sthätigkeit zuschreibt 1 ). Scherr vergleicht die Zustände 
der deutschen Stämme geradezu mit denen der Indianer Nordamerikas. 

Dagegen hat schon Freih. von Sacken in seinem berühmten Werke über 
Hallstatt *) den Bestand einer einheimischen Industrio daselbst nachgewiesen, 



•) Holtmann, der Urnenfriedhof bei Darran. 

») Freih. t. Sacken,», a. 0. S. 132 u: ff. Zu den dort angeführten Thatsachen n>r>chta 
ch noch einen weiteren Beleg mir beizutragen erlauben. Unter den ans dem Nachlasse Kam- 
Faners in meinen Besitz übergegangenen Fundstücken des ilall*tätter Grabfeldes befinden Bich 
anch die Bruchstücke eines Armringes von derselben Form, welche in dem genannten Werke 
Taf. XVI, Fig. 14, abgebildet ist. Dieses Armband ist noch unciselirt, so wie es ans der ziemlich 
joh ausgearbeiteten Gussform hervorgegangen w*r, und durfte, noch ehe die letxte Hand angelegt 



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253 

neuerlich aber auch für Nieder-Oesterreich aus den Bronzefunden von Mali r er s- 
dorf zweifellos gemacht *). 

Diesem darf ich wol beifügen, dass ich selbst eine aus Sandstein ge- 
arbeitete Gussform auf dem Waisenberge bei Nikolsburg gefunden habe, einer 
Ansiedlung, die sehr hohen Alters sein muss, da in ihrem Bereiche noch Stein- 
geräthe gefunden wurden. Ganz richtig bemerkt daher schon Wagner 8 ) in 
diesem Sinne, dass man, wenn alle Bronzgeräthe u. s. w. von den Römern 
herrührten, beim Einhandeln derselben doch nicht zugleich die Gussform mit- 
bekommen haben wird. 

Ich möchte mich in dieser Sache auch noch auf ein historisches Zeugnis 
berufen, das allerdings schon das V. Jahrhundert nach Christi betrifft, dennoch 
aber volle Beachtung verdient. Der Biograph des heil. Severinus 8 ) berichtet 
nämlich, dass Gisa, die Gemalin des Rugenkönigs Fava, germanische 
Goldschmiede in engem Gewarsam hielt, damit sie ihr ein königliches Ge- 
schmeide verfertigen. Das ist gewiss sehr merkwürdig. Wenn Gisa, von der 
Eugippius zugleich meldet, dass sie mit den Römern durchaus nicht glimpflich 
verfährt, dieselbem nach ihrem Belieben über die Donau führt, um sie zu den 
niedrigsten Sklavendiensten zu verwenden, wenn diese nun nicht römischer 
Goldarbeiter sich bemächtiget, sondern germanischen den Vorzug giebt, und 
diese anhält, ihr den Königsschuiuck zu verfertigen, so kann man in der Tliat 
eiue besondere Geschicklichkeit bei denselben voraussetzen. 

Solche einheimische, also germanische Goldschmiede sind es offenbar 
auch gewesen, durch welche die germanischen und insbesondere die gothischen 
Machthaber (auch die Rügen waren ein gotbischer Zweig) mit Vorliebe ihren 
Königsschatz, Göldschmuck und Goldgefässe, Dinge die den heimischen Ur- 
sprung gar nicht verhehlen können, anfertigen Hessen. Dahin gehören der 
durch die Wiener Weltausstellung auch in weiten Kreisen bekannt gewordene 
rumänische Schatz von Petrossa, und die prächtigen Goldgefässe und andere 
Gegenstände aus Gold des kais. Äntikenkabinetes, die häufig durch Ruuenin- 
schriften als gothisches Besitztum bezeichnet sind. 

Ob nun diese gothisch-germanische Goldschmiedekunst als eine Aus- . 
■trahlung einer alten einheimischen Kultur angesehen werden kann oder nicht, 
so liefert sie doch den Beweis für eine einheimische gewerbliche Thätigkeit 
überhaupt. Das bezeugen auch die Schmiede- und Töpferwerkstätten in Stillfried, 
und rhochte diese alte einheimische Kultur ihre Anregung und ihre Muster 
von wo immerher entlehnt haben: sie hatte sich diese Muster so völlig ange- 
eignet, dass sie zu volksmässigen Typen geworden sind. Ihre herrlichsten 
Manifestationen sind die grotsen Kulturstätten in Hallstatt und in der 
Byöiscala-Höhle, ihre letzten Ausstrahlungen zeigen sich in den Thongefässen 

wnrde, gebrochen sein, da der Arbeiter den Versuch machte, die Stocke mit einem schräg einge- 
zogenen Bronzedraht aneinander zn heften, was indes nicht gelungen zu sein scheint, da der 
Versuch nicht Tollende durchgeführt wurde, und die Bruchstücke wieder in den Schmelztiegel 
kamen, wo Bie nicht ginzlich schmolzen, sondern nur znsammengefrittet wurden. Ein schlagenderer 
Beleg für die einheimische Erzeugung l&sst sich wol kaum denken. 

*) Freih. v. Sacken. Ueber Ansiedlungen und Funde aus heidn. Zeit in Nieder-Oester- 
reieh, 8. 38. 

*) J. A. W a g n e r. Die Tempel und Pyramiden der Urbewohner auf dem rechten Einh- 
ufer, 8. 29. 

») Eugippius, Vita Seyerini. 



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254 

ron Stillfried und sie schwand vor dem bei der Berührung mit den Römern 
gekommenen fremdartigen Elemente. 

Man hat sich nur zu sehr der Anschauung hingeben, dass alle Gefässe 
aus hartgebranntem grauen, blaugrauen, seltener braunen Tbone, auf deren 
Scherben wir fast in jedem Acker stossen, Unterschiedes dem spätesten Mittel- 
alter, ja selbst der neuesten Zeit angehören. Es kann nicht geleugnet werden, 
dass sich die ordinären Thongefässe seit Einführung der Drehscheibe bis tiet 
in unsere Zeit herein in Bezug auf Material und Form fast gleich erhalten 
haben, wie denn ja noch vieles Andere stationär geblieben ist. Doch haben 
schon die Fnnde F. von Luachan s in Vindobona gezeigt, dass diese Ge- 
fässe in gleicher Weise auch bis in die Zeit der Romer zurückreichen. Ich 
lege bei Vindicierung solch' hohen Alters für diese Gefässe weniger Gewicht 
auf das Wellen-Ornament, das man zuweilen an ihnen findet,' als auf die 
Gesellschaft von Gefässen aus einer ebenso harten und eben so gut gebrannten 
Masse, die aber gleich wol nicht auf der Drehscheibe gemacht worden sind, 
und auf das gleichzeitige Vorkommen von römischen Leistenziegeln. Ebenso 
liegen auf dem Leisser Berge und auf dem Boden von Carnuntum ganz 
gleichartige Scherben zwischen römischen Ziegeln. Mit demselben Rechte kann 
man also für derlei harte klingende Scherben auch in Stillfried jenes hohe 
Alter beanspruchen, weil sie dort ebenfalls vermischt mit Bruchstücken rö- 
mischer Ziegel und in der nämlichen Erdschichte lagern, in welcher auch die 
römischen Münzen gefunden wurden. 

Da sich nun in der unteren Kulturschichte nur Scherben von Freihuxi- 
gefässen finden, so ist es fast zweifellos, dass die Töpferscheibe gleich- 
zeitig mit den Römerziegeln und mit den römischen Münzen, 
und wenn auch nicht durch die Römer selbst, doch in Folge dei 
häufigen und langjährigen Verkehrs mit ihnen in die Gegenden 
jenseits der Donau gelangt ist. 

Von den einzelnen Formen der neuen Fabrikationsweise sind becher- 
artige Gefässe mit langgezogenem Fusse am auffallendsten. Ein diesem Typus 
vollkommen entsprechender Becher wurde bei dem Bau eines Hauses in un- 
mittelbarer Nähe des Wiener Operntheaters ausgegraben, wo auch ein kleines 
goldenes Anhängsel römischer Arbeit gefunden wurde *). Auch die Bevölkerung 
am Rhein hat sich zur Zeit der Römer wie hier an der Donau solcher Becher 
bedient*). Die Höhe derselben wechselt zwischen 15 und 21 Cm., ihr Durch- 
messer am Rande zwischen 7 und 10 Cm. (Fig. 26.) Wie es scheint, wurden 
diese Gefässe auch mit Deckeln versehen, von denen man häufig die Knöpfe 
findet und von denen ein vollständig erhaltener ans Stillfried genau auf den 
in Wien gefundenen Becher pastt. 

Diesen rheinischen Gefässen römischer Zeit ebenfalls ähnlich 8 ) ist eine 
Urne, 22 Cm. hoch, am Rande 15 Cm., an der Ausbauchung 18 Cm. im Durch- 
messer haltend, und ausnams weise an die sorgfältige Arbeit „der guten alten 
Zeit" erinnernd (Fig. 27). 

Die ordinären Gefässe, wozu diese Urne nicht gehörte, haben eine breite 

*) Freih. y. Sacken nnd Kenner, Die Sammlungen des k. k. Münz- nnd Antiken- 
Kabinetes, Seite 353, Nr. 88. 

*) L i n d e n s c h m i t, 1. c. B. I, H. VI, T. VI, Fig. 8, 9, 12. 
s ) Lin denschinit, 1. c. Fig. 5. 



» 



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255 



Basis und schwache Ausbauchung; sie erreichen mitunter eine riesige Grösse, 
die sich schon aus den gewaltigen Randstücken von 8 Cm. Breite und 4.5 

Fig. 27. 



- — at-n^-''-^''- ■ ■ -■ 





Urno ans Wien. Urne von Stillfriod. 

*/ 3 der natürlichen Grösse. 

Cm. Dicke ergiebt. Derlei riesige Gefässe finden sich auch sonst nicht selten, 
ieh besitze ein grosses Stück eines solchen mit dem Wellenlinien-Ornament 
aus Sebarn bei Fels, ein anderes aus der Nähe des Urnenfeldcs vou Stetten- 
hof 1 ); noch andere wurden von mir auf dem Leisserberge, bei Pfaffeudorf, bei 
dem Tumulus von Niederhollabrunn u. s. w. gefunden. 

So wenig ansprechend die bisher beschriebenen Reste der Töpferkunst ' 
aus der oberen Kulturschichte sind, um so überraschender ist der Fund einer 



Fig. 28. 




Thongef&RR von Stillfried. der nat. Grösse. 



bildlichen Darstellung zwischen Er- 
zeugnissen handwerksmässiger Nüch- 
ternheit. Es ist dies die plastische 
Figur eines Löwen aus rotem 
Thon, von 15 Cm. Länge, und 13.5 Cm. 
Höhe, von kurzer gedrungener Gestalt 
mit emporgerichtetem Kopfe, ganz 
richtig gebildeten, aufgestellten Ohren 
und durch fischgrätenartige Chraf- 
lierung angedeuteten Mähnen. Obwol 
dieses Bildwerk noch immer kindlich 
genug ist, so ist es doch schon weit 
über die rohen Thierbilder aus dem 
Hallstätter Grabfelde. Es diente offen- 
bar als Gefäss, denn es ist hohl, und 



*) Miiioil. der anthrop. Oes. B. XI, S. U5 . 



25G 



hat aui der Stirn eine Oeffnung zum Eingiessen und im Munde eine Bohre zum 
Ausgießen der Flüssigkeit. Ueber den Rücken geht vom Hinterteil zum Nacken 
ein henkelartiger Bogen, durch den angedeutet zu sein scheint, dass das Ge- 
fäsB hauptsächlich zum Ausgiessen bestimmt gewesen sein musste und dass 
dieses mit einer gewissen Förmlichkeit zu geschehen hatte, dass es demnach 
zu irgend einer Verrichtung beim Gottesdienste verwendet worden ist. 

Ueber derlei sonderbare Gelasse ist viel verhandelt worden, und ich 
glaube, dass auch heute noch keine der entgegenstehenden Ansichten hierüber 
Anspruch anf ausschliessliche Anerkennung hat, weil jede derselben in einein 
zu engen Kreise sich bewegt. Gleichartige Gefässe, in der Gestalt von Löwen 
angeschirrten Pferden, Greifen, u. dgl., jedoch aus Bronze, wurden in ver- 
schiedenen Ländern gefunden, so bei Nikolsburg in Mühren, an mehreren 
Orten Böhmens *), bei Leipzig, Brannschweig und andrerorts in Deutschland *), 
am zahlreichsten in den nordischen Ländern; ein solches, einen Greifen vor- 
stellendes Bronzegefäss aus Dänemark, befand sich längere Zeit in meinen 
Händen. 

Kruse hält sie an angeführter Stelle für heidnischen Ursprungs und der 
von ihm erwähnten Ansicht Millauers, der sie als Gefässe der Templer erklärt, 
ohne über deren Gebrauch oder besonderen Zweck Begründetes beizubringen 
Wocel schliesst sich der Meinung Kruses an, spricht sich jedoch über die Her- 
kunft der Gefässe nicht aus. In Dänemark hält man sie für Weihwaaserge- 
fässe, wol durch den Umstand dazu bestimmt, dass eines derselben eine 
Runeninschrift trägt, nach welcher dasselbe „Gott und dem heil. Olof" ge- 
widmet ist, wobei freilich erwogen werden muss, ob nicht, wie so hantig. 
Heidnisches in das Christentum übernommen worden ist. In Wien scheint 
man es ebenfalls als zweifellos zu betrachten, dass diese Gefässe dem christ- 
lichen Kultus angehören. 

Ich enthalte mich, über den Zweck und Gebrauch derselben eine Meinung 
auszusprechen, möchte jedoch einige Bemerkungen über die Fundverhältnisse 
des vorliegenden Gefasses und einiger anderer machen* die einige Anhalts- 
punkte zur Beurteilung der Zeit, der dieses angehört, geben dürften. 

Das von mir aufgefundene Gefäss, meines Wissens . das erste und einzige 
aus Thon, lagerte auf demselben Orte und in derselben Schichte, in welcher 
sich die im Folgenden noch zu erwähnenden Gegenstände einer Schmiede- 
werkstätte, u. z. verschiedene Nägel, ein Sporn, eine Pferdetrense, formlose 
Eisenstücke, Schlacken, und zu oberst ein feines Kettchen aus Eisen, aber auch 
eine Münze des Kaisers Probus fanden. Auch die Münze der Faustina (Mark 
Aurel) lag in derselben Schichte, ein weniges höher als das Gefäss, doch etwas 
entferntor. Nun habe ich in der ganz oberen Schichte, wo immer ich sie unter- 
suchen mochte, nirgends Spuren beobachtet, dass seit ihrer Bildung eine 
Störung derselben eingetreten wäre, so dass man glauben könnte, dass an der 
Stelle, wo das in Rede stehende Thongefäss lag, Dinge, die verschiedenen 
Zeiten angehören, unter einander geworfen sein könnten. 

Vielmehr zeigten sich an vielen Orten in der wiederholt beobachteten, 
der natürlichen Anordnung vollkommen entsprechenden Lagerung ganzer 



•) Wocel, Grnndzüge der böhmischen Altertumskunde, S. 
*) Krude, Deutsche Altertümer, Bd. I, II. IV, 8. 50. 



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257 



Skeletteile deutlich, dass der Boden allenthalben unberührt geblieben, und 
dass auch an der Fundstelle keine Störung derselben in späterer Zeit einge- 
treten ist. Bei so bewandten Fundverhältnissen muss man annemen, dass auch 
das Thongefäss, gleichen Alters mit den Münzen, der Römerzeit angehöre. 

In dem Berichte 1 ) über den. Fund eines solchen Gefas^es aus Bronze, 
der in Königgrätz gemacht wurde, wird wörtlich beigefügt: „Auch römische 
Münzen sind so wie das eben beschriebene Geräth gefunden und 
in Prag dem böhmischen National-Museo eingeliefert. - Ich bedaurn. auf das 
lebhafteste, dass es mir nicht möglich wurdo, darüber Aufklärung zu erhalten, 
ob der gleichzeitige Fund römischer Münzen auch am gleichen Orte gemacht 
wurde, da im bejahenden Falle wol aller Zweifel über die Zeit dieser Gefässe 
behoben wäre. Vorläufig bleibt diese Nachricht immerhin beachtenswert. 

Das ganz gleichartige Bronzegefäss, eine Katze (oder Tieger?) vorstellend, 
welches bei Alt-Scherbitz (zwischen Halle und Leipzig) gefunden wurHe, 
lag, wie ausdrücklich beglaubigt ist 2 ), zwischen Aschenurnen, deren eine aus 
schwarzer, stark mit Quarzkörnern und Kohlenteilchen gemischter Masse be- 
stand, jedenfalls also auf ein hohes Alter schliessen lässt. 

Noch möchte ich aufmerksam machen, dass Schlicmann aus dem Boden 
von Troja, der zu unserem Erstaunen eine Kulturschichte trägt, die so viel 
Gleichartiges mit den Funden unseres heimatlichen Nordens einscbliesat, auch 
Thongefässe zu Tage förderte, die dem Typus des in Rede stehenden aus 
Stillfried sehr nahe stehen; ja ein Bruchstück, das ein gehörntes Thier vor- 
stellt, im Innern hohl ist, den Ansatz des abgebrochenen Henkels zeigt,, und 
eine ganz gleiche Ausgussröhre im Munde hält, scheint einem ganz und gar 
gleichartigen Gefässe angehört zu haben 3 ). 

Ich bemerke ausdrücklich, dass ich diese Gleichartigkeit nur nebenbei 
erwähne und auf sie keine weiteren Schlussfolgerungen gründe; allein wenn 
derlei Gefässe auch wirklich zu Verrichtungen im christlichen Kultus gedient 
haben, so ist nicht ausgeschlossen, dass ihr Ursprung ein älterer sein könne. 
Ihre ganze Erscheinung ist cino dem christlichen Kultus völlig fremdartige, 
und wenn wir annemen, dass sie nicht erst durch den christlichen Kultus ge- 
schaffen, sondern wie so vieles Heidnische blos reeipirt worden, so wird uns 
der Fund des Stillfrieder Gefässes nicht mehr in einem unerklärlichen Gegen- 
sätze zu den mitgefundenen Römermünzen erscheinen. 

Auch in der oberen Schichte bin ich auf eine Schm iedewerkstätte 
gestossen, denn ich fand auf einer nicht zu umfangreichen Stelle beisammen 
Nägel verschiedener Art, wie sie noch heute üblich sind, darunter auch Hu f- 
ii ii gel, -einen Sporn, sö viel sich aus der Hülle von Rost schliessen lässt, 
etwas grösser als die römischen, mit aufwärts gebogenen Enden des Bügels 
und einer Scheibe statt des bei römischen Spornen üblichen Stachels, eine 
l'ferdetrense, die sehr wenig vom Roste angegriffen ist, vielleicht darum, 
weil sie in Asche lag, deren Alter jedoch durch ein ähnliches, allerdings seit- 
wärts noch mit Zierscheiben versehenes Stück des Münchner National-Muse- 
ums 4 ) bezeugt ist. 

') Kruse, Archiv für alte Geographie, II. 145. 
') Kruse, Deutliche Altertümer, I. IV. 46. 

») Dr. 8c hl ie mann, Atlas der Trojanischen Altertümer, Taf. 18, Fig. 540. 
•) L i n d e n s c h ra i t, 1. c. II. 10, III, Fig. 1. 



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258 



f. 



An derselben Stelle, etwa 30 Cm. gerade über dem Sporn lag ein kleines 
Messe r und ein zierliches Kettchen, das an die filigraneu Bronzeriiigelchon 
Fig. 89 und 30. der früheren Periode erinnert. Formlose 

Eisen s tückchen und Eisenschlacken 
machen den Bestand einer Schmiedewerk- 
stätt« auch auf dieser Stelle »weifellos. 

Von Eiseugerätben ergaben sich aus 
der oberen Schichte au verschiedenen 
Punkten der Ansiedlnng noch zwei Messer 
Fig. 29 und 30, eines vollständig erhalten, 
8.5 Cm. lang von hübscher zierlicher Form, 
mit aufgebogener, abgerundeter Spitze, und 
eines mit gerader Schneide und geraden 
Rücken, endlich ein 15.5 Cm. lange Barte 
(Fig. 31), die in der Form ungefähr unseren 
jetzigen Fleischbarten entspricht, doch 
ebenfalls zeigt, wie sparsam man auch 
noch in dieser späteren Zeit mit dem Eisen 
umzugehen gewohnt war. 

Da das Werkzeug viel zu leicht 
gewesen wäre, um wirksame Hiebe auszu- 
führen, so wurde der Rücken der Län^e 
nach gespalten und in den Spalt ein 
Holz, dessen Verlängerung den Stil bildete 
mittels Nieten eingefügt, gerade so wie 
wir es noch heute bei den Bogenannten 
Teichgräberschaufoln sehen. Im Spalte sind 
die vermoderten Holzsplitter noch deutlich 
erkennbar. 

Von nicht geringem Interesse ist ein 
eiserner Fussangel, den ich aus dem 
Gemäuer des romischen Kastells gegraben 
habe. Die Fussangeln bestehen aus zwei 
beiderseits spitzigen Eisenstückchen, die über 
Kreuz zusammengeschweisst und so gebogen 
sind, dass immer, man mag sie hinwerfen 
wie man will, eine Spitze nach aufwärts gerichtet ist. Derartige Fuasangeln ver- 
wendeten die Römer unter Makrinus in der Schlacht gegen den Partborkönig 
Artaban *), wo sie, im Sande verborgen, die parthische Reiterei in der Ver- 
folgung der Römer aufhielten. 

Von Geräthen aus Bein fand sich eine Pfrieme und ein Bruch- 
stück eines Röhrenknochens, der offenbar einen Teil eines kombinierten 
Werkzeuges, vielleicht eines Drillbohrers gebildet hatte (Fig. 32). Es zeigen 
sich daran Einschnitte, die um den Knochen herumgehen, jedoch nicht in sich 
zurückkehren, sondern sich um ihre Breite ausweichen und daher beim Zusam- 
mentreffen nur berühren, und wenn fortgesetzt, eine Hpirale bilden würden, 






Kisdnmpssor, natür. Grr.KRp. 



') Herodian, IWmiBche GrHchichte seit Mark Aurol, IV, Cap. 14. 



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259 

woraus sich ergiebt, dass die Einschnitte durch das Herumlaufen einer Schnur 
entstanden sind, bis sich diese einmal so tief eingrub, dass der Knochen brach. 

Fi K . 31. 

/ 

V 




Eiserne Barte von StillfrieA. Vj «lor natürlichen (trögse. 

Die Oberfläche derselben ist. glatt und spiegelnd, was offenbar durch die oft- 
malige Benützung des Gegenstandes so geworden ist. 

Zur sicheren Beurteilung des Kulturstandes 
eines längst entschwundenen Volkes sind kostbare 
Objekte, trefflich erhaltene Geräthe kaum geeig- 
neter, als die so unansehnlichen Küchenabfälle. 
Erstere können blos erhandelt sein, letztere allein 
geben zweifellosen Aufschlags über Jagd, Viehzucht 
und Ackerbau, die Grundlagen der ältesten Kultur- 
stufen. Knochen verschiedener Thiero, Reste 
von den Tafeln der Bewohner unseror Festung, 
finden sich nun in beiden Schichten an allen 
Stellen und in grosser Menge. 

Der Hirsch ist noch immor zahlreicher ver- 
traten, als die anderen Thiere, doch scheint er 
nicht mehr mit jenem hohen Procentverhältnisse 
an der Gesammthcit jener Beste teilzuncmen wie 
in den Pfahlbauten, namentlich in den älteren. 
Es scheint sich also hier das stetigo Abnemen 
des Hirsches, wie es soit seinem weitaus über- 
wiegenden Vorkommen in den ältosten Pfahl- 
bauten beobachtet werden kann, zu bestätigen. 
Köhrenknochnn, nat. Gr.-,™*. Diese stetige Abnamo des edelsten Wildes steht 
mit der fortschreitenden Kultur, also mit dem Zurückdrängen der Wälder, 
mit der Ausbreitung des Getreidebaues und dem erhöhten Betriebe der 
Viehzucht, die durch das häufige Vorkommen der Knochon von Rind, 
Schaf und Ziege bezeugt ist, in Verbindung. Hiemit stimmen auch die 
historischen Nachrichten, welche bezeugen, dass die Viehzucht in jener Zeit 
schon eine sehr bedeutende gewesen sein müsse, und von denen ich nur jene 
hervorheben will, dass die Quaden in einem Separatfriedensschlnsso mit Mark 

19 



Fi*. 32. 




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260 

Aurel üeerden von Pferden und Rindern geliefert haben 1 ). Auch die Dar- 
stellungen auf der Antoninssäule zeigen häufig die von den Römern erbeuteten 
Rinder, Schafe und Ziegen der Quaden; doch auffallend ist, dass in diesen 
Darstellungen das Schwein gänzlich fehlt, während es der gefundenen Knochen 
zufolge nächst dem Hirsch am zahlreichsten vertreten ist, wenn auch viele 
derselben als der wilden Art angehörig sich erweisen werden. 

Nicht selten scheint auch das Pferd gegessen worden zu sein, denn ich 
fand einen einzelnen Unterkiefer, und hie und da Zähne zerstreut, ein Beweis, 
dass diese Thiere zerlegt worden waren. Andererseits würde man, wenn das 
Fleisch der Pferde nicht gogessen worden wäre, so grosse Kadaver gewiss 
ausser die Ansiedlung geschafft haben, und ihre Knochen wären dann inner 
derselben überhaupt nicht zu finden. 

Die übrige Thierwelt ist durch Rückgrathswirbel von Fischen und durch 
die Schalen der Unio pictorum vertreten, welch' letztere häufig als Speise 
gedient hat. Bisher mangelte es an Zeit, sämmtliche zu Tage geförderte 
Knochen genau zu bestimmen, auch steht bei weiteren Grabungen noch reicheres 
Material in Aussicht, weshalb ich mir vorbehalte, über die begleitende Thier- 
welt mich später eingehender auszusprechen. 

An grössoren Knochen findet man nicht selten Spuren von scharfen 
Axthieben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Mark .derselben, wie ja 
noch heute, genossen wurde; indessen können die Hiebeindrücke, da sie sich auch 
an Knochen finden, die kein Mark enthalten, auch bei der Zerteilung des 
Thieres enstanden sein. Gewiss aber hat man dasselbe nicht mehr roh verzehrt, 
denn ich fand die Mittelhand- und die Mittelfussknochen, ja bei kleineren 
Thieren sogar sämmtliche Knochen der Beine, mit Ausname des Oberarmes 
und Oberschenkels unzerbrochen in der Erde lagern, so wie man sie beim 
Zerlegen des Thieres hingeworfen hatte, ein Beweis, dass man sich um des 
Markes jener Teile, die nicht am Feuer zubereitet wurden, weiter keine Mühe 
gab. Ich muss aber doch noch beifügen, dass das lebenswarme Mark noch 
heute von den Fleischern gegessen werden soll. 

Indessen kann ich doch ein Zeugnis besonderer Reinlichkeit unseren 
Vätern in Stillfried nicht geben, denn allenthalben lagen die zerstreuten 
Knochen, an denen sich, wie die verhältnismässig sehr zahlreichen benagten 
Stücke darthun, ganze Rudel von Hunden herumbissen, faulend und bleichend 
zwischen den Häusern, und sie haben den unmittelbar aus dem duftigen Walde 
inner die Wälle Eintretenden nicht mit Wohlgerüchen empfangen. Kehricht, 
Aschen- und Schutthaufen, die eine so dicke Schichte zu bilden vermochten, 
haben wol auch dem Auge keine Annemlichkeit geboten. 

Nachweise des Feldbaues zeigen sich bis jetzt nur in den Beimengungen 
zum Lehm bei Bereitung des Anwurfes der Hütten. Man findet in demselben 
Abdrücke von Spreu und Häckerling, und erstere lässt sich deutlich als vom 
Getreide herrührend erkennen. In einem Klumpen Lehms, der ein Gefäss aus- 
gefüllt zu haben scheint und darin schwach gebrannt wurde, fand ich nicht 
nur Abdrücke, namentlich auch von Getreidekörnern, die dem Weizen glichen, 
sondern auch noch die unversehrten Hülsen solbst. 

Das sind die wenigen direkten Nachweise für den Bestand des Getreide- 



') Pio CassinH LXXI. n. 



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261 

baues bei den Quaden in Stillfried, da es bei der Natur der Verhältnisse nicht 
zu erwarten ist, hier etwa so grosse Getreidevorräthe zu Tage zu fordern, wie 
in den Pfahlbauten. In dieser Beziehung fliessen auch die Quellen geschichtlicher 
Nachrichten viel reichlicher, als die dürftigen Funde in der Erde. Zwar ist 
man, insbesondere durch Tacitus verführt, stets noch geneigt, sich den Acker- 
bau bei den Germanen sehr beschränkt zu denken. Doch schon mehr als ein 
Jahrhundert früher berichtete Cäsar in viel günstigerer Weise über denselben. 
Freilich sagt auch er ausdrücklich *), dass der Ackerbau in Germanien eine 
untergeordnete Stellung einneme; doch jedenfalls nur im Vergleiche zu der 
allerdings schon weiter vorgeschrittenen Entwicklung desselben in Gallien. 
Casars derartige Berichte sind überdies mit einiger Vorsicht äufzunemen, da 
er hier doch nur auf Grund von zurückhaltenden, vielleicht der vollen Wahrheit 
nicht entsprechenden Berichten der Germanen selbst spricht. Da die Römer 
sich im feindlichen Lande verproviantierten und die unterworfenen Völker zu 
Getreidelieferungen zwangen, da insbesondere Cäsar seine Einfälle in Germanien 
in die Zeit der Ernte verlegte, so musste den Germanen daran gelegen sein, 
ihr Land unwirtlicher zu schildern, als es war, um ihn von solchen Einfällen 
abzuschrecken. 

Cäsar Belbst berichtet, dass Aduatuca, die Hauptstadt der germanischen 
Eburonen, von Getreidefeldern umgeben war 2 ), und er erzählt 8 ), dass er zum 
Beginne des Kampfes gegen Ambiorix die Erntezeit wählte, geradeso, wie 
er nach seinem ersten Uebergang über den Rhein um dieselbe Zeit in das 
Gebiet der Sigambern einfiel 4 ), ohne Zweifel in der Ueberzeugung, genug 
Getreide zur Versorgung seines Heeres auf den Feldern der Germanen finden 
zu können. Wenn er von den Sueven sagt, dass ihre hauptsächlichste Nahrung 
Milch und Fleisch ihrer Heerden bilden, so gesteht er doch zu, dass immer 
die Hälfte der Kriegsfiihigen zu Hause bleibt, um den Ackerbau zu pflegen 6 ). 
Bei den Usipeten und Tenkteren musste damals das Getreide schon Haupt- 
nahrungsmittel gewesen sein, weil sie, von den Sueven am ruhigen Bestellen 
ihrer Aecker gehindert, dadurch zur Auswanderung genötigt wurden. Drei 
Jahrhunderte später wählte auch Kaiser Maximinus die Zeit der Saatenreife, 
um über den Rhein zu dringen, und die Städte uud Dörfer der Germanen zu 
plündern und in Brand zu stecken 8 ). 

Zur Zeit Mark Aurels musste der Ackerbau bei den Germanen der 
Donau schon einen bedeutenden Umfang angenommen haben, da sich zufolge 
einer schon angeführten Stelle bei Cassius Dio 7 ) die Quaden und Markomannen 
bei dem Kaiser beklagten, dass sie durch die Gewaltthätigkeiten der römischen 
Besatzungen in ihrem Lande gehindert würden, Ackerbau und Viehzucht zu 
treiben. Die Quaden hatten in dem mit Mark Aurel abgeschlossenen ersten 
Separatfrieden Heerden von Pferden und Rindern geliefert 8 ) und die Marko- 

_ • 

*) Caesar, de bell. Gill. VI, 22, 29. 

») Ebenda. VI. 36. 

=») Ebenda, VI, 29. 

*) Caesar, ebenda, IV, 19. 

*) Caesar, ebenda, IV, lj aucb IV, 3 lÄsst auf die grosßo Bedeutung der Landeskultur 
Bchließson. 

«) Herodian, Uescb. des röm. Kaisertums. VII, 2. 
») Cassius Dio, LXXI, 20. 
') Ebenda, LXXI, 11. 

19 * • 



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262 



mannen rechneten trotz der augenblicklichen durch den langen Krieg herbei- 
geführten Not auf einen solchen Ueberschuss an Getreide, dass sie sich im 
Friedensschlüsse mit Komodus zu einer jährlichen Abgabe an die Romer ver- 
pflichten konnten *), während dagegen diese den Barmatischen Jazygen eine 
Unterstützung mit Korn auf ewige Zeiten zugestanden »). 

Mit diesen Nachrichten, so wie mit den Darstellungen der Antoninssänle, 
welche Getreidefelder zeigen, in die sich quadisehe Frauen vor römischen 
Soldaten zu verbergen suchen, stimmt der Fund eines Müh Ist ei n es in ganz 
besonderer Weise, weil er darthut, dass damals Getreide schon in solcher 
Menge vorhanden war und als Nahrungsmittel benützt wurde, dass die alten 
primitiven Mittel, dasselbe in Mehl zu verwandeln, nicht mehr genügten, und 
man genötiget war, hiebei Vorrichtungen zu Hilfe zu nemen, durch welche 
man rascher und in ausgiebigerer Weise zum Ziele gelangte, wobei die 
Frage, ob diese etwa entlehnt waren, unerörtert bleibt. 

Der Fund wird vielleicht im ersten Momente befremden, da wir gewohnt 
sind, unsere Mühlen (vom Lateinischen mola) als eine Gabe der Römer zn 
betrachten. Diese Entlehnung bezieht Bich jedoch nur auf die Wassermühlen; 
Mühlen mit zwei flachen runden Steinen, die durch Handbetrieb in Bewegung 
gesetzt worden sind, scheinen die Gormanen schon lange, ehe sie mit den 
Römern in Berührung gekommen sind, gekannt und benützt zu haben, da sie 
für diese Art Mühlen den ureignen, nicht entlehnten Ausdruck „qairn" haben. 
Die Gothen nannten sie* qairnus und hatten schon den weiteren Fortschritt 
gethan, sie durch Thicre in Betrieb zu setzen; eine solche durch Esel im Gang 
erhaltene Mühle hiess „asiluqairuus"; noch im Mittelalter hiess in allen 
germanischen Sprachen der Mühlstein quirn, qvörn oder quam. Handmühlen 
reichen bis tief in unsere Zeit herein, und im vorigen Jahrhundert dürften 
sie noch nicht so selten gewesen sein, in Polen soll man sich deren 
noch heute bedienen. Der Betrieb der Handmühlen war das Geschäft der 
Knechte und Sklaven, im germanischen Mythus der Riesenmägde Fenja und 
Menja (die Sieberin und Mischerin V) 8 ) ; später geschah er, wie wir aus der 
Bezeichnung der Sache sahen, durch Thicre, und es war nur mehr ein Schritt, 
an die Stelle dor Kraft der Thiere jene des Wassers treten zu lassen. Diese 
ersten Wassermühlen unterscheiden sich von den alten Handmühlen in 
nichts, als dass dor bewegliche Mühlstein statt der Hand durch kleine hori- 
zontale Wasserräder direct, ohne alle Uebersetzung, in Umdrehung gebracht 
wird. Merkwürdiger Weise findon sich dieso alten primitiven Wassermühlen 
noch an den äussersten Grenzen germanischen Völker, nämlich in den 
Hochgebirgsthälern Kärntens, wo ich sie beobachtet habe, und Norwegens*). 
Fast jeder Bauer hat in diesen abgeschiedenen Thälem, da wie dort, seine 
eigene Mühle, da wie dort stehen sie an den kleinen Mühlengerinnen in 
Gruppen beisammen. In Norwegen heissen sie heute noch Quärn, während die 
neueren Wassermühlen wie im Deutschen den Namen — Molle — aus dem 
Lateinischen mitgebracht haben. Fast möchte man bei so sehr in's Einzelne 



') Ebenda, LXXII, 2. 
») Ebenda, LXXI, 19, 
*) Jüngere Edda, c. !»3. 

*) Uranns, Kino Wanderung im südwestl. Nomegen, (Jlobns XXVI, S. 281. 



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203 



gehender Gleichartigkeit und bei der Stabilität der Zustände unseres Bauern- 
standes *) sich zu dem Glauben verleiten lassen, das beide germanische Stämme 
— in Kärnten und Norwegen — Mühlen mit zwei flachen Steinen schon 
kannten, ehe Zeit und Raum eine solche Kluft zwischen sie gelegt hatten. 

Denn dass die Handmühlen, also die flachen Mühlsteine, ein sehr hohes 
Alter besitzen, zeigt ihr Vorkommen in unseren urgeschichtlichen Ansiedlungen. 
und ich erlaube mir diesfalls auf einen meiner früheren Berichte aufmerksam 
zu machen *). Das Alter keiner der daselbst erwähnten Mühlsteine kann zweifel- 
haft sein, da jener von Kamp in einer alten Getreidegrube (war das ein specus 
subterraneus des Tacitus?) und in Gesellschaft von Scherben von Freihaud- 
gefässeji, jene der Hei den statt auch noch in Gesellschaft von Gegenständen 
aus Stein und Bronze gefunden worden ist. 

Dagegen könnte man mir allerdings sagen, dass diese Mühlsteino doch 
viel eher von der Besatzung des römischen Kastells, als von den halbwilden 
Barbaren herrühren können. Ich will nun nicht bestreiten, dass die Römer 
vielleicht auch ihre Handmühlen nach Stillfried mitgeführt haben, doch ist 
damit noch nicht erwiesen, dass sie dieselben nach kurzem Aufenthalte dort 
auch zurückgelassen haben, vielmehr ist bei der leichten Verbindung mit Car- 
uuntum zu Schiffe vorauszusetzen, dass die Römer alles Beweglicho wieder 
mit fortgeführt haben. Dann beweisen ja die Mühlsteine von Kamp und von 
der Heidenstatt, wo bis jetzt keine Spur von Römertum zu finden ist, dass in 
jener Zeit auch hier schon Handmühlen den Eingebornen bekannt gewesen 
sind. In Still frieda her musste man schon zur Zeit derGründuug 
derAnsiedlung, also lange vor der Berührung mit deuRömern, 
sich solcher Handmühlen bedient haben, da sich daselbst bis 
jetzt nicht eine Spur eines derartigen Mahlsteines gezeigt hat, 
mit welchen mau in den Pfahlbau-A nsiedlungen und in den 
gleichzeitigen Höueu-Ansiedluugen in Nioder-Üesterreich das 
Getreide zu Mehl zerrieben hat. 

Von FundBtücken ganz roher Art nenne ich schliesslich kleinere 
und grössere Bruchs tücke von Granit uud ähnlichem Gestein, welche, da 
sie weder Spuren von Bearbeitung noch von Mörtel zeigen, nicht von den 
römischen Bauwerken stammen, gleichwol aber von Menschenhänden auf die 
Elöhe gebracht worden sein mussten, da sie im Löss nicht vorkommen konnten. 
Vielleicht hatten diese Steine den Zweck, bei feindlichen Angriffen auf die 
stürmenden Schaaren geschleudert zu werden, wie es in den Darstollungeu 
der Antoniussäule ersichtlich ist. Die Herd stellen scheinen durchwegs nur 
aus Lehm bestanden zu haben, der vorher angefeuchtet und geebnet wurde. 

Völlig unaufgeklärt sind dagegen Brocken von Kalktuff, wie er sich 
au kalkreichen Quellen bildet. Man trifft auf derlei Tuffsteine nicht nur hie 
und da in unserer Ansiedlung, sondern auffallender Weise auch iu heidnischen 



') Die Mühlsteine der norwegischen Mühlen scheinen noch in der nämlichen Weise zuge- 
richtet zu werden, wie jene, die sich in urgeschichtlichou Ansiodlutigon Nieder-Oustorreiohs in 
Gesellschaft vou Stein- und Bronzegoräthen fanden. Vogt, Archiv für Anthropologie, V. An- 
hang, S. 3. 

») Ueber die Mühlsteine von Kamp. Mitt. der anthrop. Gos. Bd. I, S. 255. 



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2G4 



Grabstätten in Böhmen, bei Scblan, Podinokl, Hradist und andern Orten 1 ) 
und inuerbalb des Scblack«nwalles auf dem Feeusmännelberg in der Lausitz*). 

Charakter des Ortes. 

Wie aus den ältesten historischen Nachrichten über die deutschen 
Stämmo hervorgeht, war die gesauiuite Bevölkerung Geruianiens über das ganze 
Land zerstreut. Es ist aber ein noch immer nicht beseitigter Irrtum, der sich 
einzig nur auf Tacitus stützt, dass die Germanen gar keine Städte besassen, 
ja überhaupt zusammenhängenden Wohnungen abhold gewesen seien, und jeder 
wie ein Einsiedler für sich gewohnt hätte. Geräth indess schon Tacitus mit 
sich in Widerspruch, indem er uns Asciburg am Rhein anführt 3 ), die Stadt 
des Markoinanneuköuigs Marbod eine Köuigsstadt — „regfaiu" (sc. urhein)*) 

und Mattium die Hauptstadt des Volkes — „geuti caput" — nennt 5 ), so 

wäre es ein leichtes, noch eine grosso Zahl von Schriftstellern gegen diesen 
Irrtum namhaft zu machen. Ich beschränke mich jedoch darauf, mich auf 
Cäsar zu beziehen, der in seinem Werke bei verschiedenen Gelegenheiten von 
den befestigten Städten (oppida) der Germanen spricht, und möchte dafür 
ausführlicher bei dessen Schilderung der Hauptstadt der Aduatuker verweilen, 
u. z. darum, weil sie auch für unsere Stadt an der March so zutreffend ist, 
als hätte Cäsar diese vor Augen gehabt 8 ). Die Aduatuker waren ein Rest der 
Cimbern und Teutonen, die jenseits des Rheins zurückgeblieben und sich bis 
in CäBars Zeit tapfer behauptet hatten. Nach Unterwerfung der ihnen benach- 
barten Nervier zog Cäsar auch gegen sie heran. Sie „gaben sofort alle ihre 
Städte und festen Plätze preis und zogen sich mit all ihrer fahrenden 
Habe iu eine einzige Stadt zurück, welche von Natur äusserst fest war. Sie 
lag nämlich auf einem hohen Berge, der nach allen Seiten hin steile Felaab- 
stürze hatte und nur auf einer Seite in einer Breite von nicht mehr als 200 
Fuss mittels einer sanften Aufsteigung des Terrains zugänglich war. Diesen 
Punkt hatten sie durch eine doppelte hohe Mauer befestiget, hatten ferner 
ungeheure Felsstücke und vorn gespitzte Balken auf die Mauer geschafft. 44 

Die Gleichartigkeit der beiden Festungsanlagen hier im Osten, wie dort 
im äusserten Westen Germaniens, gibt wol ein weiteres Zeugnis für den 
germanischen Ursprung jener von Stillfried; hier wie dort umschloss die' Um« 
wallung einen so grossen Raum ein, dass er nicht nur die ständige Bevölkerung, 
sondern auch in Kriegszeiten jene der umliegenden einzelnen Höfe und Dörfer 
aufnemen konnte. 

Historisch beglaubigt für unsere Gegenden, und zwar für den Landstrich 
zwischen der March und der Waag, sind die Festungen des Vannius, den die 
Römer den Quaden als König aufgedrängt hatten 7 ). Tacitus nennt sie allerdings 
nur Kastelle, eines derselben musste aber doch so wie Stillfried und die Hauptstadt 
der Aduatuker von bedeutendem Umfange gewesen sein, da ob die Jazygiacbe 



') W o c « 1,8. ». 0. S. 15, 

») P r e u 8 k e r, Blick© in die heidnische Vor/.eit, I. 44. 

») Tac. Germ. cap. III. 

«) Tac. Ann. II, C2, 

») Tac. Ann. I, 56. 

•) Caesar, De hello Gallico, II, 29. 

•) TacitnH, Ann. XII, », 30. 



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265 

Reiterei des Vauuius in «ich aufhemeu konnte. Cäsar würde beide oppida, 
befestigte Städte, genannt haben. . 

Denn mit der Ansiedlung inner den Wällen ist die Bedeutung des alten 
Stillfried nicht erschöpft. Auf der im Westen gegenüber liegenden, kaum ein«* 
Viertelstunde Weges entfernton Anhöhe, welche die ihrem Verfalle entgegen- 
gehende Koehuakapelle trägt, fand ich zahlreiche Scherben von Töpfergeschirr, 
das denselben Charakter trägt, wie jenes der Ansiedlung selbst. Ollenbar sind 
diese Scherben die letzten Reste einzelner llöfe oder vielmehr von Gruppen 
derselben, deren Bewohner entweder aus irgend einem Grunde keine Aufname 
innerhalb der Uniwallung gefunden hatten, oder wie andere Ackerbauer zer- 
streut im ganzen Laude lebten. Spuren solcher zerstreuter Austedluugen habe 
ich auf dem östlichen Abhango des Mauuhartsgebirges und auf dem westlichen 
Zuge des Kohrwaldes gefunden. 

Schon dieser Gegensatz zwischen der von mächtigen Wällen einge- 
schlossenen Ansiedlung und den zerstreut stehenden Höfen und Dörfern drückt 
jeuer ein wesentlich auderes Gepräge auf, so dass wir sie doch nicht mehr 
umwallte Höfo oder etwa ein befestigtes Dorf nennen können. Hier war der Wille 
des Einzelnen nicht mehr froi und allmächtig, hier hatte sich eiue grössore 
Menge zu gegenseitigem Schutze enger zusammen gethau, hier war, um ein 
solches Werk zu Stande zu bringen, es zu erhalten und zu verteidigen, eine 
strammere Ordnung und einheitliche Leitung nötig, gegenüber dem losen 
Zusammenhange und der Üngebuudenheit ausser den Wällen. Die Natur der 
Sache bedingte also schon einen so eingreifenden Unterschied zwischen den 
Wohnsitzen beider Art, wie er selbst in viel späterer Zeit zwischen Stadt und 
Dorf wol intensiver, im Wesen aber nicht anders ist. 

Freilich dürfen wir uns eine solche Stadt nicht so vorstellen, wie unsere 
heutigen Städte oder jene der Römer, mit gemauerten Häusern oder geschlosseneu 
Gassenreihen; die urwüchsige Ungebundcnheit liess sich auch inner der An- 
siedlung schwer unter eine Richtschnur bringen. Doch sehen wir in unserer 
Quadenstadt an der March schon gesonderte Gewerbe, wie den Töpfer und den 
Schmied. Aus den Friedensschlüssen der Markomannen und Quaden mit Mark 
Aurel und mit Kommodus ist ersichtlich, dass die Quaden auch schon eigene 
Märkte und Zusammenkunftsorte, letztere offenbar zu Rathsversammlungen be- 
sassen, deren einer Stillfried vermöge seiner Bedeutung gewesen sein wird *). 

Zweifellos haben schon frühzeitig, noch ehe das römische Schwert bis 
hierher gedrungen, römische Kaufleute den Weg nach Stillfried ebenso, wie in 
Marbod's Königsstadt gefunden 2 ), welche das Verlangen nach Gewinn an die 
Stätten aufgehäuften Raubes führte, um auf feindlichem Gebiete Handel zu 
treiben, ja auch schon zur Zeit Casars zu den Sueven kamen, um die Kriegs- 
beute zu erschachern 3 ). 

Einen solchen Handel müssen wir hier um so eher voraussetzen, als 
wir auf Gegenstände stossen, die wie das Glas als vollendetes Fabrikat oder 
wie die Bronze oder der Elfenbeinkamm als Rohmaterial aus römischen Werk- 
stätten hierher gelangten; ja es ist mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunemen, 



*) Cassius Dio, LXXI, 11, 15, LXXII, 2. 

*) Tacitus, Ann. II, 63. 

») Caesar, Do bello Gall. IV, 2, 4. 



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200 



das s die nach dem Norden gehende Bernsteinatrasse an Stillfried vor- 
überführte, da das nahe Carnuutum der Ausgangspunkt derselben gewesen ist. 

Bedingt endlich die Erbauung und Erhaltung eines solchen Werkes schon 
in Friedenszeiten das Vorhandensein einer Leitung, so müssen wir dieselbe 
auch als Sitz einer bestimmten Gewalt annemen, die sicher auch nicht ohne 
Einfluss auf die nächste Umgebung ist und namentlich im Kriege zur vollen 
Autorität wird; umsomehr hier in Stillfried, dessen ausgedehnte Wälle, wie 
schon bemerkt worden ist, einer sehr grossen Zahl von Streitern zur Ver- 
teidigung bedurften. Ob etwa hier gerade auch der Sitz eines quadischt-n 
Königs gewesen, werden vielleicht weitere Forschungen ergeben. 

So denke ich, mich keiner Ueberschreitung schuldig gemacht zu haben, 
als ich von der Auffindung einer Stadt der Quaden sprach, deren Ruinen, 
Zeugen einer ruhmvollen Vorzeit, uns bis heute erhalten worden sind. 

Andere quadi sehe Wohnsitze jenseits der Donau. • ' 

Eine Bevölkerung, die sich in Jahrhunderte langem Kampfe mit dem 
römischen Weltreiche messen durfte und den stets erneuerten Versuchen, 
Germanien zur römischen Provinz zu machen, erfolgreichen Widerstand leistete, 
hat seine Kraft nicht aus einem Orte geschöpft, nicht auf einen Ort gestützt; 
nur eine Ausdehnung über weite Strecken und eine Dichte der Volkszahl, die 
weit über unsere bisherigen Vorstellungen hinausgeht, konnte sie befähigen, 
die furchtbaren Verluste, welche die fast endlosen Kämpfe, namentlich der 
schreckliche Markomannenkrieg unter Mark Aurel herbeiführen mussten, rasch 
wieder zu ersetzen. 

Es wird daher kein vergebliches Beginnen sein, quadische Wohnsitze 
auch tiefer im Innern des Landes zu suchen. So habe ich selbst im Verlaufe 
dieses Sommers noch mehrere derselben aufgefunden und kann nach den ge- 
wonnenen Erfahrungen nunmehr auch einige der früher aufgefundenen und 
hier schon besprochenen alten Ansiedlungen in Nieder-Oeaterreich unbedenklich 
als quadisch erklären. 

Ein derartiger quadischer Wohnsitz, nicht so grossartiger Erscheinung 
wie Stillfried, doch immerhin von nicht zu unterschätzender Bedeutung für 
die Vorgeschichte unseres Landes, befand sich auf dem 

Scheibenberg bei Kronberg, 

am östlichen Thalgehänge des Russbaches. Längst war mir der Berg seinei 
jähen und kahlen Abbanges wegen, so wie wegen seiner durch zwei seitliche 
Tbaleinschnitte isolierten Lage bei meioen Exkursionen nach dem Norden auf- 
gefallen, umsomehr, als im Hintergrunde des nördlichen Thaleinschnittes ein 
kleiner Kegel sichtbar ist, der einem Tumulus vollkommen gleicht, so dass ich 
mich entschloss, auch diesen Berg meiner Untersuchung zu unterziehen ; in 
der That fand ich meine Voraussetzung nicht getäuscht. Die Hochfläche dei 
Berges ist ziemlich ausgedehnt, vollkommen eben und horizontal, gegen Westen 
durch den steilen Abfall gegen das Thal, im Norden und Süden durch kleine 
Seitenthäler begrenzt, in der That ein einladender Punkt in jener fernen Zeit, 
der denn auch zur Anlage einer Ansiedlung benützt wurde. An der Ostseite, 
die keine natürliche Abgrenzung hatte, wurde dieselbe durch zwei nebenein- 
ander von Norden nach Süden laufende und allmälig gegen Südwesten sich 



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267 



biegende, allerdings niedrige Wälle abgeschlossen, deren äusserer etwa 276 M. 
lang ist. Innerhalb dieses Raumes werden durch das Pflügen der Aecker 
die Reste der Ansiedlung ausgeworfen, und deutlich sieht man auch hier die 
alte Kulturschichte in den Wassereinrissen am steilen Rande, oft bis zu einem 
Meter dick und kann mit Leichtigkeit durch geringes Nachgraben zahlreiche 
Scherben, Knochen, Stückchen von Kohle, Asche u. dgl. zu Tage fördern, bei 
einiger Ausdauer auch auf einen Mahlstein, einen Feuersteinsplitter, auf 
ein Bruchstück eines Webstuhlgewichtes und derlei unscheinbare und darum 
weniger beachtete Stücke stossen. Auffallende Stücke fanden vor mir schon 
einen Sammler. Bei meinem Aufenthalte in Kronberg erkundigte ich mich 
über etwaige Funde auf dem bezeichneten Platze und habe dadurch einen schon 
bejahrten Bauer Namens Philipp Gärtner ausfindig gemacht, der in der 
That eine seltene Erscheinung in unserem nieder-österreichischen Landvolke ist. 
Den schlichten Mann hatten die sonderbaren Dinge, die man auf dem Scheiben- 
berge finden kann, von Jugend an dahin gezogen, und statt im Gasthause 
verbrachte er seine Sonntage auf den Feldern des Berges, wo er eine nicht 
unbeträchtliche Menge vorgeschichtlicher Gegenstände sammelte, unter andern 
über ÜO Pfeilspitzen aus Bronze, 5 bis 6 aus Feuerstein, etliche aus Eisen, 
kleine Keile aus Stein, Feuersteinsägen, Lanzenspitzen aus Bronze und Eisen 
und ähnliches mehr. Leider sind diese Dinge in alle vier Winde zerstreut 
worden, da der Sammler damit Geschenke an Beamte und Freunde machte, in 
deren Händen sie natürlich sämmtlich verloren sind. An dem Wenigen, was 
er noch besitzt, und dessen wissenschaftlichen Wert er jetzt zu ermessen 
weiss, hängt er nun mit Zähigkeit, die dem Manne im Interesse der Wissen- 
schaft schon früher zu wünschen gewesen wäre. In seinem Besitze fand ich 
noch eine Lanzenspitze, Pfeilspitzen verschiedener Form und Hufnägel aus 
^g- 33. Fig. 34. Eisen, eine Lanzenspitze, mehrere 



PfeilHpitzen von Kronberg. Nat. Grö 88e . wiegenden Steinwerk zeugen, sondern 
auch feinere Erzeugnisse und namentlich ein Ornament, das aus einer um 
den Leib des Gefässes laufenden Binde besteht, welche in wechselweise 
chraffierte und mit eingedrücktem Ringelchen ausgefüllte Dreiecke eingeteilt 




Pfeilspitzen, kleine Ringe, Knöpfe, 
verschiedene unbedeutende Bruch- 
stücke aus Bronze, eine Pfeilspitze, 
Sägen und Splitter aus Feuerstein 
und endlich einige kleine Keile aus 
Stein, im Ganzen genug, um seinen 
Worten über die Zahl der übrigen 
Gegenstände vollständigen Glauben 
schenken zu können. 



Mit diesen Fundstücken stehen 
die Thongefasse der Ansiedlung, 
sowie sie sich aus den Scherben 
beurteilen lassen, in vollem Einklänge; 
mau findet nicht nur die einfachen 
Formen grosser Gefässe, deren Masse 
mit grobem Sande durchmischt ist, 
wie in den Ansiedlungen mit vor- 



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268 

int. Dieses Ornament und namentlich die. kleinen Ringe sind, wie schon bei 
der Beschreibung des Kauiuies erwähnt wurde, der späterou Bronze- und 
ersten Eisenzeit eigentümlich. 

Aus allen Funden crgiebt sich übereinstimmend, dass diu Ansiedlung auf 
dem Scheibenberge der Zeit Dach zwischen den mehr im Westen unseres Be- 
zirkes gelegenen Ansiedluugen, die vor- 
wiegend Funde von Steinwerkzeugen 
ergeben, und der Ansiedlung von Still- 
t'ried einzureihen ist. Gestatten die* 
Steinkeile, die Feuersteinsägeu, die 
• Schwäche des Walles den Schluss, dass 
die Gründung in eine weit ältere Zeit 
hinaufreiche, so zeigen die Funde von 
Eisengeräthen, dass die Dauer des alten 
UmeiiHeheiim Ton Kronberg. 4ei aal. Urfmm?. Kronberg bis ungefähr i Ii dieselbe Zeit 
herabgeht wie des alten Stillfried, dass sonach beide .Ansiedluiigen lauge Zeit 
nebeneinander bestanden haben. 

Gewiss sehr beachtenswert ist es, dass auch hier auf dem 
Scheibenberge wie in Stillfried, ganz nahe der Ansiedlung ein 
Tuniulu8 sich befindet, der ohne Zweifel z ur A nsi ed lu ng gehört. 
Ich fand auf ihm einzelne, mit Asche, Kohle und schwarzer Erde angefüllte 
Gräber, und wir werden nicht irren, wenn wir anuemeu, dass der Tumulus 
als Begräbnisstätte der Ansiedluug, wenn auch nur für einzelne ihrer Be- 
wohner gedient hat. Die Scherben aus den Gräbern, die ich sah, gehören Gefässeu. 
die auf der Töpferscheibe gemacht sind, und entsprechen selbst in der Art 
der Töpferzeichon genau deuen der späteren Periode in Stillfried. 

Die durch dio Funde nachgewiesene Gleichzeitigkeit der Ansiedlungen 
von Kronberg und Stillfried, ihre benachbarte Lage, die beiden eigentümliche 
Sitte, neben der Ansiedlung Tumuli zu errichten, geben ein unabweisbares 
Zeugnis dafür, dass auch die Ansiedlung auf dem Scheibenberge 
bei Kronberg ein quadischer Wohnsitz gewesen sei. 

Mit derselben Sicherheit lässt sich das au einer anderen alten 

• 

Ansiedlung zwischen Grub und Dürnkrut 

behaupten, die sich eine Stunde nördlich von Stillfried befindet, und zwar 
ebenfalls am Rande eines Abfalles gegen die unmittelbar an demselben vorbei- 
fliessende March und von einem an den übrigen Seiten im Bogen sich herum- 
ziehenden Walle umschlossen. Der Wall ist zum Teile durch die Bodenkultur 
eingeebnet, zum Teile noch gut erkennbar, doch nirgends von der staunens- 
werten Mächtigkeit und Ausdehnung wie in Stillfried. Er fällt nur gegen die 
Aussenseite ab und verflacht sich nach innen. An der Nordseite zeigen sich 
in unmittelbarer Nähe Spuren noch anderweitiger Wälle, deren Untersuchung, 
sowie die eingehendere Erforschung des Ortes überhaupt einer späteren Zeit 
vorbehalten bleiben musste, da vorerst die Stillfrieder Ansiedlung meine ganze 
Thätigkeit in Anspruch nimmt. Doch wurde jetzt schon der Bestand einer 
alten Ansiedlung nicht einzig durch die Uniwallung, sondern auch durch Fund- 
stücke konstatiert. Zahlreiche Scherben von Thongeschirr bezeugen auch hier 
die längere Dauer der Ansiedlung, weil deren sowol von Froihandgofässon, als 




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Fig. 35. 




269 



auch vou Gefässou, dio auf der Drehscheibo erzeugt wurden, vorkommen. Sie 
entsprechen im allgemeinen jenen vou Stillfried. Ein Bruchstück von einem 
Schleifstein, ein Mahlstein und ein Spinnwirtel nebst FeuerBteinsplittern ver- 
vollständigen vorläufig diese Scherbenfunde, wozu noch als Abfälle von der 
Nahrung zahlreiche Knochen und Schalen von Muscheln, die mau wahrscheinlich 
aus der March heraufgeholt hatte, kommen. 

So viel sich bis jetzt erkennen lässt, fällt die Gründung dieser An- 
siedlung gleich jeuer von Kronberg in eino frühere Zeit, als die Stillfrieds, hat 
aber sicher ungefähr ebenso lange gedauert als diese. Gleichheit der Zeit und 
unmittelbare Nachbarschaft machen es zweifellos, dass auch diese An- 
Siedlung, wenngleich au Ausdehnung und Bedeutung hinter 
Stillfried weit zurückstehend, doch wie dieses ein befestigter 
Wohnort der Quadeu gewesen sei. 

Sind Ergebnisse von Forschungen an sich schon eine Bereicherung 
unserer Erkenntnis, so werfen sie auch uoch ihren Lichtschein auf früher 
gewonnene Resultate. So lässt sich nun vorzüglich nach den in Stillfried 
geinachten Erfahrungen mit Sicherheit behaupten, dass auch die beiden ein- 
ander unmittelbar benachbarten Ansiedluugeu auf dem Leisser Berge und 
Steinberg wenigstens eine Zeit hindurch von Quadeu bewohnt gewesen 
seion *).. Beide Orte waren durch Wälle geschützt, beide waren von längerem 
Bestände, namentlich hat die Ansiedlung auf dem Leisser Berge bis tief in 
unsere Zeit herein gedauert, was nicht nur die Funde von Scherben gedrehter 
üefässe, von Bronze, uud in Thonscherben eingebackener Eisenteile, sondern 
auch die nunmehr völlige vereinsamte Kirche, die letztere Erinnerung au die 
Fortdauer der Ansiedlung bis in die christliche Zeit, bezeugen. Sehr merkwürdig 
ist eine andere Analogie, welche die Ansiedlung auf dem Leisser Berge mit 
Kronberg und Stillfried gemein hat, dass nämlich in der Nähe derselben ebenso 
wie bei den genannten Orten ein Tumulus, oder genauer gesprochen ein tumulus- 
artiger umwallter Berggipfel (die kleinere Spitze des Buschberges) sich 
befindet, auf welche Erscheinung umsomehr Gewicht zu legen ist, als sie auch 
noch an andern Orten wiederkehrt. 



Fig. 36. 




Scherbe mit dem Sonnenrado vom Steinborg, 
»/, der natür. Grösse. 



Endlich verdient bei dieser 
Ansiedlung die bereits früher von 
mir konstatierte Thatsache Er- 
wähnung , dass auch hier 
Bruchstücke von römischen 
Leisten-Ziegeln vorkom- 
men 2 ). Es ist also kein Zweifel, 
dass die Römer bis hieher vorge- 
drungen und hier so tief im Lande 
den Bau eines Kastelles ausge- 
führt haben. Damit ist auch 
die umwallte Ansiedlung 
auf dem Leisser Berge als 
einstiger quadischerWohn- 



») Vergl. m. Bericht über dieselben, Mitt. der anthrop. Ger, Bd. II, 8. 125. 
») Mitt. der anthrop. Ges. Bd. IV. S. 79, Noto. 



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270 



sitz sichergestellt, der den Kölnern wichtig genug schien, ihn in unmittel- 
barer fester Gewalt zu behalten. 

Michaelsberg, Haselberg, Eggenburg, Gösing. 

Obzwar die Gleichartigkeit anderer vorgeschichtlicher Wohnorte in 
Niederösterreich mit den bisher beschriebenen nicht so in die Augen fällt, so 
glaube ich doch unbedenklich jene auf dem Michelsberg 1 ) und Has Bi- 
berg 8 ), so wie die heute noch bestehenden Ortschaften Eggenburg 3 ) und 
Gösi ng 4 ), wenn auch vielleicht nicht als quadische Gründungen, so doch 
als einstige quadische Wohnorte erklären zu können. 

Kadolz, Waisenberg. 

Ks uberschreitet kaum das Gebiet meiner Aufgabe, wenn ich hier noch 
bemerke, dass J. Grimm 5 ) die Ableitung des Personenuamens Kadolt oder 
Oliadoldus aus dem Volksnamen Quaden als unbestreitbar betrachtet, uud es 
beachtenswert findet, dass dieser Name gerade in österreichischen, mährischen 
und deutschböhmischeu Geschlechtern fortlebte, die deshalb altquadischer Ab- 
kunft zu sein scheinen. Wir werden daher kaum fehlen, wenn wir unser 
Kadolz an der Pulka, welches 1108 Chadoltis (genitivischer Ortsname wie 
Sieghards, Waldreichs und viele andere in Nieder-Oesterreicb) zuweilen auch 
Chadoltsburg hiess, als eine quadische Gründung betrachten. Auffallend 
ist, dass in der Gegend von Nikolsburg der Name Chadolt besonders 
häufig vorkommt; so erscheint in Ulrichs von Lichtenstein Franendienst ein 
„von Velsperc Kadolt" und der „weise (orphanus) Sifrit Kadolt" und „Cha- 
doldus orphanus". Nun sind diese Waisen oder orphani die Besitzer der Waisen- 
burg auf dem Waisenstein, einem Berge der Pollauer Gruppe, der auf 
seinem ausgedehnten Plateau und auf vielen Teilen seiner Abhänge tauseud- 
fache^Spuren einer vorgeschichtlichen Ansiedlung, u. z. einer der grössteo in 
unseren Gegenden trägt 6 ). Wo immer man auf dem Plateau des Berges oder 
in der Umgebung der Waisen bürg den Boden nur etwas aufschürft, stosst man 
auf dieselben. Reicht diese Ansiedlung einerseits gewiss in die Zeit der ge- 
schliffenen Steinwerkzeuge zurück, so ist es andererseits unzweifelhaft, dass 
sie wenigstens bis in die Zeit der Bronze gedauert hat. Merkwürdiger Weise 
befindet sich auch hier wieder ein obzwar kleiner Tumulus, der Goldhügel 
genannt — hat mau in demselben vielleicht einmal Goldschmuck gefunden? 
— der aus dem Grunde umsomehr bemerkenswerter ist, weil er aus herbeige- 
holter Erde aufgeführt wurde. 

So verbindet die An s iodlunge n auf den Pollauer Bergen 
bei Nikolsburg nicht nur die vollständige Analogie der Fund- 
stücke, derGe pflöge nheiten, überhau pt fast aller Erscheinungen, 
sondern selbst der Name mit dem Volko der Quaden. 

') Mitt. d. anthrop. Ges. Bd. II, 8. 118. 
») Ebenda, lid. U, S. 12*. 
») Ebenda. Bd. I, S. 1Ö0. 
») Ebenda Bd. II, 8. 113. 

») Geschichte der deutschen Sprache. III. Aufl., 9. 353. 

*) Man sehe hierüber meinen zweiten- Bericht über urgeschichtl. Wohnsitze in M»e<ler- 
Oesterreich, Mitt. der anthrop. Ges., Bd. II, 8eite 1S3, und J. Liedorniaan, Prähietor. Ai- 
Siedlungen im Nikolsbnrger Bezirk, ebenda Bd. III, 8. 137. 



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271 



Damit aber treten einzelne der hier genannten vorgeschichtlichen An- 
siedlungen, die sich als quadische manifestieren, in so mannigfache und so nahe 
Beziehungen zu den übrigen vorgeschichtlichen Ansiedlungen Nieder-Oesterreichs, 
deren Reste vorzugsweise aus polierten Steingeräthcn bestehen, dass sich uns 
die unabweisbare Notwendigkeit aufdrängt, in Zukunft auch die Frage zu 
prüfen, ob nicht die Ansiedlungen der sogenannten jüngeren Steinzeit in 
Nieder-Oesterreich, germanische Wohnsitze, vielleicht auch germanischo Grün- 
dungen gewesen seien. Freilich müsstc damit auch in Erwägung gezogen 
werden, ob nicht die Uroinwanderung der Germanen in eine weitaus ältere 
Zeit zurück verlegt werden müsse, als man gemeiniglich annimmt. 

(Fortsetzung folgt.) 



Das Schloss Schönbühel in Niederösterreich. 

Nach J. F. Keiblinger's Nachlas» topographisch und historisch dargestellt 

von Gymn.-Direktor Ambr. Heller. 
(Fortsetzung.) 

Nach Kaspar's und Gundakar's Tode kam Schönbühel anRudiger von 
Starhemberg, Gundakar's vierten Sohn, welchor alle seine, unvermählt gestor- 
benen, älteren Brüder überlebte und am 9. März 143G mehrere zu seiner 
Burg gehörige Gelddienste von G rundholden an die benachbarte Kartbauso 
Aggsbach vertauscht hatte 1 ). Die bedeutende Rolle, die er in einer für 
Oesterreich verhängnisvollen Zeit gespielt hat, erfordert es, dass die vorzüg- 
lichsten Umstände seines vielhewegten Lebens hier berührt, werden. Kaiser 
Albrecht II., als Herzog von Oesterreich dieses Namons der Fünfte, befahl 
ddo. Prag, G. Oktober 1138 allen Manthnern, Zöllnern, Richtern u. s. w. 
Rüdigern von Starhemberg und dessen Vottern Ulrich und Hanns Gebrüdern 
von Starhemborg ihren Wein, Gctroido und alle Nahrung ohne Zoll und 
Mauth zu ihren Häusern führen zu lassen, da sie diese Freiheit vor Alters 
besessen haben und er sie bestätigt hat, 2 ). Bei dem am 28. Oktober 1431* 
gehaltenen Leichenbegängnisse dieses seines Landesfürsten wurde ihm das 
traurige Geschäft zu Teil, don Szepter des Königreichs Rohmen zu tragen. 
Unter Friedriche IV. (III.) vormundschaftlicher Regierung trat er 1442 das Amt, 
mnes Land marsch alls von Oesterreich unter der Enns an 3 ), welches auch sein 
Oheim Kaspar verwaltet hatte ; 1443 sah er sich mit Hanns von Neidperg durch 

') Oiplomatarinm Carthusiao Aggsbac. Bmitmer Codex diplom. nuslr. T. III. Num 278. 
*) Lichnowsk;, V. Tl. Hegesten Nnm. 4033. 

s ) Es geschah auf dem Landtag» zu Krems, nach Ostern 1442, auf wolchom man über üa 
Verwaltung des Landes während der Abwesenheit Friedrich'«, der sich zu Aachen zum römischen 
Könige krönon lassen wollto und über andere Angelegenheiton verhandelte, dass Kudigor tum 
österreichischen Landmarschall ernannt wurde. (Kollar, Analecta Vindoboneusia T. II. col. 
1049 et seqq.) Vor dem Schlosse Angar im Marchfeldo, welches damals in feindlichen Händen 
war, bestimmton Friedrich'« Käthe, die ihm zur Regierung des Landes beigegeben waren, und die 
Stände für jedes Viertel von Oesterreich unter der Enns zwei Hauptleute, um, wonn sich irgendwo 
ntwaa dio Kuhn Störendes orhohen sollte, die Landwehr ihres Viertels zu organisieren und zu 
befehligen; und zwar für das Viertel unter .dem Matihartsbergo den LandmarBchall Kudigor von 
UrHemborg nnd den Niclas Truchsoss. (Ebend. col. Ulf. et seqq.) 



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272 



das Testament des Hanns von Ebersdorf zum Vormund der Kinder desselben 
bestellt. 

Der römische König und nachmalige Kaiser Friedrich, dessen Gunst und 
Vertrauen Rudiger im hohen Grade besass und verdiente, sandte ihn nebst dem 
Grafen Hanns von Schaumberg nach Passau, um die Misshelligkeiten zwischen 
dem Bischöfe und der Stadt auszugleichen ; er vollzog seinen schwierigen Auf- 
trag so ganz zur Zufriedenheit Friedrich s, dass dieser bei seiner Reise zur 
Kaiserkrönung nach Rom im Jahre 1451 ihn, die Grafen Ulrich und Hanns 
von Schaumberg, den Georg von Puchheim, den Hubmeister (Vicedom) in 
Oesterreich, Sigmund von Ebersdorf, den Hanns von Neidperg, Heinrich den 
Truchsess und Walther den Zebinger, als seine vornemsten Räthe zu 
Regierungsverwesern über Oesterreich unter und ob der Enns für die Zeit 
seiner Abwesenheit ernannte. Allein der grösste Teil der Landstände ver- 
weigerte ihnen den Gehorsam, unter dem Vorwande, dass diese Verfügung ohne 
den Rath und die Einwilligung der Stände und mit Ausschliessung der 
Prälaten, Ritter und Städte (da die meisten dieser Landesverweser eben aus 
dem Herrenstande waren) geschehen sei, und wählten auf einem Landtage zu 
Wien eine andere Regierung von zwölf aus den vier Ständen genommenen 
Amtsmännern, deren Vorstand der ränkesüchtige Ulrich von Eitzing war. An 
Rudiger's standhaftem Sinne scheiterten sowol die Drohungen als die Schmeiche- 
leien der Stände. Treu seinem Kaiser ergeben, bewies dieser vortreffliche Mann— 
„forti animo et alto consilio vir magni consilii, justi amantissimus et aequi, 
homo pius et justus" — wie der berühmte Geheimschreiber des Kaisers und spätere 
Papst (Pius II.) Aeneas SylviusPiccoloniini und Wolfgang Laz ihn nennen *), seine 
Anhänglichkeit an seinen Landesherrn besonders dadurch, dass er als kaiser- 
licher Rath und oberster Feldhauptmann während der Bürgerkriege wegen der 
Vormundschaft über den Prinzen Ladislaus Posthumus, den Sohn des Kaisers 
Albrecht IL, dio Gegend von Wien am linken Donauufer mit seinen Truppen 
besetzte und verwüstete, die Stadt selbst aber wegen ihres Abfalls von ihrem 
rechtmässigen Regenten mit einer Belagerung bedrohte, so dass die in Schrecken 
gesetzton Bürger Geld und Kleinode in unterirdische Gewölbe und verborgene 
Oerter vergruben, weil sie nichts Gewisseres als die Eroberung der Stadt 
befürchteten. Allein , obwol Rudiger nach Erlangung mancher Vorteile bis 
an die grosse Donaubrücke vorgedrungen war, musste er sich endlich doch 
zurückziehen, ohne etwas Entscheidendes ausführen zu können 8 ). 

Das sehr reichhaltige und interessante Familien-Archiv zu Eferding 
bewahrt eine Originalurkunde, gegeben zu Rom, am 22. Juni 1454, kraft wel- 
cher vier Kardinäle auf die Verwendung und Bitte Rudiger's, welcher von 



, ) Aeneae Sylvii Historia Friderici III. bei Kollar, II., 335. Wir erwähnen hier, da» 
die Urkunde des Friedens zwischen Friedrich, als dem Vormunde des Königs Ladislaus, und den 
mährischen Standen, ddo. Wien, 25. Marz 1*46, auch Kudiger von Starheraberg mitsiegelte, und 
dass er im nämlichen Jahre unter den Abgeordneten von Wien nach Neustadt gekommen war, um 
im Lager bei Leobersdorf mit Ungarns Uubernator, Johann Hunyady, zu unterhandeln. (Ebead. 
col. 1288 und 1280. Vgl. Kurt, Oesterreich unter K. Friedrich. IV., 1. Tl., 8. 52.) Im Januar 
1447 wohnt« Kudiger einem Landtage zu Korneuburg bei. im November 144S und im September 
1449 zwei Landtagen zu Krems (letzterer wegen der Fortschritte der Feinde an der ungarischen 
Grenze), und zwar auf den beiden letzteren unter den ständischen Ausschüssen, welche für 
die Dauer der Berathungen gewählt wurden. 

») F u g g o r's Khrenspiegel des Erzhausee Oesterreich, herausgegeben vou Birken. S. 5». 



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273 



ihnen mit dem Titel „Magnificus et potens dominus Rudigerus de Starhem- 
berg Baro u beehrt wird, für soino Kapelle des heiligen Laurenz und 
Stephan zu Schönbühel einen Ablass erteilen 1 ). Der heilige Stephan als 
zweiter Kirchenpatron dürfte sich wol auf die Bischöfe von Passau als gewe- 
sene Besitzer dieser Herrschaft beziehen, da der Dom zu Passau und viele von 
diesem Hochstifte gegründete Gotteshäuser dem genannten ersten Blutzeugen 
(Protomartyr) des Christentums geweiht sind. Auch St. Laurenz gehört zu 
den ältesten Patronen österreichischer Kirchen, wio von Lorch oder Enns, 
Ips u. 8. w. 

Nach Beilegung dieser verderblichen Unruhen und Fehden nam der 
aus der Vormundschaft seines Oheims befreite Ladislaus, König von Ungarn 
und Böhmen, den Rudiger von Starhemberg, welcher schon des Prinzen 
Kämmerer gewesen war, im Jahro 1455 unter seine Räthe auf und erliess 
aus Wien ddo. 22. März dieses Jahres den Auftrag an alle seine Mauthner, 
Zöllner und Amtleute, denselben und dessen Vettern Ulrich und Hanns 
Gebrüder bei. der von seinen Vorfahren ihnen erteilten Zollfreiheit der in 
ihre Burgen zu führenden Nahrungsmittel und anderer Notdurft zu be- 
lassen a ). Ferner fertigte der König Ladislaus ddo. 6. und 7. September 1456 auf 
dein Schlosse zu Pressburg drei Urkunden zu Gunsten Rudigers, deren Inhalt 
uns die Bestätigungsurkunde des Kaisers Friedrich, ddo. Wien, 10. Decem- 
ber 1460, bekannt giebt, welcher dieselben wörtlich eingeschaltet sind. Zuerst 
verleiht Ladislaus am 6. September seinem Rathe Rüdigor von Starhemberg 
wegen dessen dem Könige Albrecht II. (respective V.) und dessen Sohne, dem 
Könige Ladislaus, geleisteten unverdrossenen Dienste „das lanndtgericht, 
das man vortzeiten bei dem von Meissau gen Wolfstain gehandt vnd yetz 
vnnser getrewer lieber Jorg Sewsenegker vnnser rat innhat, auf sein vestn 
zu Schonnpuhl vnd zu Gerolting vnd all grünt vnd güter, so darzn 
gehörn mitsämbt den drein gütern und grünten, die er mit dem prior zu 

Aspach ausgewechselt hat. Also daz er vnd sein erben das nu fur- 

bazzer (nun forthin) auf den bemelten seine vestn haben, pranger vnd goricht- 
stat mag lassen machen vnd aufrichtten, vnd all Sachen, die das bluet borürn 
mag hanndln vnd richten lassen." — Laut der zweiten Urkunde, ebenfalls 
vom 6. September, verschreibt und giebt der König Ladislaus dem Rüdiger 
von Starhemberg das landesfürstliche üngeld zu Wolgorstorff (Wolkersdorf 
im Viertel unter dem Mannbartsberge) von allem feilen Wein, Meth und Bier, 
so man daselbst vom Zapfen ausschänkt, dagegen sollen die zwölf Schilling 
Pfennige Geldes Marktrecht, so man järhlich dem Benannten von Starhera- 
berg und seinen Erben aus dem landesfürstlichen Ungelde zu Neuburg- 
Markthalben (Korneuburg) zu geben schuldig gewesen ist und gegeben hat, 
ledig sein. — Die dritte Urkunde, einen Tag später (7. September) gegeben, 
bestätigt dem Rüdiger von Starhemberg die von seinen Vorfahren und von 
ihm selbst von den den österreichischen Landesfürsten gehabte fürstliche 
Freiung zu seinen Schlössern Schonnpuhl und Arbaispach (Arbesbach 



«) Notizenblatt, Beilage zum Archiv n. s. w. 1852. S. 326. 

*) In der RestätigungBurknnde, welche Kaiser Friedrich ddo. Wien, 10. Decemher 1460 
über dieses Mauthprivilegium dem Rüdiger von Starhemberg gab, ist auch die früher erwähnte 
Urkunde rom Jahre 1241 in deutscher UeberBctzung infleriert. Chmel'« Materialien zur österr. 
Geschichte, II. Bd., S. 839-230. Lichno wsky V. Tl. Kegosten Num. i960. 



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274 

im Viertel ob dem Mannhartsberge) innerhalb folgender, in den jährlichen 
Pantaidungen angegebenen Grenzen: „Item zu Schönpühel von dem Tem- 
pach, der Tunaw nach abbertz vntz (bis) in den nideru Maurtalpach, vnd 
denselben baiden gemerken an yder (jeder) seiften anfwärtz vntz zu der pharr 
gen Gerolting was dazwischen ist vnd alsuerr (soweit) die güter vnd grünt 
daselbs zu Gerolting geent" (gehen) 

Im Jahre 1457 schickte ihn Ladislaus mit dem Bischöfe Ulrich von 
Passau, Oswald von Eitzing und mehreren andern Deutschen, begleitet von 
einem prächtigen Gefolge zahlreicher Adeligen aus Böhmen, Ungarn und 
Oesterreich, nach Frankreich, um die Prinzessin Margaretha, des Königs 
Karl VII. Tochter und Braut des Ladislaus, nach Oesterreich zu fuhren; aber 
der inzwischen erfolgte plötzliche Tod dos jungen Bräutigams (am 23. November 
1457) vereitelte den Zweck einer so ungemein glänzenden Gesandtschaft 2 ). 

Rudiger von Starhemberg trat nach seiner Rückkehr wieder in die Dienste 
des Kaisers, welcher 1468, ddo. Neustadt, am Samstage vor St. Pauls-Tag, 
ihm, ferner dem kaiserlichen Feldhauptmanno Ulrich von Grafeneck und dem 
Wolfgang Ruckendorfer als kaiserlichen Räthen die Vollmacht Obertrug, in 
den Streitigkeiten zwischen dem Kaiser und Stephan von Eitzing die Verhand- 
lungen und Ausgleichung nach ihrer Einsicht zu pflegen. Auch von den nieder- 
östorreichischen Ständen erhielt er einen Beweis ihres Vertrauens, indem sie 
bei ihrem Vergleiche, welchen sie zwischen dem Kaiser und dessen Bruder 
Herzog Albrecht VI. über den Besitz der durch den Tod des Königs Ladislaus 
erledigton österreichischen Länder auf dem grossen Landtago zu Tuln (im 
Oktober 1403) zu Stando bringen wollten, als ihro Ausschusse den Abt Johann 
von Melk, den Pankraz Herrn von Plankenstein, und den Marschall Rudiger 
Herrn von Starhemborg erwählten. Am 10. Docember 1465 befand er sich unter 
denjenigen Gliedern des niedorösterreichischen Herrenstandes, welche auf dem 
Landtage zu Korneuburg das Bittschreiben an den Papst Paul II. wegen der 
Heiligsprechung des frommen Markgrafen Leopid IV. (III.) unterzeichneten. 
Noch im Jahro 1476 wurde er mit Wilhelm von Puchheim, Sigmund von 
Eitzing und einigen Andorn von dem Kaiser Friedrich abgeordnet, mit den 
mährischen Edelleuton, welche Oesterreich durch ihre Einfälle beunruhigten, 
einen Waffenstillstand und Frieden zu unterhandeln. 

Mit der beständigen, einflussreichen Sorgfalt für das Wohl seines Vater- 
landes vereinigte Rudigor stets die grösste Thätigkoit für das Beste seiner 
Familie. Von seinen Vettern Friodrich und Stephan. Herren von Hohenberg, 
bokam er im Jahre 1431 das Anwartschaftsrecht auf die Feste und Herrschaft 
Hohenberg, für den Fall, dass sio ohno männliche Erben sterben sollten, 
dagegen er ihnen auf gleiche Weise sein im Jahro 1423 von dem Herzog 



') Ebond. Soito 230—232. Lichnowsky, VI. Tbl., Nnm. 2144, 2145, 214fi. Von der Feste 
Gorolding, anf einer Anhöhe in oiniger Enttarnung von diesem Pfarrdorfe, wo man eine sehr 
schöne Aussicht in die Donangegenden geniesst, sind nur wenigo Trümmer noch übrig. Pie 
Pfarre wurde durch Otto von Maissau, den Letzten soines Hauses, welchem auch die in dem 
Landgerichts-l'riTilegium genannte Feste Wolfstein hinter Aggsbach gehörte, an das von seinem 
Bruder Haidenroich oder Haderich gestiftete Karthäuser-Kloster Aggsbach vergabt, üeber du 
Landgericht zu Wolfstein und dessen Inhaber vgl. man Koiblinger's Geschichte von Melk, 
I. Bd., S. 558-659. 

») Gonardi do Koo, Annalos Austriae, deutsche Ueborsotzung, VI. Buch, S. 254. 



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275 



Albrecht V. erhaltenes Schloss Wolferstof (jetzt Wolkersdorf) verschrieb. 
Eben solche Anwartschaft erwarb er durch Friedrich Herrn von Hohenberg auf 
die Hälfte der Feste Kreussbach bei Wilhelmsburg, auf das Schloss Rastbach 
nebst andern Gütern im Jahre 1443 durch seine Verwandte Kunigunde, die 
Tochter Ulrichs von Dachsberg und Witwe Heinrichs Herrn von Potendorf, auf 
8000 Pfund schwarzer Wiener-Pfennige, die auf ihren Gütern Ulrichskirchen, 
Pillichsdorf und Kranichberg versichert wurden; und im Jahre 1470 vermachte 
Bernhard von Tirnstein ihm und seinem (Rudigers) Enkel Georg die 
Anwartschaft auf die Vesten Wolfstein und Külb. Kaiser Friedrich erhob aus 
Gnade für den Besitzer Rudiger das diesem gehörige Dorf Stäteldorf 1460 zum 
Markte. Von den Freiheitsbriefen, wolche Rüdiger für sich und für Schönbühel 
gewann, wurde schon im Vorausgehenden gesprochen. Nebst den inserierten 
drei Urkunden des Königs Ladislaus bestätigte der Kaiser Friedrich in seiner 
Urkunde vom 10. December 14C0 dem Rudiger von Starhemberg zugleich die 
ihm und seinen Vorfahren bei dem Steinbruche unweit Dachsberg, wo man 
Mühlsteine brach, gehabte Freiung. 

Während Glück und Ruhm den Unternemungen dieses thatkräftigen Mannes 
fast immer zur Seite giengen, bereitete ihm aber das Schicksal im Kreise seiner 
Familie manche trauervolle Stunde. Er musste alle seine Kinder überleben, 
womit ihn seine Gemahlin Christina, geborne Herrin von Puchheim, erfreut 
hatte.' Vier Söhne und zwei Töchter wurden noch in ihrer Jugend eine Beute 
des Todes; die jüngst« Tochter, Margaretha, zwar an Reinprecht Herrn von 
Walsee, den letzten Sprössling einos höchst angesehenen alten Geschlechtes, 
vermählt, wurde ihm schon 1462 durch den Tod entrissen, nachdem sie eine 
Tochter, Barbara, geboren hatte; der jüngste Sohn, Rudi gor, welcher 1470 
als Rechtsbeisitzer bei dem Landmarschallsgerichte zu Wien gelesen wird, starb 
1470, den einzigen Sohn Georg hinterlassend, welchen er mit seiner Gemahlin 
Margaretha, gebornen Herrin von Potendorf, erzeugt hatte *). Auf diesem zarten 
Sprossen ruhte nun des Grossvaters ganze Hoffnung. Daher übertrug er schon 
1476 die treue Vormundschaft über denselben dem Peter Ochsenbeck, Pfleger 
zu Wolgersdorf, und dem Hanns Kuttenbaum, und traf für den Fall, dass 
Georg seine Mündigkeit nicht erreichen sollte, Fürsorge in Betreff des Familien- 
vermögens. Nach einem langen, mühe- uud gefahrvollen, aber auch thatenreichen 
Leben, schied Rüdiger am 24. Juni 1480 aus demselben, im folgenden Jahre auch 
sein achtzehnjähriger Enkel Georg, mit welchem die Nachkommenschaft des 
oben erwähnten Gundakar von Starhemberg erlosch und ihre Besitzungen an 
den von Kaspar abstammenden Zweig dieses Hauses gelangten. 

Schönbühel wurde jetzt eine Besitzung des Balthasar von Starhem- 
berg, welcher ein Sohn Ulrichs des Aelteren von Starhemberg und seit 1440 
Domherr zu Passau war, und laut Urkunde ddo. Passau, am Pfingsttag vor 
St. Simons- und Judas-Tag (24. Oktober) 1493, seine Schlösser Pirhenstein, Schön- 



») Am 84. Februar 1470 wurde zu Wien durch den Oflicial des Passauer-Consistoriume, Alexius 
Tamar, ein Zeugenverhör vorgenommen, nm entscheiden zu können, ob der minderjährige Georg 
von Starhemberg, Sohn des von Johann Sways von Sabaratko bei der Belagerung des Schlosses 
Kaka gefangenen und gegen eine Zusicherung von 12.000 ungarischen Goldgulden losgelassenen 
Rüdiger von Starhemberg des Jüngern, zur Erlegung des Lösegeldes verpflichtet sei. (Kurz, 
Oesterreichs Militarverfassnng, 8. 425.) Wie das Jahr 1170 und des Jüngeren Sterbejahr 147*; 
ohne Widerspruch zu vereinigen seien, wissen wir nicht anzugeben. 

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276 

» 

bühel und Liebenstein mit ihren Zugehörungen, auch seine drei Aemter bei 
Freistadt, dazu aus seinen Weingärten in Oesterreich unter der Enns zwei Drittel 
des Weinwachses, sein Spital zu Ottensheim, sein Haus zu Freistadt u. b. w. 
seinen nächsten Verwandten Bartholomäus, Ludwig und Gregor, Söhnen 
des Hanns von Starhemberg und Enkeln des Kaspar von Starhemherg, eingab, 
damit sie diese Güter geniessen, ihm davon auf seine Forderung Geld, Wein, 
Getreide oder andere Bedürfnisse zu jeder Zeit geben, nach seinem Tode aber 
als seine nächsten und natürlichen Erben, ihm im Besitze dieser Güter folgen 
sollten. Die Urkunde ist mit seinem und den Siegeln der Zeugen, des Bischofs 
Christoph von Passau und des Ritters Andreas von Schwarzenstein zu Engel- 
burg, bischöflichen Pflegers auf St. Georgenberg ob Passau, bekräftigt. Er 
starb 1494 und liegt im Dom zu Passau in der von ihm erbauten Kapelle 
begraben. Bartholomäus von Starhemberg, geboren 1459, des Hanns 
von Starhemberg ältester Sohn *), bewahrte gleichfalls den Ruhm der Ergebenheit 
für den von so Vielen verlassenen und befehdeten Kaiser Friedrich. Nachdem 
er 1482 von demselben die Ernennung zu seinem Rathe, 1486 zu Aachen bei 
der Krönung des römischen Königs Maximilian den feierlichen Ritterschlag 
erhalten hatte, diente er im Kriege gegen den König Mathias von Ungarn and 
war 1490 kaiserlicher Feldhauptmann in dem damals vor Melk zusammen- 
gezogenen Lager. Hierauf wohnte er 1493 dem feierlichen Leichenbegängnisse 
des Kaisers Friedrich bei und trug den Wappenhelm des Landes unter der Enns *). 
Die Gnade, welche Bartholomäus bei dem verstorbenen Kaiser genossen hatte, 
wurde ihm auch bei dem Sohne Maximilian I. zu Teil, der ihn 1507 unter die 
Räthe und Regenten der niederösterreichischen Lande (niederösterreichischen 
Regierungsräthe) aufnam. Nach dem Tede dieses Kaisers (1519) unterfertigte 
er die von den Ständen des Landes ob der Euns zu Linz entworfene provi- 
sorische Landesordnung, gieng dann mit seinem Sohne Hanns, beide von den 
Ständen abgesandt, zu den Erzherzogen Karl und Ferdinand nach Spanien 
und wurde 1526 der erste Verordnete des Herrenstandes ob der Enns. Seine 
Güter vermehrte er mit dem Amte Anzenbach, das er von Barbara, gebornen 
Herrin von Walsee, der Witwe des Grafen Sigmund von Schaunberg, erhielt 
Ebendieser Bartholomäus war auch einer der ersten aus dem österreichischen 
Adel, welche sich zur protestantischen Lehre bekannten. Schon im Jahre 1524 
schrieb ihm Dr. Martin Luther einen Brief, worin er ihn über den Tod seiner 
Gemahlin Magdalena, gebornen Herrin von Losenstein, mit aus der Bibel 
geschöpften Gründen tröstete, aber ihn zugleich ermahnte, keine Vigilien und 
Seelenmessen für sie halten zu lassen, weil diese nur eine Erfindung gewinn- 
süchtiger Mönche wären 3 ). Der Witwer folgte ihr in hohem Alter im Jahre 

») Nach Schweickhardt (V. 0. W. W. VII. 172) folgte den Brüdern Kaspar Uta 
Grandakar von Starhemberg (1396) als Besitzer von Schön bühel „im Jahre 1496 Johann tob 
Starhemberg, im Jahre 1474 dessen Sohn Lndwig, im Jahre 1542 Erasmus" n. s. w. Offenbar 
ist hier wenigstens in den Jahreszahlen ein Irrtum, vielleicht auch in den Namen; beide scheinet 
ans dem niederösterreichischen Gültenbache genommen zu sein, welche aber, hinsichtlich d*r 
älteren Güterbesitzer erst in neuerer Zeit aufgezeichnet, nicht überall mit kritischer Beurteilon* 
der vorliegenden yuellen zusammengestellt sind. Aus Mangel der nötigen Daten müssen leider 
diose hier erhobenen Zweifel ungelöst bleiben! Das noch zu wenig bekannte Archiv zu Riedeck 
könnte die sichersten Aufschlüsse geben. 

*) Fugger's Ehrenspiegel, Seite 1077. 

») Lutheri Opera. Edit. Altenburg. T. II., p. »03. - „Wandalina" (Wendeline), eine 
Tochter des Bartholomäus von Starhemberg, mit Jobst von Rosenberg verehlicht, starb am 



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277 

* 

1631 in die Gruft, sein jüngerer Sohn Erarmua, geboren 1503, Herr zu 
^Wildberg ob der Enns, war im Besitze von Schönbühel und anderer väterlicher 
<iüter •). 

Mit Uebergehung des Ludwig von Starhemberg, welcher jmit seinen 
Brüdern Bartholomäus und Gregor an dem Genüsse der Renten teilnam und von 
Schweickhardt in seiner lückenhaften Reihenfolge der Besitzer von Schön- 
bühel mit der jedenfalls unrichtigen Jahreszahl 1474 erscheint, wenden wir 
uns zu Erasmus von Starhemberg, Herrn zu Wildberg, geboren 1503. 
welcher als des Bartholomäus jüngerer Sohn nebst andern Gütern auch Schön- 
bühel' erbte, aber als Inhaber dieser Herrschaft erst 1542 im ständischen 
Gültenbuche aufgeführt wird. Bei der Belagerung von Wien durch die Türken 
im Jahre 1529 eilte er mit einer trefflichen, auf eigene Kosten geworbenen 
Mannschaft zur Befreiung der hartbedrängten Stadt herbei und bekleidete 
später verschiedene Aemter als Bath Ferdinands I., als Verordneter der Stände 
ob der Enns (1536 und 1553), als Ausschuss derselben bei den 1547 zu 
Steier und zu Wien 1555 und 1556 gehaltenen grossen Versammlungen der 
Landstände von Oesterreich ob und unter der Enns, wie auch von Inner- 
Ö8terreich. Er bekannte sich nach dem Beispiele seines Vaters zur protestan- 
tischen Confession, starb 1560 und erhielt seine Grabstätte zu Helmonsöd im 
Lande ob der Enns, dessen Diensten er sich so eifrig gewidmet hatte. Zuerst 
im Jahre 1530 mit der kaum siebzehnjährigen Anna, der Tochter des Grafen 
Georg von Schaunberg und der Genovefa, gebornen Gräfin vonArch, vermählt, die 
ihm siebzehn Kinder gebar und mit dem achtzehnten 1551 ihr Leben verlor, 
brachte er durch diese Verbindung vermöge des Erbrechts einen grossen Teil 
des Besitztums der im Jahre 1559 (12. Juni) mit Wolfgang, einem B uder 
der Anna, ausgestorbenen, hochberühmten, reichen und mächtigen Grafen von 
Schaunberg an die Familie von Starhemberg , und zwar an seine Söhne, 
während einen andern Teil der gräflichen Güter die Herren von Lichtenstein 

28. Januar 1530 und ist zu Hohenfurt in Böhmen begraben. (Monumenta Altovadensia in J o n- 
gelini Notitiae Abbatiarum Ordinis Cisterc. Lib V. p. 15.) 

>) Eine Nachricht, aus der Zeit bald nach Rüdiger'» des Aelteren Tode, deren Beziehung 
zur Geschichte Ton Schönbubel uub dunkel geblieben ist, mag hier zur Aufhellung durch künf- 
tige Forscher Platz finden. Hanns Kutnbaum, Pfleger zu R&potenstein, schreibt ddo. Kapoten- 
«tein, 38. December 1481, dem Edlen Hanns Mürfinger, Pfleger zu Neusiedel, der Kaiser habe ihm 
befohlen, .meinem gnedigen herrn, herrn Vlrichen sein pruedern vnd vettern Ton Starhemberg 
das geslos Kappotenstain abzwtretnn, dergeleichen westein n peiden phlegern so mir gelobt sein 
darob zu sein auch abzwtretnn, das dann der Wisenndorfer zu Schonnpuchl vnd 
Aufhauser phleger zu Anbaspach auf in swnnder schreiben, so sy haben von vnnsenn herrn 
Kaiser, getann haben, ich hab sew auch ir gelüb, damit sj mir gelobt Bein, ledig gesagt.* 
Kutnbaum (Kwtnnpawm) bittet also den Mürfinger, er wolle den genannten Herren Ton Starhem- 
b«rg ohne fernere Weigerung und Irrung auch Neusiedel abtreten und ihr Hab und Gut darin 
•inantworten; „so ir das getan habt, so sag ich ew der gelüb, damit ir gelobt seyt, ganntz ledi g 
wann (weil) ir woll wist, das der twrnn zw New6ydll insannderhait nyemant verschribenn ist 
wann mein alter herr das vnd anndre gesloBsen hab vnd gut mein herrn von Starhemberg in sein 
geschafft geornndt vnd gemaindt hat." (Chmel's Materialien zur österr. Geschichte, II. Bd., 
8. 856, mit der unrichtigen Inhaltsangabe (S. 417): „Schreiben des Hanns Kutnbaum, Pflegers zu 
Kapotenstein, an den Pfleger zu Neusiedel über die Abtretung des Schlosses Kapotenstein.« 
Nicht von dieser Feste, sondern von Neusiedel ist hier die Hede, welches auf kaiserlichen 
Befehl, Kraft eines Geschäftes, d. h. einer letztwilligen Anordnung oder eines Testamentes des 
letztverstorbenen Besitzers, zu Gunsten der Herren von Starhemberg geschehen soll. — Wenigstens 
lehrt uns dieses Schreiben einen Pfleger Namens Wiesendorfer zu Schönbühel im Jahre 1481 
kennen. Andere aus älteren Zeiten werden wir in der Folge aufführen. 

20 * 



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278 



erbten, weil Wolfgang von Lichtenstein die Schwester des Grafen von Schaun- 
berg, Namens Genovefa, zur Ehe hatte. Unter den an die Herren von Star- 
hemberg gekommenen Gütern war damals auch die Burg und Herrschaft 
Eferding, und seit 1560 wurde auch das ganze, vierfeldige Wappen der Grafen 
von Schaunberg mit dem Starhembergischen vereinigt, so dass dieses Stamm- 
wappen den Mittel- oder Herzschild bildet. 

Nach dem Tode seiner ersten Gemahlin verehelichte sich Erasmus 1553 
mit Regina, der Witwe des Grafen Johann von Schaunberg und Tochter des 
Sigmund Ludwig Freiherrn von Polheim, welche 1572, ohne ihm Kinder geboren 
zu haben, ihr Leben beschloss, nachdem ihr der Gemahl bereits 1560 in das 
Jenseiti vorangegangen war. 

Laut des am 7. Juni 1562 zwischen Rüdiger Von Starhemberg und seinen 
Brüdern Gundakar, Heinrich, Gregor und Erasmus errichteten Teilungslibells 
wurden alle ihre Erbgüter in fünf Teile geschieden, in den Schönbühler- und 
Stätteldorfer-, in den Wildberger-, Riedecker-, Arbesbacher- und Losensteiner- 
Anteil, wodurch die Herrschaft Schönbühel an den dritten Sohn des Erasmus r 
nämlich Rüdiger, geboren 1534, fiel. Er war kaiserlicher Rath und bewies 
sich als einen übereifrigen Protestanten, und zwar als einen Anhänger der 
bekannten Flacianischen Partei, welche so viel Streit, Unruhe und Aergernis 
unter ihren eigenen Glaubensgenossen hervorrief. Er hatte zu Eferding, auf 
welcher Besitzung er sich gewöhnlich aufhielt, drei Prediger mit einer Schule 
und stellte bei allen seinen Patronatspfarreu , so auch zu Schönbühel, 
protestantische Geistliche an, wie uns R a u p a c h in seinem „evangelischen 
Oesterreich" berichtet. Auf einem Landtage zu Linz im Jahre 1576 entschied 
die Ständeversammlung auf die Beschwerden, dass Rüdiger von Starhemberg 
in der Kirche zu Eferding die Altäre herausbrechen lasse und den Doktor 
Cölestin (einen Flacianer) bei sich beherberge, ihm zu schreiben, dass er von 
dieser Neuerung abstehen und den genannten Doktor zur Ablegung seines 
Glaubensbekenntnisses zu dem für die Schlichtung der Religionsangelegenheiten 
in Linz bestellten Geistlichen senden sollte. Am 6. Juni 1576 kam Maximilian 
II. mit der Kaiserin, zwei Prinzen und Priqzessinen, mit der Königin von 
Frankreich und einem grossen Hofstaate in Linz an und begab sich am 
7. Juni Morgens nach Eferding, um von da aus in Eile zum Reichstage nach 
Regensburg abzureisen. Der Gutsherr Rüdiger vergieng sich in seinem über- 
mässigen Glaubenseifer so weit, dass er durchaus nicht zugeben wollte, bei 
der Durchreise durch sein Gebiet in den ihm gehörigen Kirchen katholischen 
Gottesdienst zu halten, und es wird uns dieses von einem glaubwürdigen Zeit- 
genossen, von Magister Thomas Spindler, evangelischem Landschaftsprediger 
zu Linz, in der dem Rüdiger von Starhemberg gehaltenen Leichenrede erzählt x ). 
Rüdiger war mit Helena, gebornen Zäckl, der Witwe des Freiherrn von Pögl, dann 
mit Ottilie, der Tochter Karls, Erbschenken und Reichsfreiherrn von Limburg, ver- 
mählt und starb am 10. December 1582. Seine sechs Söhne : Paul Jakob, Gotthard, 
Ludwig, Bartholomäus, Martin und Erasmus gleichen sich durch Teilungs- 
vertrag, ddo. Eferding, 1. Januar 1587, über die väterliche Verlassenschaft aus, 
wodurch Paul Jakob Schönbühel, Ludwig Albrechtsberg an der Bielach. 

1 ) Oberleitner, die evangel. Stände im Lande ob der Enns unter Max II. nnd Kudolf IL 
Wien 1862, B. 31—32. Die erwähnte Leichenpredigt ist gedruckt zu Tübingen 15S4, in Qnarto. 
and das oben daraus Erzählte steht S. 31. 



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279 

Martin Peuerbach u. s. w. bekamen *). Doch haben auch seine Brüder Schön- 
bühel, aber bloss in ihrem Titel geführt, daher sie nicht unter den Besitzern 
dieser Herrschaft im ständischen Gültenbuche vorkommen 9 ). 

Bevor wir uns mit Paul Jakob beschäftigen, nemen die Schicksale seines 
Bruders Ludwig unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Dieser zweite Sohn 
aus Rudigers erster Ehe, geboren 1564, welcher in Schriften der Pfarre Melk 
als Herr zu Schönbühel und 1016 in einem von ihm gegebenen Gewähr- 
auszuge als „Ludwig Herr von Starhemberg, Herr zu Schönbühel, Obernbielach, 
Albrechtsberg und Sitzenthal, auf Wolfstein und Gurhof, kaiserlicher Rath 
und Hofkammer-Präsident u gelesen wird, war auch des Kaisers Mathias 
Kämmerer, Verordneter des Herrenstandes unter der Enns, und von 1595 bis 
1600 landesfürstlicher Burggraf zu Steier. Als er daselbst im Jahre 1596 eines 
Türkenkrieges wegen Musterung hielt, erhob sich unter den steierischen 
Herrschaftsunterthanen, deren Gemüter ohnehin seit einem nicht lange vorher 
erregten Aufstande der Bauern noch nicht ganz beruhigt waren, ein Aufruhr 
im Schlosse, wobei es soweit kam, dass zwei derselben mit ihren Hacken 
(Beilen) auf den Burggrafen losschlugen. Nun entstand ein solcher Tumult, 
dass der Stadtrath die Bürgerschaft aufbot und zur Rettung und Verteidigung 
des Burggrafen in das Schloss führte, worauf die Bauern gefangen genommen 
und jene zwei Verwegenen mit dem Schwerte hingerichtet wurden. Als die 
Bauern diese auf des Burggrafeh Befohl ohne alle Rechts-Formalitäten vor- 
genommene Exekution erfuhren, rotteten sich ihrer viele Tausende im Traun- 
viertel zusammen, zogen unter Anführung eines alten Wirtes von Pöttenbach, 
der Täsch genannt, vor Steier und bedrohten die Stadt und das Schloss mit 
einer Belagerung, um an dem Burggrafen und seinen Helfern blutige Rache 
zu nemen. Die ungünstige Jahreszeit des Winters nötigte sie zwar nach fünf 
Tagen wieder abzuziehen und auseinander zu gehen 8 ), allein in der Folge 
gerieth der verhasste Ludwig von Starhemberg auf einer Reise nach dem Lande 
unter der Enns den rebellischen Bauern in die Hände, die ihn sehr misshan- 
delten und hinter dem Wagen angebunden durch den Koth schleppten. 

Ludwig von Starhemberg nam stets einen thätigen Anteil an den 
Staatsgeschäften und an den Angelegenheiten der österreichischen Protestanten 
Ina Jahre 1608 unterzeichnete er als ständischer Abgeordneter die nach Bocskay's 
Tode auf den Landtagen zu Presäburg (1607 und 1608) bewirkte Conföderation 
zwischen Ungarn und Oesterreich zur Aufrechthaltung der in Wien 1606 mit 
Bocskay und den Ungarn geschlossenen Pacifikation und befand sich auch 

') Scbwardling, Geschiente des Hauses Starheinberg, S. 190. 

») Das Jahr, welches Schweickhardt den Namen der Besitzer beisetzt, bezieht sich 
nicht auf den Antritt des Gutes, sondern auf die Anschreibung im Gültenbuche bei den uieder- 
Östorreichischen Ständen; daher manche Gültenbesitzer wegen unterlassener Anschreibung ent- 
weder gar nicht oder mit dem Jahre der vielleicht erst bei einer neuen Veränderung geschehenen 
Anschreibung vorkommen, wie sich aus unzähligen Beispielen bei Seh w eic k h ar d t's Angaben 
beweisen lässt. Dort worden genannt: 1568 Küdiger, 1599 Paul Jakob, 1636 Konrad Bal- 
thasar Graf von Starhemberg durch Kauf von seiner Schwester Anna Maria, Gräfin von Waldstein, 
1686 dessen Sohn Ernst Küdiger, 1702 Konrad Sigmund Anton durch Erbschaft vom Vorigen, 
1733 dessen Sohn Johann Ernst, 1783 Fürst Georg Adam durch Abtretung von seinem Bruder 
Johann Ernst, 1816 dessen Sohn Fürst Ludwig, 1819 Graf Franz von Beroldingen durch Kauf. 

») Weitläufiger erzählt dieses Preuenhuber, Annal. Styrens. (Nürnberg 1740.) S. 315 
bis 316. Der Bauernhauptmann Täsch wurde nach beendigten Unruhen gefangen und am 16. De- 
cember 1599 zu Steier enthauptet. (Ebend. 8. 3*7 ) 



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280 



unter den Bevollmächtigten der drei weltlichen Stände Oesterrrichs zur Unter- 
handlung mit dem Kaiser wegen freier Ausübung der protestantischen Religion 
(1808) >). 

Als nach dem Tode des Kaisers Mathias (f 20. März 1619) die evan- 
gelischen Stände von Oesterreich, besonders im Lande ob der Enns, mit ihren 
Glaubensgenossen in Böhmen sich verbündet und immer kühnere Schritte sich 
erlaubt hatten, zog auch eine im Stifte Melk in Ordensangelegenheiten gehaltene 
Versammlung mehrerer Prälaten ihre Aufmerksamkeit in hohem Grade auf sich, da 
sie von denselben*Anschläge besorgten, die der Religionsfreiheit gefährlich sein 
könnten. Als sie ihre Hoffnung einer Vereinigung mit dem böhmischen Grafen von 
Thum durch Bucquoi's siegreiche Unternemungen vereitelt, sahen, brachten 
sie unter dem Vorwande der Vaterlandsverteidigung eine grosse Anzahl 
Soldaten zusammen, setzten sich in den Besitz von Linz, Enns, Mauthausen, 
Ips, Persenbeug und Pechlarn, und wollten nun auch das Stift und den Markt 
Melk in ihre Gewalt bekommen. Beinahe fünf Wochen dauerte die Belagerung 
unter der Anführung Ludwigs von Starhemberg; aber alle Angriffe und Auf- 
sforderungen der verbündeten Stände wurden mit ebensoviel Standhaftigkei 
eis Tapferkeit abgewiesen. Die Annäherung des kaiserlichen Generals Bucquoi 
auf dem jenseitigen Ufer der Donau und das Gerücht, dass der Herzog von 
Baiern ihren Rücken bedrohe, hatte endlich .die Aufhebung der Belagerung 
zur Folge. Nachdem die ständischen Truppen ihr Lager vor Melk verbrannt 
hatten (20. December 1619), zogen sie sich nach Schönbühel herab, wo sie 
sich durch aufgeworfene Gräben zu sichern und zum Widerstande zu rüsten 
gedachten, aber durch die kaiserliche Besatzung von Melk — die Wallonen — 
verfolgt, aus den Verschanzungen getrieben und zu schmälicher Heimkehr 
gezwungen wurden *). Des Majestätiverbrechens schuldig erklärt, büsste Ludwig 
von Starhemberg mit seinem Bruder. M artin s ) und noch andern Herren des 
österreichischen Adels die eifrige Teiluame an der Sache der böhmisch-öster- 
reichischen Protestanten und die dem schwer beleidigten Kaiser Ferdinand II. 
verweigerte Erbhuldigung mit der Landesverweisung und mit dem Verluste 
seiner Güter 4 ), wovon Bielach an die Abtei Melk, Wolfstein mit Gurhof an 
das Stift Göttweig, Albrechtsberg und Sitzenthal an Johann Ruprecht Hegen- 
müller von Dubanweiler gelangte. 

Schönbühel wurde nicht, wie es mit Bielach, Albrechtsberg und den 
benachbarten Schlössern Schallaburg und Zelking geschah, von den Wallonen 
besetzt, sowol aus Rücksicht auf den Besitzer Paul Jakob, welcher wegeis 

») Ebend. S. 333—335 und S. 337. 

*) Schramb, Chronicon Mellicense, pag. 715—731, verglichen mit handschriftlich« 
Notizen von Melk. Keiblinger's Geschichte von Melk, I. Bd., S. 854— S61, und IL. Bd., S. 22i 
bis 236, wo Schramb's Nachrichten berichtigt und bereichert gegeben wurden. 

3 ) „Martin Herr von Starhemberg auf SChönbnhel* kam den 1. Juni 1609 in den nieder- 
ÖBterreichischen Kegimentsrath (wurde Regierungsrath) und blieb darin bis zum Tode des Kaisen 
Mathias 1619. Seino Devise war: „Gott schick'* zum Besten!" ( Notizen blatt Beilage zum Archiv 
u. s. w. I. Jahrg. 1851, S. 244.) Dass auch der Bruder Gotthard den Titel von Schönbaktl 
führte, ist aus Haupach's Werke (.Evangelisches Oesterreich") ersichtlich, wo unter den Adeb- 
personen, welche der protestanti sehen Religion wegen unter dem Kaiser Ferdinand IL aus^rat- 
derten, Benigna, die Witwe Gotthardt von Starhemberg auf Schönbühel n. s. * 
geborne von Prösing, angeführt wird. 

«) Ludwig fand sein Lebensende und Grab 1620 zu Znaim in Mähren, wo er sich wahren* 
seiner Verbannung aus Oesterreich aufhielt. (Preuenhuber, S. 378— 379.) 



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281 

seiner bewiesenen Mässigung solche Schonung verdiente, als auch auf die 
wirksame Verwendung einflussreicher Freunde bei Hofe; wie denn derselbe 
1620 urkundlich als Eigentümer dieser Herrschaft gefunden wird 1 ). 

Zu Wien, am 17. September 1587, bekennt Paul Jakob, Herr von Starhemberg 
und zu Schönbühel, des Erzherzogs Mathias zu Oesterreich Kämmerer, dass 
ihm Helmart Jörger zu Tollet, Khöppach und Zägging, Freiherr von Kreuss- 
bach, kaiserlicher Rath und niederösterreichischer Hofkammer-Präsident, 3000 fl. 
rheinisch auf Ein Jahr lang gegen 7 Perzent geliehen, wogegen er verspricht, 
dem Gläubiger die zwei Aemter Niederschönbühel und Freindorf am 
Tulnerfelde eigentümlich zu überlassen, wenn die Schuld nicht binnen Jahres- 
frist bezahlt würde. Bezahlt er aber dieselbe und verkauft er dann die Güter 
weiter, so soll Jörger das Vorkaufsrecht haben. Wirklich hat Paul Jakob ddo. 
Wien, 23. März 1589, seinem „lieben Herrn Schwager" Helmhart Jörger seine 
zwei eigentümlichen, unbelehnten Aemter Niederschönbühel und Freindorf 
sammt den ünterthanen, Burgrechtdienst, Fischwasser, Dorfobrigkeit und 
sonstiger -Zugehör, wie es das Urbar vom nämlichen Tage ausweiset, um 5300 
rheinische Gulden verkauft. Laut Reverses, ddo. Wien, 18. Juni 1589, erklärt 
Helmhart Jörger, dass Paul Jaltob von Starhemberg und zu Schönbühel ihm 
die zwei Aemter Niederschönbühel und Freindorf verkauft habe, dass aber 
Mehreres, z. B. eine Au zwischen den ünterthanen von Niederschönbühel und 
Herrn von Puechhaimb streitig sei. Starhemberg habe zwar auch für die 
streitigen Dinge Schirm und Gewähr geleistet; was jedoch ausser der streitigen 
Au und Wildbann Jörger nooh von ihm erkauft hat, dafür soll der Verkäufer 
dem Käufer zu Schirm und Gewähr verbunden sein. — üeber diese streitigen 
Gegenstände — Au, Wildbann und Fischwasser — wurde zu Wien am 
20. December 1589 zwischen dem Freiherrn Helmhart Jörger und Hanns 
Christoph Herrn von Puechhaim zu Göllersdorf und Aigen, kaiserlichem Rathe 
und Regenten der niederösterreichischen Lande, ein Vergleich geschlossen, 
kraft dessen die streitige Au, der Schönbühler-Haufen oder das Rottholz 
genannt, samrat AJlem, was etwa noch angeschwemmt würde, innerhalb der 
Besitzesgrenze Jörgers und Puechhaims, ebenso der Wildbann und das Reiss- 
gejaid auf dieser Au dem Freiherrn von Jörger bleiben, rticksichtlich des 
Fischwassers auf der Donau es bei der bisherigen Grenze, welche stets die 
Mitte der Naufahrt bilden wird, verbleiben sollte. — Susanna, Frau von Star- 
hemberg, geborne Herrin von Rappach, giebt als erste Satzgläubigerin ihres 
Gemahls Paul Jakob Herrn von Starhemberg, ddo. Wien, 10. December 1593, 
ihre Einwilligung, dass derselbe, obwol er in Betreff ihrer Heirathsansprüche 
und ihres mütterlichen, ihm zugebrachten Erbgutes ihr mit Verschreibung 
vom 16. September 1588 all sein Hab und Gut verpfändet hatte, von seinen 
Gütern die zwei Aemter Niederschönbühel und Freindorf am Tulnerfelde und 



') Aus einem Briefe de8 Kainer von Landau, (Stiftspriors zu Melk, an seinen Abt Kaspar 
nach Wien, vom 26. December 1819, fiber die Aufhebung der Belagerung ton Melk und die 
Ereignisse hernach erfahren wir, dass Schönbühel nicht wie die obengenannten Schlösser, welche 
damals Protestanten gehörten, von den Wallonen besetzt wurde; denn er schreibt: „Schönbühel 
ist gelassen worden auf die Intercession Herrn Christophs Teuffels." (Stiftsarchiv zu Melk, 
Scrin. 84, Fase. 3.) Dadurch entgieng es der Plünderung, welche die Nachbarn erlitten; Albrechts- 
berg wurde auch abgebrannt, welcher Unthat man die Wallonen beschuldigte. Von Sitzenthal, 
WolfBtein und Gurhof geschieht in den vorhandenen Berichten keine Erwähnung. 



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282 

einen Unterthan zu Egersdorff dem Freiherrn Helmhart Jörger verkaufe, und 
verzichtet auf alle ihre Ansprüche zu 'diesen zwei Aemtern *). 

Laut einer in der Kirphenlade der Pfarre Melk abschriftlich vorhandenen 
Urkunde, ddo. Schönbühel, 10. Januar 1594, verkaufte Paul Jakob Herr von 
Starhemberg drei Joch Aecker, bei Melk in der tiefen Strassen gelegen, dem 
Stephan Fuchs, Handeismanne zu Melk. Von seinem Bruder Ludwig erwarb 
er im Jahre 1588 den Hof Schadendorf 3 ) ; am St. Annenberge (an der Strasse 
nach Mariazell) erscheint Paul Jakob von Starhemberg zu Schönbühel, Efer- 
ding und Arbesbach, des Erzherzogs Mathias Kämmerer, am 8. Juni 1592 als 
einer der Schiedsrichter bei einem Streite zwischen der Abtei Lilienfeld und 
Ferdinand von Coucin Freiherrn zu Weissenburg an der Bielach über die Marken 
und Grenzen dieser Herrschaft 8 ). 

Als dos Kaisers Mathias Rath, Kämmerer und Generalkommisär iu 
Ungarn und dreimal Verordneter des Herrenstandes unter der Enns, liess sich 
Paul Jakob (geboren 1560) sowol bei dem genannten Kaiser als bei dessen 
Nachfolger Ferdinand II. die Sache der protestantischen Religion als ihr oft- 
maliger Fürsprecher sehr angelegen sein, aber ohne jemals der seinem Landes- 
fürsten schuldigen Ehrfurcht und Treue zu vergessen, bei dem er seines bie- 
deren Charakters wegen sehr beliebt war. Er war zweimal verehelicht: Mit 
Susanua, gebornen Freiin von Rappach, der Mutter von sechs Söhnen und 
vier Töchtern; dann mit Dorothea, des Freiherru Konrad von Thanhausen 
Tochter und Georg Hartmanns Herrn von Stubenberg Witwe, die ihm noch 
acht Kinder (darunter den Konrad Balthasar) gebar. Paul Jakob starb in einem 
Alter von 75 Jahren im Landhause zu Wien am 24. Oktober 1635 und wurde 
in der Schlosskappelle zu Schönbühel beigesetzt, wo auch seine älteste Tochter 
Helene Sophie aus der ersten Ehe, geboren 1596, unvermählt gestorben 
am 8. November 1618 ihre Ruhestätte bekam. Die Inschrift auf seinem Bild- 
nisse zu Eferding rühmt von ihm : „ Ist ein beliebter Herr gewesen, der alles 
das Seinige in kaiserlichen Diensten aufgesetzef . Selbst die Herrschaft Schön- 
bühel war verpfändet 4 ). 

(Fortsetzung folgt.; 



Die lateinische Bürgerschule zu Wiener-Neustadt. 

Von J. Pölzl. 

(Fortsetzung.) 

Die Schulordnung des Bonnius Volkherus lautet : 

Von den lectionibus des Schuelmeisters. 

Am Morgen von sexe bis auf die mess thut der Schuelmeister ein lection 
in Syntaxi Philippi: darinn er zum ersten die Knaben ausswendig behörr, 
was sie des vorgangenen tags zu exponieren gelernt haben. Darnach list er 

*) Copialbuch im Archiv..- der Herrschaft Judenan, Urkunde Num. 26, 36, 39, 45, 81. 
>) Sc h w e r d 1 i n g , S.-191. Schadendorf ißt in der Pfarre Wiedel bürg, zwischen 
der kleinen Erlaf und der Ips. Es soll wol heissen: Einen Hof zu Schadendorf. 
*) Hanthaler, Kecensus diplom. archirii Gampilit. T. II., p. 269. 

*) Hoheneck, II. Tl., S. 554. Sc h wer dling, S. 2*7, mit dem 8. üktobor als Sterbetag 
der Helene Sophie. 



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283 

inen ein ander lection für und lasst ihnen die gleich nach exponieren. Nach 
der mess bis auf die neune lisst er etlichen, die dar tauglich zu seind, 
Dialecticam Philippi Melanchthonis und repetiert die in gleicher 
mass, wie vor von Syntaxi geredt. Oder wenn es fasttag ist, mag das gesche- 
hen von siben bis auf die iness. Von der zwelfen bis auf eins hören die 
majores fast alle ;musicam. Von eins bis auf zwei lisst der Schulmeister 
Terentium. 

Von 2 bis auf die Vesper Partitiones oratorias Ciceronis. Und 
aber nach der Vesper dieselbig repetiert. Und wenn es aber fasttag ist, dass 
die Vesper um die viere erst anfahet, so mag die lection desto lenger und die 
repetition desto fleissiger vor der Vesper geschehen. 

Anstatt der Syntaxis wird successive etwan genommen werden prosodia, 
etwan Elegantiae Laurentij Vallae; zu jenen auch Hadrianus Car- 
dinalis etc., nach gelegenheit der Zeit und auditoren. 

Anstatt Dialectica Philippi möcht etwan Organum Artis gelesen 
werden, so die auditores darzu tauglich wären. 

Nach dem Terentium möcht auch successive Virgilius, item Ovidij 
Metamorp hoses oder etwas in Graecis gelesen werden. 

Anstatt Rhetoricae lectiouis Partitionem mag man etwan auch lesen 

Authorem ad Heren ni um oder Orationes aliquot Ciceronis. 
■ 

Von den ledtionibus Succentoris. 

Ante meridiem. 

6. Von die sexe biss auff die sibene soll er in Donato erstlich das am 
Vergangenen Tag exponiert ist ausswendig behören, darnach ein ander lection 
exponieren und die interpretation nachhören. 

7. In templo canit. 

8. Nach der mess biss auff die neune soll er Grammati cam Philippi 
majorem interpretieren und dieselbig noch exponieren lassen, aber den ankum- 
menden soll er nur allein das, so in der kleinen Grammatica steht, auss wendig 
lernen lassen. 

12. ümb die Zwölfe soll er acht haben auf der Musik und wo etwan 
der Cantor nit da war, die Knaben etwan in Musicis exercieren. 

Von eins biss auff zwey soll er aber den Knaben ein lectionem in 
Donato geben, in gleicher Gestalt wie vor gemeldt 

Von zwey biss auff die Vesper soll er inen etliche carmina, nachdem 
sie fähig sind, in Catone exponieren und dieselbigen, wie vor von Donato 
gemeldet ist, repetieren. 

Wo er etwas übrig Zeit hat, soll er etwan helfen den Kleinen zu behören 
und latein zu üben. 

Wo er aber |den Donatum etwan aussgemacht hette, *und noch nicht 
Zeit war, dass man Promotiones aut mutationes classium könnt halten, so 
mag er dieweil etwan Colloquia Erasmi sampt Bepetierung des Dunati 
vorhanden nemen, und anders noch ansehen der sach. 

Der Cantor soll nach die Zwölfe ein Stück Musicam exercieren, als dass 
er etwan ein halbe Stund, nachdem es von nöten wird sein, praecepta musicea 
vorlest und darnach mit lieder und muteten zu singen die praecepta übe, alss 



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284 . 



das s er allweg des tags zuvor anzeige u. etwan vorschreibe oder schrifftlich 
mitteile, was sie des andern Tags singen werden. 

Und dieweil an einem Feierabent am aller nötigstem wär, die Knaben 
in dem Gesang des zukünftigen Pests zu üben, deshalben wollen wir dass 
nach Gebrauch der nierer ander schulen dise lection auch an solchen tagen 
gehalten und nicht von der Feierabends wegen aussgelassen werde. 

In diesen zwei classibas sollen sie alle latein reden in und ausserhalb 
der schul, und wo der einer den andern hört teutsch reden, der boII im den 
esel geben, wo aber der Schulmeister zwei mit einander hört teutsch reden 
und einander verschonen, also dasa ein den andern dem Eseltrager nicht wolt 
anzeigen, oder dass einer teutsch redte, dieweil er selbst den 1 esel hette, den 
soll der Schulmeister mit der rueten straffen. 

Es soll auch alle Samstag nach mittag einem jeklichen classi ein argu- 
ment auff teutsch vor gelesen werden, welches sie am montag auff lateinisch 
übersetzt dem praeceptori zeigen sollen. 

Alle Samstag nach der Musik soll ein jegliche classis under sich dispu- 
tieren und soll der, so den Esel hat, ordine ausfragen, einen nach dem andern 
ein frag auffgeben und dem ersten, der feiet, den Esel übergeben, der dann 
weiter umb soll fragen, biss er aber einen andern findt, der im nicht recht 
khann antworten und das soll alss umbgehen, biss der Schulmeister unver- 
sehender sach ein zeichen wirt geben aufzuhören. 

Wer dann diesen Esel hat, der soll in den ganzen wochen öffentlich 
müssen tragen. Und dieser Esel soll heissen der klein disputir Esel. 

Wer zu dieser Disputation gar nicht kumpt, der soll darum mit der 
ruten gebessert werden. Wer aber zu spat kumpt, dem soll man alsbald diesen 
Esel geben, jedoch dass er den, so vil übrig Zeit ist, mit disputiren wieder 
hinweg geben mog. 

Am Pfinstag zu morgen, wo sonnst kain Feirtag in der Wochen ist, 
sollen alle die Kneben auffsagen, was sie die vorgangene Wochen vorher anss- 
wendig gelernt haben und welche dass können, die soll man als bald nach 
mittag spilen gehn lassen. Welche es aber nicht können, die sollen in der 
Schul' gehalten werden biss nach Vesperis und dann wiederumbt behört, und 
welche als dann die Schande nicht erweckt hat, damit sie es dieweil gelernt 
hetten, sondern noch nicht können, die soll man nach ansehen der sach streichen. 

Welche dann erlaubniss zu spilen werden haben, sollen dennocht nicht 
umbher vagieren dörffen, der eine hie auf der gassen und der andere dort 
hinauss ; sondern sie sollen alle ordentlich umb die mittag in die schul kom- 
men und post recitatum catalogum miteinander in der Ordnung aussgehen an 
ein ort, da sie nach der gebür und iren Gefallen etzliche kurtzweil mögen 
treiben. Welche aber daheim zu schaffen haben, die sollen dem Schulmeister 
anzeigen und vor erlaub nemen. 

Wo aber sonnst Feirtage in der Wochen weren, so sollen am Pfinstag 
die lectiones vorgehen wie an andern Werktagen und am feirabendt post unam 
mane auditam lectionem sollen sie anfahen zu recitieren, was sie die vorgangen 
Wochen gelernt haben und was dann vor dem Essen nit aussgricht kann wer- 
den, dass soll darnach um das eine geschehen und darnach das Evangelium 
sequentis festi exponiert werden. 

Die weil aber dann poena retentionis in schola propter sequens festnm 



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285 

khein statt kann haben, sollen die negligentei von dem praeceptori mit der 
ruten gebessert werden. 

In der letzten Classe die Alphabetarii und was noch lesen lernt, die 
sollen am morgen zweymal auffsagen, einmal vor der mess und einmal under 
oder nach der mess. Und dessgleichen auch nach mittag. 

Welche aber nur Buchstaben khönnen u. lesen oder im Donat anfahen r 
die sollen sich unter andern nomenclaturam rernm kauffen und daraus etliche 
lateinische vocabula, vor sie heimgahn, ausswendig lernen, und. die auch 
behalten und wenn sie wieder in die schul kommen, nachzusagen wissen. 

Den kleinern aber mag man etwan zwei vocabula auffgeben, die sieb 
auf einander reimen, damit sie die dester leichter lernen und bass behalten. 
Die kleinen, so nicht singen in der kirchen, sollen ihr Frühstück halten, biss 
die mess anfahet, und darnach ein vatter unsser mit einander betten und 
alsdann früestücken und wem durst darzu drinchen. 

An den Feiertagen sollen die Knaben am morgen umb die sexe alle 
gleichlich in der Schuel zusammen kommen und wenn die predig anfahet, alle 
miteinander in- die predig gehen und an ein ort zusamb sitzen oder stahen T 
da sie Wort Gottes hören können, sich allda züchtig halten, nicht schwazen, 
mutwil treiben, noch von ein ort in das ander lauffen, sondern dem Wort 
Gottes fleissig zuhören. Und damit sie nit ursach haben mutwil zu treiben, 
so sollen die praeeeptores und auch der Cantor (welchem in der Kirchen nicht 
weniger als den andern praeeeptoren ziemt die Knaben in zucht zu halten) 
sich neben inen stellen und acht auff sie haben, wo sie etwan einen Unzucht 
oder mutwill treiben sehen, demselben drewen und warnen und darnach, wenn 
sie wieder in die Schul kummen, nach der Billigkeit strafen. 

Nach der predig sollen der cantor und der succentor die, so singen 
gelernt, ins chor füeren und dieweil die Bürger merertheil umb die neune ehe 
das ampt auss ist, anfahen essen, also dass sie sunst auss Beger vor elven 
einer nach dem andern auss der Kirch lauffen und auch den Kleinern zu kalt 
wird sein im winter so lang in der kirchen zu bleiben, so soll der Schuel- 
meister nach der predig mit denen, so kein singen gelernt haben wider in 
die schul gehen und inen dieweil fragen, ob sie was in der predig gelernt 
haben, ihnen das Evangelium des Fests auff teutsch allesamen vorlesen und 
darnach inen das Vater unser, den glauben und die 10 Gebote ordentlich 
vorbetten und um die neune heimgehen lassen. 

Nachmittag wo kein Fasttag ist, von dem eins biss auff drey soll man 
mit den grösseren, so in classibus, das Evangelium und die Epistel auff latei- 
nisch repetieren und inen auch fragen* was sie am morgen auss der predig 
* gelernt haben. 

Wo aber mit der zeit etliche geschickter wurden und etwas Griechisch 
gelernet hätten, so möcht der Schulmeister denen Evangelium und Epistolam 
auss dem Griechischen auff latein interpretiren. 

In dieser Zeit soll man die Kleinen iren vatter unser, glauben und 10 
gebot lernen und etwan das Evangelium lernen lassen. 

Auch welche schreiben lernen, sollen alle tag ungefer umb die zwey 
iren Schrifft zeigen und darin underweisung empfahen. 

Item alle, so under Schuelers namen der Schul gemessen, als Astanten. 
Mendicanten, Paedagogen und alle andere, so sich sunst der Schuel under- 



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286 

geben, sollen 'zu rechter zeit in der Schnei sein und nicht ausbleiben on 
ehehaffte Ursachen und Urlaub vor von dem Schuelmeister genommen. Wo 
einer dagegen handlet und die Schuel, das Chor, seinen lectionem, disputa- 
tionem oder epistolae lexhibitionem versäumt, soll darumb von dem '.Schul- 
meister mit der rueten gebessert werden. 

Wo aber einer zu spat khumbt, der 6oll am Herd sitzen und das mit 
Fleiss in seiner lection erstatten. Wo er aber sein lection auch nicht khöndte, 
soll er auch nach ansehen der sach mit der rueten gestrafft werden. 

Welche in der Schuel wonen, als astauten und mendicanten, die sollen 
am morgen vor die fünfe* alle gleich auffstan und sollen miteinander das 
vatter unser singen, den glauben und die zehen Gebot recitiren und darnach 
ein jeder modeste seinen studijs obligen, biss die lectiones umb die sexe 
anfahen. Wer aber früer will auffstthen, dem soll es auch zugelassen sein. 

Dessgleichen des abeudts sollen sie umb die neune die thüeren zuethuen, 
und vor den glauben teutsch singen und darnach die zehen Gebot recitieren 
und ein Vatter unser betten und alsdann das liecht ablöschen und alle mit 
einander sich schlaffen legen. 

Und damit solches nicht versaumbt werde, sollen sie einen custoden 
haben, der ein wochen umb die andern ordine soll verwechselt werden, welcher 
vor die fünfe das liecht anzünden und die andern auffwecken soll, dessgleichen 
auch am abendt die neundte stund warnemen, die thüeren zuethuen, Inen 
zusammen ruefen, das vatter unser anheben oder vorsingen, den glauben und 
die zehen Gebot vorrecitieren und darnach das liecht ablöschen soll. Er soll 
auch allwegen zum Tisch und vom Tisch betten. Welcher custos, so er etwan 
sein ampt versäumet, wird er von dem Schulmeister darumb mit der rueten 
oder sunst arbitrarie gestrafft werden. 

Es soll auch ein jeklicher sein khamer sauber halten, sein beth gleich 
nachdem er ausgestanden, richten oder auffmachen, und insonderheit alle 
Samstag ihre Khamer ausswüschen. 

Sie sollen ein Catalogum haben und einer nach dem andern sein woche 
laborator oder cursor sein, welcher durch die gantze wochen den tisch zurich- 
ten, die schüssel und häfen weschen und am Sampstag auch den tisch abreiben 
und die Schuel sampt der praeceptoren khamer ausskheren soll. Aber dieser 
cursor oder laborator soll nicht zugleich custos oder excitator sein, sondern 
sollen von einander geteilte empter sein, damit einer nicht zu sehr beschwärt 
würde. 

Es soll auch kheinem in der Schuel geurlaubt sein ausszugehen und auf 
der Gassen oder sunst umbher zu vagieren nach Irem Gefallen, sondern sie 
sollen nach der lection in Iren Ehamern bleiben und Ire lectiones so sie in 
in der Schuel gehört, repetieren. Wo aber die not erforderte, dass einer etwas 
hette auszurichten, der soll das dem Schulmeister oder welchen er darzu an 
seiner statt verordnen wirt, antzeigen und urlaub nemen. Wo aber einer 
darwider thuen wird, wirt darumb von dem Schulmeister mit der nieten 
gezüchtiget werden. 

Es sollen auch die Bürger und andere Inwohner Ire kinder oder 
verwandten, so bei inen wonen, daheimb darzu haben, dass sie (wo inen sunst 
nichts befolen wirt ausszurichten) zu haim in Iren heusern bleiben und aide 
Ire lectiones repetieren, oder sunst, so sie gar klein weren, daheim 



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X 



28T 

etzliche kurtzweil treiben, damit sie nicht auf der gassen etwan zu bösen 
bueben kommen, üppige, schendliche.wort oder geberden hören, sehen oder 
lernen, oder sunst in geferlichkeit von rössera, wagen, vieh oder ander ding 
khommen. 

Dann einmal doch gewiss ist, dass, wo sie nichts zu schaffen haben, 
auff der gassen nichts guerts lernen noch aussrichten. Derhalben welche 
darwider sich finden lassen, so sie der Schulmeister selbst darüber begreifft, 
sollen sie darumb mit der nieten gebessert werden. Wo aber der ein Schueler 
den andern ersiecht solches thun, der mag im den Unzücht Esel geben. 

In Summa die Knaben sollen allenthalben, als wol daheim als auff der 
gassen, insonderheit aber in der Schuel und in der Kirchen in allen wegen 
züchtig in Worten und geberden sein, keiner den andern nicht beleidigen 
weder mit Worten noch mit schlagen, stossen, noch keinerlei an der that, 
Item nichts üppigs reden, gottlestern, fluchen noch schweren etc., sondern 
wo es sich zimpt zu schweigen, gar still schweigen oder wo es bedörfft zu 
reden, von iren lectionibus- oder sunst iren notturft auff lateinisch mit leiser 
stim reden, auch alle ander unzucht, so hier nicht all begriffen werden kann, 
meiden. Dann (wie der heil. Augustinus spricht) wer schon zunimpt in der 
Kunst und darneben abnimpt in zucht und erbarkeit, der nimpt vil mer ab 
>lenn er zunimpt. 

Und aber dieweil zweyerley Unzucht ist, die eine grob und lesterlich, 
die ander klein und nur üppiglich, so soll in der straff auch ein underscheidt 
sein. Derhalben welche grobe unzucht begabt, als so etwann einer den andern 
rauffte, schlüge, fluchte, schwüre, etwas zerrisse oder sunst schaden thet, und 
was dergleichen ist, der soll mit der rueten darumb gestrafft werden. So 
aber einer kleine muetwill treibt, als die in abwesen des praeceptoris klaffet, 
lachet oder andere kindische muetwil übet, wo dass nicht zu vil wirt und nicht 
im ansehen der praeceptoris geschieht, so soll man im nur darumb den Esel 
geben. 

Der Esel ist erdacht, damit man nit alweg streichen dörffe, und die 
knaben dennocht ein mittel haben, damit sie durch förcht der schände in 
Zucht und Fleiss erhalten werden. Damit aber nicht etliche gefunden würden, 
die der schänden nicht achteten, so muss auch ein ander einsehen darbei sein. 
Nemlich dass ein jeklicher Eseltrager acht soll haben, wem er den Esel des 
vergangen Tags hab gegeben, und wer befunden wirt, dass er den Esel dreymal 
auff einen tag hat gehabt oder sunst dieweil selbst bneberey getriben oder 
teutsch geredt, und den Esel nicht hat wollen hinweg geben, der soll darüber 
mit der rueten gestrafft werden. So aber einer nur einmal oder zweymal im 
tag den Esel gehabt und der am morgen nicht bei im gefunden, und auch 
«ein lection kann, dieweil er den Esel tregt, so soll er kein ander straff 
leiden, weder nur den spot, dass er den Esel trage, bis er in wider hinwegh 
gibt. 

Er soll auch den Esel hinweggeben mögen mit disputieren, also : da» 
er nach der lection, wenn der Schulmeister in gehen lasse, einen auss seiner t 
Classe halten möge und der soll in zum erstenmal auss den lectionibus, die 
er gehört hat, entweder ein exempluin unius regulae syntaxeos oder ein thema 
in etymologia, ortographia und prosodia fragen, und das gar auss per acci- 
dentia examinieren. So er feelt, behalt er sein Esel und ist der ander frey. 



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288 

So ers aber khann, mag er dem andern dergleichen widerumb fragen und 
so er in alsdann überweist, gibt er im den Esel und dieser Esel soll heiisen 
4er grob, faul unzüchtig Esel. Ä 

Auf Bonuius Volkher folgte der Rector David Jäger 1568, und auf 
dies eti Stephan Geussauf. Unter Geussauf erfahren wir einiget über die 
Einkünfte des Schulmeisters. Die Stadt setzt ihm, Stephan Geussauf, der 7 
freien Künste Magister und derzeit Rector der Bürgerschule alibier, sein 
Einkommen fest *) Darnach hat er: 

Jährlich 60 fl. Baargeld, des Schuldienstes wegen. 

Dann vierteljährig 20 fl. 

Davon soll er einen Succentor und Locaten halten, auch dem Cantor, 
wofern er die mmicam in der Schule „lesen" 8 ) wird, vierteljährig einen Guldeu 
geben. Die Stadt nimmt dagegen den Zins vom Hause, von Wiesen und 
Weingärten ein. 

Im selben Jahr 1571 wendet sich Geussauf an den Rath: „Es sei zur 
Aufnemung der Bürgerschule nicht dienlich, dass Privatschulen, nachdem auch 
die deutsche Schule allhier gehalten wird, befordert werden. Man solle nicht 
Privatschulmeister neben ihm aufnemen, denn er wolle die Schüler so unter- 
richten, dass sie für die Universität tauglich sein sollen ; er bittet auch, wenn 
wieder „sterbleufiV einreissen oder eine Hofhaltung herkommen und die 
Schule deswegen gesperrt und eingestellt werden sollte, um Aufbesserung seiner 
Bezüge 8 ). 

Der Rath erwidert ihm, er solle mit den Superintendenten eine Schul- 
ordnung verfassen und sich in Ansehung der Züchtigung gebührlich verhalten: 
man erwarte, er werde seine Pflicht tbuu, so dass man keine Privatlehrer 
brauche. In derselben Erledigung bemerkt der Rath, dass der Kirchengang 
sehr viel Zeit in Anspruch neme und die Kinder im Winter in der Kirche 
zu sehr frieren ; der Rector solle die Bürgerkinder nur an Feiertagen in die 
Kirche führen und den Chor mit Astantibus und Mendicis versehen*). 

* 

(Forlsetzung folgt.) 



Zur Geschichte dea Zunftwesens in Niederösterreich L St. Pölten. 
Mitgeteilt aus dem Nachlasse Heinrich Friedrich Sailer's. 
Von Dr. Adalbert Horawitz. 

(Fortsetzung.) 

Schneider-Z ech 1458. 
Anno dm M°cccc°lviij an freitag vor Goczleichnamstag (Att) sind komen 
für die erbern vnd weisn Richter vnd Rat der Stat zu Sand poltn die Maister 

>) Bathsprotokoll Tom 8. August 1571. 

») Es wurde auch die Theorie der Musik gelehrt. Vgl. A. Mayer: die geistig« Kulur 
in Nieder-Oesterreich p. 28 ff. 

») Bathsprotokoll vom Jahre 1S71. 

*) In einer Zuschrift an den Bischof ohne Jahr (der Schrift nach aus dem 16. Jahrh.} 
meldet der Bath dem Bischöfe, es klage der Schulmeister, 'dass die Kinder taglich zwei und 
mehr Stunden in der Kirche sein müssen und mit Kondukten und Processionen halbe Tage ver- 
lieren. Der Math macht den Vorschlag, man solle, wie in Wien hei St. Stephan, die Kinder nui 
an Feiertagen in die Kirche führen. Wahrscheinlich fällt diese Zuschrift in die Zeit des Bector» 
tfeussauf. 



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289 

< 

der Sneider vnd Ir gesellen gemainkleich der benannten Stat, vnd brachten 
für wie sy Ir gesellen in ir Maister zech zu In genomen mit ainer solichen 
Ordnung dy sie durch gemains nutz vnd merer zucht willen betracht nieten 
vnd ainig weren worden. In mainung als hernach geschrieben stund. Vnd 
paten vns mit diemütigem vleis das wir In solich Ir Ordnung vergunden 
zu balden vnd die In vnser Statpuch zu künftiger gedechtnuß schuffen zu 
schreiben, das wir alßo getan haben vnd lautt die selb Ordnung von wort ze 
Worten von artikel zu artikeln also : 

Von Erst, dass von Maister vnd (die) gesellen gemain der ege- 
nanten Stat die Ordnung so sy mit vereintem vnd wolbedachtem mut vnd 
willen miteinander betracht vnd furgenomen haben. Also durch sew all vnd 
yeden besunder die yetz hie sind vnd hinfür herkomen werdent hinfür albeg 
stet gehallden vnd volbracht werden sol In aller maß vnd weis als hernach 
geschrieen ist. 

Item Das die Gesellen ain aigne puchssen sullen haben, als sy 
dann die vor auch gehabt haben. Die selb puchssen sol albeg sten hincz ainen 
Maister Irs hantwerchs hie der in die herberg vnd des gelts in zenemen 
vergunnen sol, zu furderung vnd dienst allen gesellen vnd dem ganzen 
hanntwerch. . 

It. Vnd in die selb puchssen, Soll yeder gesell der hie an knechts stat 
arbait ainen Maister der ain Sneider ist vnd der des hanntwerchs gerechtigkait 
hat, albeg vber Viertzehn tag ain pfenning vnd ain yeder Junger ain 
helbling desselben tags zwischen aindlefen vnd zwelffen geben an widerred 
vnd an alles verziehen. Vnd das selb gelt sol aus yeder Werchstat ain knecht 
der der elter ist zu der puchssen tragen.; 

It. gesell gung vnder In, solich gelt albeg 

zu der zeit vnd sich des widersetzet vnd doch hie ainen 

Maister arbait en wolt der selb sol dann als offt sich das geit oder puret des 
nagsten Montag darnach nach solcher widersessigkait an all aufsezug zn der 
puchssen ze pen verfallen sein zu geben ain vierdnng Wachs. Nur ausge- 
nomen ain solcher hab es dann mit willen maister vnd gesellen anders sol 
der. selb kain gemainschaft mit In haben. 

It. Sy sullen. auch vnder Inhaber vier gesellen zwen alt vnd zwen Jung 
dlß zu der puchssen gesetzt sein Vnd ob das kern das Ir aiuer wanndret oder 
bofsneider oder Maister wurdt, das dy andern gewalt sullen haben, zu handt 
ain andern zu In ze geben vnd zu erwelnn der In dartzu geuelt die sullen 
dann das gelt so In die PuchsBen gehört eruordern vnd absamen vnd In die 
puchssen bringen als vor gemelt ist. 

It. Vnd Sullen albeg In Ir puchssen voran berait haben drew pfunt & 
dauon sew sullen ob ye vnder In ain Sneidergesell krankh wurd vnd Im 
zerung not tet, oder des Spitals nicht vberhaben imöcht gesein vngeuerleich 
ain hilff von denselben drein pfund pfenning tuen, nach Irem versten Vnd 
wann Im Got wider auf hilft so sol er darnach nicht von dann schaiden, an 
der Vier gesellen Rat vnd wissn vnd willn. 

Itm dann von der Vbermaß desselben gelts, Sulln sew Ir Selampt zu 
den Vier Quotembern dauon begen lassen, dartzu In dann die Maister albeg 
raihnn vnd antwurtten sullen, Ir zechtuch vnd dy zwelf kertzen zu aufezün- 
den desgleichen auch so ain Sneidergesell hie mit tod abget zu dem Erstn 



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290 



Sibendn vnd Drerssigisten, Vnd was dann vber solich Ir begeen der vbermaß 
Ir gelte vber beleibt Jerleicben das sullen die gesellen den Maistern darvmb 
In Ir zech antwurtten vnd geben zwie Im Jar zu den Ostern vnd zu sand 
Micblstag anuerziehen. 

It. So ain Sneidergesell hie mit tod abget so sullen dann die gesellen 
zum Ersten zum Sibendn vnd zum Dreissigisten als offt zu opffer gen vnd 
welher dann nicht kam an maisters geschefft oder an ander [merklich notdurfft 
der sol In die puchssen geben zu pen ain vierdung wachs vnd welher das 
von dem andern wesset vnd auf In nicht offenwaret der sol die selben pen 
geben. 

It. Wane dann ain krankh armer gesell hie mit tod abget, was er dann 
gewants oder anders hinder im lesst dauon sol man In zu der Erde bestatten 
vnd was vbermaß beleibet das sol geuallen wo er das hin geschaft zu geben 
oder dem es rechtlich hier gefollen sol angeuer. 

Auch ist der gesellen vnd der Junger aller guten willen vnd aufsatz- 
das sy jerleich an Gotzleichnamstag In die Process vmb gen vnd gehorsam 
sein sullen wer des nicht tet, der sol verfallen sein In die puchssen ain vier- 
dung -wachs zu geben an all anfzug. 

Auch ist der gesellen aller maynung vnd willen das chain Storer Irs 
hantes erchs chain gemainschaft mit In haben sull vnd hinwider auch nicht 
gemainschaft haben sullen weder mit Worten noch mit werkchen in chainer 
weis. 

Auch ist Ir maynung vnd wellen das Ir chainer nicht tewrer Spiele 
sol dann allain Im pret vmb ain holbling oder viertzehn Spil ee vmb ain 
grossn vngeuerleich. Auch welcher von Wein vnweis wirdt vnd vnbeschaiden 
wer, welher das wer, der Spieler oder der trinkher, der sol zu pen veruallen 
Bein In die puchssen zu geben ain Pfd. wachs an alle verziehen. 

Itm. Welher auch vnczuchtigkleich redt vor frawen oder junkfrawen 
oder in ander Weis vor In oder vor den gesellen unczuchtig wer das klag 
darumb vber vber In chem der sol in dy puchssen geben ain vierdung wachs 
an alle widerred. 

It, Ob das wer das ainer von dem Wein ajisgieng vnd betzalet der (Vr) 
Veken nicht zu rechter zeit der geb auch In die puchssen ain vierdung wachs. 

Itm. Welher der ist der hintz dem Vater vmb das Mal schafft der sol 
es beczaln vnd ob er es nicht tun wolt der geb auch ain vierdung wachs « 
sampt dem Mal zu puess. 

It. Welher puess hintrueg vnd von hynn wannderet darvmb 

mugen sy in wol nachschreiben wo er ist, In nicht zu fudern so lang vncx 
das er Im willen darumb begriffen hat. 

It. Was wir In allen vorgeschribn Stukchen vnd artikeln hanndeln vnd 
tun das daz der Stat vnd dem Richter hie an Irn gerechtigkaiten Irs gerichte 
sey vnuergriffenleich. 

It. Es haben In auch der Richter vnd der Rat gantzern und vollem 
gewalt vorgehalten die vorgenanten Artikel vnd Stukch zu widerruffn auch ze 
Mynnern vnd zu Mern wie vnd wen sew des verlusst. 



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291 



Derpekhen vnd pekfaenkhne cht Spruch vnd pprichtnang Irs 
Handle vnd Zbitracht halben 1499. 

Wir Wolfgang von gots gnaden brobst vnd wir und Richter vnd Rat der 
Stat zu sand pöltn Bekhennen als Romischer k Mt, ec. vnsers allergnedigisten 
Herrn, der nachbeschrieben Hanndlung commissari als sich zbischen der Erbern 
Maister der pekhen hie zu sand polten vnd der pekhenkhnechten, Irrung vnd 
zwitracht begegen haben von wegen des; Reittern, netzen und schrotn vnd von 
wegen des pachaus khnecht, darvmb paid tail hinder vnnsern vnnsern güetigen 
Spruch, hindergangen getan, vnns darvmb globt vnd vergriffen was wir darum!) 
von gedachter Irrung wegen Sprechen vnd Erkhennen bey den nachbeschriben 
vällen an waiggrung stat zw halden vnd als wir paider tail Red vnd widerred 
auch etlich kontschaft brifiich vnd mündlich gehört, Sprechen wir paid tail 
zw gueten froenten (?) das aller vn willen zwischen In des Handels halben hin 
vnd ab sein soll vnd kain tail zum anndern darumb nichtz zu sprechen solin 
haben vnd Sprechen wann das durch ain oder meinigem pekhen hie den 
pekhenkhnechten ainen oder meinigerm nach hantberchsgewonhait gen Mül 
zegen zuegesprochen wirt, der oder di selben süllen gen mül gen Reittern 
nettzen auftragen aufschratn vnd den schratt selber anfüllen, peutln säubern 
vnd schaiden vnd gar an di stat arbaitn, das arbreittrach ausziechn als nach 
alter gewonhait gepurt, wo sy aber des nicht täten, So möcht in ain peek den 
Lon vor haltn So lang bis das beschäcb, dauon ist man In schuldig ze geben 
von 'dem mutt drey schiling phening vnd In der vassten zehen vnd drey 
scbiling o vnd nicht mer Sy sollen auch an den Suntagn oder fewrtagen nach 
der vessper gen Mul gen vnd Irer arbait warten ausgenommen den weinachtag 
prehemtag(?) ostertag vndpfingstag auch di vier vnnser frauntag vnd an den 
feurabenten dar an man vleisch ist Sollen sy nicht von Mul gen. Mer sprechen 
wir von wegen des pachaus knecht welich peck hie zu sand pöltn wochenlich 
vber di aindlif taig pacht der Soll nach hantberchs gewonhait ainen khnecht 
zuesprechen vnd haltn vnd so derselb peck In der wuchen pacht xj, xij, xiij, 
xiiij. xv oder xvj taig, So geb dem khnecht zu Lon zbenvnddreissig phening. 
pächt er aber vber di sechzehn taig So geb dem khnecht von yedm taig zben 
pfening zu sambt dem obestimbten wochen Lon, pacht er aber hinder sech- 
zehen taigen wie uil der In Zal ist ungenerdlich So geb dem khnecht das 
wochnlon di zwenvnddreissig 3 vnd von dem Bürger pächt die müsch phening 
vnd all ander artikel vnd gerechtigkait Irs hantberchs zw mül vnd Im pachaus 
Soll bey dem alten herkomen beleiben Ob sy aber für an In ainem oder 
menigern artikel Irs hantberchs ßtössig wurden darumb sollen die Eltisten 
zben maister vnd Eltisten zben khnecht gutn vleis an khern die sach gutlich 
abzetun ob sy aber auch dar Inn stössig wurden So soll dann das für die 
oberkait vnd Richter vnd Rate hie zu sand pölten steen vnd welicher Tail den 
Spruch nicht stät hielt in aynem oder menigern artikl dar aus trat des weislich 
vberfarn wurt, Der vist nnserm allergenedigissten Herrn vnd dem Rö. konig 
fünfzig Reinisch gld verfalln vnd dem Stäthaltende tail auch souil, an alles 
nachlassen, welicher aber das am gut nicht vermocht der soll darumb an seinen 
Leib swärlich gestrafft werdn vnd dennocht bey dem vnnsern Spruch beleibn 
der also in das statpuch zu sand pöltn ze schreiben beuolhn ist Beschehen 
an mitichn nach Gregorij nach Christi gepurt vir zehnhundert vnd Im Neun- 
vndneunzigisten Jarn. 

21 



292 

M Der Pekchen recht. 

Anno domini Millesimo Quadrigentessirno vicesime nono des phintztages. 
nach sand Matheüs tag, Ist ain Ordnung den Maisteru der pekchen nach Irer 
Begerung vnd mit Irem willen von dem Rat aufgesaht der sy sich furbas 
lialden sullen, als hernach geschriben tet. Von Erst es sol sich furbas kain 
Pekch zu Maistre setzen noch das hantwerch treiben er bring dann Ee ürkund 
von Wann er komen sey, das er sich daselbs frumklich vnd erberlich enthalten 
hab oder er beweis es hie vor dem Rat mit Erbern lewten u. das er auch 
ain Ehlich Weib hab u. Borger Recht gewinne mit ainem halben phunt ph. 
und geb in Ir zech ain 1 ph. ph. Sy sullen auch undar in erwellen 4 Maister 
die erber u. getrew sain u. die Ir gerechtikait vor d. Rat darumb tun sullen 
das sy d. prot, d. auf den kauff gepachen würdt vberal auf den pletzen u. 
inerkchten oder wo sy das wissen ze sichen besichten, daz das nach dem Traiö, 
als der traid zu yederzeit sein kauf hat lautter u. ungemuscflet gepachen weri 
Es sey Semleins Malgut Pollen oder Oblas yetz nach seinen staten als die 
deich gesatzt ist, ungeuerlich u. sullen auch auf den kauf allerley prot nicht 
tewrer pachen denn zwailing phenwert u. helbert u. auch den kalden maxkbt 
lialden als von alter herkomen ist. Vnd wo ey kauf prot vindent das also nach 
dem rechten traidkauf und nach der Deichung auf den kauf nicht gepachen 
ist als vor geschriben ist das sullen sy dem Richter oder seinem Anwalt xe 
wissen tun, der sol darumb gestraft werden nach der hartaest sag Dartzu 
sullen auch die vorgenanten 4 Maister albeg ainer mit den Herren die von 
dem Rat dartzu gesatzt sind an der protwag geen nach dem als die Ordnung 
an In kumbt. Wenn sy darumb geuordert werden wo man ungeleichen prot- 
kauf vindet, der soll zu geleicher Weis gepusst werden als vorbenant ist 
Auch sullen die Maister die pekchen den obgenanten 4 Maistern, wenn Sy In 
.vmbsagent von vnsers gnedigen herrn des Hertzogen von des Burgermaister 
und des Rats oder zu der Stat notdurft gemaiuklich gehorsam sein zu In ze 
komen wer des nicht gehorsam ward dem sullen sy mit des Burgermaister 
diener oder poten den metzen niederlegen alslang untz das er der Czechmaister 
willen gewinnet. Es soll auch kain melbler nicht pachen noch 
kain pekch nicht melben als das auch von alter" herkomen ist 
Auch sullen die pekchen allzeit gewalt auf dem Markcbt haben 
den traid Ee. ze kaufen dann dieMelbler vnd sullen die Melbler 
v or den Pekchen nicht kauf fen, es wer dann das die pekchen 
d ieselbe n Zeit nicht kauff en wolten. Es sol auch das Mel in den 
Melgruben naeh gelegenhait des Traidkaufs alzeit auch von den egenanten 
Cechmaistern gesatzt werden, Vnd welcher Melbler des nicht gehorsam wird, 
u. darüber tewrer sein Mel verkauft, der sol von dem Burgermaister (vnd von 
dem Rat darumb gepüsst werden. Dann von des protes wegen dai 
auf Schiffen oder auf wegen hergefurt wirt das sol nyemand 
für kauf fen weder hie pey demwasser underwegen noch Anderswo 
u. wen man mit solchem furkauff bcgreiffet dem sol ;der Rich- 
ter das prot nach dem rechte n t Trai dkauf nicht hingeben so 
sullen dieselben Czechmaister gantzen gewalt haben in denselben kauf xe 
setzen nach Rat der Herren die an der protwag tgent. Vnd wer darüber 
tewrer geb, der sol desselben protz zu der Stat banden ver- 
uallen sein vnd dartzu dem Richter sein Wandel an alle ffnad 



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293 

Item was Prots vonEntzestorf vnderm Püsemberg her auf dem 
wass er ge f ürt wurd et das soll bey d er Wachtkamm er daselbs 
verkauft werden als von alter herkomen ist u. was protz andern 
Enden herauf dem Wasser von oben herab gefürt wirt, das soll pey dem 
Wasser verkauft werden vnd sullen auch die pekchen hie Ir prot bey dem 
Wasser nicht hingeben noch dar schikche. Item es sol auch kain pekcs, noch 
pekch m. hie nicht pakchen er bab dann der Czech Recht u. gehorsam gewien- 
nen als vor berürt ist. Item so sol auch kain hisiger pekch von 
hinnen in die Dorffer noch anders wohin das prot durch ver- 
kauffens willen nicht pachen denn Zwailing pfenwert u. hel- 
bert. Ausgenomen zu Weichnachten mugen sy das groß prot 
pachen u. was man ainem pekchen zu pachen andingt das mag 
^r auch wol auf solchen Dingen pachen u. das dem geben, als er 
gedingt" hat. Item es sullen auch die purger pekchen bey Im alten 
rechten beleiben vnd kainen taig von der Burger taig nicht nemen vnd auch 
in der egenanten Maister Czech gehorsam sein als vorberürt ist. Doch hat 
Im der Rat vorgehalten die obgeuanten artikel ze mynnern vnd ze mern wie 
In das ain pesten fugt und wolgevellet. 



Sagen aus der Donaugegend von Niederösterreich. 

. Oesammelt und mit kritischen Bemerkungen versehen von Gymn.-Direkt. 

Ambros Heller. 

(Schluss.) 

Kurzer Bericht oder Relatio etc. de Ao. 1647. 
Das Würdige Gottshaus und Filial-Kirchen Sanct Johannes in der 
hochfürstl. Salzburg. Herrschaft Amstorff, in welcher Kirchen Mitte ein - 
gemauert hohes Grab, darinn Set. Adelwinus begraben liegt : und hievor zu 
disen von fernen eine sehr grosse schöne Kirchfährt dahin gewesen sein soll, 
betreffend, was derowegen Gott bevorder ist, und dan wohlgemelten heiligen 
Adelwino zu schuldigen Ehren über möglichsten Fleis beschehenes Indagiren 
und nachforschet) von alt erlebten lenthen, und auch sonsten hin und wieder * * 
in erfahrung gebracht, und durch mich unterschriebnen hiehero zusammen 
beschrieben worden ist, beywesend Herrn Hans Georgen Landvogten, Pfarrers 
und Hannsen Wintschen Richters alda den 8"° Augusti Ao. 1637 als folgt. 

Martin Mayr. 

Ist in diese Herrschafft Arnstorff ledigerweis kommen mit 24. Jahren 
hier nach 6 Jahren er sich alda das erstemal verheurathet zu Juliana Ibel- 
«hacherin wittib, mit welcher er 45, der an eren aber Catharina Kholanderin, 
welche vor 4 Jahr auch gestorben, 11 ganzer Jahr Ehelichen gehauset, und 
also seines wohlwissenden alters bey 90 Jahr zu Ober Arnstorff ein haus- 
gesessener unterthann, und sonst ein Gottesförchtig und in der Kirchen nach 
embsiger Mann, sagt, gedacht sein voriges Eheweib, so allhier gebohren. sey 
zu ihrer ersten Verheurathung schon alt gewesen 33 Jahr. Darüber sie mit 
ihren ersten mann 15 Jahr gehauset, und mit ihme Mayr 45. ist consequeuter 

21 * 

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294 



i 



aetatis suae bey 93 Jahren gewesen. Die habe in gehert v , ihrer langwierigen 
besammen wohnung gegen ihme und änch anderen leathen zum öfteren 
erzehlet, und lauter verraeldt, als sie ledige/ weise in der Wochau gedienet, 
und von dannen sich wiederum!) allhero nach Arnstorff verheurathet, seye es 
Kurz vor solchen mit der zu besagten Set. Johannes noch dato vor dem Grab 
stehend ausgeschnitzten Bildnus Set. Adalwini also fürgangen: das 3 ledige 
Dienstmenscher von Oberndorff 9 ), welche gen Mauenthal dem graffen nach- 
gangen, und sie Juliana gar wohl gekennt, unter solchen in die Set. Johannis 
Kirchen, Welche damalen gemeiniglich offen gestanden, gerathen, und das 
gemeldte Bildt gescherzt und sonsten fröhlich und guter Ding gewesen 
Nachdem sie aber ihren grafen weiters nachgehen, und das mehrgedachte Bildt 
in die Kirchen wiederum hineintragen wollen 8 ), haben sie selbiges weder 
heben noch legen, vielweniger von der stell bewegen können, seynd derowegen 
alsbald davon entloffen, und haben sich ausser der Herrschafft so lang 
enthalten, bis das Bild durch 3 geistliche wiederum in die Kirchen zugleich 
getragen und an die alte stell gebracht worden ist. 

Mehrgedachter Martin Mayr erzehlt auch, das er so wohl von berührt 
seinen ersten Weib, als auch andren alten leuthen mehr, bevor aber von seinem 
gewesten Herrn, Wolfen Lehner zn Oberndorff, bey welchen er fünf Jahr lang 
gedienet, zu vielmalen gehört habe, das, wie sie es zu nennen gepflegt am 
Schauer-feyr *), welcher allzeit gehalten worden am Montag nach Eiaudi, bey 
mehrbesagten Gottshaus eine sonderbar grosse Kirchfahrt verrichtet worden, 
und soviel volcks von ferne zusammen Kommen, das gemeiniglich selbigen 
tags ein 15 ,n Eimer wein seyn ausgeben und verleutgebt worden, welches noch 
so Jüngst beschchen, das vorberürter sein Herr solchen wein von Oberndortt 
selbsten hinauff geführt. 

Item sagt er auch, drey Jahr zuvor ehe das er nach Arnstorff zu dienaten 
kommen, hat er am Thum innerhalb Mühldorff 6 ) gedienet, seye um Barthelmey 
ohugefehr Ao 1569 ein solche grose wasserüss gewesen, das es zu Pechlara 
die Mandl am Feld gehebt und weggeschwembt, auch damalen das wasser um 
Set. Johannis Kircheu rings gerunnen, und durch die Kirchthüren, deren drei 
seynd, nicht ein trophein wasser hinein kommen, (Jrsach dieses seines Wissens, 
das er wie gemeldt gleich in 3 Jahren darauf allhero kommen und solches von 
männiglichen also gehört habe, schliest damit seine Aussag. 

Faul Wissi nger. 

Zu drey oder 84 Jahr alt, bey 55 Jahren in allhiesiger Herrschaft, und 
50 Jahr verheurathet, ein angesessener Unterthau, sagt, als er vor seiner 
Verheurathung bei Niclasen Ybbser zu Oberndortt fünf Jahr lang gedieuet, 

') So hat die Abschrift. Es soll hassen: „in wehrent". 

») Oberndorff - das Dorf Oberarnsdorf unterhalb 8t. Jobann. Die Pfarre Arns- 
dorf besteht ans: Hofarnsdorf mit dem Schlosse, der Kirche nnd Schule; Hitterarnsdorf mit dem 
Pfarrhofe un8 einer Kapelle; Bacharnsdorf, Oberarnsdorf nnd St. Johann. 

• J ) Hier ist der Umstand ansgelassen, dass die Mädchen die Statue, um sie zn waschen, 
scherzweise aus der Kirche namen and an die Donau trugen. 

*) Die Schauerfeiertage werden zum Andenken eines verderblichen Schauer- oder 
Hagelwetters noch jetzt an vielen Orten Oesterreichs mit dem Besuche deB Gottesdienstes und 
der Enthaltung von knechtlicher (schwerer, Lara verursachender) Arbeit gefeiert. — Der Sonntag 
Ezandi ist der sechste nach Ostern. 

') Mflhldorf, hinter Spitz, in der i'farrj Niederranna im Viertel ob dem Manhartsberge. 



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295 

habe gedachter Ybbser von solcher geschieht des heiligen Adelwini Bildt 
«benermassen, wie gehört, zu mehrmalen viel geredt, und welcher sonst der 
Evangelischen Religion gewesen, öfter vermeldt hisce verbis: der Adelwini ist 
«in heiliger Mann, es solle ihm jedermann ehren, und kein Mensch mit Spott 
daraus treiben. 

Item seye auch vor disen eine solche grose und weite Kirchfahrt dahin 
-gewesen, als jezo auf Zell, und wann allda ein gottesdienst gehalten worden, 
habe er Ybbser seine leuth und Ehehalten insonderheit biezu fleissig ermahnt 
und dahin geschickt 

Item habe er Wissinger von gedacht seinen Herrn auch vielmals gehört, 
-das ein Schifmeister, dessen Knecht etwan auch Vexation getrieben, mit einer 
Schiffung so lang und viel mit von dem Gestatt oder aus dem schwall gemögt, 
bis sie ein opfer dahin verricht haben »). 

Wegen des grosen wassers habe mehrgedachter sein Herr auch vielmals 
vermeldt, das es gar ober die Strassen und dahero auch etliche werck schuhe 
bis an die Kirch thür hinauf gangen und kein einziger tropfen hinein seyn 
Kommen. 

Dorothea Lamprechtin. 

Weiland N: Lamprechten hauers allhiesig gewesten Unterthani hinter- 
lassenen wittib, ihres alters bey ein oder 82 Jahren und ein hiesiges Kind, 
sagt, ihr Aehnel (Grossvater) N. Felber, so ein alter eisgräber (eisgrauer) mann 
und fast bey 100 Jahren alt gewesen, der habe zu gedachten Set. Johannes 
das Messner ambt in die 30 Jahr bedient, dabey er auch vor ungefehr 72 Jahren 
gestorben, unter solcher seiner bedienuns? sichs mit dem bild Set. Adelwini 
hievor erzehlter massen zugetragen, dabei gedachter Felber als Mesner sich 
selbst befunden und mit aagen gesehen, das drei geistliche, einer von hier 
{Arnsdorf), der andere von AgBpach enthalb (jenseits) der Donau, das oben- 
gedachte Bild widerum in die Kirchen getragen und an das alte orth gestellt 
haben. 

Von der Kirchfarth hat er gemelder Felber eben so viel, und das geredt 
was Wi singer ausgesagt. 

Item und als sie Lamprechtin noch bei 7 oder 8 Jahren 'alt gewesen, 
haben die schifleuth, so hinauf gefahren, des heiligen Adelwini gespottet, und 
darüber mit ihrer Schiffung so lang und viel im schwall verbleiben müssen, 
bis sie ein vergoldes Hufeisen von einem Boss, welches ohne zweifei allda noch 
vorhanden sein wirdet, dahin geopfert haben, und dies seye ihr gar in so 
guter frischer gedächtnus, das von Oberndorff der leuth gar viel hinauf gen 
Set. Johannes geloffen und denen Schiffleuthen zugesehen. Die grose gäss 
seyn gewesen, als sie noch bei 12 Jahren wäre, seye sie mit ihren Vattern 
ober der Straas hinaufgangen, allda sie selbst gesehen, das das grose wasser 

') Man siebt ans diesen Aussagen, wenn man sie mit den von uns ei zählten Sagen ver- 
gleicht, wie sehr solche Ueberliefernngen im Laufe der Zeit (hier seit 1637) ihre Gestalt verän- 
dern, ja zuweilen eine ganz neue, dem Zeitgeschmacke zusagendere Form annemen, wie in 
unserem Falle die eine jüngere Erdichtung verratende Sage von dem am Kosalien-Grabe Wache 
haltenden Eremiten Albin zeigt. — Wenn oben 'gesagt wird, dass die Kirchfahrt nach St. Johann 
einst .so gross und weif gewesen sei, als damals (1637) Maria -Zell in Steiermark, so wird 
man es wol zugeben müssen, dass lieh der gute Wissinger aus Vorliebe für seine St. Johanns- 
kirche und 81 Adelwin eine starke — Uebertreibung erlaubte! 



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296 

gar über die Freithoff Maur 1 ) (welcher gegen der Donau etwas niederer, 
gelegen) an die Strass seyn gangen, hernach aber als solche güss widerum 
gefallen, ist ein grose menge Volcks, darunter auch ihr leiblicher Vatter 
gewesen, der Kirch alsbalden zugeloffen, und nicht änderst vermaint, sie seye 
voll mit wasser, aber hernach bei eröfnung derseben befunden, das ohngeachtet 
das wasser an allen dreyen -Kirchenthüren guten theils hinauf gestanden 
selbige inwendig ganz trocken, und nicht eiu tropfen wasser hinein getrungen 
seye, darob sich männiglichen sehr verwundert, und hernach aller orthen starck 
und lange, zeit davon ist geredet worden. 

Veit Wasserburger. 

Ein hausgesessener ünterthan bei 70 Jahren alt, ist allhier gebohren 
und sagt wegen des mehr gedachten bilds Sancti Adelwinieben wie vorige, das 
ers vou seinen Eltern und andern alten leuthen gar vielmals erzehlter massen 
gehört, und solle auch damals, wie das bildt wieder in die Kirchen getragen 
worden, Schifleuth an fürüber und hinauf fahren gewesen, die aber nit für 
oder aus dem Schwall gekönnt, bis der Actus völlig für und vollendet worden 
ist. Mit dem grosen wasser habs eben die meynung als vorgemeldt. 

Ungefehrl ich Beschreibung des hievon angedeuten GrabeB 
und noch etlicheu mehreren. 

Fast in. mitte derselben Set. Johannes Kirchen stehet ein aufgemauerte» 
Grab einer guten Manns läng und fast bey 4 werckschuhen hoch, auswendig 
herum mit etlichen kleinen Blind fensterlein, vornher ganz vermacht, zurück 
aber gegen den thurn werts offen, doch ein eisernes gatter darvor, ist die 
inwendige weite, das gleich ein Mann hinein möcht schliefen, der boden 
darinnen dem Kirchpoden nach der ebene zwar gleich, aber ungepflastert und 
ein lautere ganz rogle erden, unter welchen grab, wie vermuthlichen und tod 
Jedermann mit änderst darvor gehalten wirdet, Set. Adelwinus begrabner 
liegen solle, vor diseu Grab gegen den altar werts ist auch ein sonderbar 
gemauertes Steinernes Stöckl, darauf stehet die yielgedachte Bildnus bey 
vierthalben werckschuhe hoch mit einem kleinen aufhabenden hüetl, ein, 
taschen an der Seiten, Pilgramstab in der Hand und in der Kleidung fast 
allenthalben als ein Pilgram. 

Gleich neben dieser Begräbnus ist ein Kirchenfenster mit allerlei färben, 
darin ist oben Set. Oswaldus Rex und Set. Salomanus Rex 3 ), Item Set. 
Johannes tauffer, Set. Johannes Evangelist, dan zu untern ist Set. Mathias, 
dabei zu füesen ein Mannsbild, von dessen Mund ein schrift ausgehet lautend: 
Ora pro me Leutold, Item und neben dem auch die Bildnus und darob der 
Nahmen Set. Adelwinus mit den Farben, Kleidung, auch einer taschen an der 
seiten und Pilgram Stab in der band, eben als das geschnitzte Bild vor dem 



») Das Wort Maur ist in der Abschrift durchstrichen. 

») Dückelmann bemerkt sehr richtig: „Sic habet manuscriptum, forte debet legi: 
Set. colomannus Rex*. Die vom Stifte Melk aus, schon aus dem eilften Jahrhundert weithin 
verbreitete Verehrung des königlichen Prinzen Koloman aus Irland rechtfertigt diese Berichtigung 
vollkommen. Die nahe gelegene Burgkapelle zu Aggstein war den heiligen Blutreugen Georg 
und Koloman geweiht. (Vergl. Keiblinger's Geschichte des Benedictiner-Stiftes Melk I. Bd. 
8. 142 u. ff.) 



4 



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297 



grab stehend, deme auch zu -fliesen Knyet ein weibsbild, hinter welcher ein 
Nahmen PREID. 

In dem linken Seiten altar ist Set. Leonardus und ober denselben an 
der Seiten ein eiserne Stang in die Maur zweymal eingemauert, an welcher 
eip ziemlich gros Huef eisen angeheftet, welches vergoldt gewesen, das es 
gleich zu erkennen. Item zwey Kleine huef eisen und zwei eiserne ring. 

Auf der, rechten seiten bey dem hochaltar ist auch noch ein hölzerner 
Stellen vorhanden, darin seynd wachsene bilder, alte wachs Kerzen, Crisam 
hemmeter, flecht seiten und dergleichen, das also mehrere Vermuthung einer 
zuvor disen allhier gewesten grosen Kirchfarth, wie voi gemeldt *). 

Also stehet zu Set. Johannes oberhalb des schwiebogens im Chor vom 
Buchstaben zu Buchstaben : 

Ich Leopold der Ewner von 

Oberndorf und mein Hausfrau 

Preid Tun chunt mähiglich 

das wir gestifft haben auf 

unsern Haus ein Chertzen 

ze geben ewiglich hintz Sand 

Johans durch unser Seelen und 

auf unser Vodern Seelen willen: 

wer das Haus Kauft oder 

nach uns innhatt, wann 

er das nicht thuet am Sant 

Johans Tag ze Sanierten 

das soll er in vierzehn tagen 

al lweg wandeln mit" 

ein pfund wachse Sant 

Johans, und der ist unser 

Zeug Herr Heinrich von Haid 

Chorherr ze Salzburg, und 

Hofmeister das das Arnstorff 

Bruder, Wilhelm der Richter 

in dem 8 ). 

Michael Stubenvoll, derzeit 
Hochfürstl. Salzburgerischer 
Hofmeister zu Arnstorff. 



*) Das ab Opfergabe hierher gespendete Taufhenidchen oder Taufkleidcüen und die 
Flechtßeide deuten anf die Bettung ein«? Säuglings aus einer schweren, lebensgefährliche n 
Krankheit (Fraisen) hin, die man der Fürsprache des heiligen Albin zuschrieb. 

*) Hier bricht die Inschrift im Manuskripte ab, wahrscheinlich, weil der Schlug* der lotsten 
Zeile (mit der Jahrszal?) nicht mehr lesbar war. — Das zweimalige das (das d. i. zu) in d< > 
dritten Zeile von unten dürfte ein Lesofehler des. Abschreibers sein, und die Inschrift in ihrer 
obigen Form von einer Renovierung herrühren. Statt des nichtB bedeutenden »Sümerton» ist 
Sünwenten (Sonnenwende, '14. Juni) zu lesen — Wa ndel n, d. h. Strafe geben. — Von Leopoll 
Ewner (Ebner) und seiner Hausfrau Preid (Brigitta) ist sonst nichts bekannt; wahrschein- 
lich lebten sie zu Oberarnsdorf, in dor zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts um dio 
Zeit, als die Kirche in ihrer jetzigen Gestalt gebaut wurde. 



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298 



Erklärung einiger Ortsnamen. 

Beitrag zu einem historisch-topographischen Leiikon von Kiederösterreich 
Von Leop. Kasper, Pfarrer in Dorfstätten. 

(8chluss.) 

Herrschaft Noncbilinga bekam einen anderen Namen. 

Vielleicht in der 2. Hälfte des XII. Jahrhunderts wurde der Markt Isper 
am rechten Ufer des Isperbaches ') als Hauptort und Gerichts stätte der 
Herrschaft Nonchiling errichtet und vermutlich auch mit einem Erdwalle und 
Graben befestigt. Von dieser Zeit an hiess die Herrschaft nicht mehr 
Nonchilinga, sondern Herrschaft Isper oder Isperthal, wozu auch dai 
Rittergut Wimberg oder doch die Lehensherrlichkeit über dasselbe gehörte. 

Im J. 1513 wurde dieses Lehengut, welches lange Zeit an die Ritter 
Seisenecker verliehen war, mit der Herrschaft Isper wieder vereinigt. Da die 
Verwaltung dieser vereinigten Güter in das kleine Schloss Rohreck 4 ) verlegt 
wurde, so bekamen sie davon den Namen: Herrschaft Rohreck. 

Im nördlichen Nochelingen wird eine Pfarre gestiftet, nämlich 

zum-fit. Oswald. 

Markgraf Leopold d. Heilige, welcher seine Tochter Bertha im J. 1133 
an den Baierischen Grafen Heinrich v. Stephaning, Burggrafen von Regens- 
burg, verheirathete, gab dieser für sie und ihre Nachkommenschaft») die Herr- 
schaft Persenbeug sammt der Herrschaft Nochelingen zum Genüsse, Berthas Sohn, 
Graf Friedrich von Stephaning, bat seinen mütterlichen Oheim, den Bischof Konrad 
von Passau, dass er die Kirche in Nochelingeu, welche auf Friedrichs Grunde 
erbaut war, zu einer Pfarrkirche erhebe. *) Der Bischof erfüllte die Bitte seines 
Neffen, weihte dieselbe im J. 1160, machte sie zur Pfarrkirche für die ganze Herr- 
schaft Nochelingen, gab seinen */» Zehent, soviel er in diesem Pfarrbezirke besäst, 
zu dieser neuen Pfarre, bestimmte auch die Grenzen derselben und ihre Ausdehnung 
über das ganze Herrschaftgebiet Nochelingen, und gab hierüber eine Urkunde 
dd. St. Johann im Sabiniche (d. i. Kloster Waldhausen) den 22. September 
1160, welche in Ried codex diplom. ratispon. I. 232 ganz und in Reils Donau- 
ländchen der k. k. Patrimonial-Herrschaften im V. 0. M. B. 8. 288 im Aus- 
zuge enthalten ist 8 ). 



*) Der Markt Isper am linken Ufer des Isperbaches, welcher jetzt Altenmarkt heisst, iit 
viel alter. 

') Bohreck hat diesen Namen empfangen, weil es anf einem Hagel liegt, welcher io 
die Ebene vorspringt, wo im sumpfigen, jetzt in einen Fischteich umgestalteten Grand viel Rohr 
gewachsen ist. 

>) Welche vor 1185, vielleicht im J. 1180, ausgestorben ist(Hanthaler fasti Camp. I. 347. 
— Vgl. Calles annal. Austr. II. 67, auch Ennenkels Fürstenbuch). 
*) Bei Ts Donaulandchen 8. 288. 

») In Beil's Auszuge wird nicht angegeben, tu welcher Pfarre Nochelingen früher gehört 
habe. Da der Bischof und sein Domkapitel schon seit alten Zeiten, vor 1160, den */» Zehent allhier 
belogen haben (*/» bezog die Herrschaft Nochelingen), so kann man daraus folgern, dass Noch«- 
lingen schon seit der ersten Ansiedlung einen eigenen Seelsorger gehabt hat, und zwar ein«» 
Vikar, welcher vom BiBchof und seinem Domkapitel hierher gesandt und nach ihrem Belietes 
wieder abgerufen worden ist, oder auch die Seelsorge missionsweise versehen hat. Daher di» 
2 Orte Nochelingen keiner anderen Pfarre zugeteilt waren. Im J. 1160 aber hat Graf Friedrieb 
«inen bestandigen Pfarrer gewünscht und auch erhalten. 



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299 

Die im J. 1160 errichtete Pfarre Noche lingen ist nicht die jetzige 
Pfarre Nöchling, sondern die Pfarre St. Oswald. 

Die im J. 1160 errichtete Pfarre Nochelingen und die jetzige Pfarre 
Nöchling, welche erst im J. 1681 aus einem Vikariate au einer Pfarre gemacht 
wurde, werden gewöhnlich mit einander verwechselt. Der Irrtum kann aber 
leicht nachgewiesen werden 

a) aus den Pfarrgrenzen. 

Diese werden in der Urkunde vom Jahre 1160 also angegeben: „vom 
Waidenbache, wo das Gut der Mönche von Baumgartenberg anfängt und des 
genannten Grafen Gut, so weit es reicht in der Richtung gegen Böhmen 
hin und dann aufwärts, rechts und links, und im Umfange alles, was bebauet 
werden kann, bis zur Östlichen Isper (usque odorientalen Hisperam) '-'). und 
am Laufe dieses Flusses abwärts bis zur Donau." 

Aus dieser Grenzbestimmung zeigt sich, dass die Pfarre und die Herr- 
schaft Nochilingen gleiche Grenzen hatten. Eben diese Grenzen hatte die 
Pfarre St. Oswald mit ihren 2 Vikariaten Dorfstätten und Nöchling bis zum 
Jahre 1681. Hieraus folgt, dass die im J. 1160 gestiftete Pfarre nicht im 
südlichen, sondern im nördlichen Nocheling errichtet und zu Ehren des h. 
Oswald eingeweiht (consecriert) wurde; ferner dass sie anfangs Pfarre Nocheling 
zum St. Oswald, allmälich aber durch Auslassen und Vergessen des Namens 
Nocheling kurzweg zum St. Oswald genannt wurde, und zwar St Oswald 
im Isperthal, d. i. in der Herrschaft Isperthal, weil sie für diese und in deren 
Mitte errichtet war ; 

b) aus dem Pfarrenverzeichnisse vom J. 1332. 

In einem Pfarren Verzeichnisse v. J. 1332*) erscheint die Pfarre St. Os- 
wald mit 31 Pfund Annaten unter dem Patronate des Landesfürsten *) und die 
Pfarre Nöchling mit 3 Pfund Annaten unter dem Patronate des Pfarrers 
zu St. Oswald. — Nöchling wurde im J. 1332 eine Pfarre genannt, weil es 
einen selbstständigen Seelsorger hatte. Es zeigt sich aber, dass es bloss 
ein Vikariat von St Oswald war, weil der Pfarrer von St. Oswald der 
Patron desselben genannt wird, doch nur deshalb, weil er in sein Vikariat 
Nöchling seinen Vikar oder Stellvertreter senden konnte. — Wenn ein 
solcher Vikar vom bischöflichen Consistorium in der Anstellung bestätigt 
wurde, so durfte ihn der Pfarrer nicht mehr nach seinem Belieben abrufen; 
er wurde ein beständiger Vikar (Vicarius expositus perpetuus). Solche Vikare 



') D. i. ron der Mündung des Weideubaches in die Donau (zwischen dem Hautngartenberger 
Amt« und der Herrschaft deB Grafen Friedrich) an diesem Bache aufwärts über den Glocksberg 
und Dachsberg boim Furtbüchel zum Kleinen- Iaperbach hinab; dann zu diesem Bache aufwart« 
bis Dorfstatten ; von da westwärts am nördlichen Rande der Klosterherrschaft Waldhansen zum 
Sarmingbach hinüber; ferner an diesem Bache aufwart» bis nahe an den Quellen desselben, soweit 
die jetzige Herrschaft Bohreck reicht, n&mlich bis an die Grenzen des Weinsberger Waldes. 

») D. i. das gesammte Gebirgsland, welches von dieser genannten Westgrenze über die 
Berge hinüber bis zur östlichen oder Grossen-Isper «wischen der Donau und dem Weinsberger 
Walde liegt. 

») Monnm. Boica 28. Band. - Zeitschrift Hippolyt« Jahrg. 1863 8. 150. 151. 
«) Die Herrschaft Isper war landesfurstlich, und der Besitzer derselben hatte das l'atronat 
seit 1160. 



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300 

worden auch Vice-Pfarrer *) oder kurzweg, aber unrichtig, Pfarrer genannt. — 
Auf solche Art. erscheint im J. 1332 auch Nechling unter dem Namen einer 
Pfarre, und war doch nur ein Vikariat von St. Oswald; 

c) aus der Urkunde vom J. 1681. 

Das Vikariat Nöchling dauerte bis zum J. 1681, in welchem Jahre Graf 
Leopold Karl von Hoyos, Besitzer der Herrschaften Peraenbeug und Isper, die 
beiden bisher zur Pfarre St. Oswald gehörigen Vikariate Dorfstätten und 
Nöchling besser bestiftete, und zwar Dorfstätten mit seinem dahin geschenkten 
a /g Zehent s ) und Nöchling mit „2C0 fl. zur Erkaufung eines anständigen 
Grundstückes," worauf ihn dag bischöfliche Passauer General- Vikariat zu Maria 
am Gestade in Wien als einen Stifter betrachtete, die beiden Vikariate von 
der Pfarre St. Oswald trennte, mit Entscheidung vom 4. Juni 1681 8 ) zu selbst- 
ständigen Pfarren erhob und dem Grafen von Hoyos das Präsentationsrecht 
für dieselben, welches er für sich und für die nachfolgenden Besitzer der 
Herrschaft Persenbeug vorbehielt, überliess. 

Die jetzige Pfarre Nöchling ist also verschieden von der im J. 1160 
errichteten Pfarre Nochelingen, welche jetzt zum St. Oswald heisst. 

Wimberg im Isperthale (0. M. B.) 

Zur Herrschaft Nonchilinga (Isper oder Rohreck) gehörte von jeher das 
Rittergut Wimberg, welches von den Landesfürsten als Eigentümern der 
Herrschaft Isper verliehen wurde und seit 1513 mit dieser gänzlich vereinigt ist. 

Die Burg Wimberg ist jetzt eine Ruine mit einigen im Mauerwerke noch 
ziemlich gut erhaltenen Gebäuden; nämlich dem Wartturm, dem Burgverlies, 
der Küche etc., so dass man die einstmalige Gestalt der Burg noch wahrnemen 
kann. Sie liegt in einem abgelegenen Winkel am rechten Ufer des Grossen 
Isperbaches im hinteren Isperthale, wo das Peggstaler Thal in dasselbe ein- 
mündet. 

Der Name Wimberg weiset in eine Zeit zurück, in welcher daselbst noch 
keine Ritterburg, aber eine Kirche bestand; denn das altdeutsche Wort „Wim" 
ist entweder das abgekürzte Wort „Widern, w „Widum tt , oder es stammt vom 
altdeutschen „wihan", „weihan". — „Widum tt bedeutet einen zum Gottesdienste 
oder für die Priesterschaft gewidmeten Ort : nämlich die Kirche und den Pfarr- 
hof sammt den dazu gehörigen Gründern, und ist in mehreren Provinzen in 
dieser Bedeutung noch jetzt gebräuchlich. Es giebt in verschiedenen Ortschaften 
Häuser, welche von dem Worte „Wim" den Namen haben, weil sie zu einer 
Kirche, Kapelle oder der Priesterschaft gehört haben, z. B. die Wimm bei St. 
Oswald, neben den Pfarrhofgründen und vormals auch zum Grundbuche des 
Pfarrhofes dienstbar. Wenn das Wort „Wim" von dem altdeutschen „wichan, 
weihan", d. i. weihen, heiligen stammt, so bedeutet es abermals eine Kirche, 
einen geweihten Ort, ein Heiligtum. Auch in der alt-nordisch-deutschen 
Sprache kommt „Weum" unter der Bedeutung Tempel oder Heiligtum vor. 
Am Schlüsse der Frithiof Sage von Esaias Tegner S. 120, 147 und 174 4 ) wird 

•) Vgl. Link ann. Claravall. I. 623. ad annum 1313. 

») % Zehent hatte dieses Vikariat schon früher. 

3 ) Welche zn Dorfstätton in Abschrift vorhanden ist. 

*) Aus der klassischen Kabinetsbibliothek, Wien 1827 bei Schade. 



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301 

Frithiof ein „Warg in Weum" genannt, d. i. ein Verderber des Heiligtums r 
ein Tempelschänder, weil er die im Heiligtum des Balder verwahrte Ingeborg 
besucht und den Tempel verbrannt hat. 

Aus dieser Bedeutung des Wortes „Wim* geht hervor, dass der Schloss- 
hügel zu Wimberg zuerst eine Kapelle trug, oder zu einer Kapelle gehörte T 

— und dass dieser Ort später *) in eine Burg umgestaltet wurde, welche den 
Namen Wimberg beibehielt 

Die gegebene Namenserkläruog von Wimberg bestätigen 2 Abschriften 
eines Pantaidungsbuches aus der 2. Hälfte des XIV. Jahrhunderts oder bald 
darnach 2 ), welche nachweisen, dass in Wimberg eine Kapelle zum St. Peter 
sammt einem Pfarrhofe gewesen ist und viele Güter, Giebigkeiten und Rechte 
dazu gehört haben; nämlich: im Bezirke um den Markt Weiten ein 
Gestift zu Mörenz (d. i. wahrscheinlich ein Haus mit Gründen), Weingärten in 
der Nähe von Mollendorf, Holden und Vogtleute zu Mollendorf und Dottendorf 
Diensthafer und Zehenten ebendaselbst, ein Wald beim Hammer unweit Peggstall, 
Taidungsgelder, dann in Wimberg selbst das Opfer in der Kapelle St. Peter 
und das Recht des Weinschankes im Pfarrhofe zu Wimberg mit der Freiheit 
von Ungeld. 

Die genannten Pantaidungsbücher sind zwar aus dem 14. Jahrhundert ; 
aber die darin genannten Besitzungen, wenn auch nicht alle, gehörten ohne 
Zweifel schon in viel älterer Zeit zur Kapelle St. Peter. 

Sowie die Stiftungsgegenstände, ebenso waren auch die Wohlthäter, 
welche zur Kapelle in Wimberg gestiftet haben, aus dem Bezirke von 
Weiten; nämlich: aus Mollendorf, Dottendorf, Jaseneck, Streitwiesen, Raxen- 
dorf, Zeining, Feibring, Peggstall, Pömmerstall, Prinzeindorf, Gottsdort 
(vielleicht richtiger Gottsberg bei Neukirchen). 

Es ist auffallend, dass diese Stifter, welche 3 bis 4 Stunden von Wim- 
berg entfernt waren, dahin Stiftungen machten; — es ist auch autfallend, das» 
diese Stifter aus der alten Pfarre Weiten oder aus dem Bezirke von Weiten 
waren — und dass auch die Stiftungsgegenstände in der Nähe des Marktes 
Weiten gelegen waren. Dies muss doch eine Ursache haben. 

Man könnte daraus vermuten, dass die Kapelle zu St. Peter in Wim- 
herg in alten Zeiten ein wohlbesuchter Wallfahrtsort und das Gotteshaus eines 
Pfarrnkariates war, welches zur Pfarre Weiten gehört hat. 

Die Entfernung Wimbergs vom Markte Weiten, welche 2 Meilen beträgt 
ist dieser Vermutung nicht hinderlich ; denn die Pfarre Weiten war einstmals 
sehr ausgedehnt, und umfasste die Pfarr-Vikariate (oder die jetzigen Pfarren) 
Emmerstorf, Eberstorf, Laimbach, welche drei im J. 1336 vom Bischof zu 
Passau 8 ) von der Pfarre Weiten getrennt und selbständig gemacht wurden, 

— ferner Halendorf, Heiligenblut, Pöbring und Laach am Jauerling, dessen 
Vikar vom Pfarrer zu Weiten noch jetzt ernannt wird. Da die West- 
grenze des Vikariates Laimbach, nämlich der Gutenbach, von Wimberg kaum 

') Vielleicht um das J. 1160. — Es scheint, dass die Errichtung der Pfarre St. Oswald, 
die Herstellung des Marktes Isper mit der Befestigung und als Gerichtapiatz, — dann die Be- 
festigung des YVimberges und die Erbauung der St. Urbani Kapelle mit einander in Verbindung 
stthen und gleichzeitig geschehen sind. 

' «) Reil' s Donaulandchen S. 455 bis 459. 

3 ) Reil's Donaulandchen S. 429. Bischof Georg, welchen Keil nennt, konnte es nicht gewesen 
sein ; er war Bischof voa 1388—1423. 



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302 

Vi Stunde entfernt war: so lägst sich aus den oben angegebenen Umständen 
leicht vermuten, dass einstmals auch die Kapelle zu Wimberg mit einem 

Bezirke als ein Vikariat zur Pfarre Weiten gehört haben mag. Dieser 

Vikariatsbezirk müsste sich daher vom Gutenbach westlich bis zur grossen 
Isper und am rechten Ufer des Isperbaches bis zu jetzt unbekannten Grenzen 
erstreckt und in die Herrschaft Nochelingen hineingereicht haben. 

Im J. 1160 errichtete Bischof Konrad von Passau auf Bitten seines 
Neffen, des Grafen Friedrich von Stephaning, die Pfarre Nochelingen d. i. zum 
St. Oswald für seine ganze Herrschaft Nochelingen, deren östliche Grenze der 
grosse Isperbach von seiner Mündung in die Donau bis nahe zn seinen 
Quellen war. Dadurch ist das Vikariat Wimberg in zwei Teile geteilt worden. 
Der westliche Teil mit der Kapelle St. Petri zu Wimberg kam somit unter 
die Jurisdiction der Pfarre Nocheling zum St. Oswald. 

Was mit dem östlichen Teile am linken Ufer des Isperbaches, welcher 
noch zur Pfarre Weiten gehörte, geschehen ist, lässt sich vermuten. 

Es scheint nämlich, dass nach 1160 für diese Hälfte des Vikariates am 
linken Ufer des Isperbaches (im heutigen Orte Pisching) eine neue Kirche 
gebaut und zur Ehre des h. Urban eingeweiht wurde; — dass ferner auf 
diese Kirche St. Urbani das Pfarr- Vikariat St. Petri zu Wimberg mit allen 
seinen Gütern, Rechten, Vikarstiftungen etc. übertragen wurde, dasB aber 
der Vikar in seinem Pfarrhofe zu Wimberg verblieben ist und in den 
Pantaidungs-Büchern der ursprüngliche Name des Vikariates St. Peter mit 
seinen Gütern und Rechten streng beibehalten wurde, um dieselben sowol für 
die Kirche und den Kaplan, als auch für ihre Holden und Vogtleute unzweifelhaft 
zu bewahren. 

Damit stimmt auch das Rohrecker Gedenkbuch überein *), welches angiebt, 
dass diese Kapelle „von den ältesten Zeiten her dem h. Urban gewidmet 
war", und auch die Sage wäre richtig, dass sie einstmals reich gewesen. 

Da dieses Vikariat nach dem J. 1160 sehr klein war, so ist es in der 
Folge unbesetzt geblieben und von benachbarten Pfarren versehen worden. 
Die Besitzungen desselben wurden von den Rittern zu Wimberg oder deren 
Pflegern verweset; daher auch in dem Pantaidungs-Buche wenig vom Kaplan, 
desto mehr aber vom Verweser die Rede ist. 

Das Rohrecker Gedenkbuch sagt zum J. 1738 von der Kapelle St 
Urbani zu Pisching, „dass sie vor einigen 90 Jahren 1 » (also vor 1648 zur 
Zeit des Luthertums) „schon sehr verfallen war" ; daher im J. 1738 vom 
Grund aus neu aufgebaut und mit dem Gottesdienste von Altenmarkt ans 
versehen wurde. Im J. 1788 wurde in Pisching eine 1. f. Lokalie errichtet 
und der Pfarrhof gebaut. — Der Neubau der Kirche im J. 1738 mag den 
letzten Rest des Vermögens, welches aus den traurigen Zeiten des VX. und XVI. 
Jahrhunderts noch übrig geblieben ist, gar verschlungen haben. 



»i tun s. »31. 



■ 



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Die flüchtigen Rathsherrn und Bürger von Wien anno 1529. 

(Ein urkundlicher Beitrag zur Geschichte der ersten Belagerung Wiens durch 

die Türken.) 

Mitgeteilt von V. Reuterer. 

Das Heldentum ist, obwol der sicherste Weg zur Unsterblichkeit, 
eben nicht Jedermanns Sache und kann unter gewöhnlichen Verhältnissen 
auch gewiss von Niemanden als obligate Eigenschaft gefordert werden; unter 
gewissen Umständen aber muss der Mann von höherem Pflichtgefühl ge- 
tragen werden und von jenem Gemeinsinn erfüllt sein, welcher es allein 
möglich macht, mit kleinen Mitteln Grosses zu erreichen. Treten solche Ver- 
hältnisse ein, dann wird gänzlicher Abgang persönlichen Mutes zum Ver- 
brechen an der Gesellschaft, ein Fall, in welchem sich mehrere, ja die 
meisten Mitglieder des Rathes der Stadt Wien nebst einigen Waffenpflichtigen 
Bürgern befanden, als Solymanns Horden gegen Wien heranzogen. 

In den Zeiten, wo man Kriege nicht durch stehende Heere führte, war 
der Bürger mit seinem Eide verpflichtet, bei Feindesgefahr auf seinem Posten 
auszuharren, Gut und Blut an die Verteidigung und Erhaltung des heimat- 
lichen Heerdes zu wenden. War zu diesem in den damaligen Verhältnissen 
und der daraus hervorgegangenen Wehrverfassung begründeten Opfer schon 
der einfache Bürger berufen, so galt dies um so mehr von jenen, welche, 
getragen von dem Vertrauen der Bürgerschaft und des Landesfürsten, durch 
freie Wahl der Ersteren in den Stadtrath gelangten. 

Die arge Pflichtverletzung, welche die Mehrzahl der Stadträthe und 
einzelne Bürger im J. 1529 sich zu Schulden kommen Hessen und welche um 
so greller hervortritt, je grösser die Verluste der pflichtgetreuen, zurückge- 
bliebenen Bürger sich herausstellten, wird schon bei Geusau und Anderen 
mit den Worten gemeldet: 

„Selbst einige Bürger (die Rathsmitglieder werden respectvoll verschont), 
deren Pflicht es gewesen wäre zur Verteidigung zurückzubleiben, flüchteten 
sich unter dem Vorwande, ihre Weiber und Kinder in Sicherheit zu bringen, 
ohne je wieder zurückzukehren; deren Abwesenheit aber schwer geahndet 
worden." 

Wie man es anstellte, Leute zu bestrafen, {welche fortgezogen waren, 
ohne je wieder zurückzukehren, mag dem Verfasser jener Mitteilung wol 
selbst ein Geheimnis geblieben sein; die nachfolgende Urkunde '), welche 
wir als noch nicht veröffen tlichtes Schriftstück in wortgetreuer 
Wiedergabe folgen lassen, giebt genügend Aufschluss, dass die Flüchtigen 
sogleich nach dem Verschwinden der Gefahr zurückkehrten und eben auch 
nicht mit zu schwerer Strafe belegt wurden, sondern nur zum Ausbaue jener 
Festungswerke kontribuieren mussten, deren jammervoller Zustand vor der 
Belagerung vielleicht ein Motiv mehr »u ihrer Flucht gewesen sein mochte. 

„Der kunigilchen Myt. zu Hungern und Behem, Ertzhertzogen zu 
Oesterreich etc. unserm genedigisten Herrn. 

Durchleuchtigister Grossmechtiger Kunig. Ew. khun. Mayt. sein unnser 
unterthenig gehorsam und sonnder geflissen willig diennst allzeit zuvoran berait. 

') Beriebt der n. öst. Statthalter and Kegenten an S. M. König Ferdinand I. ddo. 24. 
December 1529. Orig. im Archite des k. k. Minist, des Innern. 



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Genedigister Herr. Wir fuegen Ew. khun. Myt. in undertheniger gehorsam zu 
verneinen. 

Nachdem uns Ew. khun. Myt. vor wenig tagen auf Wolfganngen Trewen's, 
burgermaisters alhie zu Wienn Supliciren und antzaigen, dieweil seine Kats- 
genossen und mitverwonten, über das das Sy sich gegen uns bewilligt und 
zuegesagt: wo sich von dem Turkhen ain Fürslag, wie dann laider beschehen, 
zuetruege, neben uns zu steen und guets und pöss mit Ihren leiben in der 
•Stat zu übersteen, aber alspaldt der Türgkh mit seinem Antzug die Stat er- 
raicht, den mereru tail aus der Stat flüchtigen Fuess gestellt, und ausserhalb 
zwayer oder drayer Katsmänner, alle von Ime abgewichen, welchermassen es 
nun hinfüro gegen denselben abgewichen flüchtigen Ratsburgern gehalten, 
und ob dieselben neben und bey Ime widerumb in den Stat-Rat genomen und 
gebraucht werden sollen, u. s. w. unnder anderm auf gedachts Burgermaisters 
antzaigen und Begern genedigklichen zu versteen geben, das Ew. khun. Myt. 
diser Zeit mit gnaden zuelasse und vergönne, das dieselben gewichen Rats- 
burgern widerumb wievor in den Rat genomen und gebraucht werden sollen, 
«loch mit diser Condition, das Ew. khun. Myt. Ir gegen denselben, welche 
Ires wegkhzuges nicht genuegsam ursach oder Irem Burgermaister nicht 
xirlaub genomen haben, die straff vorbehallt. Der ursach solcher gnediger Zue- 
lassung Ew. khun. Myt. mir Stathalter mündtlich antzaigt und genedigklich 
zu versteen geben, das solches dieser Zeit darumben beschehe, dieweil der 
Lanndtag so khurtz vor äugen, damit von den Steten, — darunder Wienn 
die Haubtstat geacht, — ain Ausschus erkhiesst, fürgenomen und die Lannd- 
rags-Hanndlung der Stet-Ausschuss halben nicht verhindert noch angestellt, 
sonder in gang und sovil möglich gefördert werde. Und aber bey der gemainen 
Burgerschafft, dem Handwerchsman auch Anndern über dieselben Rats Burgern, 
•denen Irem Bevelch und Ambtman, vill mer als dem gemainen Bürger, Irem 
bewilligen und zuesageu nach : neben und bey uns in der Stat zu beleiben, 
und darinnen als Ratsverwonten args und guets zu übersteen, gepürt; — 
allerlay Beschwerung und schwierigkhait über Sy entstannden und grosslich 
zu besorgen, wo die also samentlich on ainicherlay verenderung yetziger 
Newer waal in dem Rat, ausserhalb vorgeennder Handlung gelassen, das 
solches bey dem gemainen Man, die sich neben anndern Burgern in der Be- 
legerung Eerlich und wo 11 gehalten, Ainem Rat Irer künftigen Hanndlung 
wenig Gehorsam geperen, noch derselben Bevelch vor Augen halten, sonnder 
allwegen den Hass des genomen Wegzugs und abtrinigkhait in Inen bedengkhen; 
Auch Sy dester weniger für Ir oberen mit gepürlicher gehorsam vor äugen 
haben, darauss nichts annders als gemainer stat verderben und anders wider- 
wärtigkhait, wo die dermassen unverendert in Irem standt gelassen, erfolgen 
und den beständigen Burgern ain pöss Ebenpildt geben und aines Eewigen 
Widerwillens zwischen der Burgerschafft nicht ain wenig ursach sein wurde. 

Unud wiewol Ew. khun. Myt. Jüngst denen von Wienn gegeben und 
bestäten Freyhaiten und Statuten clarlichen vermugen und in sich halten, 
uas gemainer Stat Ratsburgerwaal alwegen an dem driten Jar beschehen und 
biss auf das drit Jar unverendert beleiben, aUain solle alle Jar von wegen 
Aines Burgermaisters, oder ob in mitler Zeit ain Ratsverwonter ableiben oder 
sonnst annder Verschuldung halben enntsetzt wurde, die waal fürgenomen 
und hierinnen der Ordnung gemess gehalten werden. 



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Nun ist angetzaigter Ratsburger wall erst des verganugen Acht und 
Zwaintzigisten Jars dem geprauch nach fürgenomen, deshalben ditz gegen- 
wärtigen Jars ausserhalb Ew. khun. Myt. sonnder Vergonnung, Zuegeben und 
Bewilligung khain wall beschehen mag, dieweil sich dann zwischen den be- 
stänndigen und den andern abgewichen Burgern, denen Ir wegkhzug Irem 
Ambt nach zethuen nicht gepürt, etwas Widerwillen zuetrugen und allerlay 
Reden jüngster einsetzung ausserhalb vorgeender straff erschollen. Damit aber 
solches mit pesster geschiklichait underkhomen, und dannocht den gemainen 
Burgern zum tail Ires Begerens, nach gelegenhait jedes Rats-Burgers wegzug 
und gebürlicher Verantwurtung ain genuegen beschehe und merer Unrat verhuet 
werde, haben wir auf Jüngste, des Burgermaisters und Stat-ßichter aufsagung 
Im Ambter, so nach allter gowonhait an nägst verschinen sanndt Thomas 
Abent beschehen, alle Hanndlung und waal angestellt und Inen beden die 
Ambter sambt den Eigen Ratsverwonten, biss auf Ew. khun. Myt. oder unsern 
weitern Beschaidt, widerumben in massen wievor trewlichen zu verrichten 
bevolhen. 

Demnach ist unser unnderthenig Rat und guetbedungkhen, es will 
auch die notturfft zu verhuettung merers Widerwillens groslichen erfordern, 
das Ew. khun. Myt unangesehen obgemelter Freyhait, — dieweil dieselb auf 
Ew. khun. Myt. wolgefalleh und Derselben minderung gestellt, — ditz Neun- 
undzwanzigisten Jars von Neuem ain gemaine waal nach vermug der Statut 
zu beschehen, genedigklich vergunne und zuegebe. und wer also mit aintrech- 
tiger waal in den Rat erweldt, auf unser verpesserung darein genomen und 
allermassen, aU ob yetzmals das drit Jar vor äugen, mit der waal gehanndlt 
werde, und was Ew. khun. Myt. hierauf gelegen und gemeint sein will uns 
desselben fürderlichen Bericht und zuwissen mache, damit mit Besetzung 
Burgermeister- Richter- und annder Rats- und gemainer Stat Ambter, der 
uotdurfi't nach gehandlt werden muge, dann wir gedachtem Burgermaister 
und Stadtrichter, dessgleichen den Ratsverwonten Vertröstung gethan, Inen 
der wall und der Rats-Anibter halben, von Ew. khun. Myt. fürderlichen Be- 
schaid zu erlanngen. 

Wogleich Ew. khun. Myt. gegen allen den Burgern so flüchtigen Fuess 
gesetzt, in der gemain die straff vorbehalten und die Ratsverwonnten in 
dieselb straff auch zue nemben gedenkhen, So achten wir doch, das die bemelten 
Ratsverwonnten Irem Ambt. und Bevelch nach, neben derselben straff, andern 
zu Ebenpildt und Exempl, Irer Ambter diser Zeit obangetzaigter massen zu 
entsetzen, und für den gemainen Burger höher zu straffen wol wirdig und 
verdiennlich sein. 

Und so Ew. khun. Myt. die straf gegen den flüchtigen Burgern fürzu- 
nemben und zu beschehen verordnen, ist durch uns für Ratlich angesehen, 
Auch unser guetbedungkhen: Ew. khun. Myt. Die welle dieselb straf allain zu 
Paw und Bevestigung der Statmaur, dahin Sy billichen gehört, und sonnst 
annder ennde khainswegs wennden noch yemand anndern volgen lassen, wie 
dann Ew. khun. Myt. derselben gnädigen willen und gelegenhait nach uns 
Beschaid und in den notturfften Bevelch zu geben waiss. 

Das wollen wir Ew. khun. Myt., gemainer Stat und allem wesen zu 



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nutz und guetem, getrewer Maynung uud im pessten nicht verhalten, Der wir 
uns hiemit underthenigs vleiss bevelhen thuen. 

Datum Wienn am 24. Tag Decembris Anno 1529. 

Ew. Khun. Mayt. 

Unterthenigi8t Gehorsam 
n. Stathalter und Regenten 
der Niederösterreichischen Lannde. 



Gösing (V. U. M. B.) in Hinsicht auf die pfarrlichen Verhältnisse 
und das dort bestandene Karmeliterkloster. 

Von Adalbert Dun gel. 

Eine der ältesten Ansiedlungen im V. U. M. ist unstreitig Gösing. 
Dort gemachte Funde reichen teilweise in praehistorische Zeit hinauf 1 ) un 1 
auch der Name des Ortes in ältester Form Goznicha wird sowol aus dem 
Keltischen s ) als Hochdeutschen 8 ) zu erklären versucht. 

Die früheren Schicksale des Ortes sind unbekannt. In dem Stiftungs- 
brief von Göttweig v. J. 1083 geschieht von demselben noch keine Erwäh- 
nung, ein Beweis, dass das Kloster bei seiner Gründung kein grund- 
herrliches Recht daselbst besass. Aber schon im zwölften Jahrhundert be- 
ginnen die Besitzerwerbungen Göttweigs daselbst. Um das Jahr 1130 schenkte 
Chunradus de gozniche eine Mühle nach Göttweig mit Vorbehalt des 
Fruchtgenusses für seine Lebenszeit 4 ). Kaum 20 Jahre später machte Chun- 
radus de Chambe eine ähnliche Schenkung mit seinem gesammten Besitze an 
Feld, Leibeigenen und zwei Weingärten mit Zugehör, welche Schenkung 
nebst anderen Zeugen auch drei Bewohner Gösings bestätigten, nämlich Diethard. 
Elbwin und Bernhard 5 ). Doch gelangte Göttweig erst viel später, im Jahre 1218. 
und nicht ohne Vermittlung Herzogs Leopold VI. und des Bischofes Ulrich 
von Passau in den unangefochtenen Besitz dieser Güter«). Sehr besorgt um 
die Vermehrung des Stiftsbesitzes in Gösing war Abt Heinrich IV. Ln 
Jahre 1289 kaufte er von Ruger dem Prant und seiner Gemahlin Margaret 
mit Einwilligung ihrer Tochter Elisabet und ihres Schwiegersohnes Leut- 
wein von Sonnberg 7 ) 15 Hofstetten daselbst um 45 Pfund Pfennige 8 ). Diese 
Güter waren das Erbteil Margaretens, und ihr Bruder Otto der Piber 

*) Dr. Much, Zweiter Bericht über die urgeschichtlichen Aosiedlungen In Nieder 
Österreich, Separatabdruck aus den Mitteilungen der antropologischen Gesellschaft. Vgl 
auch p. 270 dieses Jahrganges der „Blätter des Vereins." 

*) 6 o e h 1 e r t, Ueber keltische Ortsnamen in Niedcrösterrolch, in den Blättern de* 
Vereins für Landesk. v. Niedöst. 1869 8. 101. 

») Dr. Much, Ueber Ortsnamen in Niederösterreich, in den Blättern d. Ver. f. L. 
1872, 8. 22 u. f. 

*) Fontes Rer. Aust. II, VUI, 8. 67 Nr. CCLXX. 

») Fontes 1. c, 8. 69, Nr. CCLXXVU. 

*) Vergl. hierüber die interessante Urkunde In Fontes L c, 8. 390, Nr. XXVII. 
*) Die Einwilligung datiert von 1289, 22. Sept., und ist abgedruckt in Fontes L c 
8. 341, Nr. LXXI. 

*) Der Kauf wurde abgeschlossen zu Stein am 24. September nach der Original- 
urkunde auf Pergament im Stiftsarchive von Göttweig. 



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glaubte darum einen gerechten Anspruch darauf zu haben, welchem er erst, 
vom Gegenteil tiberzeugt, am 10. Juli 1293 für sich und seine Geschwister ent- 
sagte Derselbe Abt erwarb 1294 von Margaretha von Streitwiesen 8 Hof- 
stetten in Gösing und zwei Gülten zu 50 und 42 Pfennige 8 ) und 1297 von 
Alber von Rotenstoin um 7 Pfund Pfennige ein Lehen an Gösing, welches 
Kuger der Steger zu Purgrecht hatte und jährlich 10 Pfennige davon diente 3 ). 

Durch diese Schenkungen und Käufe'^war der Stiftsbesitz in Gösing so 
bedeutend geworden, dass daselbst 1302 bei Anlage des ältesten Liber cen- 
sualis durch denselben Abt ein eigenes Amt (Officina) mit einem Officialis 
gebildet und der Praepositura- Stein, zugewiesen wurde. In diesem Dienst- 
buche 4 ) sind der Stiftsbesitz und seine Leistungen genau angegeben. 

„Officina Goznich. 

Goznich XVII habet beneficia, quorum quodlibet seruit dimidium 
uiodium siliginis et de agris vberlend XV metretas siliginis. Item XI bene- 
ficia, quorum quodlibet dat dimidium modium voitfuter; super avenam VI 
denarios. Item de predictis XVII beneficiis quodlibet seruit dimidium talen- 
tum Michaelis excepto dimidio beneficio, quod seruit 1 denarios. Steger de 
vno beneficio XXX denarios Michaelis. Elbom de area dimidium talentum ot 
XII denarios. Heinricus Traicinger de area XL denarios. Trautman de area 
VIII denarios. Item de nouo seruicio XVII solidos et II denarios. 

In Officina Goznich vna Curia seruit michaelis dimidium talentum 
denariorum. Item duodecim Aree ibidem michaelis XII solidos denariorum 
et cholomanni LXXII caseos grossos et XXIIII metretas auene mensure 
uiaioris. 

Item Quinque* Aree ibidem michaelis. Rugerus XXX denarios, VI 
caseos. Heinricus plenchel XLVIII denarios, VI caseos. Hierzo in curia 
villicali XXX den. VI cas. Dietricus sutor XXX den. VI cas. Chunradus 
textor X den. VI cas. De bonis Streitweserinn e. Septem areis et agris 
vberlent VII solidos X den. michaelis. In carnisbriuio de quinque areis V 
pullos. tt 

Dazu kommt noch das Burgrecht, welches von f»2 Weingärten und 
Aeckern zu Cholomanni und Georgi gereicht wurde, so dass die jährliche Eiu- 
name aus diesem Besitz betrug : IX modii frumenti, V 1 /» modii avene voitfueter. 
Item de areis XXIIII metrete auene. Summa denariorum michaelis de nouo 
et ueteri seruicio XII talenta et LX den. et de V curtis V solidi den. praeter 
II den. Cholomanni de Jure ciuili XVII solidi den. et % den. Georii dimi- 
dium talentum et V den. Summa Enxeniorum: XII Aree que seruiunt Cholo- 
manni LXXII caseos grossos. V Aree quelibet VI caseos. 

Eine bedeutende Vermehrung erlangte das Stiftsgut in Gösing durch 
Abt Wülfing, welcher 1339, 23. April, von den Kindern Pernolts von Iduns- 
pergen um 115 Pfund Wiener Pfennige und um einige Gülten zu Lauchs- 
feld (Laxfeld), Leutpltstal (Loitesthal), Waidendorf und Vellabrunn deren 

') Fontes 1. c. 8. 34», Nr. LXXII. 
») Fontes L c. 8. 340, Note. 

») Kaufbrief, ausgestellt am 1. August 1297 auf Pergament, ungedruckt im Stifte- 
archiv zu Göttweig. • „ . . _ . , , . 

«) Dieses Dienstbuch ist 1302 vom GÖttweiger Notar, dem Pfarrer Jakob von nainfeld 
geschrieben und enthält auf 33 Pergamentblättern den damaligen Besitistand Göttweig». 



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Besitz zu Gösing erwarb, welches jährlich 8 Pfund, 3. Schilling und 11 Pfen- 
nige ertrug 1 ) und dazu am 28. August d. J. von Pemger dem Viedorfer und 
dessen Schwager Gottfried dem Holzer um 13 Pfund Wiener Pfennige 6 Joch 
Aecker kaufte mit einem jährlichen Burgrecht von 60 Pfennigen. Die Vogtei 
über diesen bedeutenden Besitz des Stiftes zu Gösing übernam im selben 
Jahre 1339^ 29. September, Graf Purchart von Maidburg l ). 

Eine weitere Erwerbung ward durch Abt Mathias 11. gemacht, der 
am 12. Juli 1530 Gülten daselbst im Betrag von 2 Pfund und 22 1 /* Pfennig von 
dem Franenkloster Pernegg ankaufte l ). Auf diesem Wege der Schenkung, des 
Kaufes und Tausches war Göttweig dahin ■ gelangt, dass es beinahe der 
alleinige Grundherr des Ortes war und ihm fast alle Häuser unterthänig ge- 
worden sind. 

In pfarrlicher Hinsicht soll der Ort, wie man allgemein glaubte, 
ursprünglich zur Pfarre Mühlbach gehört haben und im Filialort dieser 
Pfarre geblieben sein, bis daselbst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts 
ein eigener Pfarrer angestellt wurde. Diese Ansicht hat allerdings den 
Schein für sich, da der Ort nahe liegt und unmittelbar vor der Anstellang 
eines eigenen Pfarrers mit den pfarrlichen Verrichtungen von Mühlbach au* 
versehen wurde. Sie ist aber gewiss unrichtig, wie schon der Stiftungsbrief toii 
Göttweig zeigt, in welchem als südöstliche Grenze der Pfarre Mühlbach der 
„Plechuntirwech" angeführt ist, d. i. der Fahrtweg, welcher von Strass nach 
Hohenwart führt und allgemein der Pieckinger- oder Piickeweg heisst 'i. 
Damit stimmt auch das Zehentvorhältnis vom Orte Gösing. Es ist nämlich 
gar keine Spur vorhanden, dass der Pfarrer von Mühlbach oder Göttweig 
nomine dieser Pfarre je einen Zehent im Ortsbezirke von Gösing bezogen 
hat, und der Zehent, welchen Göttweig daselbst hatte, stammt aus später«; 
Zeit und aus anderen Titeln, nicht aus dem der Pfarre Mühlbach. Jeden Zweifel 
aber in dieser Sache benimmt eine Urkunde aus dem Archive des aufgeho- 
benen Chorherrnstiftes Tirnstain vom 4. December 1406 8 ). mittels welcher 
Otto der Fuchs zu Goschnik mit Erlaubnis seines Burgherren des Pfarrers 
Jacob zu Grafenwerd seinen „Hof gelegen zu Goschnik in grafen- 
werder Pfarr", seiner Frau als Widerlage ihrer Morgengabe verschreibt 
Diese Urkunde überhebt uns zugleich allem Rathen nach der Pfarre, n 
welcher Gösing in alter Zeit gehört habe. Man würde aber immerhin au« 
dem bedeutenden Zehentrechte, welches das Stift Tiernstein, dem die Pfarre 
Grafenwörth incorporiert war, daselbst hatte, auf dieselbe zu schliessen ge- 
nötigt gewesen sein. 

Gösing hat also, so weit sich gegenwärtig zurückgehen lässt, zor 
Pfarre Grafenwörth gehört, und dieses Verhältnis war bei dem hohen Alter 
dieser Pfarre 4 ) gewiss das ursprüngliche. 

Wie in vielen von ihren Pfarrkirchen entlegenen Orten Kapellen 
errichtet waren, hat auch Gösing wenigstens seit der Mitte des fünfzehnten 
Jahrhundertes eine Kapelle gehabt 6 ). Ob dies der erste derartige Bau war. 



■ ■ ■ 

») Originalurkunde Im Stiftsarchive au Göttweig. 
») Fontes L c. 8. 125. 

») Gegenwärtig im Stifte Uerzogenburg als Nr. 133 des Tierasteiner Archives. 
•) Meiller, Babenbeiger Regestcn 8. 194 Aninerk. 18, sucht hier die 1014 gegrün- 
dete Pfarre Sigmarisveridc. 

$ ) Eine Urkunde vom Jahre 1477 neont die Kapelle „de nouo constructa". 



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oder ob hier schon früher eine Kapelle bestand, kann nicht mehr genau be- 
stimmt werden. Wenn nun auch in Gösing eine Kapelle früher bestand, so 
konnte sie doch von keiner Bedeutung gewesen sein, während die neuerbaute 
nicht mehr zu den unbedeutenden zu zählen ist. Von der allfällig älteren 
Kapelle kann hier aus Mangel jeder positiven Angabe, keine Rede sjein — nur 
die des fünfzehnten Jahrhundertes ist es, mit der wir uns zu beschä'ftigen 
haben. 

Was sich für die Urzeit dieser Kapelle sagen lässt, beruht auf einigen 
Angaben in den Dienstbüchern und auf zwei Urkunden, wovon wir zum 
Beleg und zur Beurteilung der gegebenen Ansichten erstere wörtlich, die 
Urkunden aber inhaltlich folgen lassen. 

Ein Dienstbuch *), geschrieben 1439 — 1444, bringt folgende Angaben : 
fol. 180, „Gösingk Lechen dy karner dienen vnd nicht habern. M 

„Gorig Slörr von */a lochen ibidem- habet ecclesia." Letzterer Zu- 
satz mit etwas jüngerer Schrift eingetragen. 

„Symnaw tenkch V 2 lochen, dy kchy riehen ligt darauf f." 
Dieser Zusatz ist von derselben Hand geschrieben, von welcher "der Haupt- 
text herrührt. 

Ein zweites Dienstbuch 1 ) vom Jahre 1445 führt fol. 168 unter jenen, 
welche „Michaelis Seruicium siliginis in Gözningk" zu leisten schuldig sind, 
auf: „Erhardus Cappell anu s." 

Die ältere Urkunde ist am 26. April 1462 von Erhard Topler von 
Neidegk, Kaplan zu Gösing, ausgestellt 2 ). Sie betrifft Differenzen, welche 
zwischen dem Kaplan und der Gemeinde herrschten und mit Wissen und 
Willen des Abtes Martin von Göttweig, ihres Grundherren , durch den 
Schiedsspruch ' des Bitters Bernhard von Tehenstein ausgegliechen wurden. 
Der Spruch, zu dessen Befolgung sich der Kaplan in seiner Urkunde bereit 
erklärte, lautete dahin, dass derselbe alle Briefe (Dokumente), welche zur 
Kapelle gehören, jedoch mit Vorbehalt seines väterlichen und mütterlichen 
Erbes der Gemeinde abtreten, diese aber ihm dagegen den Weingarten, der 
„Drüml" genannt ist, auf Lebenszeit zum Genüsse einantworten und jährlich 
fünf Pfund Pfennige reichen soll. 

Die zweite Urkunde ist vom 2. August 1477 datiert, ausgestellt vom 
päpstlichen Nuntius Alexander, Bischof von Forli, welcher zugleich die Ge- 
walt eines Legaten a latere hatte, und an den Abt von Göttweig (Laurentius) 
gerichtet 8 ). Der Propst von Tiernstein hatte gegen den vorgenannten 
Kaplan Erhart Topler in G ö.s i n g wegen Verweigerung einer Zehentabgabe 
an den Pfarrer von Grafenwörth bei dem Nuntius Klage geführt, und dieser 
gab mit der Urkunde dem Gpttweiger Abt den Auftrag, die Sache zu unter- 
suchen und zu entscheiden. Der Nuntius hatte die Klage angenommen, 
weil, wie es in der Urkunde heisst, die „d e n o u o construeta" Kapelle 
des h. Johannes in Gösing der Kirche zum h. Johannes im Lateran in Rom 
unterworfen sei, „ut priuilegio exemptionis vti posset et gaudere vna cum 
suo Rectore." 



•) Papiei codex in Quart im Stiftsarchiv zu Göttweig. 
») Original im Stiftsarchiv zu Göttweig. 

3 ) Original im Tiernsteiner Archiv Nr. 328, gegenwärtig im Stifte Herzogenburg. 

22 * 



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Aus diesen Documenten geht hervor, dass die Kapelle zu Gösiug am 
Anfang des fünften Decenniums im fünfzehnten Jahrhundert ganz neu erbaut 
wurde auf einem Grunde, welchen der Lehenbesitzer Simon Tenk entweder 
freiwillig oder gegen eine Entschädigung dazu gewidmet und wozu der 
ehemalige» Abt von Göttweig als Grundherr seine Einwilligung gegeben hatte l }, 
und dass hei der Kapelle zur selben Zeit bereits ein Kaplan angestellt war, so 
dass der Bau der Kapelle und die Anstellung des Kaplanes Erhart Topler als 
gleichzeitig gelten können. 

Beides wird zum Teil der Gemeinde, zum Teil der Topler'schen 
• Familie zuzuschreiben sein, wie auch aus dem Schiedssprüche über die 
Differenzen zwischen dem Kaplan und der Gemeinde hervorzugehen scheint. 
Die Differenzen betreffen nämlich die Verwaltung des zur Kapelle gehörigen 
Vermögens, welche sowol die Gemeinde als der Kaplau für sich in An- 
spruch namen; Anlass hiezu mochte die bedeutende Vermögensvermehrung 
durch das halbe Lehen gegeben haben, das demnach um das Jahr 1460 
durch Schenkung s ) an die Kapelle gekommen. Die Gemeinde forderte alle 
zur Kapelle gehörigen Dokumente, welche der Kaplan in Händen hatte, 
zu sich — und ward als hiezu berechtigt auch anerkannt — und sicherte 
demselben Nutzniessungen zu, und dieser hat sich wieder bei der Aus- 
lieferung der Briefe die Nutzniessung von seinem väterlichen und mütter- 
lichen Erbe vorbehalten, welches also zur Kapelle gehört haben musste; 
was anzuzeigen scheint, dass bei der Stiftung der Kapelle und des Kaplan.« 
die Gemeinde Gösing und die Topler'sche Familio heteiligt waren. Die 
Gemeinde ist darnach als Patron betrachtet worden, womit auch überein- 
stimmt, dass sie für das halbe Lehen der Kapelle nach den Göttweiger Dienst- 
büchern auch jährlich den Dienst leistete.' 

Die Kapelle und der Kaplan hatten nach dem Zeugnisse des päpstlichen 
Nuntius dadurch, dass sie sich unmittelbar dem römischen Stuhle unterwarfen 
und dort auch ihre Unterwerfung angenommen worden war, die Exemtion 
erlangt. Sie waren hiemit nach dem Begriffe der Exemtion der Jurisdiction 
des. Bischofes und Pfarrers entzogen und konnten nur vom Papste selbst 
oder einem Legaten a latore gerichtet werden; damit war von selbst die Be- 
fähigung zur Abhaltung des Gottesdienstes in der Kapelle verbunden. Ob 
aber dadurch vielleicht noch andere Rechte erlangt wurden, wie namentlich 
die Berechtigung des Kaplans,', die wesentliehen pfarrlichen Rechte (Taufe, 
Copulation, Viaticum, Begräbnis) im Gösinger Ortsbezirke zu üben, wodurch 
dieses von seiner alten Pfarre losgerissen und zu einer selbstständigen Pfarre 
gemacht worden wäre, ist sehr fraglich, ja mit Rücksicht auf eine Entschei- 
dung Bonifacius VTII. a ), wonach die Exemtion einer Kirche nicht auch auf die 
Pfarrkinder hinsichtlich der auf die Seelsorge bezüglichen Angelegenheiten 
sich erstreckt, sehr unwahrscheinlich, und wenn sich auch hier ein solches 
Verhältnis nach nicht gar langer Zeit zeigt, so war es nicht ursprünglich 



') In einer Urkunde des Abtes Laurenz von Göttweig von 1480, die wir später 
■ bringen, heisst es : „Fundum noatrum in vllla Gösing, in qne nane Sita est Capells 
Sunctorum Johannis Baptlste et Evangeliste superioribus annis per antecessorea nostro» 
pro ercctione esdemju Capelle condouatam." 

') So. ist wol der Ausdruck r zam Gotteshaus gekommen" zu verstehen. 

») Cap. 9 lit 7 in Secto Lib. 5. 



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311 



mit der Exemtion verbunden, sondern hat sich auf Grund derselben erst 
herausgebildet. 

Erhart Topler war, woran kaum zu zweifeln, der erste Kaplan der 
Kapelle zu Gösing. Sein Andenken hat sich nur durch seine Streitigkeiten 
erhalten. Von seinem Streite mit der Gemeinde, oder eigentlich von dem 
Schiedssprüche darüber war schon oben die Rede, ebenso auch von seinem 
Zehentstreite mit dem Pfarrer Nikolaus von Grafenwörth, resp. dem Stifte 
Tiernstein, und es erübrigt nur noch, das hierüber erlassene Erkenntnis des 
Abtes Laurenz von Göttweig beizufügen. Dieser untersuchte dem Auftrage 
des päpstlichen Nuntius vom 2. August 1477 gemäss bereits am 19. August 
desselben Jahres die Sache im Dominikanerkloster zu Krems mit Hinzu- 
ziehung d*r Aebte Ludwig von Melk und Thomas von Herzogenburg und des 
Melker Professen Martin von Seging und entschied ,'sie dahin, dass Topler 
dem Pfarrer Nikolaus für die angethanen Unbilden Abbitte zu leisten und' 
dem jeweiligen Pfarrer von Grafenwörth den streitigen Zehent, da er in dieser 
Pfarre liege und zu derselben gehöre, immer zu geben habe x ). Leider erfährt 
man nicht, aus welchem Grunde Topler den Zehent verweigert habe, und wo 
das zeh'entpflichtige Objekt gelegen war; es würde . dies vielleicht ein Licht 
auf das pfarrliche Verhältnis werfen. Mehr ist von diesem Kaplan e nicht 
bekannt; auch ein Nachfolger desselben kommt in den Göttweiger Doku- 
menten nicht zur Sprache — ja es dürfte überhaupt keinen Nachfolger des- 
selben mehr gegeben haben, da schon in einer Urkunde des Jahres 1480 von 
einer anderen Bestimmung der Kapelle die Rede ist. 

Diese Urkunde lautet 8 ): „Laurentius dei gratia abbas monasterii beate 
Marie virginis in Gottwico ordinis s. Benedicti pataviensis dioecesis notum- 
facimus per presentes: Quod attendentes et vigilanti studio considerantes, 
quam condignum et meritorium sit opus, ad laudem et gloriam beatissime dei 
genitricis virginis Marie aliorumque sanctorum dei tendere, summisque viri- 
bus niti, ut pro eluenda nostrorum criminum mole apud cunctipotentem nostri 
intercessores et aduocati existant, et eorum ope ad promissam nobis patriam 
peruenire valeamus; sane deliberatione matura prehabita accedente super hoc 
nostrorum fratrum beneplacito et fauore expressis fundum nostrum in villa 
Gösing pataviensis dioecesis, in quo nunc sita est capella sanctorum Johannis 
Baptiste et Ewangeliste, superioribus annis per antecessores nostros pro erec- 
tione eiusdem Capelle condonatum, venerabili patri — priori totique conuen- 
tui beate Marie virginis ordinis Carmelitarum in Wienna prefate dioecesis 
et eorum successoribus pro constructione noui monasterii rursum et de recenti 
donauimus et donamus per presentes, iuribus nihilominus et interesse uostris • 
in persolutione annui census semper saluis, ea conditione et pacto, ut quemad- 
inoduin eorundem fratrum, aliorumque plurimorum Christi fidelium apud nos 
exhibita continebat peticio, ibidem et in eodem fundo ipsi fratres prefati et 
eorum successores monasterium nouum supradicti ordinis Carmelitarum 
erigere et construere debeant, valeant et possint. Ad quas erectionem et 
structuram nos, quantum de iure debemus et possumus, nostrum prebemus 
et dainus assensum et fauorem harum testimonio nostri sigilli rotundi a tergo 



') Original im Tiernateiner Archiv Nr. 329, gegen w. Im Stifte Herzogenburg. 

*) Nach einer gleichzeitigen Abschrift in einem Papiercodex des Göttweiger Archives. 



312 



appressione roboratarum. Datum et actum in prefato nostro monasterio Gott- 
wiceusi octaua die mensis Maii anno incarnationis dominice m. cccc, octo- 
gesimo." 

Nach dieser Urkunde hatte sich die Gemeinde Gösing gewiss nach der 
* Erledigung der Kapelle, die aller Wahrscheinlichkeit nach durch den Tod 
des Kaplans Erhard Topler eintrat, mit dem Karmeliterkloster am Hof in 
Wien in Verbindung gesetzt, um dieses zur Uebername der Kapelle in 
Gösing und zur Gründung eines Klosters desselben Ordens daselbst 
zu bewegen. Die Gründe, welche die Anname dieses Antrages von Seite 
des Karmeliterklosters veranlassten, sind uns unbekannt; wir werden uns 
aber kaum irren, wenn wir sie in der Uebertragung der Stiftung für 
einen Kaplan und in bestimmten jährlichen Beiträgen von Seite- der Ge- 
meinde suchen, was seine Begründung auch in den später anzuführenden urkund- 
lichen Angaben finden wird. Beide, das Karmeliterkloster von Wien und die 
Gemeinde Gösing, wandten sich nun an den Abt Laurenz von Göttweig als Grund- 
herrn, um von ihm die Erlaubnis zur Erbauung des Klosters in Gösing zu 
erbitten, welche derselbe in obiger Urkunde bereitwillig erteilte, sich aber 
das Recht auf Leistung der jährlichen Dienste vorbehielt. Und darum 
erscheint auch das neue Kloster der Karmeliter zu Gösing in der Reihe der 
Grundholden in den Göttweiger Dienstbüchern; und diese nackten Einzeich- 
nungen sind wol das einzige Lebenszeichen aus der Zeit der Existenz des 
Klosters *), aber sie gewähren, so unscheinbar sie auch sind, doch in ihrem 
Zusammenhange ein Bild der Vermehrung des materiellen Besitzes und dem 
. entsprechend auch einer gedeihlichen inneren Entwicklung des Klosters. 

Noch im selben Jahre 1480 mag von den Karmelitern in Wien der 
Bau des Klosters in Gösing in unmittelbarer Nähe der Kapelle in Angriff ge- 
nommen worden sein und dürfte auch bald seine Vollendung gefunden haben, 
da schon im Dienstbuche vom Jahre 1484 fol. 22, b. Michael Tenk „vom 
gertlein pey dem closter" 5 Pfennige diente und im selben Jahre der „Prior 
im Besitze einer Hofstatt erscheint *). Diese Hofstatt, das Spital genannt, ge- 
hörte ursprünglich der Gemeinde und wurde gleich dem halben Lehen, das 
der Kapelle gehörte, nur für so lauge dem Kloster überlassen, als es nicht 
anderweitig hinreichenden Grundbesitz und Einkommen erworben hatte; 
denn als dieses in den Jahren 1604—1510 der Fall war, gieng die Hofstatt 
wieder in den Besitz und das halbe Lehen der Kapelle in die Verwaltung 
der Gemeinde zurück 8 ). Im Jahre 1487 erbte das neue Kloster ein halbes 
Joch Weingarten „am Hohenholtz*)" nach dem Tode des Erblassers Michael 



') Ausführliche Aufzeichnungen bringen das Visitations-Protokoll 1543—1544. 
Band II, fol. 365 b, im k. Haus- Hof-, und Staatsarchive in Wien und zwei Urkunden im 
Sriftsarchive von Göttweig vom 24. Oktober 1551 und 16. Juli 1569, welche, wenn sie auch 
manches Streiflicht auf den Zustand des Klosters werfen, doch einer Zeit angehören, ia 
welcher das Kloster schon wieder eingegangen war. — Unser Forschen nach andere» 
urkundlichen Angaben, worin uns der Herr Archivar Im k. k. Hof- u. Staatsarchiv, Dr. G. 
Winter, in nicht genug anzuerkennender Weise unterstützte, blieb leider erfolglos. 

') Dienstbuch v. J. 1484, fol. 5, b. 

J ) Nach Dienstbuch v. J. 1504—1510. 

•) Das Dienstbuch t. J. 1184, fol. 14 hat darüber: ing. vin. am hohenholts 
Prior et conuentus et est res legata a michaele kergl et possessio fewdi anno domioi 
1487 petita est et obtenta in presencia domini Mathie ex gotweig professi sub iudic© 



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Kergl und in dem Zeitraum von 1496 bis 1500 kam neuerdings eine Hofstatt, 
welche 14% noch im Besitze der Kanzlerin erscheint, und ein halbes Joch 
Weingarten „im perg" 1496 noch im Besitze Paul Hürtters an den „Prior von 
Gösing unbekannt ob durch Schenkung oder Kauf. Die bedeutendste 
Erwerbung fällt aber in die Zeit von 1504 bis 1510. An die Spitze stellen wir 
nicht allein in Ansehung der Grösse, sondern auch der Zeit nach ein ganzes 
Lehen, das wahrscheinlich durch Kauf an den „Prior und Conuent in Gösing - 
kam 2 ). Eine Hofstatt, welche in derselben Zeit an das Kloster wahrscheinlich 
durch Schenkung fiel, blieb nur kurze Zeit im Besitze desselben und kam 
wol durch Verkauf weiter; desgleichen ward ein Joch Acker, welcher im gleichen 
Zeiträume von Simon Wallich zum Kloster gestiftet worden war, nach 
kurzem Besitze verkauft, dafür aber wurden ein halbes Joch Weingarten „das 
Prenntl" von Leonhart Gauster, ein anderes halbes Joch Weingarten „im 
Altenperg" von Georg Randorfer von Ennglmansprun (Engabrunn) und ein 
Krautgarten von Hans Hagen erworben. Die weiteren Erwerbungen fallen in 
die Zeit von 1510 bis 152Ö und umfassen sieben Weingärten in der Gesammt- 
ausdehnung von drei Joch und ein Joch Acker. 

Das Erträgnis dieses Besitzes, dann die jährlichen Beiträge von Seite 
der Gemeinde 8 ) und die Sammlungen, welche in der Umgegend veranstaltet 
wurden 4 ) und bei dem gläubigen Sinn in damaliger Zeit auch ein Ziemliches 
mögen ertragen haben, dienten zum Unterhalte von sechs bis acht Brüdern 8 ), 
deren einer zugleich das Amt eines Priors bekleidete. Sie hatten den Kapellen- 
dienst zu versehen und übten auch pfarrliche Rechte aus, wie aus der Urkunde 
vom 24. Oktober 1551 zu erschliessen ist. In diesem Dokumente giebt die 
niederösterreichische Regierung auf die Beschwerde der P f a r r gemeinde zu 
Gösing gegen den Prior und Convent der Karmeliter zu den weissen Brüdern 
in Wien, dass bei der Kapelle und dem Kloster zu Gösing der Stiftung und 
dem alten Herkommen gemäss durch die Ordensleut für die Versehung der 
pfarrlichen Rechte nicht gesorgt wäre und sie der gebührlichen christlichen 
Seelsorge ermangeln, den Bescheid, dass gedachter Prior und Convent in das 
Klösterl wieder einen tauglichen Priester setzen solle, der den Gottesdioftst 
und andere christliche und geistliche Bedürfnisse, wie es altes Herkommen 
war, versehe, damit die Gemeinde zu Gösing am Gottesdienst und an der 
Seelsorge keinen Mangel leide, dass hingegen auch die Gemeinde nach altem 

thoroa Radawner de voluntate vxoris defunctl et testamentariorum Thome Kergl fratris 
michaelis." 

*) Dienstbuch v. J. l. r .OO, fol. 5, 23, b. 

») Dienstbuch v. J. 1504—1510, fol. 33, b. Wir glauben, hier eher auf einen Kaut 
schliessen zu können, weil der vorausgehende Besitzer Hanns Kienberger schon Toni 
J. 1500 an die jährlichen Dienste nach Göttweig schuldig war. Dass die Gemeinde zuv 
Erwerbung des Lehens behilflich war, kann nur aus dem Umstände geschlossen werden, 
dass sie zugleich das dem Kloster zum Genüsse gelassene halbe Lehen der Kapelle und 
die Hofstatt „das Spltal u zurückzog. — Leider beginnen die „Gwöhr^bücher, in welchen 
die Äenderungen auf den Besitzungen Göttwelgs am linken Donauufer eingetragen 
wurden, erst mit dem Jahre 1520 und können darum für unseren Gegenstand keine Nach- 
richt geben. 

») Dass solche geleistet wurden, geht aus der später zu erwähnenden Uikundo 
vom 24. Oktober 1551 hervor. 

*) „Die Brüder haben sich am mai&tcn mit dem Pettln ernertt. vnnd hinbrachte 
Visitationsprotokoll L c 

5 ) Visitationsprotokoll 1. c. 

* « • 



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314 



Herkommeu dem Priester das Gebührende zu leisten habe *). Die Urkunde 
lässt deutlich durchscheinen, dass die Uebung der pfarrlichen Rechte gleich 
bei Gründung des Klosters den Karmelitern übertragen wurde. Auf eine 
segensreiche Wirksamkeit können wir schliessen, weil nicht allein die Kapelle 
in dieser Zeit zu neuem Besitze gelangte, sondern auch eine eigene Bruder- 
schaft „Unserer Frau" entstand, welche im Zeiträume von 1500 bis 1510 
vier Viertel Weingärten und zwei Joch Aecker <lurch Vermächtnisse erlangte s ). 

Aber diese Wirksamkeit war von keiner langen Dauer. Unter dem Ein- 
flüsse des Protestantismus, der sich bald auch auf dem Lande verbrei- 
tete, wurden die Sammelertragnisse für das Kloster immer geringer 8 ) und 
unterblieben die bestimmten Leistungen von Seite der Gemeinde *) ; dazu kam 
noch, dass die neue Lehre in den Klöstern selbst zahlreichen Anhang fand 
und viele Brüder zum Verlasse derselben anreizte. Aus diesen Gründen hatten 
die Karmeliter im Jahre 1541 6 ) das Kloster in Gösing verlassen. Das Kar- 
meliterkloster in Wien, zu welchem das Kloster in Gösing gehörte, war selbst 
von zwölf auf vier Brüder herabgesunken und genötigt, zur Besorgung 
des Gottesdienstes ungarische Priester bei sich aufzunemen •), und konnte 
daher für den pfarrlicheu Dienst in . Gösing nur insoferne Sorge tragen, dass 
es im Jahre . 1542 einen Weltpriester mit Namen „Johannes Muesser u als 
Beneficiaten in das Kloster setzte und diesem den Klosterbesitz von 40 Joch 
Aeckern, 4 Joch Weingärten und 6 Tagwerk Wiesen zum Unterhalte anwies, 
wovon ihm die Gemeinde 18 Joch Aecker und 2 Joch Weingärten bebaute, 
während das Uebrige öde liegen blieb '). Doch mochte auch dieser Benefkiat 
uicht zu lange daselbst verbleiben, denn schon am 30. August 1548 gab 
Bruder Georg Raab, der h. Schrift Lehrer und Provincial des Karmeliter- 
ordens in den oberen deutschen und ungarischen Ländern, mit kaiserlicher 
Einwilligung das Klostergebäude zu Gösing sammt Grund und Einkommen 
dem Abte Leopold von Göttweig in Bestand gegen jährliche Reichung von 
zehn Metzen Weizen, dreissig Metzen Korn, sechsunddreissig Eimer Wein 
und zehn Pfund Pfennig in das Kloster zu den weissen Brüdern in Wien; 
für den pfarrlichen Dienst ward aber keine Sorge getragen. Darum wandte 
sich die Gemeinde an die niederösterreichische Regierung, von welcher unterm 
24. Oktober 1551 der oben angeführte Bescheid erfolgte, dass der Prior der 
Karmeliten in Wien das Kloster in Gösing wieder mit einem tauglichen 
Priester besetzen solle. Dass dies zum Vollzug gekommen, ist wahr- 
scheinlich, da auch im Karmeliterkloster in Wien um diese Zeit oder doch 
bald hernach in Folge der lutherischen Verwirrungen die Zahl der Brüder 
bis auf Einen zusammengeschmolzen war, von welchem es noch überdies 
hiess, dass er nicht diesem Orden angehöre, sondern .ein Weltpriester wäre, 
der nur das Ordenskleid angezogen habe, um das Kloster und dessen Be- 



*) Original im StiftsarchlTe von Göttweig. 
*) Nach den entsprechenden Dienstbüchern. 
') Visitationsprotokoll 1. c. 

') Dies scheint aus obiger Urkunde v. J. 1551 zu erhellen. 

') Wir nemen dieses Jahr an mit Rücksicht darauf, dass es im VisitationsprotokoM 
v. J. 1544 heisst, dass eine Zeit her kein Bruder mehr darinnen war, uud dass vom 
Jahre 1541 die Entrichtung des Grundzinses nach Göttweig unterbleibt. 

«) Visitationsprotokoll 1. c. fol. 451. 

•) Visitationsprotokoll 1. c. fol. 3*5, b. 



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315 

- 

Sitzungen zu schützen *), und Kaiser Ferdinand I. schon 1554 gegen Ende Mai 
dieses Kloster den Jesuiten übergab. 

Mit dem Eingehen des Mutterklosters in Wien hatte auch das Karme- 
literkloster in Gosing sein definitives Ende gefunden und die Jesuiten bean- 
spruchten nun als Erben des Mutterklosters, nachdem sie aus den ihnen 
übergebenen Urkunden desselben den Zusammenhang mit dem Kloster in 
Gösing kennen gelernt hatten, auch dieses letztere als Eigentum. Auf 
Grund des im Jahre 1548 abgeschlossenen Bestandvertrages zwischen dem 
Karmeliterprovincial und dem Stifte Göttweig verlangten sie nun am 
15. Juli 1569 von letzterem eine Rechnungslegung über die abgelaufenen Jahre 
und die pünktliche Erfüllung der vertragsmässigen Verpflichtung 9 ), scheinen 
aber nicht reüssiert zu haben. In Göttweig selbst, wo nach einer traurigen 
Zeit durch den Regenerator Michael Herrlich von 1564 angefangen neue Mit- 
glieder und ein neues Leben herrschte, hatte man keine Kenntnis dieses 
Vertrages und konnte wol auch aus dem Umstände auf das Verlangen der 
Jesuiten nicht eingehen, weil der Grundbesitz des Karmeliterklosters gewiss f 
nur kurze Zeit im Gebrauche Göttweigs war und dann das Meiste verödete 
und so lange in diesem Zustande blieb, bis sich neue Bebauer, ohne um 
Erlaubnis anzusuchen, des Bodens annamen. Die Ueberreste dieser Grund- 
besitzer, die Kapelle, welche schon Kirche heisst, und die Klostergebäude 
wurden wol von der Gemeinde zu weiterem kirchlichen Gebrauche in Anspruch 
genommen und behauptet. Mit der Seelsorge hat es nun auch eine andere 
Wendung genommen — und dabei war vorzugsweise das Luthertum thätig. 

Der Protestantismus hatte auch bei den Bewohnern Gösing's Eingang 
gefunden. Es lasst sich schon aus der Saumseligkeit in den Leistungen zum 
Kloster einige Hinneigung erkennen, diese aber war damals, als die Gemeinde 
die Wiederbesetzung des Klosters verlangt hatte, noch nicht von Bedeutung; 
doch in der Folge hat diese Zuneigung so zugenommen, dass an die Stelle 
eines katholischen Seelsorgers ein lutherischer Prädikant trat. Wann dies 
geschehen, kann nicht mehr genau bestimmt werden; bekannt ist nur, was in 
dieser Hinsicht zu Beginn des siebzehnten Jahrhundertes von Göttweig aus 
geschah, um den Prädikanten und mit demselben den Protestantismus aus 
Gösing zu entfernen. 

Der Göttweiger Abt Michael Herrlich hatte bei einem durch den Hof-- 
meiBter von Stein im Amte Gösing abgehaltenen Pantaiding dem Richter 
daselbst den Auftrag erteilen lassen, die Kirche und den Pfarrhof zu sperren 
und die Schlüssel ihm (dem Abte) zu überantworten, den Prädikanten zu ent- 
lassen und ihm anzuzeigen, dass er den Pfarrhof unverzüglich räumen und 
seinen Weg anderwärts hin einschlagen solle. Da aber der Richter Egidius 
Wagner diesem Auftrage nicht nachgekommen war, erhielt er einen ver- 
schärften Befehl im Mai 1602. Aber auch diesem Befehle ward lange nicht 
nachgekommen, oder doch neuerdings zuwidergehandelt, weshalb am 9. Juli 1G09 
von der Verwaltung zu Stein ein neuer Auftrag an den Richter ergieng, noch 
am selben Tage die Kirche zu sperren, die Schlüssel der Obrigkeit (Gött- 
weigerhof zu Stein) zu überschicken und den Prädikanten aufzutragen, läng- 

') Dr. K. L i n d, Uebor die droi mittelalterlichen Kirchen der Minoritea, Augustiner 
und Karmeliter in der Stadt Wien. Belichte de» VNien. Altert. V. v. 175. 
») Original im Stiftsarchive zu Göttweig. 



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316 

stens in zwei Tagen den Pfarrhof zu räumen und sich des Predigens zu ent- 
halten; den Untexthanen des Stiftes wird bei Leib- und Gutstrafen verboten, 
dem Prädikanten das Predigen, wenn er sich dessen noch unterstehen wollte, 
zu gestatten, und ihm Unterhalt und Vorschub zu leisten. Doch auch jetzt 
noch waren die Bewohner von Gösing dem an sie ergangenen Auftrag unge- 
horsam, weshalb der Hofmeister von Stein gegen sie bei dem Stiftshaupt- 
manne am 1. August d. J. Klage fährte und zum abschreckenden Beispiele 
für andere eine exemplarische Strafe beantragte. Von letzterem ergieng nun 
am 2. August d. J. ein energisches Schreiben an die Gemeinde, welches inso- 
weit Erfolg hatte, dass die Kirche gesperrt wurde und der Prädikant nach 
einer von der Gemeinde in Aussicht gestellten Entschädigung zur Abreise 
bereit war. Doch die eifrigen Anhänger des Protestantismus duldeten das 
nicht J ), sie schlugen nächtlicher Weile das Schloss an der Kirche weg und 
legten sogar Hand an jene an, die sich bei der Sperrung beteiligt hatten. 
Am 11. August 1609 ward gegen diese Ruhestörer mit Strafe vorgegangen; 
jede Entlohnung des Prädikanten wurde strenge untersagt und in Johannes 
Reuppell ein katholischer Schullehrer angestellt, welchem auch die Kirchen- 
schlüssel mit dem Auftrage übergeben wurden, die Uhr zu richten und Ave 
zu läuten, wie auch seine Vorfahren gethan haben *). Von nun an scheint 
der Ort bald ganz katholisch geworden zu sein. 

Seitdem die Karmeliter das Kloster verlassen hatten, dürfte Gösing mit 
nur geringer Unterbrechung durch viele Jahre keinen eigenen Seelsorger 
gehabt haben. An katholischen Priestern war während der Reformationszeit 
ein grosser Mangel und die Dotation für einen Seelsorger in Gösing viel zu 
gering, als dass man glauben könnte, es würden sich leicht Priester dafür 
haben aufbringen lassen. In dieser Lage mussten sich die Bewohner des Ortes, 
welche das Bedürfnis einer katholischen Seelsorge gefühlt haben, an einen 
benachbarten Pfarrer wenden, gleichwie die vom katholischen Glauben Abge- 
fallenen, wie es anderwärts der Fall war, dem Prädikanten eines Nachbar- 
ortes zugegangen sein werden, bis es ihnen gelang, einen eigenen Prädikanten 
in das Klostergebäudo, das nun den Namen Pfarrhof bekam, einzuführen. 
Die Pfarre, an welche sich die katholisch gebliebenen Gösinger anschlössen, 
war ohne Zweifel Mühlbach — was dann wieder zur Folge hatte, dass der 
wieder ganz katholisch gewordene Ort zur Besorgung der Seelsorge der 
Pfarre Mühlbach zugewiesen wurde. Die Göttweiger Aebte nämlich, welche 
für die Wiedereinführung des katholischen Glaubens in Gösing arbeiteten, 
mussten sich auch, nachdem das geschehen, der Seelsorge annemen. Sie 
würden ohne Zweifel einen • eigenen Pfarrer angestellt haben, wenn sie eine 
hinreichende Dotation vorgefunden hätten und nicht schon mit der Aufbringung 
von tauglichen Priestern zu anderen Pfarren Göttweigs * in dieser priester- 
armen Zeit in Verlegenheit gekommen wären; und so wurden die Pfarrer der 
benachbarten göttwei gerischen Pfarre Mühlbach angewiesen, die pfarrlichen 
Verrichtungen, oder eigentlich die Pfarre Gösing zu übernemen. Der erste, 
welcher sich Pfarrer von Mühlbach und Gösing nannte, war Anton Winkel- 
mair, Minorit von Wien, welcher beiden Pfarren von 1631 bis 1634 vorstand. 



*) Hier jresrhieht die erste Erwähnung eineg 8i hullehrere. — Nach den Original- 
konzepteu im Stiftsarchive zu Güttwelg. 



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«... • 

'317 

Als Entlohnung für ihre Mühewaltung erhielten die jeweiligen Pfarrer von 
Mühlbach die ehemalige Dotation des Karnielitenklosters in Gösing, wol 
nicht die volle, sondern den Ueberrest derselben, und von der Gemeinde 
jährlich fünfzig Gulden. 

l)as Kloster- .und Kirchengebäude war bei der Visitation im Jahre 1544 l > 
schon im schlechten Zustande gefunden worden. Aber während auf die 
Erhaltung der Kirche wenigstens ein Teil ihres geringen Einkommens, 
welches im Erträgnisse der Kirchenstühle und ihrer Weingärten bestand, an- 
gewendet wurde 4 ), war das beim Klostergebäude nicht der Fall, weshalb 
dieses immer mehr verfiel und zuletzt ganz unbewohnbar wurde, so dass als 
Absteigequartier für den Pfarrer, wenn er zu seelsorgerlichen Verrichtungen 
nach Gösing kam, das Wohnhaus des der Kirche gehörigen halben Lehens 
eingerichtet wurde, welches von da an „Pfarrhof" hiess 3 ). Auch um die Ge- 
bäude des zum Kloster gehörigen Lehens scheint sich Niemand gekümmert 
zu haben ; denn dieses kommt im Laufe des siebzehnten Jahrhundertes als blosses 
„Veldlehen" vor 4 ). Aber auch an der Kirche machte sich ungeachtet der kleinen 
Reparaturen der Verfall immer bemerkbarer; die Sakristei war ganz zusam- 
mengestürzt und ein Gleiches drohte auch dem Gewölbe. Dies und der Umstand, 
dass das Kirchlein für die zunemende Bevölkerung ohnedies zu klein war, 
bewog den Göttweiger Abt Sebastian II. mit einer gründlichen Restauration 
derselben zugleich eine Vergrösserung zu verbinden. Am 4. September 1671 
wurde mit dem Maurermeister Georg Duffta ein Kontrakt geschlossen, die 
alte Kirche, welche nun als Chor dienen sollte, in der Länge von 35. und in 
der Breite von 20 Fuss zu gewölben, die Sakristei nach dem alten Funda- 
ment in der Länge von 18 und in der Breite von 12 Fuss aufzubauen und 
zu gewölben und ein neues Langhaus 30 Fuss lang und 20 Fuss breit bis ' 
zur Höhe des Chores von 4 Klaftern aufzuführen, wovon die Pfeiler 5 und 
die Mauern 3*/s Fuss dick sein müssen, und dem Chore gleich zu gewölben 
mit einer Gewölbehöhe von 28 Fuss, ausserdem die Kirche zu pflastern. Für 
diese Arbeit, die bis zum 21. September 1672 vollendet war, bekam derselbe 
ausser der Beistellung der notwendigen Materialien 395 Gulden *). Im Jahre 
1685 erhielt die Kirche auch einen neuen Altar. Die Anfertigung desselben 
übernam Johann Bernhard Grämperger, des innern Rathes Mitglied und 
Maler zu Stein, und wurde kontraktmässig bestimmt 6 ), dass die geschnitzten 
. Verzierungen und Bilder und zwei Engel vergoldet, die vier Säulen mit blauer 
Lasurfarbe, das üebrige mit schwarzer Farbe belegt würde, und dass das 
Hauptaltarbild nach dem in der Hellerhofkapelle bei Göttweig befindlichen 
Bilde copiert würde und zu beiden Seiten des h. Johannes Bapt. die beiden 
Klosterpatrone Altmann und Benedikt und oben die h. Dreifaltigkeit enthalten 
solle, wofür 350 Gulden ausbedungen waren. 

Die Vereinigung der Pfarren Gösing und Mtihlbach bestand bis zum 
Jahre 1753, in welchem Jahre die Lostrennung besonders durch die Opfer- 



•) Visitationsprotokoll 1. c 

*) Nach den Kirchenrechnungen, von denen die älteste aas dem J. 1610 ist. 

5 ) Nach dem Grundbache vom J. 1634 bis 1674. 

*) Grandbuch vom Jahre 1637 bis 1663. 

l ) Originalcontract im Stiftsarchive in Göttweig. 

') Coatract vom 7. Augast 1694 im Stiftsarchive zu Göttweig. 



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318 

Willigkeit der Gemeinde zu Stande kam. Diese verpflichtete sich nämlich, 
dem jeweiligen Pfarrer in Gösing, welchen das Stift Göttweig' aus seiner 
Mitte stellte, jährlich zehn Eimer Wein und 200 Gulden als Dotation beizu- 
tragen, wovon der Geldbeitrag im Jahre 1767 auf 150 und. im Jahre 1776 
auf 140 Gulden herabgemindert wurde, bis endlich der ganze Beitrag ent- 
sprechend dem Hofdekret vom 24. Oktober 1783, wornach die Stifte und 
Klöster in jenen Orten, in welchen sie die Grundherrschaft hatten, die Her- 
stellung der Kirchen- und Pfarrgebäuden und das Patronat übernemen und 
für den Unterhalt des Pfarrverwesers sorgen mussten, von diesem Jahre an 
ganz entfiel. Von der ehemaligen Dotation des Klosters erhielt der Pfarrer 
in Gösing nichts, sondern jener Teil, welcher dem jeweiligen Pfarrer von 
Mühlbach für die Versehung der Seelsorge in Gösing zugewiesen worden war, 
blieb auch nach der Trennung im fortdauernden Besitze derselben. Damit 
waren die pfarrlichen Verhältnisse in Gösing definitiv geregelt. 

Mit dem allmäligen Verschwinden der Ueberreste der ehemaligen 
Klostergebäude der Karmeliter, welche im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts 
als Baumaterial zu neuen Gebäuden verwendet wurden, verlor sich auch die 
Erinnerung an den eigentlichen Charakter und Zweck des Klosters im Bewusst- 
sein der Bevölkerung immer mehr; nur die Thatsache vom Bestände eines 
Klosters kam nicht in Vergessenheit und ' ward durch die Sage mit einer 
anderen Thatsache in Verbindung gebracht, mit jener nämlich, dass das Non- 
nenkloster in Pernegg Besitzungen hier hatte, welche, wie schon oben ange- 
führt wurde, 1530 durch Kauf an Göttweig kamen, und dass unter diesen 
Gütern eine Hofstatt und ein Garten den Namen „auf der Nonnenödt" *) führten, 
woraus dann die allgemeine Auname entstand, dass in Gösing einst ein 
Nonnenkloster bestanden habe. 



Die hohe Wand in der Wachau. 

Von Dr. Anton Kerschbaumer. , 

Jener Teil des Donauthales, der sich von Melk bis Mautern bei Krems 
erstreckt und die Wachau heisst, kann mit den schönsten Partien des Rheins 
den Vergleich aushalten, sowol in Betreff der Herrlichkeit der landschaftlichen 
Bilder, als in Betreff der romantischen Sagen, Burgen und architektonisch 
merkwürdigen Kirchen. Einst waren jene zahlreichen Schlösser von den Edelsten 
der Edlen bewohnt und in den behäbigen Ortschaften herrschte ein munter 
bewegtes Leben, da die Donaustrasse tagtäglich neue Gäste stromaufwärts und 
abwärts brachte. Der hier übliche Weinbau lockte überdies viele Fremde aus 
solchen Gegenden herbei, wo diese goldene Himmelsgabe fehlte, besonders aus 
Baiern ; etliche dreissig Klöster unterhielten in stattlich gebauten Höfen durch 
verständige Verwalter eine treffliche Kellerwirtschaft für ihre geistlichen Mit- 
brüder in der fernen Heimat. Mit Recht beantwortet daher der Dichter die 
Frage: Wie ist's in der Wachau? mit den Worten: 



') Nach den Grundbüchern von 1532 an. 



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31<> 

„Freundlich ist's, wenn an den Ufergründen 

Alles blüht und reift durch regen Fleiss, 
Frohe Winzer reich gesegnet finden 

Jhres Angesichtes heissen Schweiss. 

Rührend ist's, wenn Morgen-Glockenlaute 

Von den Thürmen klingen hell und rein, 
Die in frommer Zeit die Andacht baute, 

Dieses üferland auch Gott zu weihn." 

Jetzt hat sich freilich in "der Wachau so Manches geändert. Der behäbige 
Reichtum der Bewohner ist grösstenteils verschwunden; an den stattlichen 
Klosterhöfen, in denen sich schmutzige Kinder balgen, nagt der Zahn der Zeit 
und die früher so besuchte Donaustrasse wird verhältnismässig wenig befahren. 
Ein gewisser Zug der Melancholie liegt auf dem von wild zerrissenen Felsen- 
spitzen eingeengten Thale, obgleich der blaue Himmelsbogen wie ehedem in des 
Stromes Wogen wiederstrahlt und das frische Grün der mit Reben bepflanzten 
Anhöhen das Auge erquickt. Uebrigens hatten schon vor 500 Jahren die 
beschaulichen Karthäusermönche die melancholische Einsamkeit der Wachau zu 
einem passenden Aufenthalte sich auserkoren, indem sie in einem Seitenthale 
von Aggsbach ein KloBter bauten, über dessen zerbröckelter Pforte noch gegen- 
wärtig die Aufschrift zu lesen ist: „0 sacra solitudo, vera beatitudo." 

Möglich, dass auch. der Ernst der Geschichte das Seinige beiträgt, um 
den landschaftlichen Reiz der Wachau mit einem düsteren Schleier der Wehmut 
zu bedecken. Waren es ja schon die alten Römer, welche den Ein- und Ausgang 
der Wachau mit kriegerischen Kastellen bezeichneten, nämlich zu Naraare (Melk) 
und Mutinutn (Mautern); barbarische Horden zogen zur Zeit der Völkerwan- 
derung auf dieser engen Strasse am Uferrand, auf welchen die alten Felsen 
mit verwittertem Antlitz herabschauen ; von „Medelike" bis „Mutaren" schifften 
mit ihrem Wohl und Weh die Nibelungen; die ehrwürdigen Kreuzfahrer 
pilgerten durch die Wachau nach dem gelobten Lande, um es mit ihrem Blute 
zu tränken; tollkühne Raubritter plünderten hier die friedlichen Handelsleute, 
welche auf wohlbefrachteten Kehlheimern von Regensburg und Passau nach 
Oesterreich fuhren, um mit den Artikeln, welche der fruchtbare Osten gewährt, 
in die Heimat zurückzukehren. — Die Zeiten haben sich geändert, aber die 
Gegend ist dieselbe geblieben : bewaldete Berge und zerrissene Felsenspitzen, 
steile Abhänge mit düsteren Höhen und rauschenden Buchen, abwechselnd mit 
sanft abdachenden Rebenhügeln und zwischen üppigen Obstgärten idyllisch 
gelegenen Orten. Vorherrschend ist der Felsen, so dass einst ein Holländer, der 
in seiner Heimat diesen Anblick entbehrte, voll Verwunderung seine beiden 
Töchter auf das Verdeck des Dampfbootes rief, um ihnen diese Merkwürdigkeit 
zu zeigen, wiederholt in die Worte ausbrechend: „Steine, nichts als Steine", 
wobei er die ersten Buchstaben des Wortes „Steine" in norddeutscher Sprach- 
weise auf das Feinste zuspitzte: „Steine, nichts als Steine!" 

Eine der kolossalsten Steingruppen befindet sich am rechten Donauufer 
(das überhaupt nicht so fruchtbar ist wie das linke) gegenüber von Tiernstein 
. und Loiben. Jahraus, jahrein hämmern und sprengen daselbst die Steinmetzer, 
und Hunderte von Schiffen fordern die gesprengten Massen zum Behufe der 
Schutz-Uferbauten stromabwärts. Aber so viel auch die Felsen unterminiert und 



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320 

zerkeilt werden, sie scheinen nicht weniger zu werden. Jeder Reisende auf der 
Donau hat gewiss diese schroff zur Donau abfallenden Felsenriffe betrachtet, 
aber Wenige dürften wissen, dass oberhalb derselben sich ein Plätzchen 
findet, .das zu den schönsten in ganz Oesterreich gezählt zu werden verdient, 
nämlich die hohe Wand. Wie so manche Sehenswürdigkeit im lieben Oester- 
reich, ist auch diese viel zu wenig bekannt und gewürdigt. Befände sie sich 
am Rheine oder wol gar in der Schweiz, so fände man gewiis in allen Reise- 
handbüchern davon die herrlichste Schilderung, bequeme Wege wurden den 
Fremden dahin geleiten und wohleingerichtete Hotels und Villen zum Besuche 
einladen. Obgleich (vielleicht auch weil) die hohe Wand "im Herzen von Oester- 
reich liegt, wird sie so iVenig beachtet. 

Wenn man von Mautern stromaufwärts zieht, kommt man zunächst an 
dem uralten Kirchlein zu Hundsheim vorüber auf einer gut angelegten Strasse 
nach dem zwischen lauschigen Obstgärten idyllisch gelegenen Bergern. Diese 
kleine Ortschaft hat vielleicht noch eine grosse Zukunft. Nichts davon zu sagen, 
dass in deren Nähe merkwürdige Celtengräber gefunden und eine für Europa 
neue Moosgattung entdeckt wurde, so schürft man daselbst nach Steinkohlen 
und Porzellanerde, und eine Quelle durchrieselt die anmutigen Fluren, deren 
heilende Kraft in dieser balsamischen Waldluft so manche Brustkranke erprobten. 

Wendet man sich von Unterbergern der Donaugegend zu und besteigt 
zwischen wallenden Saatfeldern die Anhöhe, so gelangt man auf einem schmalen 
Fusspfade, der sich durch üppiges Gesträuch windet, in einer Viertelstunde in 
einen Föhrenwald und am Ende desselben auf ein Felsenplateau, auf welchem 
das Auge ein Panorama Behaut, das zu den allerschönsten in Oesterreich 
gehört. Knapp, zu den Füssen schlingt sich das blaue Band der Donau in einem 
Riesensigma von Weissenkirchen herab bis Mautern und zwischen grünen Wein- 
gärten breitet sich das gehäbige Rossatz aus, dem gegenüber das Städtchen 
Tiernsteiu mit seinem stolzen Bergschlosse liegt. Gerade gegenüber von dem 
.Felsenplateau sieht man das niedliche Dorf Loiben und weiter abwärts die 
Schwesterstädte Stein und Krems, im Rücken prangt auf hohem Berge das 
ehrwürdige Stift Göttweig, das österreichische Escorial. Weiter hinab dehnt 
sich eine korn- und weingesegnete Ebene aus bis zu den Füssen des Mannharts- 
berges, während sich die Donau zwischen grünen Auen bei Hollenburg verliert, 
ober welchem das Wetterkreuz den Horizont abschliesst. Das ist die hohe 
Wand in der Wachau. 

Wer allenfalls hier am 11. November 18Ö5 gestanden wäre, der hätte 
«in Schauspiel gesehen, das jeder Beschreibung trotzt. Da kamen die sieges- 
trunkenen Franzosen unter General Mortier am linken Donauufer herab, um 
über Krems nach Wien vorzudringen. Doch dieser üebermut sollte dem wag- 
halsigen General übel bekommen, denn er hatte sich buchstäblich in einer Maus- 
falle gefangen. Der österreichische General Schmidt umgieng nämlich den Feind 
von Krems aus über Scheibenhof gegen Tiernstein zu und fiel demselben in dem 
engen Defile in die Flanke, so dass ihm jede Bewegungsfähigkeit mangelte und 
-er wie mit Einem Schlage vernichtet schien. Es blieb den Franzosen nichts ( 
übrig, als eiu Verzweiflungskampf auf Leben und Tod oder das nasse Grab in 
den Fluten der Domtu, Nun entbrannte ein wütender furchtbarer Kampf 
gegen die von Krems heraufrückenden österreichisch-russischen Truppen. Auf 
beiden Seiten wurde mit gleicher Bravour gekämpft und das Dörfchen Loiben 



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dreimal gewonnen und dreimal verloren. Tausende von Gefallenen bedeckten die 
blutige Wahlstatt und Tausende, giengen in den Fluten der Donau zu Grunde. 
AIb die Nacht hereinbrach, ruhten die Waffen, aber der Himmel rötete sich, 
denn Loiben stand in Flammen. Die namenlose Todesangst der Ortsbewohner 
während dieser schrecklichen Katastrophe lässt sich, denken. Leider war der 
Sieg der Oesterreicher mit dem Tode des genialen Generals Schmidt theuer 
erkauft. — Wer von der hohen Wand aus diesen schauerlichen Kampf gesehen 
hätte, könnte wol die beste Beschreibung desselben liefern. Möge der Himmel 
solch' düBtere Erlebnisse auf immer von Oesterreichs Gauen ferne halten! 

Jetzt ist alles so ruhig und friedlich da unten und giebt lautes Zeugnis 
von dem Fleisse des Landmannes und Winzers. Wer ein Gegenstück vom oben 
erzählten blutigen Schauspiele sehen will, ein Schauspiel des Friedens und 
Segens, der pilgere auf die hohe Wand am Morgen des Frohnleichnamsfestes. 
Wenn die Strahlen der Sonne die Gegend begrüssen, da erscheint das Felsen- 
plateau wie ein grossartiger Altar der Natur zwischen prachtvollen Tannen 
und Föhren. Horch ! nun knallen die Polier auf der Burgruine Tiernstein zum 
Zeichen, dass der Gottesdienst begonnen, und vom fernen Krems heraufbringt 
der metallene Glockenklang dieselbe Kunde. Ebenso Tautet und donnert es von 
Mautern und Bossatz herauf ünd von Göttweig herab, während in dem kleinen 
Loiben die andächtige Gemeinde aus der Kirche zieht und mit blumengeschmückten 
Fahnen durch die grünenden Flureu den feierlichen Umgang zu den vier Altären 
hält. Jetzt wird das Evangelium gesungen. — Alles ist stille. Sanfte Gesänge 
ertönen weiter und der Priester stimmt die Worte an : „Sit nomen Domini 
benedictum." Die Gemeinde liegt betend auf den Knieen und empfängt den 
Segen mit dem hoch würdigsten Gute; unwillkürlich beugt auch der Zuschauer 
auf der hohen Wand seine Knie und giebt seinem Gott und Herrn die ihm 
gebührende Ehre! 

Auch am Abend des Johannestages ist es prachtvoll auf der hohen Wand, 
wenn zahllose Feuer auf den Bergesspitzen ringsherum sichtbar werden oder 
auf dem nassen Bücken des Donaustromes herabschwimmen. Aber es ist kein 
Vergleich mit der Pracht des Frohnleichnamfestes. Da ist alles* so geheimnisvoll 
* ~ tillo und friedlich, während am Johannesabend die tumultuierende Jugend mit 
den brennenden „Besen" allerlei Tänze und Gesänge aufführt, bis die tiefe 
Nacht ihre Fittige über das herrliche Panorama ausbreitet und die Feuer 
verlöschen. . 



Das ehemalige 8t. Veitskirchlein zu Vitts. 

Von Josef Edinger. 

Im oberen Thayathale, im V. 0. M. B., 1922 Fuss oder 455 Meter über 
der Meeresfläche gelegen, führt die Franz-Josef-Bahn an einem der ältesten 
Marktflecken Oesterreichs, an Vitis, vorüber. Ausserhalb des Ortes, im An- 
gesichte der Bahn, erblickt das Auge des Beisenden den stillen Ruheplatz der 
Todten, den pfarrlichen Friedhof, in dessen Mitte einst ein Denkmal christlicher 
Kultur, das St. Veitskirchlein, sich erhob, dessen Ursprung und Entstehen 
zurückreicht in das graue Altertum, in die Periode der Kultivierung des Wald- 



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vierteis, ein Denkmal, das heute spurlos verschwunden ist. Aufgabe der Ge- 
schichte mag es sein, den kommenden Geschlechtern nun, nachdem das Denk- 
mal selbst vernichtet ist, wenigstens das Andenken daran zu erhalten, 
üeber das St. Veitskirchlein berichtet die Sage : 

Zur Zeit der Urbarmachung der hiesigen Gegend sei dieses Kirchlein 
weit und breit der einzige Ort gewesen, wo sich die Bewohner zum Gottes- 
dienste versammelten. Nachdem wilde Feinde arg gehaust und Alles mit 
Feuer und Schwert verwüstet hatten, sei man wieder darangegangen, das 
Kirchlein im schönen gothischen Stile aufzubauen, habe einen Seelsorger 
dabei angestellt und dasselbe sei nun Pfarrkirche von Vitis geworden und so 
lange geblieben, bis im Markte die gegenwärtige Pfarrkirche . gebaut und 
teilweise 'mit dem Besitztum des St. Veitskirchleins dotiert wurde. 

Untersuchen wir an der Hand der wenigen historischen Beweismittel 
die Glaubwürdigkeit dieser Sage, so erhellt, dass dieselbe manch thatsächliche 
Wahrheit enthalten mag. 

Die neuere Sprachforschung hat nachgewiesen *), dass das Wort Vitis 
ein genitivischer Ortsname ist, hergeleitet vom Stamme Vit, Vitus, Veit. Aus 
der Geschichte erhellt, dass Karl der Grosse 788 die Thüringer, Sachsen und 
Friesen aufgeboten hätte, um bei der Vertreibung der Avaren mitzuwirken 
dass diese Völkerschaften unter Theodorichs und Meginfrieds Führung durch 
jenes Terrain gezogen sind, welches unser Kirchlein barg, und die Vermutung 
ist nicht unbegründet, dass Viele von ihnen, in den. damals von Bewohnern 
entblössten Gegenden zurückgeblieben, oder nach dem Kriege hierhergezogen 
sind und die ersten Ansiedlungen gegründet haben. Diese Vermutung wird 
bestärkt dadurch, daes die genitivischen Ortsnamen gerade hier in dem Quell- 
gebiet der Thaya, Lainsitz und Zwetl fast einzig vorkommen und sich die 
ähnlichen Wortbildungen nur wieder im Thüringischen und Fuldaischenr 
finden. Die Thüringer aber waren Christen, und sie mögen es als eine ihr* 
ersten Sorgen angesehen haben, als gemeinsamen Sammelpunkt ein Bethaus 
sich zu errichten, das sie dem hl. Vitus weihten ! Der dem Heiligtum zunächst 
gelegene Ort mag dann wol der Vitusort, Vitis (früher Vites) genannt worden 
sein; wenigstens ist die Wortbildung unzweifelhaft von Vitus herzuleiten. 
(Was wol auch der Name einer hervorragenden Persönlichkeit geworden sein 
mag, der zu Ehren man Kirchlein und Ort benannte.) 

Für ein hohes Alter des St. Veitskirchleins, sowie dafür, dass dasselbe 
einst Pfarrkirche gewesen, spricht dor Umstand, dass in den ältesten Zeiten, 
selbst schon im Jahre 1172, wo Vitis nach den Zwetler Annalen ein wegen 
seiner stark besuchten Märkte hervorragender Ort war*), der Kirchtag und 
Jahrmarkt stets am St. Veitstage gehalten wurden 3 ). Als später der Markt 
sich kaiserlicher Privilegien erfreute, finden wir dieses alte Recht bestätiget. 
Das älteste vorhandene Privilegium, ausgefertiget 1462 *) vom Kaiser Friedrich, 
erneuert die uralten Freiheiten, worüber die Dokumente in einer Feuersbrunst 
zu Grunde gegangen waren, und dieses Privilegium weiss ebenfalls nur vom 
St. Veitsmarkt zu erwähnen, der neuerdings privilegiert wurde. Dasselbe er- 



*) Dr. Mnch, über Ortsnamen ia Nieder-OesterTeich Blätter für Landeskunde VI. Jhrgg. 

») Annal. ClaroYall. 1. p. 19!i. 

*) Alte Aufzeichnung y. Jahre 1422. 

*) Üeiueindelade. 



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folgte in den 'späteren kaiserlichen Freiheitsbriefen und erst im Jahre 1666 *) 
wurde nebst dem St. Veitsmarkte auch der Bartholomäusmarkt (Bartholomäus, 
Patron der gegenwärtigen Pfarrkirche) privilegiert, während bis auf den 
heutigen Tag der Veitsmarkt sich als erster und stärkster Markt behauptet 
hat. Allgemeine Sitte aber war es, den Tag des Kirchenpatrons als Kirchtag 
und Jahrmarkt zu halten und um dessen Privilegien anzusuchen, und wir 
werden nicht irren, wenn wir vorstehende Thatsache für ein sicheres Zeugnis 
dafür halten, dass das uralte Veitskirchlein einst Pfarrkirche gewesen. Es ist 
uns nicht möglich, bei dem gänzlichen Mangel von bezüglichen Urkunden 
nachzuweisen, wann die gegenwärtige Kirche gebaut und bestiftet wurde 8 ), 
dass jedoch zur Dotierung Eigentum des alten Kirchleins genommen wurde, 
schliessen wir daraus, dass durch alle Jahrhunderte bis zur Demolierung des 
letzteren, dem Pfarrer es als Pflicht auferlegt war, im Veitskirchlein jährlich 
zwei Messen zu lesen — ohne dass dazu eine Stiftung vorhanden war oder eine 
Entschädigung gegeben wurde. Wir vermuten, es sei eine Verbindlichkeit 
gewesen, die als Aequivalent gelten sollte für das Bonum, das die Pfarrkirche 
vom Veitskirch lein empfangen. Als es sich daher später um die Erhaltung des 
Kirchleins handelte, berief sich Graf Veterani auf diese Thatsache und die 
Meldung, dass dasselbe früher Pfarrkirche gewesen und daher gewiss Zehente 
und Einkünfte vorhanden waren, wie denn auch der Pfarrer sicher nicht ohne 
Stiftung die Messen jährlich gelesen haben würde, und sagte, dass dieser 
Fall eine nähere Untersuchung gar billig verdiente. 

Ueber die Schicksale des Kirchleins könnon wir urkundlich Folgendes 
nachweisen. 

Im Jahre 1176 wurde es von den Böhmen zerstört 8 ) und wahrscheinlich 
bald darauf in jenem schönen gothischen Stile aufgebaut, den es bei seiner 
Demolierung noch aufwies. 

Um das Kirchlein herum war seit den ältesten Zeiten der Friedhof, der 
auch noch benützt wurde, als schon der Gottesacker um die gegenwärtige 
Pfarrkirche angelegt ward. Gleich nebenan finden wir im 17. Jahrhundert 
ein Pfründnerspital, dessen Gründung und Ursprung laut Bericht vom Jahre 
1770 selbst von der Grundherrschaft Meires, der das Spital eigentümlich war, 
nicht angegeben werden konnte 4 ). Alle später von der Regierung gelegentlich 
der gerichtlichen Veräusserung von Meires gethanen Schritte, über die 
Gründung dieses Spitals ein Dokument aufzufinden, blieben gänzlich erfolg- 
los 5 ). Möglich, dass dasselbe einst die Wohnung des Pfarrers war und dann von 
der Herrschaft Meires, welcher das Patronat über das Veitskirchlein zustand, zu 
gedachtem Zwecke verwendet wurde. Wenigstens hat sich noch im Munde 
alter Leute die Sage erhalten, dass in diesem Gebäude einst der Priester 
gewohnt habe, welcher den Gottesdienst im Kirchlein versehen musste. Als in den 
Zeiten der Reformation die Lutheraner die Pfarrkirche in Besitz genommen 
hatten, hielten die Katholiken ihren Gottesdienst im Veitskirchlein, bis sie 



1 Gemeindelade. 

») Der Baustil weißt suruck auf das U. und 15. Jahrhundert und die ältesten Privilegien 
der Pfarrherrschaft stammen gleichfalls aus dem 15. Jahrhundert. 
s ) Alte Aufzeichnung vom Jahre 1422. 
<) Didcesan-Archiv. 
») Üi&cesan-Archir. 

23 



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auch von da vertrieben wurden, worauf dasselbe nach und nach gänzlich in 
Verfall gerieth; am 29. Oktober 1678 l ) erliess die Regierung ein Dekret, dahin 
lautend : „Es solle diese Kapelle gesäubert und reconciiiiert, hinfürn darin 
christlich katholischer Gottesdienst gehalten und durch die Spitaler drei Mal 
des Tages zum Gebete geläutet werden. Die Pollheimische Familie solle auch 
fortan die Gruft zum Begräbnisse ihrer Angehörigen benätzen dürfen, wie 
auch die Herrschaft Meires verpflichtet sei, das Kirchlein bei gutem Bau zu 
erhalten." 

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundertes war das Veitskirchlein 
ganz und gar vernachlässigt. 1768 warf ein Sturmwind den Dachstul herab *) 
und Niemand kümmerte sich mehr darum. Das Gewölbe, dem Regen und allen 
Einwirkungen ungünstiger Witterung preisgegeben, fing an einzugehen. 
Weder der Pfarrer noch der Patron, Graf Julius Veter ani, der die Herrschaft 
Meires angekauft hatte, fanden sich bewogen, für die Erhaltungdes Kirchleins ein- 
zustehen. Bald schritt der Verfall desselben so vor, dass man fürchtete, der Turm 
werde einfallen; man nam daher das Glöcklein herab und bewahrte das- 
selbe in Meires auf, von wo es später zur Pfarrkirche kam 3 ). Endlich beauf- 
tragte das Consistorium den Dechant von Altpölla, eine Commission 
abzuhalten über den Baustand und die etwa vorhandenen Mitteln, die 
zum Baue verwendet werden könnten. Der Bericht lautete dahin, dass 
die Reparaturskosten nicht sehr bedoutend seien, dass sie aber — da kein 
Vermögen vorhanden — den Patron allein treffen. Das Consistorium 
wandte sich daher unterm 12. Juli 1771 an den Grafen Julius Veteraniund 
ersuchte ihn, das Kirchlein in baulichen Stand setzen zu wollen — widrigen- 
falls möge er sich seines Patronatsrechtes begeben und gestatten, dass das 
Kirchlein gänzlich abgebrochen werde*). Mit Schreiben vom 24. August 1771 
erklärte sich Veterani für letztere Proposition 6 ), das St. Veitskirchlein 
wurde abgebrochen, und das Material bei der Vergrösserung des Friedhofes 
zur Mauer benützt. Noch vor 20 Jahren grub der Todtengräber die letzten 
Grundsteine aus. 

Wie sehr das Heiligtum seines Alters und seiner Erwürdigkeit wegen 
bei dem Volke in Ansehen stand, beweist die Thatsache, dass sich alsbald 
wieder die Sago desselben bemächtigte. Entschwunden ist dem Gedächtnisse 
des Volkes die Zeit der Vernichtung des Kirchleins, aber von Mund zu 
Mund geht — nicht Mos in Vitis, sondern auch in meilenweiter Umgebung 
— die Mähre: das ehrwürdige Heiligtum St. Veits wurde zerstört und die 
Bürger von Vitis benützten die Steine desselben, um in frevelhafter Weise damit 
ihre Viehställe zu pflastern. Dieser Frevel müsse damit gesühnt werden, dass 
der Markt zwölf Mal in Feuer aufgehe und abbrenne. Die seit Ab- 
brechung des Kirchleins so häufigen und mitunter furchtbaren Brände 
(1772, 1774, 1775 1787, 1804, 1812, 1816, 1852, 1862, 1874) gaben der Sage 
stets neue Nahrung. 

') Original im Pfarrarcbiv. 
») Diöcesan-Archiv. 

>) Acten im PasBauer-St. Pöltnor Diöcesan-Archiv. 
') Acten im Passaner-St. Pftltner Diftcesan-Archiv. 
s ) Acten im Passaner-St. Pöltner DioceBan-ArchiT. 



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Das grosse Freischiessen zu Wien im Jahre 1563. 
Besungen vom Augsburger-Pritschenmeister Lienhart Plexel. 

Mitgeteilt von A. C a m e s i n a K. v. San-Vittore, k. k. Kegiernngsrath. 

(Fortsetzung.) 



Also da jst man zogen hinauss 

Vons oberisten Herrn Statt Camerers 

Hauss. 

So merckhant weitter, was jch sag, 
Vnnd das jst geSchechen alle Tag, 

Alls lanng das Schiessenn bat gewertt, 
Dann jch habs selbert gsechen vnnd 

ghertt. 

Wann man am Abent jst zogen ein, 
Wass man versechen mit guettem 

Wein, 

Vnd gab den Schützen waidlich zu 

drinckhenj 
Dass thett er denn Schützen alles 

schenckhen, 

Gott soll sein Gnaden woll bewaren. 

Inn ainem Wagen jst er hinauss gfaren, j 
Der war bedeckht mit rottem Tuech, 

JFandt ain Schützen, denn hab ich 

gsuecht, 

Der solt woll zu dem Herrn khumen, 
Wass Valetein Khrauss hab jch ver- 

numen. 

Alls balt die Schützen seint zusamen 

kamen 

Vors Camerers Hauss, er hatts ver- 

numen, 

Sein Gnadt thett sich gar bald beden- 

ckhen, 

Gross Khandel mit Wein lies er ein- 

schenckhen, 
Dass solt ainer Gselschafft nit ver- 

schmachen, 
Darmit wolt er die Schützen empfachen, 
AUa jch dasselb vernumen hab, 

Gross gülden Scheuren trueg man 

herab, 

Darein schenckht man denn guetten 

Wein, 

Dann frisch vnnd frollich soldans sein. 
Sy sollens ein annder dapffer pringen, 

Mir war gar woll mit dissen dingen, 
Hinauss auff dem Schiesplann was jnn 

gach. 



Der Oberist Herr Camerer fuer jn nach 
Inn ainem Wagn gar schönn getziert, 
Sein gnadt hatt mit jnn hinauss 

gfuertt. 

Zwen junge Sun, die khen jch woll, 
Vnnd billich jch sie nenen soll, 

Dann sie seint mir baidt woll bekhannd. 
Der eltist ist Junckherr Adam gnandt; 

Da Khunigcliche Mayestett ist geritten 

ein 

Vonn Franckhfortt, muest er Obrister 

sein. 

Vber zway Daussent Knaben schönn be- 

klaidt, 

Dass mues jch reden auff mein Aidt, 
Inn lauder Schwartz jst nit eriogenn, 
Mitt Gelb vnnd Weiss gar schönn 

durchtzogen ; 

Ein hochweiser Rath thett das zu Ehrenn 
Irem aller gnedigistem Khunig vnd 

Herren, 

Vnnd klaidet dartzue Jung vnnd Alt, 
Zwen Hauffen macht man mit gewalt, 

Vnnd was jch sag, jst nit eriogenn; 
Seiner Khunigcliche Wüert endgegen 

zogen 

Baidt Hauffen, hatt all Welt beschaudt. 
Sogar ain schöns Schloss hatt man 

baudt 

Vor der Burg der Khaiserlich Vesten. 
Die Knaben woldant thuen nach jrem 

besten 

Mitt stuermen, pschiessen vnnd auch 

prennen, 

Dass Schloss thettans jnn grundt ver- 

prenen, 

Also da nam der Krieg ein endt. 

Denn jungen Sun hab jch woll khendt, 
Junckherr Hanns Vberraan haist er mit 

Namen. 

Im Khrieg, da wolt er sich nit samen, 
Wie die Knaben honts Schloss verprendt ; 
Ich habs jetzt baidt mit Namen 

gnendt. 

23 * 



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320 



Bey dem da will jchs pleiben lonn, 

Ann den Schützen wider fachen ann. 
Ja war das nit ain grosse Ehr, 

Ein schönn Foltfann trueg man vorher, 
Sy zugant auss oder auch ein, 

So muest dass Fendlein bey jnn sein, 
Vnnd vor jnn gieng auch Pfeiffen vnnd 

Drumblen, 

Allsbalt man jst auif Zilstat khumen, 
Denn Schützen lies man all vmbschlagen, 

Vnnd das ainer solt dorn anndern 

sagen, 

Daas zusamen khument auflf denn Plann, 

Man wolt jnn etwas zaigen ann 
Vnnd wolt jnn alle Sach ertzöllen, 

Dais sie soldant Nenner erwöllen, 
Funff vonn denn Frembten vnnd vier 

vonn Inn. 

So hörant' khuertzlich meinen Synn. 
Ich mues denn Schützen das veriechen, 

Gar balt vnnd behendt war das ge- 

schechen, 

Mann fuert die selben fuer die Herren 

hinein, 

Da schrib man all mit Namen ein. 
Der Erst, der ist mir woll bekhanndt, 
Liennhart DenBchertz vonn Stain jst 

er gnandt, 
Das Hauss vonn Osterreich hatt jnn gwelt; 

Denn anndern hab jch nit ertzölt, 
Petter Frischeissen vonn Nuernberg aus 

der Statt, 

Wann er also denn Namen hatt, 
Vonn Frey Ynnd Reich sstedt war er fuer- 

gstelt ; 

Den dritten hatt die Pfaltz erwölt, 
Der selbig jst mir wol bekhanndt, 

Lorentz Bookh vonn Amburg gnendt ; 
Den viertten will jch mit Namen nenen 

Vonn der Ritterschafft, jch thue jnn 

khenen, 

Vtz Deisser vonn Pappenhaim khenn 

jch woll; 
Denn fünften jch auch nenen soll, 
Dass ich geb meinen Wortten Kraffit, 

Derselb war auss der Aidtgnosschafffc, 
Hanns Bachman vonn Zurch jst er 

gnandt. 



Jetzt habt jr die Frembten allesandt, 
Doch so werdant jr sie all woll keneu. 
Die Vier vonn Wienn will jch auch neneo. 
Dann sy seint mir all woll bekhändt. 

Der erst jst Anndres Wolff genandt, 
Ich sag euch das ann aller gefer, 

Dann er war auch Schutz enmayater, 
Jetzt will jch auch denn anuderen nenen: 

Georg Khlelein thue jch gar woll kenen, 
Wie jch sein Namen hab ertzölt, 

Waas auch zu aim Schutzenmaister 

erwölt, 

Der dritt hatt glitten ain grossen Strauss. 

Mitt Gelt einnemen vnnd geben aus 
Wass die Schützen hont gelegt ein, 

Dasselb muest alls eingschriben sein, 
Daun Vallthan Khrauss jst er genandt, 

Denn Schützen jst er woll erkhandt. 
Ich will denn viertten jetzundt nenen, 

Der Flexcl thuet jnn woll erkhenen, 
Vnnd was er sagt, jst nit erlogenn 

Dem Schiessen jst er lanng nachtzogen, 
Wolffgang Jngersperger jst er gnandt, 

Jetzt habt jr die Neuner allgotz sanndt, 
Die jch mit Namen hab ertzölt; 

Vonn Schützen warens zu Neunern 

erwölt, 

Wie sich auff allen Schiessen gebüertt; 
Darnach hatt mans fuer die Herren 

gfuertt, 

Die ain hochweiser Rath hatt erwölt. 

Ir Gnadt hatt jnn die Handlung ertzölt, 
Im Schiessen sollens fleissig sein 

Vnnd allen Gwalt gab man jnn ein, 
Wies jnn dem Brueff geschriben stadt; 

Drumb soldans halten alltag Rath, 
Jnn Sachen soldans fleissig sein, 

Baudt jnn der Burgermaister ein, 
Der jetzund Oberister Statt-Camerer jst. 

So merckht mich weiter zu disser Frist, 
Wass hatt sein fuersichtig Weishaitt 

thann, 

Liess er denn Schützen zaigen ann, 
Jnn nötten wolt er Inn beystann 
Vnnd mit kainem guettem Rath ver- 

lonn, 

Dann Gott, der soll sie woll bewaren, 
Jetzt will jch wider haim faren 



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Viiüd redt also mit jun dermassen, 
Zwen Herrn wollen wir bey euch lassen, 

Die soldant Altag bey jun pleiben, 
Daas Schiessen mit Freuden helffeu 

vertreiben. 

Denn ersten Herrn will jch nenen, 
Die Schützen thain sein Weishaitt 

■ 

khenen, 

Dann er war ain fuersichtiger Mann ; 

Sein Namen will jch euch zaigen ann, 
Georg Zymerman jst sein Weishait 

gnandt, 

Khayser vnnd Khunig Mayestatt be- 

khandt, 

Dessgleicben ein Hochweiser Rath 
Zu Wienn jnn der beruembteu statt. 

Er jst ain Herr des Iunern Rath, 
Wann er gar vill zuschaffen hatt, 

Vnnd jst ain weiser diemuettiger Herr, 
Der alle Sach zum besten kertt, 

Dass thett er warlich mit guetteui 

Willen, 

Vnnd alle Zwidracht khuudt er stillon, 
Waas sich jm Schiessen hatt zuetragen 

Jetzt will jch von aundern Herrn sagen, 
Denn man denn Neunern zuegeben hatt. 

Es war ain Herr des aussein Raths, 
Michael Khernner jst sein Weishait 

gnandt, 

Denn Schützen was er woll bekanndt, 
Die zwen Herrn hont ankertt grossen 

Fleiss, 

Darumb gib jch jun Lob vnnd Preiss, 
Da sprach Herr Burgermayster fein, 

Ir Neuner jr sollent fieissig sein, 
Vnnd der Schützen jm besten gedenkheu, 

Die Stendt abmessen, die Scheiben 

henckhen. 

Darnach hatt man geschossen ann, 
Wöllicher vill draff, dem gab man ain 

Fanu, 

Da hatt man alle Freudt erdacht, 
Hiss das man hatt halb Schuss ver- 

pracht. 

Ein hochweiser Rath thett sich beden- 

ckhen, 

Denn Schützen wolt man ehrlich 

schenckhen, 



327 

Dass mues ich sagen auif mein Aidt, 
Ain köstlichs Mall war da beraitt. 
Mann luedt die Schützen, . das war jnn 

eben, 

Dass wolt man auff dem Däber gebenn 
Inn ainem Schönnen grünen Gartten, 
Denn Schützen thett man Diennen vnnd 

wartten. 

Inn ain er Omung jst man zogen 
Auff denn Däber, jst nit erlogen, 

Dass flieget Fendlein trueg man vorher, 
Mau erbott denn Schützen Zucht vnnd 

Ehr. 

Da zugen wir jnn Gartten ein, 
Er war zuekricht alls hupsch vnnd 

fein ; 

Ich dacht, es wer das Paradeiss. 

All Discb, bedeckht mit allem vleiss, 
Mitt aller Zier wareus versechenn, 

Dass jchs mein Tag hab nie gesechen, 
So kostlich vnnd schönn warent Disch 

beraitt, 

Dass mues jch reden auff mein Aidt, 
Mitt Negelein vnnd Pluemblen vberseet, 

Grass vnudKhraudt hat man abgemeet, 
Darmitt die Stell vnnd Benckh bedeckht, 

Die silbercn Leffel kreutzweis glegt, 
Auff all vier Ortt ob ainem Disch. 

Vnnd setzt sich nyder vnnd wolt leben 

frisch. 

Manu satzt die Herrn vnnd Edelleudt, 
Drung au 11 dass Essen, dann es war 

zeitt, 

Vnnt wolt jnu jreu Hunger ergetzen. 
Erstlich thett man zwo Rieht auf- 
setzen, 

Guctt Platten Kholhecht jun ainner Prie ; 

Ain Erbissup sach jch vor mir, 
So voller Weinper vnnd Mandel gstrett, 
Alis hetts der Wiudt vom Bamb gwett ; 
Noch on ains mues jch gedeuckhen, 
Meine Herrn Hessen hinauss fuern vnnd 

schenckhen 
Ein ganntz dreylling Vass guetter Land- 
wein, 

Schauckht man denn Schützen zum 

ersten ein, 

Dass war fuerwar ain guetter Weiu. 



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328 

üa hueb man ann freulich zu iein, 
Dass khundt jr alle woll ermessenn, 

Die Stattpfeiffer seint oben gesessen, 
Auf ainem schönem Sumerhauss, 

Gar woll gepfiffen gantz vberauss, 
Dass hatt die ganntze Maltzeit gewertt, 

Pussaunen vnud Zingekcben hatt man 

ghörtt, 

Khrump Horn, Schalmeyen plies man 

woll, 

Seid jch die Warhait redenn soll, 
Dann kainer Ehr soll jch vergessenn. 

Da trueg man auff das annder Essenn, 
Auff ainem Pladt woll vierlay Fisch, 

Setzt man fuer die Herrn auff alle 

Disch, 

Khain Khostlichaifr war da verpotten, 
Man gab guett Hecht jm Speck h ab- 
gesotten, . 

Guet Barinen vnud Fernen lagen dar- 
neben, 

Gross Karpffenstueckh thett man auch* 

geben, 

Guett Grundlen gesotten hupsch vnud 

fein, 

Die selben legt man jnn die Mitt 

hinein. 

Darnach hount sich die Dienner bedacht, 
Haben gross gülden Sciienren pracht, 
Darein schenckht man den Vugerischen 

Wein, 

Da huebans ann, freulich zusein, 
Ein hochweiser Rath thet sich beden- 

ckhen, 

Wolden ain halben Dreulling schen- 

chhen 

Denn Herrn vnnd Schützen, die da warnu, 
Khain Khosten woldans gamit sparnn, 

Dasselb was der vngerisch Wein, 
All Ding war berait gar hupsch vnnd 

fein. 

Darnach kam Pfeiffer vnnd die Drumbler, 
Alls balt die dritt Rieht jst hhumen, 

Dass was aiu griiens Kraudt wolberaitt, 
Ich soll das reden bey meinem Aidt, 

•Mitt Mandel vnnd Weinper vberstrett, 
Guett Bachfisch hett man darauff 

glegt, 



Die jch nit gnuegiam loben khann, 

Wass haben meine gnedig Herrn thann, 
Daruon da will jch weitter sagen. 

Die viertt Rieht hatt man aufftragen, 
Warenn guett Fisch jnn ainer gelben Prie, 

Der jch mein Tag hab gsechen nie, 
So woll vnnd guett warens beraitt, 

Dass ain Schutz zu dem anndern saidt, 
Ir Lebtag hettans nit besser geessenn, 

Mann jst auch lanng zu Disch ge- 

Die Dienner hont sich bedacht, 
Zu letzt erst Muscadeller pracht, 

Derselb war gar sies vnnd guett, 
Denn Schützen macht er freilichen 

Muett. 

Darnach hont sich die Dienner bedacht, 
Gar guett Hollohippen hont sich pracht, 

Khess vnnd Piern lag darneben, 
Dass hatt man zu ;der letzten Rieht 

geben, 

Wie es dann khert zu sollichen Sachen, 
Ein Schönnen Krantz lont Herren ma- 
chen," 

Vnud haben sich warlich kuertz bedacht. 

Denn Khrantz mitt allen Ehren pracht, 
Vnud thettant sich gar balt bedenckhen, 
Denn vonn Passaw aufsetzen vnnd 

schenckhen, 
Mit grosser Zuch vnnd allen Ehra, 

Dass ainer solt gar gern hern. 
Sy sagden dem Herrn gross Lob vnnd 

Danckh, 

Ich sprich das, jch mein lebelanckh 
Kain Khrantz honn ehrlicher verseben- 

ckhen sechen. 
Das mues jch fuer ain Warhait jechen, 
Dann wöllicher gwang der lebt jm sauss. 
Darnach trueg man die Fahnen her- 

auis, 

Das Best war so ain grosser Fann, 
Denn jch nit gnuegsam loben khann, 

Ja war das nitt ain grosse Ehr, 
Die Stattpfeiffer pluessant vorher, 

Dass redt jeb warlich auff mein Aidt, 
Die Knaben warent jnn Weiss beklaidt, 

Mitt gülden Khetten schön n Gscbmuckht 

vnnd Ziertt 



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Darnach hatt uiao» auff Zilstatt gliertt, 
Dasielbs thett man die Fan neu aus- 
stechen, 

Thet manichen Schützen sein Hertz 

auffweckhen, 
Dasselbs hat nlanicher woll vernumen, 
Neuntzechen seindt zu stechen khu- 

men, 

Vnnd der das Best hatt gewungen, 
Vonn Schwatz jst er geen Wienn her- 

kumen, 

Er hätts gewungen Ritterlich, 

Darumb jch jm das Lob vergich. 
So gar ain Schönnen grossen Faun, 

Da stuendant Hundert Taller dran, 
Vnnd zechen Taller inerckh mich eben, 

Mitt grossen Ehren thett maus geben. 
Dan er ist mir gar woll bekhaudt, 

Franntz Braunneckher jst er gnandt, 
Also hatts Schiessen ein Eudt genuinen. 

Seint der Schützen gwest jnn ainer 

Sunieu, 

Hundert vnnd Sibeu ausserwöit, 
Die hett man auss donn Buechern 

zeit, 

(Fortsetzung und 



329 

• 

Vnnd was ain jedlicher gewungen hatt, 
Der jst einggchrieben frue vnnd spatt, 

Es soll mir kainer dahinden pleiben, 
Mitt Namen will jchr all einschreiben, 

Ein Hochweiser Rath thett sich beden- 

ckhen, 

Thuen jun zwen vnnd funfftzig Taller 

schenckhen, 
Vnnd manicher Schutz thett das Lachen, 
Dass sy khuudant neun Fanen machen, 
'Sy sagdant dem Herrn gross Lob vnnd 

Danckh. 

Ich sprach, das jch mein Lebelanckh 
Khain grosssen Ehr hab nie gesechenn, 

Dass khanu jcli mit der Warhait jechen, 
Dass mag ich reden bey ineiin leben, 

Fein deffede Faunen thett man geben, 
Also hatts Schiessen ein Endt genuinen, 

Seindt die Schützen jnn ainer Sumen, 
All zogen hinein jnus Cammerers Hauss, 

Da drauckhens halben vnnd gantzeu 

auss, 

Kherdant denn Bechern das vnnder 

vbersich, 

Dass war fuerwar ain Spill fuer mich. 

SchlusB folgen.) , 



Die Chroaik der Familie Beck von Loopoldsdorf. 
Besprochen von Dr. K. Lind. 

.hl *. 

Wie schon berichtet wurde, war Markus Beck der ältere Sohn aus der 
zweiten Ehe des Konrad Beck (mit Anna Lutersey von Raff enspurg), 
geboren am 26. April 1491. Die Aufschreibungen seines Vaters, sowie seine 
eigenen enthalten etliche Nachrichten über seine Jugend und Ausbildung. Im 
Jahre 1506 (d. i. in seinem 15. Lebensjahre) zog er (am Sonnwendtag) nach 
Tübingen, um die hohe Schule zu besuchen, und wurde daselbst am Sonntag 
vor Sebastiani durch den Rektor Dr. Johannes Hai uud Meister Peter Chraft 
eingeführt. Schon im nächsten Jahre erhielt er zu Tübingen das Baccalaureat 
durch Meister Johannes Sigloch und am Dreikönig- Abend 1509 legte er da- 
selbst seine Magister-Prüfung ab, wobei M. Johannes Ast mau, Dechant der 
Artisten-Fakultät, M. Simon Caldentor, M. Andreas Lemp, M. Wendelin 
und M. Johannes Sigloch intervenierten; wenige Tage darauf (17. Jänner) 
wurde ihm das Magister iura durch M. Astman verliehen. In übergrosser 
Bescheidenheit bemerkt Markus Beck in seinen Eintragungen bezüglich dieser 
Auszeichnung: „und in locatione unwürdig das primat" gehabt. 



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330 



Im 25. Lebensjahre hatte er seine Studien beendet und schioss dieselben 
mit der Bewerbung um den Doktorgrad ab, welche Würde ihm für geistliche und 
weltliche Rechte am 30. Juni 1515 durch M. Anthony Aleutis verliehen . 
wurde. 

Meister Markus scheint schon frühzeitig die Absicht gehabt .zu haben, sein 
Fortkommen in Oesterreich, und zwar in Wien zu suchen. Schon im Früh- 
jahre (Samstag nach St. Marxtag 1510) begab er sich von Mengen nach Wien, 
wo er am 3. Mai eintraf und, vielleicht um sich eiue Stellung zu verschaffen, 
bis 1512 blieb. Am 10. März dieses Jahres machte er eine Fussreise nach Mengen, 
kehrte aber nach wenigen Wochen von dort nach Oesterreich zurück, um daselbst 
zu bleiben, da ihn seine bald darauf beginnende öffentliche Stellung, wie auch 
seine Familien-Verhältnisse nunmehr für immer in Oesterreich zurückhielten. 
Die eben erwähnte Reise nach Mengen dürfte wol eine Krankheit seines 
Vaters veranlasst haben, da das Aufhören der Aufzeichnungen desselben im 
Jahre 1511 eine solche vermuten lassen, wie auch, da derselbe bald nach dem 
Besuche seines SohneB (am 22. Juli 1512) starb. 

Die politische Laufbahn des Markus Beck, in der er es für seine Zeit, 
als Eingewanderter und von Geburt Nichtadeliger immerhin zu sehr hohen 
Ehren und Würden brachte, begann damit, dass er im Jahre 1513, also noch 
vor erlangtem Doktorgrade, als Procurator bei den niederösterreichischen Land- 
rechten eintrat und in Eid genommen wurde. 1522, somit nach neunjähriger 
Dienstzeit, ernannte ihn Erzherzog Ferdinand zu seinem Rath and Kammer- 
Prokurator mit einem Jahresgehalte von 300 fl. Mit der zunemenden Wichtig- 
keit seiner öffentlichen Laufbahn scheinen sich auch seine Vermögens Verhältnisse 
gebessert zu haben, denn schon 1519 (H. Jänner) hatte er von Dr. Ulrich 
Gebhart ein Haus in der „hindern (herrn) Ratstrass am Graben (jetzt Cons. 
Nr. 1124 in Breunerstrasse, d. i. Nr. 4) gelegen" umb Fünfhundert rheinische 
Gulden gekauft und einige Tage später (28. Jänner) sein neues Besitztum be- 
zogen. Als am 18. Juli 1525 um Mitternacht im Cillierhofe Feuer ausbrach 
und dasselbe, da man es nicht schnell genug bewältigen konnte, über 400 
Häuser der Stadt zerstörte, wurde auch das Haus des Markus Beck von den 
Flammen ergriffen und eingeäschert. Wie er selbst erzählt, gieng dabei seine 
ganze fahrende Habe zu Grunde, nur Bücher und die besten Kleidef konnten 
gerettet werden *). 

Im Jahre 1523 (27. März) kaufte er von dem Wiener Bürger Johann 
Gr äff 8 ) die Veste Leopoldsdorf sammt dem Dorfe um 50 Pfund 7 Schilling 
8 Pfennige auf den dazu gehörig behausten Gütern, hatte aber noch im selben 
Jahre mit seinem Gutsnachbarn Hans Hauser zu Karlstein») als dem 
Besitzer von Achau einen Streit wegen der Besitzesgrenze durchzumachen, der 

«) Ueber diese Feuersbrunet bringen uns Nachrichten die. Aufzeichnungen der Kloster- 
neuburger Stiftsdechante, veröffentlicht im IY. Bande des Notizenblatte s der k. Akademie p. 276: 
„feria 3 ante Marie Magdalena in nocte infra vndecimam et dnodecimam exortus est magnas ignis 
Wienne in domo domini de Cilij, ex quo igne combuste sunt in ctvitate IUI. c et XXXIV domus et non 
•olum domuB sed et eccleeie Tidelicet s. Michaelia, et certa Monaeteria, videlicet ad s. Jacobum, 
ad S. Jeron jmuni, ad Celi portag et ad s. Ciaram. Insaper extra civitatem tota strata a 
8tubenthor usque ad ■. Nicolaum. rltimate invente sunt multe personne et homines mortui 
ex igne. a 

*) Hans Graff, Barger und Wiener Kathsherr, kaufte 1415 die Veste Leopoldsdorf Bit 
50 Pfund 7 Schilling und 8 Pfennig von Hans Harrach zu Oockitsch. (Arch. VIII. p. SM.) 
*) Ueber Hana Hauser von Karlstein s. Wiss grill IV. 221, s. Archiv VIII. 230. 

* 



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331 



von Ritter Aiubros Wisent, Land-Untermarschall in Niederösterreich, Wolf- 
gang Dürr zu Prunn und Georg Egkher zu Liechtenegg als beordete lan- 
de 8 fürstliche Commissäre beglichen wurde. 

Beck hatte ohne Zweifel sich das Wohlwollen seines Landesfürsten im 
hohen Grade .erworben, denn noch im selben Jahre, als er das Schloss Leopölds- 
dorf ankaufte, hatte ihn Erzherzog Ferdinand mit turniergrossen Freiheiten 
ausgestattet und ihm und seinen Nachkommen das Prädikat von Leopoldsdorf 
gegeben *). Das Wappen, das die Familie fortan führte und ihm bei dieser Gelegen- 
heit verliehen worden sein dürfte, besteht in einem quadrierten Schilde, dessen 
erstes und viertes Feld schräglinks geteilt in goldenem Felde einen Feuer- 
stahl, im schwarzen ein dem gegenübergestellten ovalen Feuerstein mit davon- 
sprühenden Funken enthält, im zweiten und dritten roten Felde findet sich 
in schrägrechter Silberbinde ein schreitender roter Lowe 2 ). Den Schild be- 
Fi g . l • decken zwei gekrönte offene Helme, davon der erstere 

mit einem doppelten Flug .mit der Darstellung des 
ersten und vierten Feldes, der zweite mit dem 
wachsenden roten Löwen zwischen zwei silbern- 
rothen Büffelbörnern, die in den Mündungen mit je 
drei Pfauenfedern besteckt sind, geziert ist. In der 
beigegebeneu Figur 1 geben wir die Abbildung des 
Wappenschildes nach einer in eiiiein handschrift- 
lichen Verzeichnisse der Gräber im Minoritenkloster 
enthaltene polichromierten Darstellung 8 ). 

Am 24. December 1526 wurde Markus Beck 
von Leopoldsdorf Vicedom in Oesterreich. Als König 
Ferdinand es sich angelegen sein liess, in seinen 
Landen Verteidigungsmassregeln wegen der bestehenden Türkengefahr zu er- 
greifen, wobei es sich aber vor Allem darum handelte, zu diesem Zwecke die 
Kassen zu füllen, wurde nebst Anderen auch Markus Beck mit der Aufbrin- 
gung von Geld betraut. Er erhielt zur beschleunigten Kontrahierung von Dar- 
leben einen offenen königlichen Brief, ausgestellt am 7. März 1527. Auch 
scheint es, dasa er damals manche Einkaufe für den landesfürstlichen Haushalt 
besorgte, da er z. B. am 1. August 1527 eine Bestätigung gab, dass ihm die 
Auslagen für sechs Sesseln mit Sammtüberzug und anderes für die Königin 
bestimmtes Einrichtungszeug, das derselbe durch den Kammerfourier Gilg 
überschickte, durch Don Peter Lasso, ihrer k. Majestät Stallmeister, beglichen 
worden sind. 

Als die Gemahlin Königs Ferdinand in Wien ihres Sohnes Maximilian 4 ) 
genass, eilte Markus Beck von Leopoldsdorf am 1. August 1527 in's könig- 



') „desshalben sollen ich uud meine nachkouien got den herrn danken nnd dem hoch- 
löblichen haws Österreich gehorsam", bemerkt Markus Beck im Chroiiikon. 
•) Nach Wi Bs grill mit geteiltem Schweife? 

*) Wir werden spater noch Gelegenheit finden, auf diese Handschrift zurückzukommen. 

<) Ueber die Taufe des Erzherzog Maximilian berichtet Beck: „und ist das Kind durch 
Bischof Christoph von Laibach, hie zu Wien in der capell in der purg den 5. tag angusti getoft 
vnd Maximilianus genent worden, peustent seyn gewest graf francz von posing, her adam von 
newhans obrist canzler in Böhem vnd herr steifans ron Banbor (Batori) gros6grawen in Ungern 
gemachel ain geporne herzogin." 




Diai 



332 

liehe Feldlager, um die frohe Botschaft zu verkünden, wofür er das „potenbrot 
gewunen hat". 

Seiner Besitzung Leopoldsdorf widmete Beck fortwährend grosse Auf- 
merksamkeit. So erwirkte er unterm 10. November 1527 vom Neustädter 
Bischof Theodorich Kamre r mit Zustimmung des Wiener Bischofs Johann v. 
Revellis für die restaurierte und der h. Dreifaltigkeit und der h. Jungfrau 
geweihte Schlosskapelle einen vierzigtägigen Ablass für jene Personen, die an den 
Festtagen der katholischen Kirche diese Kapelle andächtig besuchen. Noch im 
selben Jahre wurde die Leopoldsdorfer Schlosskapelle zur ' selbständigen Pfarre 
erhoben, ihr ein eigener Bezirk bestimmt, der von der Pfarre zu Lanzendorf 
abgetrennt wurde, welche pfarrherrliche Feststellung 1533 vom Wiener Bischof 
Johann Faber unter Verleihung eines weiteren Ablasses neuerlich bestätigt 
wurde. Als Pfarrer hatte man 1527 den Leonhard Strahacker bestellt, ihn 
jedoch hinsiohtlich seines Einkommens an Markus Beck für so lange ver- 
wiesen, bis diese Pfarre eine anderweitige Dotation erhielt Ausserdem wurde 
Markus Beck für sich und seine Nachkommen verpflichtet, an die Pfarre jährlich 
ein Pfund zu entrichten, welche Leistung jedoch sofort durch das Kapital von 
20 Pfund ein für allemal abgelöst wurde. Um der Pfarre eine grössere Bedeu- . 
tung zu geben und das Einkommen des geistlichen Hirten zu bessern, wurde 
schon 1528 die St. Andreas-Pfarre zu Hennersdorf damit vereinigt. 

Von demselben Jahre datiert auch eine Vorstellung, die Markus Beck 
an König Ferdinand richtete, worin er hervorhebt, dass er zu seiner Besitzung, 
die er vor etlichen Jahren gekauft *), noch einige Gilten und öde Gründe 
in den umliegenden Dörfern, wie Ober- und Ünter-Laa, Neusiedl, Möllersdorf, so 
wie den Ort Hennersdorf selbst von der Familie Heuberger, der seine zweite 
Gemahlin angehörte, mit seinem und seiner Hausfrau väterlichen Erbe erworben 
habe. Bei der bedeutenden Ausdehnung seines Besitzes bittet er, dass ihm 
zu seinem Sitze Leopoldsdorf ein' Burgfrieden, dariu die genannten Ortschaften 
und Besitzungen eingeschlossen wären, und ein besonderes Landgericht erteilt 
würde Hinsichtlich der letzteren Bitte sprach sich die Hofkammer in ihrem 
Gutachten vom 27. Oktober 1528 abschlägig aus, indem sie berichtete, dass 
das Landgericht auf diesen von Beck erworbenen Orten dem königlichen 
Kammergute Ebersdorf zustehe und kein Landmann dort herum ein eigenes 
Landgericht habe. ■ Die königliche Entscheidung hierüber verzögerte sich 
mehrere Jahre, da gerade in diese Zeit die schweren Drangsale fielen, von 
denen Niederösterreich und insbesondere Wien durch die türkische Invasion 
heimgesucht wurden. Erst am 7. März 1531 erteilte Kaiser Ferdinand der 
Herrschaft Leopoldsdorf den erbetenen Bufgfrieden *), nachdem schon ein 
Jahr früher Markus Beck vom Kaiser zu Prag zum Kitter 'geschlagen wor- 
den war, „wobei er ihm die Ritterschaft geschennt, ain guldin ketten von 
300 ß, ein Kermesiu atlas mit guldin thnech verprämbt und hermelin gefuetert 
auch lebenslang 200 ß -K W. Bold verschrieben und ihn und seine nachkommen 
gefreyt mit rot zu siglen." 

>) Wi Kg rill rührt hierüber an, dass Leopoldadorf ron der Familie Kreuzer gekauft 
worden wäre, was nicht richtig ist, indem Markus Beck dieselbe von Johann Graf erwarb, 
während nur einige öde, ebenfalls von Beck erworbene Gründe der Familie Kreuzer gehörten. 
6. auch Zeibig 1. c. 230. 

Vi Ein Grenzstein des Burgfriedens gegen den Laaerberg und Wien hin hat sich noch 
erhalten, dessen Abbildung in Fig. 2 beigegeben ist. S. Altert. Vor. XV. p. 



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333 



Fig. 2. 





In den folgenden Jahren vergrösserte Beck seinen Besitz. So kaufte er am 
4. Februar 1532'vön Radegunde, des edlen und festen Niclas Traunsteiner Gattin, 
mit dessen: Zustimmung und der ihres Vaters Dr. Johann Entzianer den 
öden Hof zu Hennersdorf, ein kaiserliches Lehen, das derselben ihr erster Gatte 
Haot Eabenburg hinterlassen hitte. Am 8. September des nächsten Jahres 



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V» 



334 

erhält Ritter Markus vom Konig Ferdinand die Herrschaft Unter-Waltersdorf 
als Pfand für ein von Dr. Georg Jordan dem Kaiser gegebenes Darlehen 
von 1470 fl.,. welche Schuld im Jahre 1545 durch Beck an Dr. Leopold Jor- 
dan zurückbezahlt wurde. Am 14. November 1533 giebt Bischof Johann 
Faber von Wien und Coadjutor des Bistums Wiener-Neustadt mit kaiser- 
licher Bewilligung als Lehensherr des Wiener Bistums an Markus Beck den 
demselben gehörigen Wald hinter Kalksburg, wogegen Beck den vom ver- 
storbenen Praeceptor des heil. Geistspitales zu Wien Markus Gold an Johann 
Lichtenstein zu Nikolsburg versetzten Wein- und Getreidezehent zuAichen- 
stundeu (verödetes Dorf bei Bockfluss und Leopoldsdorf im Marchfelde) einlöst 
und dem Wiener Bistum zurückstellt. 

Im Jahre 1535 erwarb Markus Beck von Schwester Katharina von Span- 
genstein, Meisterin des Convents zu Maria Magdalena, der ehemals vor dem 
Schottentore bestand und sodann mit St. Laurenz vereinigt wurde, den kleinen 
Wald (das Holz), der Gern genannt, sammt 12 Tagwerken Wismadt, welchen Ver- 
kauf Bischof Johann von Wien bestätigt«. Im selben Jahre überträgt Joachim 
Marschalk als Lehensherr und Erbvogt der Kirche zu Gaden, die durch die 
Türkeniuvasion verarmte, seinem Gevatter Markus Beck einige Gülten dieser 
Kirche zu Hennersdorf und Leopoldsdorf im Tauschwege. Endlich im Jahre 1537 
erhielt er vom Stifte Melk den Zehent zu Guntramsdorf zu Lehen 

Noch war die Stufenleiter der Würden von Markus Beck nicht völlig 
• erklommen, denn im Jahre 1539 ernannte ihn der Kaiser ohne sein Wissen 
(„an all mein wissen und gedancken") zum niederösterreichischen Kanzler. 
- Er selbst sagt darüber: „Gott verleihe gnad, das ich ihre Maet. der- 
selbe gnedig vertrauen auch dienen mug." Auch das Vermögen Beck's 
wurde durch die kaiserliche Gnade vermehrt, indem . der Kaiser unterm 
26. August 1540 der n. ö. Regierung befahl, dem Markus B>e ck über den 
von Georg T achers chitz erkauften öden Hof, genannt Rustenhof (Ruschel- 
hof) bei Leopoldsdorf, die Lehen zu erteilen und den Lehenbrief hierüber 
ausfertigen zu lassen. Unterm 25. August 1542 wurde ein Lehenbrief aus- 
gefertigt über 18 Pfund Gülten zu Azelau (Erlau) und Ort und über ein 
Drittel Getreidezehent zu Hennersdorf. Als Zeichen der besonderen Zufrieden- 
heit muss das kaiserliche Geschenk eines Ehrenkleides von Sammt an Frau 
Barbara betrachtet werden, das dieselbe im Jahre 1544 in Ansehung der täglich 
fleissigen und nützlichen Dienste uud des rühmlichen Eifers des Kanzlers 
Markus Beck durch den Hof-Zahlmeister Haus Stolzer erhielt. Dagegen 
war Markus Beck auch nach Möglichkeit bereit, dem Kaiser bei Geldverlegen- 
heiten beizuspringen, wie dies im Jahre 1548 der Fall war, als Beck's Gattin 
Barbara zu diesem Zwecke 2000 11. herlieh. 

Markus Beck war dreimal verheirathet. Von seinen Ehen war nur eine 
mit Kindern gesegnet, doch starben die meisten in der Jugend. 

Die erste Gattin war Apollonia, Tochter des weyland Hieronimus 
Leynigor a ) und der Margaretha von Pibriach, geboren zu Landskron, 
Montag nach S. Georgentag 1482, Witwe des Blasius Lazarin. Die Hochzeit 



') Fh. Huber: Austria ex arch: mellic. illust. p. 170. Nr. 87. 

*) Uebor Hieronimus Leinioger s. A. WeisB, Kärntens Adel. p. 212. Die6e Familie führte 
einen silbernen Scheu keubecher an auf^ekrümmtcui Stiele im roten Felde. 



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t 

* 335 

wurde in' Wien gefeiert am 29. Mai 1516. Beck war damals 25, seine Braut 
34 Jahre alt. Die Ehe dauerte nur fünf Jahre, denn schon am 5. August 1521 
starb Frau Apollonia zu Wolkersdorf und fand ihre Ruhestätte bei den 
Minoriten in Wien an der Seite ihres Gatten, der, gestorben 1516, in der 
Katharinen - Kapelle *) dieses Klosters bestattet wurde. Diese Ehe blieb 
kinderlos. 

Markus Beck hielt ein halbes Jahr Trauer für seine erste Gattin und 
führte am 12. Februar 1522, als Mann von 31 Jahren, die zweite Gattin Martha, die 
Tochter des verstorbenen reichen Wiener Bürgers Matthäus Hey perg er a ) und 
der Anna aus dem Münchner Patrizier-Geschlechte der Barth (geboren zu Wien 
am 7. Februar 1507, also 15 Jahre alt), heim. Diese Ehe dauerte 21 Jahre. 
Am 21. August 1543 starb Frau Martha am Schlagfluss nach dreitägigem 
Leiden (36 Jahre alt) und wurde in der St. Dorotheenkirche zu Wien beige» 
setzt. Noch im Todesjahre hatte sie nebst der Gemahlin des Sigmund Frei- 
herrn von Herberstein den Dienst einer Hofmeisterin bei der jüngsten 
Tochter des Kaisers, Erzherzogin Helena, übernommen und dieselbe nach Inns- 
bruck begleitet und sodann die Erzherzogin Auna nach Prag geführt, welche 
beide Reisen 10 Wochen in Anspruch namen 3 ). 

Wissgrill berichtet über ihren Grabstein, der sich an der Kirchenmauer 
gegen den Friedhof befand und folgende Inschrift hatte: 

„Anno dorn. 1543 den 21. August ist gestorben die Edle und tugent- 
hafte Frau Martha geporne Heupergerin, Herrn Marx Beckh von Leopoldstorf 
Ritter und Doctor der kais. königl. Majestaet Rath und N. Ö. Kanzlers Ge- 
mahel, die hier begraben.* 

Ein halbes Jahr später, d. i. am 27. Jänner 1544, verehelichte sich 
Markus Beck (54 Jahre alt) zum dritten und letzten Male, und zwar mit der 
36 Jahre zählenden Barbara, Tochter des Jörg von Werdenstein zu Wer- 
denstein und der Barbara von Helmstorf, Witwe des Christof Schnecken- 
reiter 4 ) (geboren am 30. November 1508 5 ). Frau Barbara überlebte ihren 
Gatten, sie starb am 1. Jänner 1557 im Alter von 49 Jahren und fand ihre 
. Ruhestätte in der Schlosskapelle zu Leopoldsdorf 6 ). Obgleich die Kapelle nicht 



') Ueber die Ruhestätte des Wiener Bürgers BlasiuB Lazarin enthält das Minoriten- 
Nocrologium (Alt. Ver.: Berichte n. Mitt. XII. p. 67): „Anno domini 1516 obyt dominus Blasius 
Lazarin sepultus in capella dive Chatarine ante altare beate barbare singularissimus fuutor fratrvm. 
Appolonia domini Hieronyrai Leininger et Margarethe de Fibriach filia. predicti domini Blasij 
Lazarini relicta vidua, nupsit postea dornino Marco Beete a Leopoldiitorff etc. Anno domini 1516. 
Et Obiyt 6. die Angnsti Anno domini 1521. Sepulta juxta sepulturam domini Blasij prioris sui 
mariti. 1 * Die handschriftliche Cintragnng ist mit dem in Farben ausgeführten Lazarin'schen 
Wappen, das goldene Steinbockhorn im schwarzen Felde, und mit dem eben beschriebenen der 
Leininger geziert. 

») Ueber die Familie der aus Tirol stammenden Heyperger von Fonkirchen s. Berg- 
mannes Medaillen I. 45, Wissgrill IV. 325. Der senkrecht gespaltene Schild dieser- Familie 
zeigt im ersten roten und im zweiten schwarzeu Felde je einen Berg, um welchen unten ein 
geflochtener Zaun zieht, der den Schildesfuss ausfüllt. Nach Wissgrill wäre Matthäus Heyperger 
1504 (?) gestorben. 

*) „und also auf diser raysB ir lest dinstparkeit erzaigt," notiert M. Beck. 
*) Christoph Schneckenreiter zu Losdorf. 

*) Aus erster Ehe hatte Frau Barbara eine Tochter Namens Margaret, die spater den 
Gebhard Felix Welzer von Welz ehelichte. 

«) Hieronimus Beck berichtet darüber: „Anno di 1557 den ersten Tag Januarii starb zu 
Wien in meinem haus mein liebe Stiefmutter fraw barbara geborne von Werdenstain, weilent 



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336 

mehr existiert, to ist doch dai Monument, eine rotmarmorene Platte 6' 6* hoch 
und 3' 1 " breit, noch erhalten ; sie ist in einem finsteren Gange des verödeten 
Schlosses eingemauert und grösstenteils durch vorgestellte Kisten nnd auf- 
geschichtetes Brennholz verdeckt. Die Inschrift lautet : 

„Hie ligt begraben di Edl vnd tugent 

hafft Fraw barbara geborne von 

Werdenstain weilendt herren ma 

neu becken to Leopoldstorf riter 

vnd Doctor ro. ko. mt. etc rat vnd 

n. oe. Kantzlers gelasne Wittib die 

gestorben ist den ersten tag januarii 

im 1567 jar der seien un vns allen 

got gnedig un barmherzig sei. M 
Darunter das besprochene Beck'sche Wappen und das der Familie Wer- 
denstein (zwei Sparren im Schilde und ein sitzender Hase auf einem Polster 
als Kleinod). 

Frau Barbara hinterliess ein Testament vom 26. Juni 1584 und ein 
Codicil von 1556 und gab ihr Vermögen grösstenteils an ihre beiden Stief- 
kinder Hieronymus Beck und Barbara, verehelichte Zinzendorf, an ihre 
Enkel (deren beiden Kinder) und zum Teile an ihre Tochter aus erster Ehe 
Margaretha. 

Markus Beck, dessen letzte Eintragung das Datum vom 6. September 
1552 trägt, starb am 20. März 1553 im 62. Jahre an einem Schlaganfalle 
im Schlosse zu Leopoldsdorf, wo er in der Kapelle seine Ruhestätte fand *). 
Auch sein Grabstein ist noch vorhanden und befindet sich derzeit neben dem 
seiner Gattin Barbara, ebenfalls eine Platte von rotem Salzburger Marmor 
(7' hoch, 3' 6* breit). Sie enthält in ihrer oberen Hälfte folgende Inschrift : 
„dem edlen gestreng un. hochgelerten Herrn marien b. 
eck von leopoldstarf ritter vnd der rechten Doctor des rö zu 
Vngern vnd Behaim Kunigs Ferdinandus Ertzhertzogens zu 
Osterreich etc Rat, Cammerer und Cantzler der Niederösterreich 
i sehen Lande der gestorben vnd begraben ist hie zu Leopoldt- 
starf den 20 Martii nach Chrisfgeburt 1553 
seines alters im 62 Jar 

Hieronimus Beck hat seinem lieben vatern disen 
Grabstein legen lassen. 1 ' 

Darunter das Wappen mit zwei Helmen bedeckt, deren einer den Flug 
mit -dem Feuereisen und Steine, der andere zwischen den mit Pfauenfedern 
in den Mündungen besteckten Büffelhörnern den wachsenden Löwen als 
Kleinod hat. 



berrn marz Becken von leopoltstorf, meines lieben vatters seligen, gelassene irittib, die hat in 
einem ires testamen vnd codicil mich H. B. v. L. zu ihren rechten erben benemt nnd institnirt. 
.... liegt in der kirchen zu leopoldstorf neben meinen vatter seligen begraben. 11 

') Sein Sohn Hieronymus hat darüber folgende Notiz in das Tagebuch eingetragen : „Anno 
dni 1563 den 20. tag martii ist der edl gestreng und hocbgelert herr marx beckh Ton Leopoltstorf, 
Ritter und Doctor B. und künigl Maet Rat, cammrer und canzler der nied. est. Landen, mein 
Hieronimus beck von Leopoltstorf lieber vatter seliger im geschloBs zu leopoldsdorf mit tod ab- 
gangen, seines alters im 62 Jar dem gott genad und ligt derselbe zu leopoldstorff auf der rechten 
Seiten des altars begraben.« 



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337 

Sonderbarer Weise enthält das schon erwähnte Gräberverzeichnis aus 
dem Wiener Minoritenkloster nach der Aufnotierung über die Grabesstelle der 
ersten Gattin des Markus Beck noch eine weitere Eintragung, die folgender- 
massen lautet: 

„Dominus Markus Beck a Leopoldsdorf Eques auratus Juris utriusque 
Doctor et Ferdinandi Born. Hung. et Bohemie etc. ßegis Archiducis Austrie 
etc. consiliarius cubicularis et Austrie cancellarius Obijt 20. die Martij 1553 K *). 
Diese Eintragung *) zeigt die gleiche Schrift mit jener, die Bestattung seiner 
ersten Gattin betreffend, doch ist diese Schrift ihrem Charakter nach, weit 
jünger, als aus der Mitte der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Es drängt sich 
uns im Hinblicke auf diese so verschiedenen Nachrichten die Frage auf, wie 
die eben erwähnte Eintragung möglich wurde, da doch unzweifelhaft die Mittei- 
lung des Hieronymus Beck die grösste Glaubwürdigkeit für sich in Anspruch 
nimmt. Eine Beantwortung dieser Frage scheint jedoch für dermalen nicht 
möglich, wenn man nicht die Richtigkeit der Eintragung des Gräber Verzeich- 
nisses anzweifelt, die jedenfalls erst aus dem XVII. Jahrhundert stammt und 
vielleicht nur auf eine Tradition hin geschah, üebrigens scheint W i s s gri 11 
ein anderes Mortirologium eingesehen zu haben, da die Worte „hic penes 
uxorem sepultus" in der Handschrift, die dem Schreiber dieses Berichtes zu 
Gebothe steht, eben so wie jene bei der Notiz über Frau Apollonia „absque 
liberis decessit" fehlen. 

Markus Beck hinterliess ein Testament mit dem Datum vom 26. Juli 1543 
mit welchem er sein Vermögen zwischen seinem Sohn Hieronymus, seiner 
Tochter Barbara und seiner Gattin Barbara teilt. 

Nur die zweite Ehe des Markus hatte Kindersegen, dafür aber auch 
im reichlichen Masse, ohne dass es den Eltern gegönnt gewesen wäre, die 
Mehrzahl der Kinder in das reifere Alter zu bringen. Die Kinder waren, 
Barbara, geboren am 21. Februar 1524 (Taufzeugen: Bischof Ditrich von 
Wiener-Neustadt, Barbara Freiin von Ditrichstein 8 ), Margaretha von Lamperg 4 ) j 
Hieronymus, geboren 8. Oktober 1525 ( Taufzeugen: Bischof Ditrich von 
Wiener-Neustadt, der Rektor der Wiener Hochschule Albin Greffinger und 
Frau Katharina Gutratin,' Stadtschreyberin hie zu Wien); Leopold, geboren 
am 8. November 1529 zu München, wohin Frau Martha, als der Heimath 
ihrer Mutter, während der Wiener Türken-Belagerung zog (Taufpathe der 
Münchner Priester Hans Hunger); der Knabe starb schon am 4. Juni 1530 
und ist zu München am Frauen-Gottsacker beerdigt worden; Anna, geboren 
am 12. Februar 1531 (Taufzeugen: Jobst Truchsess, Landcommentur tewtsch 
Ordens, Barbara Freiin von Ditrichstein, Hedwig (heydweyg) von Hohenfeld) 5 ), 
gestorben am 18. Juli 1536; Marcus Christoph, geboren zu Gmünden am 
26. Juli 1532 (Taufzeugen: Sebastian Hofer, Amtmann zu Gmünden, Andreas 
Schmitzperger, des ambtmann Gegenschreiber und Appollonia Niclasen Spiess- 
heymen hausfraw), gestorben am 26. Februar 1536; Wilhelm, geboren am 



') Dabei das in Fig. l abgebildete Wappen. 

') Eine spätere Uebertragnng der Leichname in das Minoritenkloster ohne die Gedenk- 
steine ans Leopoldsdorf kann nicht als wahrscheinlich angenommen werden. 

*) Die Gattin Sigmund Ditrichstein, Statthalters der n.-Ö. Lande, eine geborene Rottal. 
*) Gattin des Hans r. Lamberg, geborne Enczatorf. 

*) Dritte Gattin des Rudolf von Hohenfeld, Tochter des Michael Freiherrn von Eyczing. 



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18. März 1534 zu Wien (Taufzeugen: Wilhelm Freiherr zu Roggendorf und 
Mollenburg, seiner Majeitaet oberster Hofmeister, Wilhelm von Zelking, Eli- 
sabet, verwitwete Topl) l ) ; schon am letzten März desselben Jahres starb 
dieses Kind und wurde am St. Stephansfriedhof in der St. Erasmus-Kapelle 
vor dem Altar ob dem Grabe des Schwiegervaters Matthaeus Heyperger bestattet. 
Am 11. April 1535 genass Frau Martha im Schlosse zu Leopoldsdorf ihres 
■iebenten Kindes, das jedoch bald nach der Geburt starb und im Grabe seioei 
Brüderleins beerdigt wurde *). Es scheint, dass diesmal nur eine Nottaufe 
vorgenommen wurde, da ganz gegen die bisherige Uebung keine hervorragenden 
Personen dem Georg Christoph benannten Kinde zur Zeugenschaft standen, 
nämlich der „Teichmeister Valtlin Viereckl, der Diener hans harg und haidwegg 
grindlerin, derKunigin hebam." Am 18. Juni 1536 gebar Frau Martha zu früh 
ein Knäblein, das „gachtaußV wurde und sofort starb. 

Ea blieben somit nur Barbara und Hieronymus am Leben. Vorläufig 
von dem letzteren absehend wollen wir noch der Mitteilungen erwähnen, die 
sich über die erstere in den Familien-Einzeichnungen finden. Dabei ist es auf- 
fallend, dass Markus Beck in seinen letzteren Aufschreibungen sich fast 
ausschliesslich seiner Tochter Barbara zuwendet, und nur die in ihrer Familie 
eingetretenen Ereignisse notierenswert findet. 

1544 am 17. Jänner wurde sie „in das kuniglich frawenzimmer in der 
Rom. kunigin dienst" aufgenommen. Im selben Jahre (28. September) heira- 
thete sie den JDrbjägermeiater in Oesterreich, Hans von Zinzendorf, r. 1c. Maet. 
Rat, fürschneyder und peysitzer des Landtrechts in Oesterreich." Es hat auch, 
wie Markus schreibt, die r. k. Maet die hochzeyt mit grossen gnaden und ei 
zu hoff gehalten und die prawt mit 500 fl. heyratgut und kunigalich gnaden 
mit kleydern abgefertigt." Barbaras Ehestand war mit Kindern reich gesegnet*). 
Am 20. März 1546 wurde ihr erstes Kind Hans Friderich gebore » *), am 
29. Juni 1547 zu Pottendorf das zweite Kind Ott 6 ), am 27. December 1548 
das dritte Kind Marx 6 ), am 10. April 1550 die Tochter Barbara 7 ). Der Name 
des am 6. September 1552 geborenen fünften Kindes, einer Tochter 8 ), ist von 



') Gattin den Christoph von Toppl, Tochter des Ulrich ton Gratenegg, Witwe des Ladislau 
von Caniza; f 1543. 

*) Dieselbe Ruhestätte fanden auch Wilhelm (15S4), MarlniB Christoph (1536), ein Knib- 
lein unbekannten Namens (1536) und Anna (153ß). Beck bemerkt: „hab also auf den tag daselbit 
in aynem grab vier son und ain tochter ligen." 

») Sie starb am 9. Dec. 1578 in Wien in dem alten Polhaim'schen Haus und ruhet in der 
Schlosskapelle zu Pottendorf, woselbst ihr Grabstein vorhanden ist. 

*) Taufzeugen: Nie las Graf zu Salm, k. k. Maet. obrister Camerer und obrister 
Feldhauptmann, Uans Hofman, Freyherr zur Gruenpiecheb und Strecha paid ihres r. k. Maeten. ratk 
nnd Fraw helena geporne GrusBweynin des Sigmund Freyherrn zu Herberstein gemachel. 

») Taufzeugen: Erasm. paumkirchner und andre landauer, statanwalt und salzambtuuaa 
su Wien, paid k. Maet. rat, u. fraw Barbara, herrn Sigmund von eberstorff gemachel, gepot« 
fuchsinn. 

*) Taufzeugen : Hainrich Bischof zu der Neuvorstatt, h. jorg Gienger Doktor, landtvoft 
in Schwaben, und Fraw Elisabet geporne Gräfin von Salm, Herrn Adam Hoff mann Freyherr n 
Gruenpuechel und Strecha gemahel. 

7 ) Taufzeugen: Franz wjrin, fraw anna geporne von petschach, herrn jorgen welxer. Ver- 
walter der Kauptmannschaft zu newenstatt, hausfraw und fraw margaretha geporne hohenegger» 
jorgen von veselaw häwsfraw. 

») Taufzeugen : Sigmnndt Freyherr von Herberstain und fraw potenia herrn bansen höf- 
mann Freyherrn gemachel und fraw . . . (letzte unvollendete Notiz des Markus Beck). 



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■ 339 

• 

Markus Beck nicht notirt. Mit dieser Eintragung endigt die Fortsetzung der 
Familien -Chronik durch Markus. Der Umstand, dass diese Notiz unvollständig 
und unabgeschlossen blieb, läast vermuten, dass Markus Beck durch Kränk- 
lichkeit an ihrer Ergänzung andauernd verhindert blieb. Ein halbes Jahr 
später war er bereits gestorben. 



V e r e i n 8 I e b e n. 

Die Sommer- Versammlung des Vereins für Landeskunde von Nieder- 
österreich am 22., 23. und 24. August in Ips. 

Aus jenen Orten Niederösterreichs, in welche der Verein für Landes- 
kunde seine Sommer- Versammlung noch nicht verlegt hatte, wählte der Aus- 
schluss in der Sitzung vom 4. Juni für dieses Jahr die Stadt Ips, im 
Kreise ob dem Wiener - Walde an der Donau. Manche triftige Gründe 
fielen für diese Entscheidung in die Wagschale, so die Nähe einer Eisen- 
bahn, eine liebliche Umgebung und ein historischer Boden. Ueberdies 
konnte das vom Ausschusse gewählte Konnte für die Durchführung der 
Versammlung — Herr Landesausschuss Dr. Bauer, Hofrath R. v. Becker 
und Sekretär Mayer — nach früheren Andeutungen auf eine freundliche 
und liebenswürdige Unterstützung von Seite der Gemeinde der Stadt Ips 
im Voraus sich versichert halten. Die Erwartungen wurden auch in keiner 
Weise herabgemindert, vielmehr üatte man selbst nur leise ausgesprochene 
Wünsche in jeder Beziehung und in denkbar möglichster Weise zu vorwirk- 
lichen gesucht. Als Landesausschuss Dr. Baüer und Sekretär Majer — 
Hofrath v. Becker war um diese Zeit nach Frankreich verreist — an die 
Vorarbeiten in Ips selbst schritten, fanden sie an dem Bürgermeister. Herrn 
Dominik Schönbichler, und an dem aus der Gemeindevertretung ge- 
wählten Lokalkomitö *) die grösste Zuvorkommenheit und thatkräftigste Unter- 
stützung. Für einen Berichterstatter, der selbstthätig unter den handelnden 
Personen steht, welcher solches Sinnen und Trachten aus eigener Anschauung 
und Erfahrung kennen gelernt hat, fällt es schwer, objektiv zu bleiben; es 
wird daher jeder Leser in Erwägung solchor ausserordentlichen Mühewaltung 
von Seite dor Stadtgemeinde und besouders der genannten Persönlichkeiten 
einige subjektive Bemerkungen wol begründet finden. 

Ips hat sich wie andere Städte Niederösterreichs in den letzten Jahren 
recht vorteilhaft entwickelt ; freilich sind noch nicht alle Bedingungen vorhan- 
den,, welche schon binnen kurzer Zeit einen gleichen Aufschwung erwarten 
liessen, wie ihn besser begünstigte Orte bereits erreicht haben ; so ist die 
Ipsregulierung noch eine offene Frage und damit auch die Anlage stabiler 
Bäder. Diese letzteren würden wegen des erfrischenden und stärkenden Wassers 



') Daa FeBtkomite in Ips bestund au» deu Herren: Schönbichler Dominik, Bürger- 
meister, Geisinger Ludwig, Kirn bau er Ferdinand, NeuwirthKarl nnd Unterberger Frans, 
sämmtlich Gemeindeauaachüsae; dann Med. Dr. Job. Hornnng, Direktor der n. ö. Landea-kren- 
anatalt. Med. Dr. Jon. Wirtinger, Primarina der Wiener Stadt. Versorgungsanatalt, und Karl 
Mengele, n. ö. Landeabeamter. 

24 • 



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340 

der Ips auf Fremde eine besondere Zugkraft ausüben, ja viele Wiener bestimmen, 
durch einige Zeit des Sommers hier ihren Sitz aufzuschlagen. 

Der 22., 23. und 24. August waren für die Stadt Ips wahre Festes- 
tage und die Bevölkerung sah ihnen freudig entgegen; der Verein für 
Landeskunde hatte auch hier einen Empfang zu erwarten, der dem in 
andern Städten würdig an die Seite gesetzt werden konnte. An der ersten 
Brücke über die Ips war ein Triumphbogen* mit einem herzlichen Willkomm- 
• spruch errichtet worden. Die Häuser waren in den Reichs- und Landesfarben 
beflaggt, der Brunnen auf dem Hauptplatze mit Reisig und Fahnen geziert. 
Ebenso waren auch schon am Vortage drei grosse Schiffe auf der Donau zur 
Fahrt nach Freiensteiii mit Fahnen, Reisig und Blumen geschmückt worden, die 
in solchem Schmucke einen überaus hübschen Anblick gewährten. Am Abend 
dieses Vortages war auch Prof. Adalb. Dungel aus dem Stifte Göttweig, als 
Vertreter desselben, mit dem Dampfschiffe eingetroffen und wurde am Lan- 
dungsplatze vom Vereinssekretär • und einigen Vereinsmitgliedern, die schon 
früher in Ips eingetroffen waren, empfangen. 

Am Sonntag den 22. August um IVU Uhr kamen die Teilnemer an der 
Sommer- Versammlung mit der Kaiserin Elisabethbahn in der Station Kemmei- 
bach an. Daselbst hatten sich der Bürgermeister von Ips und das Lokal- 
komite nebst dem Vereinssekretär, dann Baron K i el in an ns egg, der Leiter 
der Bezirkshauptniaiinschaf't in Amstetteu, Statthaltereirath Kaditsoh, die 
Vereinsmitglieder Prof, Dungel, H. Kabdebo, Emil Hütter und Edm. 
Krenn zum Empfange eingefunden. Die Beteiligung von Seite der Verein«- 
mitglieder war diesmal eine rege; wir erwähnen u. a. den Herrn Landes- 
marschallstellvertreter und Vice-Präsidenten des Vereines Dr. Jos. Bauer, 
Hofrath v. Becker, Regierungsrath A. Camesina R. v. Sanvittore, Direkter 
Newald, Wirtschaft sratb W. Hofmann, Prof. Dr. Haselbach, Prof. Gottf. 
Friess aus Seitenstetten, als'Vertreter dieses Stiftes, Prof. Vincenz Stauf er, 
als Vertreter des Stiftes Melk, Prof. Dr. Ed. Mack, Med. Dr. Hans R. v. 
Becker, Archivsdirektor K. Weiss, die Magistratsräthe B öhm und Jose phy,' 
Landes-Oberbuchhalter L. Rako witsch, die Landesingenieure Aug. Na gl er 
und K. Rosner, Dr. Felix Bauer, Statthaltereirath Dr. Ludwig R. v. 
Karajan, Schulinspektor K. Swoboda. Der Herr Bürgermeister begrüsste 
die ankommenden Gäste mit einigen herzlichen Worten, worauf man die von 
der Stadtgemeinde beigestellten Wagen bestieg und nach Ips fuhr. 

Der Empfang daselbst hier ein überaus herzlicher und freudiger; überall 
begegnete man den Gästen mit freundlichem Gruss, und die mit Fahnen, Reisig 
und Blumenkränzen zierlich geschmückten Häuser gewährten einen sehr hübschen 
Anblick. Unter Pöllerschüssen fuhren nun die Wagen auf den Hauptplatz, wo- 
selbst sich inzwischen die gesammte Gemeindevertretung und viele Bewohner der 
Stadt und Umgebung zur Begtüssung und zum Empfange eingefunden hatten. 
Hier hielt der Bürgermeister Schönbichler an den Vice-Präsidenten des 
Vereines, den Landinarschall-Stellvertreter und Landesausschuss Dr. Jos. Bauer, 
eine längere Ansprache, in der er hauptsächlich betonte., wie die ganze Stadt 
Ips mit Freude diese Stunde erwartet habe, „einen so hochansehnlichen Verein" 
in ihren Mauern empfangen zu können. Herr Dr. Bauer erwiderte den Dank 
des Vereines für diesen warmen Empfang und sprach die sichere Hoffnung 
aus, dass auch die Sommer - Versammlung des Vereines für Landeskunde 



• • • 

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341 

in Ips von den besten Erfolgen gekrönt uud von den schönsten Erinnerungen 
begleitet sein werde. Hierauf wurden die Quartiere den Gästen angewiesen; 
fast alle fanden bei den Bürgern der Stadt vortreffliche und überaus gast- 
freundliche Unterkunft. 

Nach dem Mittagessen im Gasthofe „zum goldenen Ochsen" begaben 
sich Gäste und Gastfreunde hinaus an die Donau, wo die bereits erwähnten 
Schiffe, ein grosses für den Ipser Gesangsverein, einos für die Vereinsmitglieder 
und eines für die Bürger von Ips mit ihren Familien zur Bergfahrt nach 
der Burg Freienstein an der Donau bereit lagen. Man kann sagen, fast die 
ganze Bevölkerung von Ips war hier am Ufer versammelt ; da herrschte überall 
Freude und Fröhlichkeit, und donkt man sich dazu einen hübschen Tag und die 
reizende Landschaft an beiden Ufern, so kann man sich wol denken, 
dass es ein schöner Moment war, als die Schiffe unter Gesang und 
Pöllerschüssen sich in Bewegung .setzten. Da wir an diesem Ausfluge uns 
nicht beteiligten, so müssen wir uns auf fremde Urteile berufen, und 
darnach war das Fest in Freienstein, wo auch die Vertreter der umliegenden 
Gemeinden zur Begrüssung erschienen waren, ein überaus gemütliches und 
gelungenes, und es herrschte nur Eine Stimme der Anerkennung und Zu- 
friedenheit über dasselbe. • 

Die Rückfahrt erfolgte erst spät Abends. 

Am nächsten Tag, Montag den 23. August, wurde um 9 Uhr Früh in 
dem nett geschmückten Saale der „Weinmauth", aus dessen Fenstern man 
eine prachtvolle Aussicht auf das gegenüberliegende alte Schloss Persenbeug, 
dann auf den Berg und die Wallfahrtskirche Maria-Taferl und das denk- 
würdige Säusenstein .hat, die Plenarversammlung unter dem Vorsitze des 
Herrn Vice-Präsidenten des Vereines, Landesausschuss Dr. Jos. Bauer, abge- 
halten. Die Versammlung war ausser den Vereinsmitgliedern auch von den 
Ipsern sehr zahlreich besucht; unter den Anwesenden befanden sich Statt- 
haltereirath Kaditsch von Amstetten, der Bezirkslichter Landesgerichtsrath 
Heber de y, Bürgermeister Schönbichler, Baron Kielm annsegg, Guts- 
besitzer Friedr. Ritsehl aus Amstetten und viele Damen. Der Herr Vorsitzende 
Dr. Bauer eröffnete die Sitzung mit eiuer kurzen Ansprache, worin er der 
Freude Ausdruck gab, dass der Verein in einer Stadt tage, wo Seinen Interessen 
und Bestrebungen so viel Sympathien entgegengebracht werden und die Ver- 
einsmitglieder eine so gastliche Aufname gefunden hätten; zugleich brachte 
er der Versammlung ein Schreiben des Präsidenten des Vereines, Sr. Excellenz 
des Herrn Grafen von Hoyos, zur Kenntnis, worin derselbe mitteilte, dass er zu 
seinem lebhaften Bedauern zu erscheinen verhindert sei. Hierauf hielt Sekretär 
Mayer den augekündigten Vortrag über „die Aufgabe und das bisherige 
Wirken des Vereines", den wir im Auszuge hier folgen lassen: 

Hochverehrte Anwesende! 

Zum 0. Male seit dem 11jährigen Bestände des Vereines für Landes- 
kunde von Niederösterreich haben sich heute Mitglieder und Gäste zu einer 
Sommer- Versammlung desselben eingefunden. 

Eine Reihe von Städten, ehrwürdig durch ihr Alter, reich in ihrer 
Geschichte oder gepriesen wegen einer reizenden Lage, haben uns bisher gastlich 
aufgenommen und freundliche Erinnerungen an schön verlebte Stunden als 
theures Andenken hinterlassen. 24 * 



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342 

■ 

Seit gestern gesellt sich hl den Anualen des Vereines zu den Namen 
Krems, Wiener-Neustadt, St. Pölten, Waidhofen a. d. Ips, Feldsberg, Horn .und 
Zwetl ebenbürtig auch jener von Ips; denn diese altehrwürdige Stadt am Sagen- 
reichen Donaustrand hat uns einen so herzlichen Empfang bereitet, dass nicht 
minder hochgeehrt sind die, welche ihn veranstalteten, als die Gäste, denen 
er galt, und sie hält uns diese Tage auf's gastlichste in ihrem Weichbilde um- 
fangen, ja selbst im Kreise der Familie, wie es nur immer des Deutschen 
Sitte und 2ier seit grauer Vorzeit ist. 

Gleich dem Wanderer, der mitunter zurückblickt auf die Strasse und 
die Landschaft, welche er durchwandert hat, und Denkwürdiges in Natur und 
Volk das ihm begegnet, sich nochmals in's Gedächtnis zurückruft, ehe er den 
Wanderstab zur Weiterreise wieder einsetzt: so haben auch wir bei solchen Ver- 
sammlungen stets Bundschau gehalten über das, was von den Aufgaben des 
Vereines erfüllt wurde, und so möge es nun auch heute am Beginne unserer Ver- 
sammlung gehalten werden! 

Was die Aufgaben unseres Vereines betrifft, so will ich Bekanntes nicht 
all zu sehr betörten ; kurz sind diese zusammengefasst im 1 der Statuten, ein- 
gehender und von verschiedenen Standpunkten aus, vom histor.-topogr., scien- 
tifischen und pädagogischen wurden sie schon öfter erörtert, zuletzt in beredten 
Worten bei der vorjährigen Sommer- Versammlung in Zwetl. Ich bezweck« daher, 
nach einer orientierenden Darlegung des Standes und der bisherigen Leistungen 
auf literarischem und kartographischem Gebiete nur einige Momente in der 
Erforschung des Landes und der Verbreitung derselben näher ins Auge 
zu fassen, welcho bisher weniger berührt werden konnten, aber nun um 
so bemerkenswerter und fühlbarer erscheinen, je mehr der Verein in seinem 
systematischen Wirken sich entwickelt und das angestrebte Ziel, das edel 
und gross ist, immer klarer hervortritt und immer mehr seine Bedeutung 
für Familie und Schule, wie auch für die ethische Seite des Volkes überhaupt 
erkennen lässt. Dadurch gewinnen wir wieder ein um so vollständigeres Bild 
von dem weit umfassenden Felde, dessen Bebauung uns obliegt. Man wird 
mir von mancher Seite entgegnen, das letztere seien auf lange Zeit hinaus 
Ideale, und um sie zu verwirklichen, gehören viele Mittel dazu, welche dem Ver- 
eine jetzt gar nicht zu Gebote stünden ; überdies habe derselbe an der Vollendung 
seiner begonnenen Arbeiten genug zu thun. Ganz richtig! Ich werde mit 
meiner Darstellung die Verkümmerung dessen, worin wir mitten stehen, gewiss 
nicht bezwecken wollen, sondern ich will nur hinweisen auf den so reichen Inhalt 
der scientifischen Seite der Laudeskunde, und was davon zu thun noch erübrigt, 
dessen Vorbereitung uns aber schon jetzt angelegen sein muss, will 
auch hinweisen, wie gerade heute bei der Verbreitung der Landeskunde die 
Bedeutung und Macht der ethischen Seite derselben für Familie und Schule, 
für Jung und Alt schwer in die Wagschale fällt: denn der Weg der Landes- 
kunde führt zum Herzen des Volkes, vermittelnd zwischen Gelehrsamkeit und 
schlichter Bildung, durch die Vergangenheit die Gegenwart erhellend und 
erhebend und die Zukunft sichernd, und darin liegt eine ganz besonders reiche 
und schöne Aufgabe, eine patriotische That, welche mit thatkräftiger Unter- 
stützung immer zu bewerkstelligen ist. 

Als vor gerade 10 Jahren die erste Sommer- Versammlung in Krems 
gehalten wurde, zählte der Verein nur 483 Mitglieder, seine Mittel waren 



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343 



gering und sein Wirkungskreis, weil im Werden, noch wenig bekannt und 
beschränkt ; aber der jugendliche Stern der Hoffnung leuchtete hell und mit 
Tollem Vertrauen blickten Alle auf ihn. Denn ein Verein, der sich zur Auf- 
gabe gesetzt hat, das Land Niederösterreich nach seinen topographischen, 
historischen, statistischen und historisch-topographischen Momenten zu durch- 
forschen und die Landeskunde zu verbreiten, war in gelehrten und gebil- 
deten Kreisen, war für Schule und Familie, für Landesvertretung, Regierung 
und Landesbehörden , falls er neben der rein wissenschaftlichen auch 
eine populäre und entsprechend praktische Tendenz verfolgen würde, eine 
unabweisliche Notwendigkeit und wurde deshalb von .allen Seiten lebhaft 
begrüs8t. Es wurden ihm kräftige Unterstützung und Förderung seiner Zwecke 
in Aussicht gestellt; ja wie Alles Edle und Gute immer auch auf die Huld 
und den Schutz Sr. Majestät unseres erhabenen Kaisers und des h. Kaiser- 
hauses rechnen darf, so erfreute sich der Verein für Landeskunde von Niederöster- 
reich schon von seinem Beginne bis heute des A. h. Wohlwollens. Die jeweiligen 
Statthalter von Niederösterreich haben in wahrer Erkenntnis der patriotischen 
und auch die Volksbildung und die Schule fördernden Tendenz des Vereins 
dieselbe immer in der zuvorkommendsten Weise unterstützt, und auch 
der gegenw. Statth. v. .Niederösterreich, Se. Excellenz Freih. v. Conrad, ahmte das 
Beispiel seiner Vorgänger in hochsinniger Art nach. Der Landtag v. Nieder- 
österreich blieb hinter den Spenden der Regierung gleichfalls nicht zurück 
und hat wiederholt, namentlich aber* im heurigen Jahre das Wirken des Vereins 
aufs ehrendste und öffentlich anerkannt Der Gemeinderath von Wien, die erste 
österr. Sparkasse und noch andere Gönner des Vereins haben durch oft bedeutende 
Gaben dazu beigetragen, dass die Arbeiten, namentlich die Administrativkarte 
von Niederösterreich schon so weit gediehen sind. Neben der materiellen Unter- 
stützung gieng auch die moralische, und von dieser waren die wirksamste und 
den Verein ehrendste wol die Zustimmung und die vielfachen Beweise von An- 
erkennung im In- und Auslande ; namentlich hat die Wiener Weltaus- 
stellung v. J. 1873 auch die Leistungen des Vereins mit zwei Verdienstme- 
daillen ausgezeichnet. Die Zahl der Mitglieder steigerte sich von Jahr zu Jahr 
und erreicht jetzt die Höhe von 1200 , worunter Bürger und Beamte , 
Geistliche und Lehrer, Doktoren und Gelehrte, Adelige und Militärs wie auch 
juristische Personen vertreten siad ; seit der letzten Sommer- Versammlung sind 
allein 187 Mitglieder eingetreten. Freilich steht denen der Ausfall durch den 
Tod oder freiwilligen Austritt entgegen, welcher jedoch immer weit geringer ist. 
Mit der Zuname der Mitglieder und der Steigerung des Interesses an dem- 
Wirken des Vereins mehrten sich auch die materiellen Mittel, welche sieht 
im J. 1874 auf 8223 fl. beliefen, im J. 1873 die höchste Ziffer mit 10227 fl- 
erreichten; diese nicht unbedeutenden jährlichen Summen Werden nach Abzug 
der geringen Regiekosten den literarischen und kartograph. Publikationen 
des Vereins zugeführt. 

Diese sind die Blätter des Vereins für Landeskunde, die Topographie und 
die Administrativkarte von Niederösterreich. 

Die „Blätter des Vereins" haben heuer unter der Redaktion des Vereins- 
sekretärs ihren X.Jahrgang begonnen und sind in einem gewissen Sinne das Haupt- 
organ des Vereins, nämlich in dem Sinne, als alle Mitglieder in den Besitz derselben 
gelangen, während sowol die Topographie als die Administativkarte von den Mi 



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344 

gliedern um den Erzeugungspreis erstanden werden können. Sie wurden nament- 
lich in den letzten Jahren eine reiche Fundgrube für den vaterländischen 
Forscher, denn sie enthalten in ihren Originalaufsätzen wichtiges Quellenmaterial 
aus den. verschiedenen Archiven und Bibliotheken der Heimath, wodurch sie 
auch den Arbeiten in der Topographie ein willkommener Vorläufer sind. Der 
Inhalt der Aufsätze erstreckt sich schon auf viele Fragen und fast alle Gebiete 
der Landeskunde: die prähistorische Zeit findet ebenso ihre Berücksichtigung, 
wie die charakteristischen Bilder aus der Kulturgeschichte, der geistigen und 
materiellen, wie die Geschichte der Burgen und Schlösser, der Chroniken 
und Geschlechter, wie die allgemeine Geschichte, vorerst der Babenbergerzeit 
und des späteren Mittelalters, wie Biographien, landschaftliche Beschreibungen, 
Sagen, naturwissenschaftliche Untersuchungen u. dgl. eingehend und quellen- 
sicher vorgeführt werden. Dem Forscher sind daher die Blätter des Vereins ein 
wichtiger wissenschaftlicher Behelf, "dem gebildeten Laien eine, wenn auch 
strenge doch vielfach interessante Lektüre und keine andere Publikation des 
Vereines trägt daher so viel zur Verbreitung der Landeskunde, zur Steigerung 
des Interesses an derselben bei, als gerade diese. Es mangelt mir die Zeit, 
alle jene Aufsätze der Vereinsblätter Ihnen, geehrte Anwesende, näher zu 
charakterisieren, nur über die hochinteressanten Arbeiten der prähistorischen 
Zeit, welche von Dr. Much in diesem Organe veröffentlicht wurden, möchte 
ich mir wenige ergänzende Worte erlauben. Wenngleich Niederösterreich 
nicht in jene Länder einzureihen ist, welche auf diesem Gebiete bahnbrechend 
vorgegangen sind — wol hat schon vor SO J. Freih. Candid v. Engelshofen 
in Stockern (f 1866) mit ebensoviel Eifer als Glück die reichen urgeschichtlichen 
Schätze der Umgebung von Eggenburg gesammelt und etwa 10.000 Stück 
zusammengebracht, welche sich gegenwärtig im Besitze Sr. Eic. des Herrn Grafen 
Ernst v. H o y o s auf der Rosenburg befinden — so können wir doch mit vollstem 
Rechte sagen, dass die urgeschichtliche Erforschung unserer Heimath nicht 
zurück gebrieben ist, ja dass vielmehr manches geschehen ist, um die vorge- 
schrittenen Länder einzuholen und mit ihnen dann in gleicher Linie fortzu- 
gehen. Wenn nun gerade nicht in allen Perioden der Urgeschichte Erfolge 
zu erzielen waren, so ist das nur aus den eigentümlichen Bodengestaltungen 
oder dem Geschicke zu erklären. Um so reicher ist aber schon jene Periode der 
geschliffenen Steingeräthe, und es wurde für Niederösterreich eine der Kultur 
der Pfahlbauten jn den Alpen, der Terre-Mare-Ansiedlungen in Italien und 
der Dolmenbauer im Norden und Westen äquivalente Kultnrepoche sicher- 
gestellt. Dasselbe gilt von der Bronze- und Eisenepoöhe. Ueber diese beiden 
letzten Epochen erstreckten sich denn auch hauptsächlich die von Dr. Much 
in den Vereinsblättern veröffentlichten Arbeiten. 

Die Topographie von Niederösterreich, von welcher das 9. Heft des I. Bandes 
bald der Vollendung entgegensieht, wird im Anfang des nächsten Jahres ihren 
I. Band abschliessen. Sie schildert Land und Leute nach jeder Richtung, 
die. Geographie mit besonderer Berücksichtigung der Geo- und Hydrographie, 
die Klimatologie, Geologie, Flora und Fauna, das landschaftliche Moment, die 
Statistik, die physische und ethische Seite des Volkes, seine gesammte Wirtschaft, 
die geistige Kultur, wie sie sich im Kultus, Unterricht und in den Wissen- 
schaften qffenbart, dann die Geschichte der Verwaltung und Verfassung, endlich 
die Landesgeschichte und die Beschreibung der Geschichts- und Kunstdenkmale 



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345 

bildet den Inhalt des I. Bandes. Der zweite wird die historisch-topographische 
Beschreibung aller Orte Niederösterreichs in alphabetarischer Ordnung bringen, 
wobei die Topographie von Wien an den Anfang gestellt werden wird. Dieses 
Werk konnte nicht gleich in jener Form erscheinen, wie man sie vielleicht anfangs 
im Auge hatte, und wie Freih. v. Pratobevera in seiner Eröffnungsrede bei der 
Sommer - Versammlung in Krems sie trefflich mit den Worten zeichnete: 
„eine solche Topographie sollte sein ein wahres Volksbuch, au« welchem Bauer, 
Bürger und Edelmann Aufklärung, Belehrung und Vertrauen in die Zukunft 
gewinnen kann, ein Buch, um über die Kreise des engen Kirchspiels hinaus 
fruchtbringende Anregung zu verbreiten". Auch kein so monumentales, muster- 
giltiges Werk, wie die Bavaria oder die inhaltreiche Beschreibung von Land, 
Volk und Staat für Wirtemberg konnte der Verein für Landeskunde von 
Niederösterreich bei dem Mangel der dazu erforderlichen materiellen Mitteln 
und an Vorarbeiten im Auge haben. Man wurde sich vielmehr klar, dass vor- 
erst ein kleineres dem Standpunkte der heutigen Wissenschaft entsprechendes, 
etwa zweibändiges Werk für den allgemeinen und besonderen Teil in Angriff 
genommen werden müsse, und das ist unsere Topographie; denn was bisher unter 
diesem Titel von Weiskern und Blumenbach erschienen war, entspricht doch in 
vielem nicht mehr den Anforderungen der Gegenwart, „da nicht nur die wichtig- 
sten Objekte der Beschreibung sich wesentlich geändert haben, sondern auch 
in Betreff der unverändert (gebliebenen Forschungs- und Darstellungsweise 
vorgeschritten ist tt ; überdies war seit dem Erscheinen der genannten Topo- 
graphien eine Fülle von Stoff für ein derartiges umfassenderes Werk in den . 
verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht worden, das für eine Topographie 
mit möglichst vielem und zuverlässigen Material, wie sie beabsichtigt wurde, 
zu verarbeiten war. Aus dieser Topographie kann erst mit der Zeit ein kleineres 
für die Schule und das Haus des Bürgers und Bauers zweckmässiges Buch 
in edler Sprache hervorgehen, das in der Jugend die Kenntnis der Heimath, 
aber auch die Liebe und Begeisterung zu derselben weckt, im Bürger und 
Bauer jene Tugenden steigert und erhält, die von den Alten in so feurigen 
Worten gepriesen wurden als eine grosse Zierde eines edlen Mannes. 

Die dritte Publikation des Vereins ist die grosse Administrativkarte von 
Niederösterreich in 111 Sektionen im Massstabe von 1:28800 der Natur oder 
1" — 400°. Bis jetzt sind 77 Sektionen vollendet, von den noch fehlenden, 
welche zumeist Teile des Landes jenseits der Donau enthalten, sind mehrere 
im Stiche schon so weit vorgerückt, dass sie in nächster Zeit ausgegeben 
werden können. Was diese Karte darstellt, was sie bezweckt, sagt die Be- 
zeichnung „Administrativkarte". Terrain ist also keines darin verzeichnet und 
könnte bei diesem Massstabe wegen der enormen Herstellungskosten, wegen 
des Mangels an Arbeitskräften und der Länge der Zeit, welche für Zeichnung und 
Stich notwendig wäre, auch gar nicht ausgeführt werden, ja wäre für die 
Zwecke einer Administrativkarte geradezu störend. Dagegen sind uns die 
Kulturformen des Landes im trefflichsten Bilde gegeben. Da ist der Charakter 
eines jeden Ortes, ob Stadt, Markt, Dorf, Nebengemeinde durch die Schrift 
ausgedrückt ; es erscheinen darauf alle einzeln stehenden Kirchen und Kapellen, 
alle Maierhöfe, Jägerhäuser, Wirtschaftshöfe und Wirtshäuser, Mahlmühlen, 
Alpenhütten u. a. Objekte; da ist die Bodenkultur, ob Acker, Wiese und 
Hutweide, Wein- und Küchengarten, Laub- und Nadelwald, Gestrüppe, Rohr- 



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346 



wuchs und Sumpfstellen durch entsprechende Zeichnung veranschaulicht; 
es sind alle Flüsse, Bäche, Quellen, Grenzen u. dgl. eingetragen, kurz es 
ist in Wahrheit das getreueste Bild von unserer Heimath, nnd ich könnte 
dasselbe nicht hesser vorführen, als mit den Worten des Redners hei der 
vorjährigen Sommer- Versammlung: „Schildert die Topographie mit Worten 
die Kenntnis des Landes, so ist damit noch nicht Alles für das allgemeine 
Verständnis gethan — der, grosse Dichter sagt: „wo Begriffe fehlen da stellt 
zur rechten Zeit ein Wort sich ein", allein wo Begriff und Wort nicht 
ausreichen, da giebt das Bild den Ausschlag. Lesen oder hören wir einen 
Vortrag .... und detailliert uns derselbe die Geschichte, die Beschreibung 
einer Ortschaft, einer Gegend mit ihren Kulturen, mit den Zeugen derselben 
in Gebäuden, Industrie-Anlagen, Wasserwerken, Brücken, Wegen etc., so werden 
wir dadurch einen Gesammteindruck erlangen, vielleicht auch in der Phantasie 
ein Gesammtbild. Allein dieses erzeugt sich doch nur durch den fluchtigen 
Schall. Baut sich aber durch die Sehkraft der Eindruck der einzelnen Objekte 
und durch deren Zusammenfassen das Gesammtbild heraus, so wird das 
Verständnis, die Kenntnis selbst eine bleibende werden." Und dieses Bild von 
Niederösterreich giebt die Administrativkarte. Der Massstab derselben ist ein 
solcher, dass er allen administrativen, aber auch wissenschaftlichen Anfor- 
derungen vollkommen entspricht. 

Damit hätte ich Ihnen, hochgeehrte Anwesende, in Kürze aufgezählt, 
was der Verein für Landeskunde bisher für die Erforschung des Landes nnd 
für die Verbreitung der Landeskunde gethan hat. Es ist Manches auf dem 
umfangreichen Gebiete derselben geschehen, aber Vieles erübrigt uns noch zu 
thun und je mehr wir uns in eine systematische Thätigkeit vertiefen — denn 
dadurch unterscheidet sich eben auch unser vereintes Wirken von dem der 
Einzelnen in früherer Zeit, die sich wol um die Erforschung der Heimath 
hochverdient gemacht haben, auch von grosser Liebe und Begeisterung zum 
deutschen Stammlande der Monarchie, dem vielhundertjährigen Hort Deutsch- 
lands nach Osten, erfüllt waren — je mehr wir uns also, sage ich, in eine 
systematische Thätigkeit vertiefen, um so dringlicher werden wir auch auf die 
Lücken aufmerksam, die noch auszufüllen sind; zugleich mahnt laut die Kunde 
von den reichen Schätzen, welche noch unbehoben in den hei mat blichen 
Archiven und Bibliotheken ruhen. Doch nur in der Heimath? Der Fach- 
mann weiss, eine wie ausgiebige Ausbeute im königl. Staatsarchiv zu München, 
in den Archiven deutscher Städte , wie Passau, Nürnberg , Regensburg, 
dann in denen deutscher Klöster, welche zu unserer Heimath Niederösterreich 
vor langer Zeit in Beziehung gestanden sind, noch zu machen wären. Und 
selbst auf die von der italienischen Regierung in Rom aus den Bibliotheken 
der aufgehobenen italienischen Klöster zu errichtende Nationalbibliothek wäre 
einige Aufmerksamkeit zu lenken, und sie würde vielleicht belohnt werden. 
Die Bücherschätze dieser kleinen früher nur schwer oder gar nicht zugänglichen 
Klöster sind nämlich zum grossen Teil so gut wie undurchforscht und unbekannt 
Könnte es nicht etwa gelingen, wie ein geschätzter Freund unseres Vereins für 
Landeskunde auch schreibt 1 ), gerade mitNoricum und seinen Kulturverhältniseen 
sich befassende, der römischen Zeit angehörige Quellen dort aufzufinden ? „Freilich 

*) Aus einem Schreiben des Herrn Dr. Alois Wöil an dtn Sek'retir des Vereine« wrf 
Redakteur der Vereinsbl&tter. 




347 

• 

ist die Hoffnung auf noch zu machende Funde nur eine geringe; der Sturm 
der Völkerwanderung brauste wie ein entfesselnder, Alles Ternichtender Orkan 
über die einst hochkultivierten römischen Provinzen und begrub erbarmungslos 
alle Blüten und Früchte geistigen Schaffens. Wie sollten da in dem Wirbel 
entsetzlicher Verwirrung und Flucht so schwache, vergängliche Materialien, 
wie Pergament, Holz- und Wachstafel der Zerstörung durch Gewalt und Zeit 
Stand gehalten haben, wo nicht einmal Stein und Erz Form und Masse be- 
wahrte? Nun ist es immerhin noch denkbar, dass bei dem besonnenen und 
ohne Drängen vollzogenen Rückzug der Römer, wobei die Besatzungen der 
Kastelle die ihnen wichtig dünkenden untransportablen Gegenstände wahr- 
scheinlich mit dem Hintergedanken einer späteren Wiederbesitzergreifung des 
Landes in den Schoss der Erie versenkten, auch die Amts-Kassen und die 
auf die Landesverwaltung Bezug nemenden Akten sowie andere wichtige 
Privatdokumente nach Italien in feste Plätze überführten und so möglicher- 
weise auch gerettet wurden. Kann nun nicht in irgend einem verstaubten 
Winkel einer ganz obskuren, jetzt durch die italienische Regierung aufge- 
schlossenen Klosterbibliothek ein für die Geschichte unserer Heimath hochwert- 
volles Schriftdenkmal entweder im Original oder in Abschrift, vielleicht unter 
den Zeilen eines Codex oder als Bestandteil eines Einbanddeckels u. dgl. 
aufgefunden werden? Kann nicht in etwa in einer noch unbekannten und 
sonst unbedeutenden Legende, die als wertloses Schriftstück weggeworfen 
und vernichtet wird, eine für die Kulturgeschichte Niederösterreichs in jener 
Zeit wenn auch kleine, aber wichtige Notiz sich finden? Doch ich glaube, 
diesen Gedanken, der vertrauensvoll hier offen ausgesprochen 
wurde, schon zu weit ausgeführt zu haben." 

Lebhaft müssen wir es auch bedauern, dass bei dem reichen, noch un- 
edierten Ürkunden-Materiale in heimischen und auswärtigen Archiven unser 
Niederösterreich noch keinen Codex diplomatius Austriae inferioris oder vorerst 
ein Diplomatarium besitzt. Böhmen (durch E ml er und Erben), Mähren (durch 
Boczek), Oberösterreich (durch das Museum Francisco-Carolinum) seit Kurzem 
auch Steiermark (durch Zahn) haben ihre Urkunden- oder wenigstens (Böhmen) 
Regestenbücher. Für Niederösterreich ist also vor Allem auch Concentration 
der Kräfte nach dieser Seite, nicht Zersplitterung durch systemlosen Abdruck 
von Urkunden, Satzungen und chronicalischen Materialien notwendig, damit ein 
Werk in Anlage und Ausführung nach den besten Mustern zu Stande käme ; denn 
wie ist nicht ohnedem der Stoff zerfasert in den zahlreichen, indexlosen Publi- 
kationen von Chmel, Keiblinger, in den verschiedenen Klosterurkundenbüchern 
der Fontes u. a. a. Orten? Es wäre also für den Verein eine wahrhaft grosse und 
würdige Aufgabe, wenn unter seinen Auspicien ein solches Werk in die Welt träte. 
Freilich dürfen wir uns nicht verhehlen, welch' unermüdlicher Fleiss, welche rüh- 
rige Umsicht, welche Begeisterung für die Sache, aber auch welche namhaften 
Mittel dazu erforderlich wären! Doch „sanctus amor patriae dat animum!" 
Und es wäre hoch an der Zeit, an die Herbeischaffung der Mittel zu den ersten, 
aber umfangreichen Vorarbeiten und Studien zu denken; denn ehe wirklich 
ein Codex dipl. Austr. inf. zu Stande^ kommen könnte, wäre als unerlässliche 
Vorbedingung eine Regestenreihe zu schaffen, bei deren Anlage der meri- 
torische Teil der Urkunde Nebensache bliebe, die aber vielmehr eins gewissenhafte 
Nachricht von der Ueberlieferung jedes einzelnen Stückes zu geben, d. h. mit- 



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348 

zuteilen hätte, ob und wo Originalien der betreffenden Urkunde vorhanden sind, 
wo Abschriften • derselben liegen und aus welcher Zeit diese stemmen, in 
welchen Werken die Urkunden gedruckt, im Auszuge angeführt, kritisch oder 
exegetisch besprochen ist, aus welchen Quellen jeder einzelne Druck schöpft. 
Alles dieses ist wesentlich und schafft erst für die Bearbeitung des Urkunden- 
buches den Boden der Kritik. Diese Kegestenreihe wäre zu ziehen aus allen 
jenen Druckwerken, welche für diesen Zweck Ausbeute gewähren ; sodann aus den 
Archiven und Bibliotheken Wiens; aus den Städte-, Markt-, Schloss- und Pfarr- 
archiven undGemeiudeladen des flachen Landes; endlich aus den unermessliohen, 
gerade für Nieder- und Oberösterreich überreichen Schätzen des königl. bair. 
allgem. Reichsarchives zu München und der dortigen königl. Hof- und Staats- 
bibliothek. Dann erst könnte an die Herstellung der urkundlichen Texte, an 
den eigentlichen Codex diplom. geschritten werden. Vielleicht finden sich noch 
Mäcenaten für diese rühmliche Aufgabe, welche nicht nur dem Verein und 
dem Heimathlande, sodann auch jenen, welche sie fördern helfen, zu ewiger 
Ehr' und Gedächtnis bleiben wird. 

Aber die Aufgaben des Vereins wären für die nächsten Jahre noch 
nicht erschöpft; denn ist auch für manche Erscheinungen unseres geschicht- 
lichen Lebens des Dichters Wort passend: 

Grösseres mag sich anders wo begeben 
Als bei uns in unserem kleinen Leben 
so ; haben wir anderseits in der allgemeinen und in der Kulturgeschichte so 
wahrhaft grossartige und wieder so zahlreiche überhaupt der Ueberlieferung und 
historischen Kettung würdige Verhältnisse und Erscheinungen, dass mit der 
Lösung der einen Aufgabe gleich mehrere andere zu einer gleichen drängen. 
Von welcher Bedeutung und von welchem Nutzen wäre z. B. nicht die Sammlung 
oder das Verzeichnis der Urkundenbelege über die einzelnen Orte Niederöster- 
reichs, sowie sie in den bereits gedruckten Urkunden erwähnt vorkommen; denn 
viele heutige Namen von Burgen, Schlössern, Städten uud Dörfern erscheinen 
schon in Urkunden der ältesten Zeit und sind oft Namen von Besitzern oder 
ersten Gründern, doch häufig mit dem nachfolgenden Begriff des Wohnortes; 
andere lassen die schon frühe Einwanderung und Niederlassung von deutschen 
Stämmen oder Scharen, andere die Kulturverhältnisse u. dgl. m. erkennen. Die 
frühere vierte Sektion des Vereins — die für Geschichte — hat unter ihrem für 
die Wissenschaft leider zu früh verstorbenen Obmanne Regierungsrath v. 
Meiller mit dieser kolossalen Arbeit, die nur bei Teilung der Kräfte vollendet 
werden kann, den Anfang gemacht, und schon dieser lässt. uns ahnen, von wel- 
cher Bedeutung dieses Urkunden-Kepertorium für das historisch-topographische 
Studium ist, namentlich für die Anlage eines historisch-topographischen Lexikons 
von Niederösterreich, von dem uns ein Auszug im II. Bande der Topographie 
geboten werden wird. Dieses Urkundenrepe rtorium wäre dann auch die not- 
wendige und trefflichste Vorarbeit für die Anlage eines historischen Atlasses 
von der ält esten Zeit bis in das Ende des vorigen Jahrhunderts, wozu wir in unserer 
Administrativkarte ein kartographisches Substrat haben, wie kein anderes Kron- 
land herbeizuschaffen im Stande wäre. L?h kann bei dem Mangel an Zeit an 
eine detaillierte Auseinandersetzung, voll des Interesses über Anlage, Durch- 
führung und Wert eines solchen Atlasses, leider nicht eingehen. Schliesslich 
möchte ich unter den in den nächsten Jahren auszuführenden Aufgaben auch 



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349 



auf ein Verzeichnis der durch elementare Ereignisse oder durch Feindeshand 
zerstörten Ortschaften, die spurlos verschwunden imd deren Namen nur in Urkunden 
uns noch überliefert und so der gänzlichen Vergessenheit entrückt sind, aufmerksam 
machen, Hofrath v. Becker und Prof. Friess haben schon seit längerer Zeit 
emsig in dieser Richtung geforscht, so dass einer baldigen Veröffentlichung 
eines solchen Verzeichnisses entgegengesehen werden kann, wie auch Hofrath 
R. v. Becker für ein historisch-topographisches Lexikon die eingehendsten 
Urkuhdenstudien gemacht und eine reiche Auswahl von Belegen gesammelt hat. 

Aber nicht ausschliesslich obliegt unserem Vereine die Lösung wissen- 
schaftlicher Aufgaben. Wie er durch die unentgeltliche Verteiluug einer Schul- 
wandkarte an sämmtliche Volksschulen Niederösterreichs schon bewiesen hat, 
sind es die Jugend und die Schule, ist es das didaktisch-pädagogische Moment» 
dem er nicht minder im Interesse der Heimathkunde seine Sorgfalt zuwendet. 
Von dem Orte aus, wo seine Wiege stand und für welchen bis in's lebensmüde 
Greisenalter sein Herz sich erwärmt, muss das Kind in den topograph.-geo- 
graphischen Unterricht eingeführt werden ; damit sind auch schon ans rationell- 
pädagogischen Gründen, abgesehen von den patriotischen, die Beziehungen 
unseres Vereins zur Schule gegeben. Ich erinnere zur Bekräftigung dessen 
nur an einen Beschluss des jüngst abgehaltenen geographischen Congresses in 
Paris, bei welchem die sechste Gruppe, die didaktische, sich nach einer 
gründlichen Debatte dahin geeinigt hatte, dass bei dem geographischen Unterricht 
in den Primärschulen die topographische Methode vor der kosraographischen 
weitaus den Vorzug verdiene, und dass die Schule erst durch die Anschauung 
in die Karte der engeren Heimath eingeweiht und so der Kreis mit ihr allmälig 
erweitert werden soll. Ich möchte hier aber noch sagen, dass solche rein didaktische 
Gründe für die Beachtung der Heimathskunde in der Schule nicht allein mass- 
gebend sein sollen; Heimathskunde und Heimathsliebe gehen Hand in Hand, 
und das ist die ethische] Seite unsererer Disciplin, deren Pflege in Schule 
und Haus für eine harmonische Bildung des Geistes und Herzens unser Verein 
anstreben soll. Für sie hat der Franzose, hat der Preusse, hat der Schweizer 
immer weit mehr gethan, als der Oesterreieher, und wir begleichen jetzt 
nur eine Schuld, die wir längst hätten von uns laden sollen. Unsere Pflicht 
ist es, die Jugend nicht blos zu unterrichten, sondern auch zu erziehen, und 
da darf nichts uns abhalten, nebst der Kenntnis unseres heimathlichen Bodens 
auch die Liebe zu demselben, die Pietät für die Vorfahren und die kostbaren, 
theuren Denkmale, die oft als Zeugen schwerer Arbeit aus unserer Väter Zeit 
noch erhalten sind, schon früh zu wecken, dem Kinde schon die Ehrfurcht 
einzuflössen vor der Stätte, die ein edler Mensch betrat, dann werden auch 
die Männer, wenn sie eingeführt sind in den Geist und in die Thaten ihrer 
Väter, von edlem Verlangen erglühen, zu dem einfachen Vermächtnis von 
Wahrheit, Sittlichkeit und Freiheit, das sie von der Vorwelt überkommen 
und reich vermehrt an die Folgewelt abgeben müssen, auch aus ihren Mitteln 
einen Beitrag zu legen und an dieser unvergänglichen Kette das fliehende 
Dasein zu .befestigen. Da hatten die Altväter zu Samen Recht, als sie im 
Saale ihres ehrwürdigen Rathhauses den ebenso wahren als schönen Spruch 
anbrachten: „Scrutando clarescit patrum vita!" 

Daran reihte sich ein sehr gediegener Vortrag des hochw. Hrn. Prof. 
Friess aus Seitenstetten „über die Geschichte der Stadt Ips" von den 



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350 . 

ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. In etwas mehr als Einer Stunde konnten 
natürlich nur die wichtigsten Momente derselben besprochen Werden ; mit beson- 
derer Vorliebe verweilt* aber der Redner bei der innern Geschichte der Stadt, 
beim Bürgertum und seinen Einrichtungen, Sitten und Gebräuchen. Mit bekann- 
ter Meisterschaft zeichnete er alle Vorgänge und bewies damit wieder seine 
umfassenden Kenntnisse in der Stadtgeschichte unserer Heimath. Da Prof. 
Friess seine ausführliche „Geschichte der Stadt Ips" schon im ersten Hefte 
des Jahrganges 1876 der Vereinsblätter zu veröffentlichen versprochen hat, 
so sehen wir mit seiner Zustimmung von einem Abdrucke dieses Vortrages 
hier ab. 

Hierauf besprach der Vorsitzende, Herr Landesausschuss Dr. Josei 
Bauer, „die Frage des Wasserschadens und des Wassernutzens vom Stand- 
punkte der Administration". Dieser Vortrag zeichnete sich durch logische 
Schärfe und grosse Klarheit aus, zeigte zugleich auch die reichen Erfahrungen 
eines Mannes, der jahrelang an der Spitze der hier einschlägigen Geschäfte 
im Landesausschuss.; und als hervorragendes Mitglied ' der Donauregulierungs- 
Kommission thätig ist Wir übergehen diejenigen Teile desselben, welche sich 
mit der Notwendigkeit einer solchen Administration und eines Wasserrechtes 
befassten, and heben nur jene markanten Stellen näher hervor, welche sich 
auf die Ipsregulierung und die Bewässerung des Marchfeldes beziehen. 

„Man sieht also," sagt Redner, „dass nicht etwa ein einseitiger, lokaler 
Standpunkt, sondern der administrative Ueberblick, der auf weite Strecken 
hinaus Ursache und Wirkung erfasst, physikalische Ericheinnngen den volks- 
wirtschaftlichen. Interessen unterzuordnen sucht, der massgebende und ent- 
scheidende sein muss. Der ausgesprochene Grundsatz von Zerteilnng und 
Festhaltung der Hochwässer, theoretisch ganz richtig, erleidet aber mannig- 
fache Modifikationen bei der praktischen Durchführung, welche durch die Terrain- 
und Kulturverhältnisse bedingt ist. 

Vergleichen wir diesfalls die Verhältnisse zweier Gewässer, welche auf 
dem rechten Ufer in die Donau münden, eines der kleinsten und eines der 
grössten, die Tuln und die Ips 1 ). 

Die grosse Tuln, das ' Gesammtgerinne für 103 Quellenbäche, worunter 
der Laaben-, Anz-, Leng- und Moosbach, hat eine Länge von c. 21 Kilo- 
meter (beiläufig 5 Meilen), tritt aus dem hügeligen Sandateingebirge gar bald 
in die Ebene des Tulnerfeldes, hat kein bedeutendes Gefälle und kann, wenn 
die Verwilderung ■ des FlusseB es erfordert — leicht nach dem gesagten Grund- 
satze reguliert werden, wenn nicht Mühlwerke den Lauf beeinträchtigen würden. 

Die Ips, aus den österreichischen Alpen kommend, als Gesammtgerinne 
von 503 mitunter bedeutenden Bächen und dem Abflüsse des Lumersees, ist 
129 Kilometer (17 österr. Meilen) lang; sie zwängt sich durch die felsigen 
Thäler in vielfachen Windungen von Süd nach Nord, dann nach Weit und 
wieder nach Ost, bis sie bei Amstetten in das Ipsthal tritt und in diesem 
Thale durch ungeregelten Lauf der Donau zueilt. Hier die überschüssigen 
Quantitäten des Niederschlages rechtzeitig, d. h. in den Quellen und Bächen 
festzuhalten, erscheint kaum ausführbar, und so kommt es, dass die Waster- 
menge der angeschwollenen Gebirgsbäche bei bedeutendem Gefälle in rapider 
Weise das Gerinne der Ips überfüllt und dieses, in Felswänden festgehalten, 

') Topographie von N. Oesterreich. Wien 1871. 1 Heft p. »5. 



• - • • • 

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351 

erst beim Austritte ins Thal verheerende Wirkungen äussert, daher erfordert 
es ein genaues Studium, wo bei der Ips die Zerteilung, Festhaltung und 
Regulierung zu beginnen hat. Aber gerade bei der Ips lässt sich eine Wahr- 
nemung nicht übergehen. Man sagte zwar immer, die Ips ist ein böses Wasser, 
allein neuer Zeit ist sie noch böser geworden. 

Worin mag da wol die Ursache liegen ? Da« Gefälle kann keine Schuld 
daran tragen, denn das betrug stets vom Ursprung bis Lunz abwärts 704 Met., von 
da bis Höllenstein 182 Met, bis Waidhofen 120 Met. und bis Amstetten 75 Met., 
von da bis zur Donau 35 Met. (V4 Met. auf ein Kilog). 

Die Ursache muss daher darin liegen, dass die Wassermenge des Nieder- 
schlages nicht nach dem obigen Grundsatze verteilt, nicht zn */s vom Pflanzen- 
wuchse absorbiert, zu */ a als offenes Gerinne ablauft, zu */s durch Eindringen 
in die Erdspalten zum Grundwasser wird, sondern dass bei der rücksichts- 
los abgeholzten Gebirgswand im Gebiete der ehemaligen Staatsherr- 
schaft Waidhofen a. d. Ips das l /s nicht vom Pfianzenwuchs absorbiert und bei 
der Eapidität des Niederschlages auch kaum l /e zum Grundwasser versickern 
konnte, dass daher eine Wasüermasse nicht von Vs» "ondern von */« in rapider 
Strömung das Ipsthal überflutete. 

Diese Thatsache führt uns daher zu dem weitern Grundsatze, dass den 
schädigenden Ueberschwemmungen begegnet werden kann, wenn die Gebirge, 
die ja keiner andern Kultur fähig sind, mit dem segenbringenden Walde 
bestockt werden. Angesichts dieses Grundsatzes kauu man behaupten, dass in 
dem Waldgebiete der ehemaligen Staatsherrschaft Waidhofen der volkswirt- 
schaftliche Aufschwung schon viel früher, als vor dem Jahre 1873 
geblüht hat. . 

Um den schädigenden Ueberschwemmungen vorzubeugen, müssen Fluss- 
regulierungen vorgenommen werden. Die Landesvertretung von N. Oesterreich 
hat die Sache nie aus dem Auge gelassen, bisher namhafte Beträge dazu ver- 
wendet, in neuester Zeit aber, und bei der Existenz eines Gesetzes über Strassen- 
recht, die Angelegenheit von einem principiellen Standpunkte mit Rücksicht 
auf die Interessen der Landeskultur ins Auge gefasst. Auch die Ips kann einer 
radikalen Regulierung entgegen sehen, sobald nur das Projekt für dieselbe allen 
Anforderungen entsprechend festgestellt sein wird, nachdem bereits der hohe 
Landtag mit dem Beschlüsse vom 16. Oktober 1874 eine ausgiebige Beteiiigang 
des Landesiondes in Aussicht gestellt hat. Eine Flussregulierung ist aber keine 
leichte Sache. 

Bei der Art und Weise der Durchführung begegnet man den buntesten 
Anschauungen. 

• Man glaubt gewöhnlich, es sei das Beste, nur schnell das Hochwasser 
abzuführen, also eine gerade Linie durchzustechen, und dann sei alles Uebel 
beseitigt. 

Abgesehen von technischen Rücksichten und lokalen Schwierigkeiten, 
wäre vielleicht das Wasser fort, aber auch das Bett versandet und verschottert, 
eine dürre Wüste geschaffen, um beim nächsten Hochwasser die Regulierung 
wieder von vorne anfangen zu müssen. Soll eine FluBsregulierung dauernden 
Erfolg haben, sollen nicht Unsummen in die treibende Flut vergeudet werden, 
so muss man vor Allem die Ursachen der Verheerungen studieren, um gründlich 
abzuhelfen, diese Ursache aber nicht an der Stelle, wo die Verheerung Platz 



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352 

gegriffen, oder in der nächsten Umgebung gesucht, gondern weiterhin au dem 
Ursprünge, au den ersten veranlassenden Ursachen gefunden werden. 

Aber auch daun braucht die Hochflut nicht immer rasch abgeführt zu 
werden, um eine Dürre zu hinterlassen, sondern man soll sie so viel als möglich 
durch Nebenbauten festhalten, um anderen und zwar Kulturzwecken zu dienen. 
Wir haben diesfalls ein beachtenswertes Beispiel im Nachbarlande Ungarn. 
Jahrzehente klagte man über die Ucberschwemmungen der Theiss und schritt 
endlich zu deren Regulierung in diesem Sinne. 

Wir sehen sohin, dass bei Flussregulierungen nicht der hydrotechnische 
Zweck, für den Fall einer Ueberschwemmung das Wasser so rasch als möglich 
abzuführen, der allein massgebende sei, sondern dass, wo es nur immer nach 
den Terrain Verhältnissen möglich wird, lieber das Wasser zurückgehalten, ver- 
teilt, für landwirtschaftliche oder technische Zwecke verwendet, kurz der 
Schaden hintangehalten werden soll, um in seinen Gegensatz, nämlich in einen 
Vorteil im Interesse der Landeskultur umzuschlagen. 

Das ist der administrative Standpunkt und hat man sich denselben 
vollkommen klar gemacht, ihn zum Principe erhoben, dann wird auch die 
Hydrotechnik diese vielseitige Aufgabe lösen. 

Freilich Bind die Zwecke verschiedener Natur, und wenn nach dem Ge- 
sagten die Interessen der Landeskultur die vorwaltenden gewesen, so treten 
diese dort zurück, wo eine Flussregulierung zu dem Zwecke durchgeführt wird, 
um für den Schifffahrtverkehr eine allen Anforderungen entsprechende Wasser- 
strasse zu gewinnen. Trotz einzelner selbst periodisch wiederkehrender Ueber- 
schwemmungen einzelner Flüsse ist es doch — wenn man einen Vergleich 
zieht — eine Thatsache, dass wir eher Mangel als Ueberfluss an Waaser haben. 
Herr Hofrath Wex l ) hat nachgewiesen, dass bei gleichzeitiger Steigerung der 
Hochwässer in den Kulturländern das Wasser in den Quellen, Flüssen und 
Strömen in beständiger Abname begriffen sei und diesem Uebelstande nur 
durch Regelung des Waldstandes in gesetzlicher und wirtschaftlicher 
Richtung, so wie durch die oben angedeuteten technischen Vorkehrungen, durch 
Reservoirs, Kanäle, Gräben, Cisternen, Senkbrunnen abgeholfen werden kann, 
um den Ueberschuss an Regeuwasser zurück zu halten und ihn nach Bedarf 
zu benützen. 

Es giebt aber auch Länderstrecken, Flächen, welche weniger oder fast 
keine Bäche und Flüsse besitzen, es kommt vor, dass auch die vorhandenen • 
im Sommer gänzlich versiegen und bei dem Mangel jedweder Feuchtigkeit die 
Vegetation verdorrt. 

Da muss die menschliche .Vorsorge trachten, Wasser selbst aus ent- 
fernteren Gegenden herbeizuführen, eine hinreichende Bewässerung an- 
zubahnen. 

Da ist es Aufgabe der öffentlichen Verwaltung, eine vorhandene Kultur 
nicht progressiv verderben zu lassen, sondern sie tu erhalten, ja. zu heben, 
selbst mit bedeutendem Aufwände, weil sich derselbe durch die andauernden 
Vorteile ersetzen lässt. 

Da muss die Hydrotechnik all' ihre Kraft, ihr ganzes Wissen- einsetzen, 



') Uebnr die Wasserabnarae in den Quellen, Flüssen nnd Strömen. Wien 1873. Zeitschrift 
dei Ing.-Vereines 2., 4., 6. Uft. 



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353 



um jenen richtigen Pfad zu finden, auf welchem die sinkende Kultur zur auf- 
blühenden geführt werden kann. 

Heben wir die beiden einander entgegengesetzten Schlagworte heraus: 
Ueberschwemmung und Bewässerung, und vergleichen wir auf diesem Gebiete 
Gegenwart und Vergangenheit, so finden wir, dass 'in alter Zeit Bewässerungs- 
Anlagen geschaffen wurden, welche als Riesenwerke gleich den Pyramiden 
Aegyptens auf die gleichartigen Unternemungen. der Neuzeit wie auf moderne 
Pygmäen herabschauen. 

Dass in neuer Zeit den Ueberscbwemmungen volle Aufmerksamkeit ge- 
schenkt wurde, weil sie in Flüssen und Strömen Versandungen, Inseln bilden, 
den Lauf des Stromes ändern oder verhindern und dadurch die Wasserstrasse 
verlegen. 

Dieser Gegensatz wird zum Spiegelbilde der Kultur-Entwicklung. Das 
Altertum förderte Bodenkultur und Urproduktion, freilich in primitiven Formen, 
sorgte aber für das Lebens-Element derselben, für Bewässerung. 

Die Industrie dagegen, von einem spekulativen Gedanken getragen, ent- 
wickelte sich rascher, forderte eine freie Strasse für den Verkehr, verlangte 
den billigsten Weg: die Wasserstrasse und drängte zur Regulierung der durch 
Ueberscbwemmungen oft unfahrbar gewordenen Flüsse, und dadurch entstanden 
die FluBsregulierung am Rhein, an der Eibe, an der Donau, die Durchstechung 
yon Suez etc. 

Auch unser Niederösterreich ist darin nicht zurückgeblieben. Eine grosse 
historische Thatsache haben wir in dieser Richtung zu verzeichnen. Die Her- 
stellung der Hochquellenleitung vom Kaiserbrunnen am Fusse des Schneeberges 
bis Wien in einer Länge von 14 Meilen. Sie ist der Gemeinde- Vertretung von 
Wien zu verdanken, wobei hervorgehoben werden muss, dass Herr Professor 
Eduard Suess mit rastlosem Geiste die Fortführung und Vollendung des Werkes 
behütete, eines Werkes, das sich den grossartigen Wasserleitungen der römi- 
schen Imperatoren kühn an die Seite stellen kann, ja was Conception und 
Bauwerke betrifft, dieselben überragt. 

Von nicht geringerer Bedeutung für unser Niederösterreich, ja wie Sach- 
verständige anführen, bisher einzig und unerreicht, ist das Unternemen der 
Donauregulierun? bei Wien. 

Die Geschichte weiss zu erzählen, dass die Donau in früheren Jahr- 
hunderten * eine Haupthandelsstrasse und Wien ein bedeutender Stapelplatz 
gewesen. In früheren Jahrhunderten hat man die an grossen Strassenzügen liegen- 
den Orte künstlich zu Handelsplätzen umgeschaffen, durch Markt-, Stapel-, Zoll-, 
Niederlassungs-Privilegien. Als aber die Privilegien fielen, da folgte der Handel 
seiner natürlichen Entwicklung und suchte den bequemsten, billigsten und 
kürzesten Weg. 

Da trat die geographische Bedeutung eines Ortes in den Vordergrund 
und da fing man an,- die geographische Lage Wiens für den Handel zu 
begreifen. Die Alpen, der Böhmerwald, das böhmisch-mährische Gebirge, die Kar- 
pathen bilden eine sternförmige Abdachung gegen unser Donanthal, die Tief- 
thäler dieser Gebirge laufen im Wienerbecken zusammen. 

Die neuangelegten Schienenstrassen aus Norden von Russland und 
Polen, von Norddeutschland, von der Weser und Elbe, von der südlichen Adria 
herauf, vom Westen aus England, Frankreich und Süddeutschland, sie alle 



Diqi 



354 

konzentrieren eich im Donauthale. Betrachten wir dazu die natürliche Wasser- 
straße, welche von Westen nach Osten das Reich durchzieht, so muss Wien 
und das Dunauthal nach seiner geographischen Bedeutung als der Knotenpunkt 
für den europäischen Binnenhandel erkannt werden. 

Aber gerade das Donauthal wurde in Folge physikalischer Ereignisse 
bedroht, seine Bedentung als Wasserstrasse und Stapelplatz zu verlieren. Die 
Donau fliegst von Passau abwärts mit bedeutendem Gefälle im tiefen Gebirgs- 
thal meist durch Felsabhänge eingeengt bis zu dem Stromtore zwischen 
Kahlenberg und Bisamberg, von da tritt sie in ein weites Thal, das Donau- 
thal, bis sie durch das Austrittstor zwischen Hainburg und Theben nach 
Ungarn läuft. Im Donauthale durch Uferwände nicht eingeengt, lagerte die 
Donau ihr Geschiebe ab, bildete Sandbänke, an welchen sich das Wasser 
teilte, einzelne Arme auswusch und bei der flachen Ebene des Marchfeldei 
bei Hoch wässern sich in dasselbe ergoss. 

Eben diese Hochwässer bildeten zahlreiche, je nach der Strömung 
wechselnde Sandbänke und Verschotterungen, so dass die Schifffahrt dadurch 
teils erschwert, teils unmöglich gemacht wurde. 

Zahlreiche Klagen riefen mehrere kommissionelle Berathungen hervor, 
die aber teils aus finanziellen Bäcksichten, teils weil man sich über die künftige 
Richtung des Stromes nicht einigen konnte, zu keinem Ziele führten. 

Seit der konstitutionellen Aera jedoch wirkten so mancherlei Ursachen 
zusammen, um die Bedeutung Wiens als Handelsplatz zur Geltung zu bringen, 
die Regulierung der Donau bei Wien als eine Lebensfrage zu erklären uci 
deren Durchfahrung anzubahnen. 

Nach langer Berathung und langem Kampfe wurde im Jahre 1864 eil 
Projekt vereinbart, dasselbe unterm 12. September 1868 vom Kaiser genemigt 
und die Durchführung einer besonderen Kommission übertragen , welche 
unter dem Vorsitze des k. k. Ministers des Innern aus drei Mitgliedern der 
Regierung, drei Mitgliedern des Landes - Ausschusses, drei Mitgliedern des 
Gemeinderathes von Wien zu bestehen, stets nach Curien abzustimmen hat, 
dadurch eine autonome Stellung erlangte, welcher es auch zu verdanken ist 
dass diese Kommission mit voller Selbstständigkeit ausgerüstet ein so grosses 
Werk in so kurzer Zeit zur Ausführung bringen konnte. 

Nach dem ah. genemigten Programme soll die Douau von der Kuchelan 
Oberhaid Nussdorf bis Fischamend in einem Strombette konzentriert werden. 

Dasselbe erhielt zwei Profile: eines für den gewöhnlichen Wasserstand 
in einer Breite von 900 Fuss oder 284.5 Meter; und ein zweites für die 
Hochwässer in einer Breite von 1500 Fuss oder 474.17 Meter. 

Das Hochwasserprofil hat eine Gesainmtbreite von 2400 Fuss oder 
758.67 Meter. Die Dämme sind 20 Fuss, in der untern Strecke 18 Fuss hoch, 
und haben von Nussdorf bis Albern eine Länge von 7000 Klafter; der Durch- 
stich wird in der ganzen Breite von 900 Fuss und in einer Tiefe von 10 Fuss 
unter dem Null Wasserspiegel ausgehoben. Der Aushub mit 1,800.000 Kubik- 
klafter wird augeschüttet. 

Die Vorteile der Regulieruug lassen sich kurz in folgende Punkte zusam- 
menfassen : 1. Verhütung der Ueberschwemmung des March feldes. 2. Verhütung 
der Ueberschwemmung von Wien. 3. Die Anlegung eiuer neuen Stadt auf den 
gewonnenen Gründen. 4. Die Erleichterung und Regelung der Schifahrt. 



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- 

1 

356 

Schliesslich kam Redner noch auf das Marchfeld zu sprechen. Dasselbe, 
ein Gebiet ?on 15 □Meilen, ist zum Teil Getreideboden zum Teil Sandwüste. 
Früher gab es daselbst Wiesen mit Viehzucht, allein auch diese wurden aus- 
gerissen, weil man sich einbildete, man werde durch Getreidebau eine grössere 
Rente erzielen; es kamen aber Missjahre, die Konkurrenz mit dem billigeren 
und besseren ungarischen Getreide war nicht zu halten, die Saudwehen namen 
auch überhand uud die letzten Spuren von Vegetation in einzelneu Strichen . 
wurden durch die Landplage, die wilden Kaninchen, vernichtet. Vor vier Wochen 
habe ich mich mit eigenen Augen überzeugt, dass die Umgegend von Gross- 
enzersdorf, Leopoldsdorf und Obersiebenbrunn eine volle Missernte in Folge 
der Soinmerdürre und der Heppenfliege erlitten, ja der letzte Rest noch durch 
Gewitterregen beschädigt wurde, nicht sowol durch das Austreten des Russ- 
baches, als vielmehr durch eine Wasserauschweminung in Folge der riesigen 
Anzahl von Kaninchenlöchern. 

So geht das Marchfeld seiner Verarmung, seiner Verödung entgegen. 
Wie oft rief der Notschrei in dürren Jahren nach Wasser, allein kein Mosesstab 
erschien! Auch die Landwirtschaftsgesellschaft diskutierte diese Wassernot, 
konnte aber trotz allerBerathung kein Wasser finden, bis ein Mitglied der- 
selben, Herr 0. von Altvater, den Gedanken erfasste, studierte uud ein lebens- 
fähiges Projekt zu Tage förderte. 

Er untersuchte die Bodenverhältnisse, erhob die notwendige Menge des 
Wassers für die Bodenkultur, ermittelte die klimatischen Verhältnisse und kam 
zur Ueberzeugung, dass die künstliche Bewässerung des Marchfeldes möglich sei. 

Aber woher das Wasser nemen? Aus dem Boden konnte man es nicht 
stampfen, aus den Wolken nicht herabbeschwören, aus den das Marchfeld 
durchziehenden Flüsscheu und Bächen, welche im Sommer vertrocknen, konnte 
mau es auch nicht holen; es bleibt daher nichts anderes übrig, als in entlegene 
Ferne zu greifen uud das Wasser der Donau über das Marchfeld zu leiten. 

Demgeinäss wurde ein Projekt ausgearbeitet, von der Land Wirtschafts- 
gesellschaft dasselbe dem Landesaüsschusso vorgelegt, auf dessen Anträge auch 
der Landtag eingegangen ist. Kr votierte eine bestimmte Summe, um vorerst 
Studien über die Bewässerung jeuer Strecken zu machen, welche derselben 



vorzugsweise bedürfen, nämlich: 

des March feldes mit * iü □Meilen 

der Neustädter-Haide 10 „ 

des Tulnerfeldes 2 5 /, u „ 

der Ebeue you Wagram 4*/ Xa „ 

der Leitha-Ebene bei Trautmannsdorf und Bruck . . 2 6 / 10 „ 

der Ebene bei Pechlarn-Melk . , 8 / l0 „ 



zusammen 30 □Meilen 

als irigationsfähiges Terrain. 

Vor Allem wurde das Marchfeld in's Auge genommen und Herr 0. von 
Altvater mit den Erhebungen für ein Projekt betraut; dasselbe wurde von einer 
Enquetkommission geprüft und auf Grund dieser sichergestellten Haltpunkte 
fasste der n.-ö. Landtag am 12. Mai 1875 den Bescbluss, die Durchführung 
der Bewässerung des Marchfeldes ist notwendig. Wie soll sie nun geschehen ? 

1. Durch einen Zuleitungskanal, 7000 Klafter laug, 21 Klafter breit, bis 
Leopoldau. 2. und durch Hauptkanäle mit Seiteukanälen von 500— 1000 Klaftern. K 

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356 

Alle Vorträge wurden mit lebhaftem Beifall aufgenommen. 

Ehe Vice-Präsident Dr. Bauer das Schlusswort hielt, machte er der 
Versammlung noch die Mitteilung von einem Telegramme, das während der 
Vorträge eingelangt war und lautete : „Ein begeistertes Hoch dem patriotisch- 
wissenschaftlichen Verein von zweien seiner Mitglieder, derzeit in Marien- 
bad. " Es waren diese Mitglieder: der hochw. Hr. Prälat des Stiftes Melk, 
Alex. Karl, und der Direktor des Gymnasiums daselbst, unser geschätzter 
Mitarbeiter an den Vereinsblätteru, Ambros Heller. Beifällige Zustimmung 
folgte dieser Kunde. Nun wendete sich Dr. Bauer an die Versammelten 
und dankte vor Allem dem Herrn Bürgermeister für seine unverdrossen 
geübte Mühe, für sein Streben, don Verein so ehrenvoll, aber auch so gastlich 
als nur möglich aufzunemeu. Aber des Vereines Dank müsse sich noch weiter 
erstrecken, auf das rührige und selbst mit Aufopferung thätige Festkomite, 
das für Speise und Trank, für Unterkunft und Fahrgelegenheiten und für 
tausend andere Dinge noch recht gastfreundlich gesorgt habe. Endlich dankte 
Dr. Bauer noch der ganzen Stadt für den herzlichen und schönen Empfang 
und für die gastliche Unterkunft in den Familien, dankte auch den Versam- 
melten für ihre eifrige und zahlreiche Beteiligung und erklärte schliesslich 
die Versammlung für geschlossen. 

Zur Verteilung kamen: eine Karte eines Teiles des Kreises 0. W. W. 
und des südlichen Teiles 0. M. B. (mit der Stadt Ips im Mittelpunkt), vom 
Vereine gespendet, und dann eine Ansicht von Ips aus dem XVII. Jahr- 
hundert (Radierung), als Geschenk des Vereinsmitgliedes Herrn Emil Hütter. 
Demselben wurde von allen Seiteu für diese so schöne Gabe aufs beste 
gedankt. 

An dem Festmal um 1 Uhr beteiligten sich mehr als 100 Personen ; 
während desselben spielte unter den Fenstern d^s Saales eine Musikbande 
heitere Weisen. Den ersten Toast brachte Landes-Ausschuss Dr. Jos. Bauer 
auf Se. Majestät den Kaiser aus, der beim Klange der Volkshymne mit grosser 
Begeisterung aufgenommen wurde. Dann trank der Bürgermeister von Ips, 
Herr Schönbichler, auf das Gedeihen des Vereins, Hofrath v. Becker auf die 
Stadt Ips, Sekretär Mayer auf die anwesenden Vertreter der Stifte Melk, 
Göttweig und Seitenstotten und betonte namentlich das Wirken derselben 
auf dem Gebiete der geistigen Kultur, für Unterricht und Wissenschaft, seit 
Jahrhunderten bis in die Gegenwart. Von diesem Toaste wurde der hochw. 
Prälat von Melk, der sich zum Badeaufenthalt in Marienbad befand, telegra- 
phisch in Kenntnis gesetzt. Prof. Vincenz St auf er aus Melk dankte für 
diese freundlichen Worte und versicherte im Namen seiner Brüder ünd Ordens- 
genossen, dass die genannten Klöster Alles einsetzen werden, geistiges Streben 
in jeder Weise zu fördern und zu kräftigen und im Sinne des Vorredners 
auch die besten Förderer der Landeskunde zu sein. Dann sprach noch Prof. 
Dr. Mack, Statthaltereirath Kaditsch trank auf Landes-Ausschuss Dr. 
Jos. Bauer, dieser auf den Bürgermeister von Ips, Direktor Dr. Hornung 
auf Hofrath v. Becker, dieser auf den Leiter der Bezirkshauptmannschaft 
in Amstetten, Herrn Statlhaltercirath Kaditsch, Gutsbesitzer Ritsehl auf 
Sekretär Mayer, Med. Dr. Hanns R. v. Becker auf die Damen von 
Ips, welche die zarte Aufmerksamkeit hatten, jedem Gaste Blumen zu 
spenden. Nach aufgehobener Tafel machten mehrere Vereinsmitglieder den 



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357 

Ausflug nach Persenbeug; leider waren das Wetter und die Aussicht nicht 
sein- günstig. Es hatte nämlich bis gegen Mittag geregnet, und den ganzen 
• Nachmittag hindurch blieb der Himmel trübe. Abends producierte sich der 
Gesangs-Verein von Ips im Saale der Weinmauth, womit ein heiteres Fest 
verbunden war, an dem sich Vereinsmitglieder und Ipser sehr zahlreich 
beteiligten. Es herrschte dabei die animierteste Stimmung, welche bis tief 
in die Nacht hinein andauerte. Am nächsten Morgen, an welchem wieder 
die Sonne in herrlichster Fracht vom blauen Himmel niederstrahlte und die 
durch den Regen erfrischte Landschaft doppelt verschönte, begaben «ich mehrere 
Vereinsmitglieder zum „Klosterbauer", besichtigten dessen Wirtschaft und 
erfreuten sich an dem reizenden Landschaftsbilde, das man von hier aus vor 
Augen hat. Um 10 1 /* Uhr erfolgte die Abreise mit dem Dampfschifle. Wieder 
mit Blumen von Frauenhänden geschmückt, und unter Begleitung ihrer freund- 
lichen Wirte, fanden sich die Vercinsmitglieder nach und uach auf dem mit 
Fahnen geschmückten Landungsplatz ein. 

Die Stunde des Abschiedes war gewiss Allen zu früh gekommen und 
die Erinnerung an so viele schöne. und an^eneme Momente machte die Dankes- 
worte auch zu zaudernden ; man glaubte, sich nicht trennen zu können. Da 
verkündeten Pöllerschüsse das Nahen des Schiffes; der Bürgermeister und 
Landes-Au8schuss Dr. B au er wechselten noch kurz officielle Reden — ein Pfiff 
und das Schiff machte seine Schwenkung stromabwärts, Wien zu. Pöller- 
schüsse, Tücher- und Hüteschwenkcn, Gesang waren das letzte freudige Zeichen 
in, der Sommer-Versammlung des Vereins in Ips. Das Letzte? — Zum Staunen 
aller Vereinsmitglieder erscheint auf einmal auf dem Schiffe das Festkomite 
mit dem Bürgermeister an der Spitze; es hatte nämlich beschlossen, den 
Vereinsmitgliederu bis Melk das Geleite zu geben und war unbemerkt auf das 
Schiff gekommen. / A. M. 



Besprechungen. 

Gebirgs-Panorama vom Sonntagsberg, herausgegeben durch 

die Alpen-Vereins-Sektion Waidhofen a. d. Ips. Eigentum und Verlag 

der Voreins-Sektion. 1875. 

In einem 137 Centimeter langen Streifen liegt hier das Gebirgs-Heinio- 
rama vom Sonntagsberge vor, frei gezeichnet von Hrn. Leopold Fries in 
Waidhofen, dessen geschickter Hand der Vorein für Landeskunde ein noch nicht 
roröffentlichtes, kunstgemäss in Oel ausgeführtes Panorama von der Spindel- 
eben bei Waidhofen verdankt 1 ). Mohr skizziert als im Detail gearbeitet und 
mit den Angaben der sichtbaren Spitzen versehen, entspricht das Hemiorama 
vom Sonntagberg genügend dem Zwecke der Orientierung und ist sein 
Erscheinen um so willkommener, weil eine frühere Arbeit eines Stifts- 
geistlichen von Waidhofen, der sein „Periorama** von demselben Punkte 

aufnam und auf Stein herausgab, längst vergriffen, ' ja man kann sagen 

' . 

') Wird nächstens durch den österrrictiischen Touriatonklub »eröffantlicht werden. 

• • • 

D. R. 

25 * 



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358 

• ■ 
• • • 

vorschollen ist. Dieser Pater R. (so bescheiden verbirgt sich sein Name) 
hat auf dem dem Bischöfe Buchmayer von St. Pölten gewidmeten Gross- 
folioblatte den Grundri8s der Wallfahrtskirche, mit Skizzierung ihrer be- * 
rühmten Deckengemälde zum Mittelpunkte seiner Zeichnuug genommen und 
rings um diesen in einem Ovale die vollständige Rundschau kreisen lassen. 
Mögen auch einige Bestimmungen der entfernten Berge nun durch richtigere 
Angaben ersetzt sein,- es bleibt ihm doch das Verdienst, der Erste gewesen 
zu sein, den der Trieb beseelte, das herrliche Panorama, in dem auch das 
tippige Kulturland ein reizendes Bild gewährt, alles ersichtlich zu machen, denen 
es nicht vergönntest, selbes mit eigenen Augen zu schauen. Wäre nun auch seine 
Reproduktion möglich, so wurde dennoch die Arbeit von Leop. Friess durch 
praktische Vorzüge und genauere Bestimmung der Berge einen nicht unwesent- 
lichen Vorzug besitzon, wobei überdies noch das bequeme Taschenformat dem 
Touristen die Handhabung sehr erleichtert. Wenn noch Wünsche der Bequemlich- 
keit laut werden dürfen, so ist es die Relation zwischen Ziffern und Namen, deren 
manchmal weit es Auseinanderfalten das Aufsuchen erschwert. Sind die Panoramen 
nicht Produkte landschaftlicher Kunst, so könnten die Namen ohne besondere 
Störung über den Objekten augebracht werden, etwa in einiger Entfernung 
mit punktierten Ordinateu, wie es auf so vielen Schweizer Panoramen (S. 
Berlepsch) mit Nutzen angewendet worden ist. Wir leben nun in einer Zeit, 
die eiuen Wert auf solche Rundschauzeichi: uugen legt, und so wächst die 
Zahl dersolben in steigender Progression, vom kunstvollen Farbendrucke bis 
zur dürftigen Skizze herab. Gewiss haben sie den Erfolg, Viele zum Genüsse 
der ewig schönen Natur zu ermuntern, und so möge das obenerwähnte 
Hemiorama ebenfalls beitragen, eine der schönsten Fernsichten in unserm 
engeren Vaterlande noch populärer zu macheu, als sie es schon ist. 

A. Steinhaus er. 



Geschichte des Bistums St. Pölten, Unter Mitwirkung der Herren 

P. Adalbert Dungel, 0. S. B. zu Göttweig, und P. Gottfried Friess, 

0. S. B. zu Seitenstetten, herausgegobon von Dr. Ant. Ke ischbaumer, 

Ehrencanonicus von St. Pölten, Dochant und Stadtpfaner zu Tuln. I. Band, 

Vorgeschichte. 2. Heft und 3. Hoft 1875. Selbstverlag des Herausgebers. 8°. 

Mit den beiden hier citierten Heften ist der erste Band (die Vor- 
geschichte des Bistums St. Pölten) dieses so verdienstlichen CJnternemeni 
abgeschlossen. Wir haben bei der Besprechung des ersten Heftes bereite 
auf die Genesis und die Anlage des ganzen Werkes einen Blick geworfen. 
Es erübrigt uns noch, die Freunde der vaterländischen Geschichtschreibung 
auf das zweite und dritte Heft aufmerksam zu machen. Behandelte das erste 
Heft in strenger WisBeuschaftlichkeit die keltisch-gernianisohc Zeit, die heid- 
nisch-römischen und christlich-römischen Principieu, so ist uus Prof. Friess 
ein nicht minder verlasslicher und kundiger Führer für die Zeit der christlich- 
germanischen Kultur bis zum Beginue der Reformation. Es ist ein farbenreiches und 
doch harmonisches Bild, das uns der gelehrte Verfasser, welcher den Mitgliedern 
des Vereins durch seine Forschungen und Arbeiten auf dem Gebiete der Landes- 
kunde bestens bekannt ist, mit sicherer Hand uud grosser Quellenkenntnis ent- 



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359 

■ 

• 

wirft. — In den beiden ersten Abschnitten wird die-Wiedereinführung des Christen- 
tums in den den Avaren und später den Ungarn durch die Babenberger 
entrissenen Gebieten geschildert, wobei sich neben dem Erzbistum Salzburg 
besonders das Bistum Passau und die in Baiern gelegenen Klöster die haupt- 
sächlichsten Verdienste erwarben. Der Bau vou Kirchen und Kapellen, von 
denen viele im Laufe der Zeiten in Pfarrkirchen verwandelt wurden, die 
Diöcesansynoden, die Gründungen von Klöstern und Pfarren vom IX. bis ins 
XV*. Jahrhundert sowie die Einwanderung der Kolonisten besonders aus Baiern 
und Sachsen, deren erste Niederlassungen aus linguistischen und anderen Spuren 
nicht selten noch nachweisbar sind, werden nach den Quellen behandelt. 
Aber auch das Wirken der Mönche auf materiellem und geistigen Gebiete, 
besonders in Wissenschaft, Literatur und Kunst, wo der Verfasser durch seine 
Studien über das Wirken der Benediktiner in Oesterreich bereits sein Vertraut- 

■ • • 

sein mit dem Gegenstande bekundet hat, wird uns ausführlich vor Augen 
geführt. Die dritte Abteilung enthält die beiden letzten Jahrhunderte vor 
der Reformation : das Wirken der Passauer Bischöfe in dieser Zeit ; die Ent- 
stehung neuer Klöster, das Sinken der alten, sowie des geistlichen Standes 
überhaupt im XIV. Jahrb., dann die Reform im folgenden Jahrh. und daB 
vorübergehende Wiederaufleben der Wissenschaften und Literatur, da bald 
wieder, durch innere und äussere Ursachen herbeigeführt, der Verfall des 
materiellen und geistigen Wohlstandes eintrat; das religiöse und kirchliche 
Leben uud die Pfarreien in dieser Zeit. 

Das dritte Heft hat den Herausgeber Dr. Anton Kersch baumer zum 
Verfasser, der ebenfalls den Freunden der Landeskunde schon lange ein bekannter 
und geschätzter Name ist. Er hatte die Aufgabe, die Zeit der Reformation bis zum 
Entstehen des Bistums St. Pölten zu schildern, sowie die Geschichte aller Bischöfe 
der Diöcese St. Pölten zu geben. Dieses dritte Heft beginnt nun im Anschlüsse 
an das zweite in der IV. Abteilung mit der Reformation von 1517—1619, 
u.z. zunächst mit dem ersten Auftreten der lutherischen Bewegung. Zum ersten 
Male lernte der österreichische Adel die lutherische Lehre auf dem Reichstage 
zu AugsbuTg 1518 kennen und schon nach 10 Jahren gab es unter den 
Edelleuten und Beamten bereits mehr Lutheraner, als Katholiken. Die ersten 
Häupter unter den österr. Protestanten waren : Sebastian Grabner auf Zagging 
bei 8t. Pölten und auf der Rosenburg (f 1534) und sein Eidam und Erbe 
Helmhart Jörger, Freih. zu Tollet; ausser diesen noch Achaz und Leonhard 
Enenkl zu Albrechtsberg und Oberpielach, Richard Strein zu Schwarzenau, die 
Puecbheime, Rogendorf, Starhemberg, Susanna Freiin von Teuf], der reiche Erasmus 
von Tschernembl, die Zinzendorf, Maming, Greuss, Kuefstein, Zelking, Trautmanns- 
dorf u. ä. Gleichwie anderwärts, waren es meistens äussere Vorteile, namentlich die 
Annexion des Kirchengutes, welche den Adel zum Uebertritt bewogen; auf geist- 
lichen Patronaten kam der Protestantismus wol seltener vor, doch schützte selbes 
vorm Glaubensabfall nicht. Mit Zugrundelegung von Raupach's Werk giebt nun Ver- 
fasser eine Darstellung der örtlichen Ausbreitung desselben und zeigt seine 
Wirkungen auf den Säcular- und Regularclerus in den Priesterehen, im Priester- 
mangel und Sinken des Ansehens des geistlichen Standes. Der Verfasser 
befleissigt sich hierin psychologisch richtig einer gewissen Offenherzigkeit und 
eines Freimutes, die von grösserer Wirkung sind, als das Verschweigen; die 
wirklich um des reinen Glaubens willen die alte Kirche verlassen haben, sind 



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360 

noch am häufigsten im Börger- und Dauernstande vertreten, wenn auch bei 
letzterem Schlagwörter um so leichter verfiengen, als der Glaube vielfach 
gesunken, die Hierarchie in allen Abstufungen meist vorweltlicht war, so dast sie 
dann von der Freiheit in oft derber, unsittlicher Weise Gebrauch machte, wie 
jener Propst Christof Bein in St. Andrä an der Traisen. Die Mittel, welche 
unter Ferdinand I. und Max I. von kirchlicher und weltlicher Seite dagegen 
ergriffen wurden, waren meist vergebliche, so die seit 1522 üblichen Kloster- 
visitationen durch eigens bestellte Kommissäre, die seit 1568 als ständiger 
Klosterrath fungierten (wurden 1782 aufgehoben); DiBputatianen, die 
Gewährung des Laienkelches und Reformen seit dem Trienter Concil, 
worunter namentlich die Diöcesansynoden zu rechnen sind (1560, 1576); zur 
Ausführung der Beschlüsse derselben wurden die Decanatscongregationen ins 
Leben gerufen, welchen aber die Geistlichkeit anfangs lebhaft widerstrebte. 
Aber auch im gegnerischen Lager sah es nicht gar freundlich aus; wol 
verbreitete sich die neue Lehre immer mehr in den Städten und auf dem 
offenen Lande, aber die Prädicanten waren in argen Hader verwickelt; bösen 
Zank nnd Streit hatten ja die Flacianer, welche in Oesterreich besonders 
stark vertreten waren, hervorgerufen, überdies war es auch sehr misslich, 
dass die evangelischen Prädicanten aus der verschiedensten Herren Länder 
hier zusammengekommen waren. 

Von S. 394—405 behandelt Verfasser dieses Prädicantenwesen in Oesterreich, 
woran sich eiue Auseinandersetzung reiht über die katholische Gegenbewegung 
und besonders über die Thätigkeit des Passauer- Officials Melchior Kiesel, 
der später Bischof von Neustadt und Wien, Kardinal und Direktor des geheimen 
Raths unter Kaiser Mathias wurde. Verfasser hatte sich schon vor Jahren 
durch eine grössere Publikation über diesen so bedeutenden Staatsmann 
und Priester in die Geschichtsliteratur für jene Zeit eingeführt; man 
merkt es auch, dass er auf bekanntem Terrain sich befand. Der SchluBS 
dieser IV. Abteilung ist dem n. ö. Bauernaufstand und der Empörung 
des protestantischen Adels gewidmet Ueberaus reichhaltig sind die V. 
und VI. Abteilung. In ersterer sind geschildert die Gegenreformation unter 
Ferdinand II. und III. und das Wiedererwachen des religiösen Gefühls und 
des kirchlichen Lebens, das sich besonders in dem Aufleben der alten Klöster 
und in dem Entstehen neuer Orden, in den lebhaften Dankesbezeugungen gegen 
Gott, der die grossen Trübsale durch Türken und Pest gütig abgewendet 
hatte, dann in Wallfahrten uach den Gnadenorten und in Processionen 
manifestierte. Um diese Zeit, namentlich um die Mitte des XVII. Jahrh. hatte 
auch der Jesuitenorden seine grösste Bedeutung erlangt. Um das Geschichts- 
bild vollständig auszuführen, hat der Verfasser die Leiden des 30jährigen 
Krieges und der beiden Türkeninvasionen hier angereiht. Sorgfältig gearbeitet 
und mit vielen neuen Daten, die den Kloster-, Pfarr- und Herrschafts- 
archiven, dem erzbischöfl. Archiv und dem Landesarchiv in Wien, sowie 
Grundbücher und Rathsprotokollen mit vielem Fleiss entnommen sind, ist 
der Schluss dieser Abteilung, welcher die kirchlichen Beneficien, namentlich 
die Dekanate und Pfarreien behandelt. Für die topographische Seite der Lan- 
deskunde ist hier ein schätzbares Materiale aufgespeichert, wofür wir dem 
hochw. Herrn Verfasser im Interesse der „Topographie Niederöiterreichs" 
sehr dankbar sein müssen. Die VI. und letzte Abteilung schildert auf 



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361 



Grund der jüngsten Quellenschriften das Entstehen des sogen. Josefinismus 
und seine polemische Stellung zu den überlieferten Zuständen, zu den 
canonischen Satzungen, den kirchlichen Gebräuchen und dem kirchlichen 
Leben und den Klöstern. Manche Reformen bezüglich des kirchlichen und 
religiösen Lebens hatten sich schon unter Maria Theresia vollzogen, doch mit 
Zustimmung des Papstes. Nach einer concisen Darstellung über die Gründung 
der österr. Volksschulo und die Einführung der Christenlehren unter Maria 
Theresia geht nun Verfasser zu der josefinischen Kirchenreform und der Auf- 
hebung der geistlichen Bruderschaften und der Klöster sowie ihrer ferneren 
Schicksale über. Wie bei den kirchlichen Beneficien ist auch hier und in der 
Frage der neuen Pfarrregulierung und Diöcesaneinteilung ein reicher Stoff 
aus Originalquellen aufgespeichert. 

Der Anhang giebt noch eine kurze Geschichte des Bistums Wiener- 
Neustadt. Beigegeben ist eine Karte des ehemaligen Bistums Passau nach 
einer Handzeichnung von dem Ingenieur Josef Haas aus dem Jahre 1723, 
welche in der Münchner Hofbibliothek sich befindet und vom Prälaten 
Sebastian Brunner, der sie daselbst fand, in seinem Werke (Theologische 
Dienerschaft pag. 470) zuerst erwähnt wurde. 

Wir können uns am Schluss den Wunsch nicht versagen, es möge 
dieses Werk, das von so tüchtigen Kräften mit redlichem Fleiss zu Stande 
gekommen ist, in der gleichen Weise fortgesetzt werden und bei den Freunden 
der Landeskunde, nameutlich unter den Geistlichen, viele Verbreitung finden, 
ja wir betrachten es als eine Ehrensache des Klerus der St. Pöltner-Diöcese, 
dass es in jedem Pfarrhause zu finden sei. Mit erklärlicher Hoffnung sehen 
wir dem baldigen Erscheinen des zweiten Bandes entgegen, welcber die 
Geschichte der Bischöfe von St. Pölten enthalten wird. 

Ant. Mayer. 



Joseph Haydn 
von C. F. Pohl 1 ). Besprochen von Heinrich Käbdebo. 

I 

Von den frühesten Zeiten bis in die Neuzeit war die Pflege der Musik 
in Nieder-Oesterreich stets eine ausgebreitete; versammelten sich doch schon 
am Hofe der Babenberger die gefeiertsten Minnesänger ihrer Zeit: Heinrich 
von Ofterdingen, Jans der Enenkel, Ulrich von Lichtenstein und Walther von 
der Vogelweide lernte in Oesterreich „singen und sagen". 

Unter den Habsburgern nam die Tonkunst einen mächtigen Aufschwung, 
besonders grosse Sorgfalt wandten ihr Maximilian I. und Ferdinand I. zu. 
als ihre Kapellmeister erscheinen die tüchtigsten Musiker, wie Josquin 
de Pres, der berühmteste Tonsetzer und Musiklehrer seiner Zeit, „mit Recht 
der Vater der neueren Harmonie genannt", Peter de la Rue, Ludwig Senftl 
u. s. w. Auch auf die Vervollkommnung der Instrumente wurde viel verwendet; 
so gelangten bei einem Hochamte in Wien 1515 zur nicht geringen Verwunderung 

der Zuhörer ganz neu erfundene Instrumente in Gebrauch 2 ) ; die österreichischen 

— — ■ > 

') Erster Band, erst« Abteilung. Berlin, Verlag von A. Sacco's Nachfolger (A. E. ülucks- 
berg) 1875 gr. 8°. 422 S. S. 

*) Tschischka, Geschichte Wiens, pag. 259. 



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362 



Organisten (zugleich gute Orgelbauer) genossen aber schon lange den Ruf 
besonderer Tüchtigkeit 3 ). So konnte denn unser biederer Schmelzl «) wol 
singen: 

„Hir seind'vil Singer, saytenspill. 

Allerley gsellschaft, freuden vil 

Mehr Musicos vud Instrument 

Findt man gwisslich an khainem end. u 
Doch auch Rasch 5 ) mag nicht ganz Unrecht haben, wenn er von der Kirchen- 
musik erzählt: „Item 1515 hebte sie an zu bluen vnd gruenen, so lang bis 
es jetzt (158G) verwelket vnd scheuzlich oder enformklich wird vnd bübisch 
gar"; war es ja erst Palestrina, der 1571 durch seine preisgekrönte „Missa 
papae Marcelli" die kirchliche Musik wieder in ihre richtige Bahn gelenkt hatte. 
Gleich eifrige Pflege fand die Musik unter Rudolf II., Mathias und Ferdinand II.; 
Ferdinand III., selbst ein gründlicher Kenner der Musik und Kompositeurt 
liebte besonders die Oper und veranstaltete bei jeder Gelegenheit die glänzendsten 
Vorstellungen. 

Das musikalische Talent seines Sohnes Leopold I., sowie dessen ausser- 
ordentliche Liebe zur Musik sind allbekannt; er war zu seiner Zeit als trefflicher 
Tonsetzer geschätzt und ein reisender Franzose erzählt 1705:*) Oulre la 
connoissance plus que medioere qu'il a de quasi toutes les sciences speculativei, 
il possede en perfection la Musique, & donne souvent ä chanter dans sa 
•Chapelle de Cour de pieces de sa composition. C'est ce qui est cause qu'il 
tient divers MusicienB ä ses gages, <te particulierement des Italien!.* Unter 
Kaiser Leopold trat Johann Josef Fui als Hofkompositeur auf den Kaiser Karl 
VI. 1717 zum Oberhofkapellmeister beförderte; auch dieser Monarch hatte 
grossen Sinn für die Tonkunst, der durch die Einflüsse Haendl's und Job. 
Sebastiau Baclt's besonders geläutert wurde. Maria Theresia spielte und 
sang gleich ihrem Sohne Kaiser Joseph II. 

Gedenken wir nun, in welch' würdevoller, emsiger Weise die Musik in 
den Klöstern Nieder-Oesterreichs gepflegt wurde, in Göttweig, Melk und Heiligen- 
kreuz, die besonderen Auspruch haben, hier genannt zu werden; zwischen den 
stillen Klosterwänden ward die Musik aufs eifrigste betrieben und der Kirchen- 
gesang zur Blüthe gebracht; namentlich aber war es Göttweig, welches die 
Tonkunst pflegte, und wenn Heiligenkreuz das historische, Melk das schöne 
Stift genannt wird, verdient Göttweig ausser dem Attribute des wissenschaftlichen 
speciell jenes des musikalischen. — 

So weit nun die Musikgeschichte Nieder-Oesterreichs auch zurückreicht, 
so viele glänzende Epochen sie bietet, so viel Materiale ihr auch zu Gebote 
steht — uoch immer ist dieses hervorragende Kapitel der geistigen Kultur 
nicht geschrieben. . 

Ja selbst die Literatur zur Musikgeschichte Nieder-Oesterreicbs ist eine 
verhältnismäsig geringe. Ausser den vielen (grösstenteils ausländischen) 



*) Wir bringen demnächst „Beiträge zur Orgelbaukunst in Nieder-Oesterreich.« 
») Lobspruch der Stadt Wien 154«, Vers lf-30 ff. 

*) Joh. Rasch; Schottenkloster 1158. Stifftnng und Prelaten unser lieben Fronen Gottes- 
haus. Benedicterordens genannt zu den Schotten zu Wien in Oesterreich anno domini 1586 4*. 
Wien 1586. 

' Memoires de la cour de Vienne. A. Cologne 1705, pag. 110 f; auch in 
gäbe als: Kflation vom Kayserlichen Hofe zu Wien. Cölln 1705. 



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363 

biographischen Skizzen unserer Landsmänner Haydn und Schubert, sowie 
der durch ihren dauernden Aufeuthalt in Wien als Wiener zu betrachtenden 
Mozart und Beethoven, bilden nur wenige, allerdings gehaltvolle Werke, 
die einschlägige Literatur. Jahn, Ambros, Koechel, Thayer, Hanslik, v. Kreissie 
und Pohl sind die Ersten, welche einzelne Epochen der nieder-österreichischen 
Musikgeschichte bearbeiteten '), so die Grundmauern bildend, auf welchen sich 
der formenreiche Palast einer abgerundeten, vollständigen Musikgeschichte 
unseres engeren Vaterlandes erheben soll. 

Ein wichtiger Baustein hierzu ist C. F. Pohl's Werk über „Joseph Haydn", 
dessen erster Band eben vor uns liegt. Ueber die Entstehung dieses Buches erzählt 
uns der Autor im Vorworte folgendes: „Ich war nicht wenig überrascht, als 
ich im Februar 1867 durch die Buchhandlung aufgefordert wurde, für deren 
Verlag eine Biographie Joseph Haydn's zu schreiben. Die Firma hatte sich 
nämlich zuerst an Otto Jahn gewendet, dieser aber, den Autrag ablehnend, 
hatte zugleich mich für diese Arbeit vorgeschlagen. Es war für den Empfehlenden 
wie nicht minder für den Empfohlenen ein bedenkliches Wagnis. Meine 
wiederholten Vorstellungen, dass die musikalische Welt bisher erwartet hatte, 
gerade von ihm, von Jahn, diese Aufgabe gelöst zu sehen und dass es einer 
argen Enttäuschung gleich käme, wenn jetzt ein völlig unbekannter Neuling 
in der musikalischen Literatur als Ersatzmann einträte, führten zu weiter nichts, 
als dass Jahn noch im letzten Moment nur um so entschiedener sich dahin 
aussprach, „dass er die Biographie auf keinen Fall schreiben werde, und dass 
ich mich unverzüglich an die Arbeit machen solle." 

Pohl hat seine Aufgabe glücklich gelöst; seine Arbeit zeigt auf jeder 
Seite den gründlichen Kenner, em&igen Forscher und feinfühlenden Kritiker; 
der Verfasser begnügte sich nicht, eine trockene Biographie unseres grossen 
Tonsetzers zu geben, eine schematische Aufzählung seiner Erlebnisse, seiner 
Werke. Das, was er uns bietet, ist vielmehr ein geistvoll konzipiertes, colorit- 
reiches Gemälde des geistigen Kulturlebens in Oesterreich im 17. u. 18. Jahr- 
hundert, darin Haydn als Hauptfigur steht, umgeben von einer grossen Zahl mehr 
oder minder bekannter Personen. 

Die Quellen, aus welchen Pohl geschöpft, sind zahlreiche. Die biographischen 
Nachrichten von Dies, Grisinger und Carpani, sowie die stattliche 
Reihe von kleineren Aufsätzen waren nur mit grosser Vorsicht zu gebrauchen, 
da sie sich oft gegenseitig widersprechen, überdies einzelne, wichtige Momente 
in Haydn's Leben ganz übergehen. Es mussten somit erst umfangreiche archiva- 
lische Studien gemacht werden und hier boten die Archive zu Eisenstadt, Hain- 
burg, Göttweig, Heiligenkreuz, Kremsmönster u. Melk, das fürsterzbischöfliche zu 
Wien, jenes der Musikalien-Verlagshandlungen Artaria in Wien und Breitkopt 
u. Härtel in Leipzig, endlich die Wiener Hofbibliothek Gelegenheit genug zum 
Studium, doch auch dankbares Materiale. Solches bietet nun das Buch auch uns . 
wir erfahren darin nicht nur die Namen jener Personen, welche mit Haydn 
in Berührung gekommen sind, sondern es führtauch biographische Skizzen der- 



«) Die Publikationen des Vereines für Landeskunde ton Niederösterreich enthalten folgende 
wichtige Beiträge zur Musikgeschichte Nieder-Oeaterreichs: 

Dr. L. v. Köchel; Die Pflege der Musik am österr. Hofe vom Schlüsse des XV. bis 
zur Mitte des XVIII. Jahrhunderte«. (Blätter 1866 p. J ff.) 

Dr. TM - Hanslik, Wiener Virtuosen-Konzerte im vorigen Jahrhunderte. (Jahrbuch 1 p. 239 ff.) 

Dr. H. Kreis sie: Musikzustände in Nieder-Oesterreich. (Blätter 1869 p. 90 ff.) 



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364 



selben uns vor. Die Daten sind überall gewissenhaft angegeben; wo sie sich nicht 
in anderen Quellenwerken fanden, mussten specielle Forschungen in Tauf-, 
Trau- und Todtenbüchern nachhelfen. 

Doch wenden wir uns nun Haydn zu. — — 

Im Harkte Rohrau, unweit Bruck a. d. L., betrieb der aus Hainburg 
herüber gekommene Mathias Haydn das Wagnerhandwerk und hatte sich 
am 24. November 1728 mit der Jungfer Maria, Tochter des verstorbenen 
Marktrichters Koller, vermählt; von den 12 Kindern, welche sie ihm gebar, starb 
jedoch die Hälfte kurz nach der Geburt. Das zweite Kind erblickte am 
31. März 1732 das Licht der Welt und erhielt am 1. April 1732 die Taufhamen 
Franz Josef; dies war unser Haydn. 

Haydn's Eltern — so berichtet Pohl — waren einfache, rechtschaffene 
Leute und wussten bei den Kindern frühzeitig den Sinn für Religiosität, 
Thätigkeit, Ordnungsliebe und Reinlichkeit zu wecken. Die Wohlthaten dieser 
Erziehung empfand Haydn durch's ganze Leben und dankerfüllt äusserte er 
sich noch im hohen Alter gegen den Maler Dies: „Meine Eltern haben mich 
schon in der zartesten Jugend mit Strenge an Reinlichkeit und Ordnung 
gewöhnt; diese beiden Dinge sind mir zur zweiten Natur geworden;" oder 
ein ander Mal: „Meine gute Mutter, die von jeher auf das zärtlichste für 
mein Wohl besorgt war, lebt nicht mehr; doch hat mein Vater noch die 
Freude erlebt, mich als Kapellmeister zu sehen." Wie sehr Haydn das Andenken 
seines Vaters ehrte, zeigt überdies sein letzter Wille, mit welchem er eine 
Summe zur immerwährenden Instandhaltung einer Statue, die der Vater auf 
das Grab der Mutter (später auch das seine) setzen Hess, bestimmte. 

Der Sinn für Musik war bei Haydn's Eltern ein sehr empfänglicher; der 
Vater, der auf seinen Wanderschaften die Harfe spielen gelernt, hatte eine 
gute Tenorstimme, die Mutter stimmte ein und der junge Haydn sang, wie 
er später selbst erzählte, dem Vater alle seine simplen kurzen Stücke ordentlich 
nach." Der Knabe zeigte besondere musikalische Anlagen und seine Taktfeatigkeit 
erregte das Staunen des Schulmeisters, wie aller anderen Einwohner ; so wurde 
denn beschlossen, Joseph zur weiteren Ausbildung einem Anverwandten, dem 
Schulrektor Johann Mathias Frank in Hainburg, anzuvertrauen. 

Hier hörte ihn 1739 Kapellmeister Reutter aus Wien ; er legte ihm ver- 
schiedenes zum Singen vor,' und bald war es ausgemacht, dass der Knabe 
Reutter nach Wien als Sängerknabe bei St. Stephan folgen solle. Das Kapitel 
„Im Kapellhause zu Wien" behandelt Pohl eingehend, wir gewinnen einen 
vollständigen Einblick in das Leben daselbst; besonders interesant sind die 
Nachrichten über die Kirchenmusik, ganz neu aber jene über die selbständige 
Musikkapelle beim Marianischen Gnadenbilde. 

Reutter 1 ) zeigt sich als rücksichtsloser, habgieriger und aufgeblasener 
Charakter; Haydn hatte unter ihm viel zu leiden, und nachdem er 10 Jahre 
im Kapellhause zugebracht, mittlerweilo seine Stimme eingebüsst hatte, wird er 
ebenso arm wie er eingetreten, in die grosse Welt hinausgeBtossen. So steht nun 
Haydn ganz allem in der Residenz, er irrt eine Nacht in derselben herum, schläft 
auf den Stufen eines Palastes, wo ihn am Morgen ein Bekannter findet, der 
obwol selbst mittellos, ihm seihe Hilfe und sein Quartier anbietet. Der junge 



») Reutter war der Vater des Abtes von Heiligenkreuz Marian Beuter von Keitersfeld; deshalb 
bewahrt das Musik- ArchiT dieses Stiftes wol die grösste Sammlung von Reutter's Kirchen-Kompo- 
sitionen, auch ein Porträt hier nebst anderen Archivaleo. 



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365 



Mann fristet nun sein Leben durch Lektionen ; eine Pilgerschaft nach dem Gnaden- 
orte Mariazell, auf dessen Chor er sich als tüchtiger Musiker zeigt, und die Unter- 
stützung eines Gönners bringen ihm die Mittel, sich eine eigene Wohnung 
— im alten Michaeierhause — zu nemen. Von jetzt an erfreut er Bich besserer 
Zeiten, er studiert fleissig, aüch die Lektionen mehren sich, Haydn wird bekannt; 
der Komiker Kurz (üernadon) fordert ihn zur Beistellung der Musik für eines 
seiner Theaterstücke auf — so entstand Haydn'B erste Oper: „Der krumme 
Teufel". Im Jahre 1759 erhielt Haydn endlich eine feste Anstellung als Kapell- 
meister beim Grafen Mörz in, der im Winter in Wien, im Sommer auf seinen 
Gütern in Pilsen lebte. In dieses Jahr fallt auch Haydn's erste Symphonie, 
sie ist für 2 Violinen, Viola, Bass, 2 Oboen und 2 Waldhorner gesestzt. 

Pohl bespricht diese Symphonie so: „Ihr Zuschnitt ist knapp, klar und 
sicher, die melodiöse Erfindung gerade anregend genug." - 

Am 28. November 1760 vermähle sich der Künstler mit Marie, der 
Tochter des Perrückenmacher Keller. „Mit ihr brachte sich Haydn ein unverträg- 
liches, zanksüchtiges, herzloses, verschwenderisches und bigottes Weib, eine 
kneifende Xantippe ins Haus. Haydn hatte nie die Freude häuslichen Glückes 
erfahren und nur ein Charakter wie der Beinige vermochte das traurige Los 
einer solchen, obendrein kinderlosen Ehe zu ertragen.** 

Die zerrütteten Vermögensverhältnisse des Grafen Morzin zwangen diesen, 
seine Kapelle aufzulassen und so war Haydn abermals brodlos ; bald jedoch fand 
sich in der Person des Fürsten Paul Anton Esterhäzy ein Gönner, und 
„Haydn wurde vorerst (1761) als zweiter Kapellmeister des fürstlichen Hauses 
Esterhäzy angestellt, dem er bis an sein Lebensende unter steigender Gunst 
und Anerkennung angehören sollte." Der Aufenthalt in Eisenstadt war ein 
für ihm angeuemer; obwol eigentlich nur zweiter Kapellmeister, leitete er 
dennoch das Orchester allein. Als 1762 Fürst Nikolaus Esterhäzy die Regierung 
übernam, gewann Haydn an ihm einen mächtigen Gönner ; das Verhältnis 
desselben zu dem aufstrebenden Tondichter war stets ein ungetrübt herzliches ; 
und nach seinem Regierungsantritt erhöhte er Haydn's Gehalt um die Hälfte, 
beschenkte ihn bei jeder Gelegenheit und noch im Tode bedachte er den Meister 
in grossmütiger Weise. Als der erste Kapellmeister gestorben, wurde Haydn 
1761 diese Stelle übertragen und sein Gehalt neuerdings aufgebessert. 

Bis hierher reicht der erste Band von Pohl's Biographie; die Trefflichkeit 
derselben nochmals zu erwähnen, ist überflüssig; das Leben Haydn's, seine 
Leiden und Freuden, seine künstlerische Thätigkeit sind in anregender Form 
aber nach den Quellen vor uns gebracht, die einzelnen Kapitel mit grosser 
Umsicht ausgearbeitet. Besonders verdient die Besprechung der in diese Zeit 
fallenden Werke Haydn's, die Nachrichten über seine Brüder Michael und 
Johann, über den Komiker Kurz, die Beilage III: „Verzeichnis der in Wien 
in den Jahren 1740—1766 aufgeführten italienischen Opern, Serenaden, Feste 
► teatrali und Kammer Cantaten" die vollste Beachtung, welche Abschnitte in 
mehrfacher Beziehung vielfach neues Materiale bieten. 

Das Buch ist unseres grossen Landsmannes würdig, wir blicken mit 
Stolz auf solche Publikationen; doch ist es auch unsere Pflicht, diesem Unter- 
nemen unsere vollste Teilname zuzuwenden. 

Selbstverständlich behalten wir uns vor, auch auf die folgenden Bände 
nach ihrem Erscheinen zurückzukommen. 

■ ♦ 



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366 

„Da Naz, a a niederösterreichischer Bauernbui geht in d'Fremd. Gedicht 
in. unterennsischer Mundart von Josef M i s s o n. 2. Aufl. Herausgegeben 
und mit einem Lebensbilde des Dichters, mit Proben aus dem Nachlasse 
desselben und einer Inhaltsangabe des Dichters versehen von Karl 
Landsteiner. Wien, Gerold 1875. 12. 

Der bisher nur im engen EreiBe bekannte Dialektdichter und Piaristen- 
Ordenspriester Josef Misson war am 14. März 1803 zu Mühlbach in Nieder- 
österreich geboren, wo sein Vater ein' schlichter Kaufmann war. Der junge 
Misson studierte bei den Piaristen in Krems und trat auch in deren Orden 
ein, um sich dem Lehramte zu widmen. Nach seiner Weihe zum Priester, 
1834, lehrte er abwechselnd mit Eifer in Horn, Krems und Wien und lebte 
seit 1853 bei St. Thekla in Wien, woselbst er am 28. Juni 1875 starb. 

Misson verdanken wir eine niederösterreichische Dialektdichtung von 
bleibendem Werte und sie stellt ihn auch in die Reihe der bedeutendsten öster- 
reichischen Dialektdichter. Es ist der 1850 erschienene „Naz", gewidmet 
Misson's Freunde, dem bekannten und gelehrten Theologen und Philosophen 
Dr. Johann Nep. Ehrlich. Da die Auflage nur eine kleine war, so war die 
Dichtung seit längerer Zeit schon vergriffen. Prof. Landsteiner, der immer^ 
wo es gilt, für eine edle Sache einzustehen, unter die Ersten zählt, hat sich 
daher den Dank aller Freunde und Verehrer des Dichters sowie jener, die 
innige Liebe an ihre Heimath kettet, erworben, dass er alsbald nach Misson'i 
Tod eine neue durch treffliche Beigaben vermehrte Ausgabe des „Naz* ver- 
anstaltete, aus deren Erlös dem Dichter an seinem Geburtshaus in Mühlbach 
ein Denkstein gesetzt werden soll. Diese schönen Bemühungen werden auch 
entsprechend belohnt, denn, wie wir hören, ist die dritte Auflage beinahe schon 
vergriffen ; auch wir können den Freunden der Landeskunde Niederösterreichs eine 
so liebliche Gabe, die sie um ein Geringes sich erwerben können, nur aufs 
wärmste empfehlen. „Is da Müh werth ! u sagt er, „Dös is a Freud!" sagt er, 
„Dös mac.it- mih aufgramt'. a Ant. Mayer. 



Spende. 

Se. kaiserl. Hoheit der Durchlauchtigste Herr Erzherzog Franz Karl 
haben dem Vereine für Landeskunde einen Beitrag von 80 fl. zu Vereinszwecken 
zu bewilligen geruht. 



Geschenke an die Vereinsbibliothek. 

Gebirgs-Panorama vom Sonntagsberg. Herausgegeben „durch die Sektion 
Waidhofen a. d. Ips" des deutschen und österr. Alpen- Vereins. (Von der 
Sektion Waidhofen a d.i.) 

Der Bezirk Sechshaus. Von Mich. Hahn. (Von Hrn. Jos. Selz er.) 



byC 



367 

Mitglieder. 

Seit 1. August sind dem Vereine beigetreten: 

In Amstetten: Kaditsch Heinrich, k. k. n. ö. Statthaltereirath und 
Leiter der k. k. Bezirkshauptm. Amstetten. 

In Hafnerbach: Hochw. Mannhart Ernst, Co Operator. 
„ Höflein: Stoizner Lambert, Lehrer. 

„ Ips:Decente Knie rieh, Apotheker. — Hornung Johann, Med. 
Dr., Direktor der n. ö. Landös-Irrenanstalt. -~ Lauffe nthaler Leopold jun. 

— Neuwirth Karl, Kaufmann. — Lutz Ignaz. — ünterberger Franz.. 

In Kemme Ibach: Ritsehl Friedrich, Gutsbesitzer. 
„ Krems: Hö dl Engelbert, Bürger. 

„ Meid Ii ng (Unter-): Schmidt Adalbert, Schuldirektor u. k. k. 
Bezirksschulinspektor. 

In Melk (Stift): Hochw. Gumpoltsberger Romuald, Konviktspräfekt. 

— Hochw. Schilling Engelbert, Lehramtskandidat. — Hochw. Seyfried 
R. v., Leopold, Subprior und äbtl. Sekretär. 

In Neulerchenfeld: Frau wallner Josef, k. k. Telegraphenamts- 
beamter. 

In Neunkirchen: Löbl. Lehrerverein. 
• „ Pleissing: Thaler Anton, Lehrer. 
„ Ried: Schemmel Karl, Lehrer. 

i St. Pölten; Heitzler Karl, Dr. jur., Advokat. — Hochw. Lux 
Franz, Dr. theol., Canonicus. 

In Sau seil stein: Wottawa Wenzel, prakt. Arzt. 
„ Scheibbs: Aufreither Franz, Lehrer. — Schober Adolf, k. k. 
Bezirksgerichtskanzellist. 

In Wien: Altmann Leopold, kaiserl. Rath. — R. v. Becker Hans, 
Med. Dr. — Beoethy Alois v., Abgeordneter des ungarischen Reichstages. 

— Blumenthal Heinrich, Generalinspektor. — Gollwitzer Michael, Bürger. 

— Graf Ferdinand, Kunsthändler. Hörbeder Ferdinand. Revident. — 
Jaun er Theodor, n. ö. Landesbeamter. — Kominek Alois, Inspektor. — 
Krüpl Eduard, Revident. — Mack Eduard, Dr., Professor an der k. k. 
Oberrealschule in der Leopoldstadt. — Mauthner Josef, Privat. — Mi los 
Georg, Privatbeamter. — Müller Hermann, Bürger. — Prokesch Anton, 
Ingenieur. — Welkow Alex., Dr. jur. — Werner Richard Maria, Candid. 
philol. germ. — Wolf Josef, phil. Dr. 

In Zisserdorf: Wenda Anton, Lehrer. 



Berichtigung. 

Im Hefte Nr. 7, 8 und 9, im Aufsatze des Herrn Dr. Gust. Winter, 
mögen folgende Berichtigungen beachtet werden: 
Seite 155, vorletzte Zeile (der Note l ) fehlt am Ende das Divis. (-). 

„ 156, Z. 21 von unten I. 1421—1529 st 1520. 

„ 157, Z. 7—8 von oben 1. Aufschreibungen. 

„ 157, Z. 20 von unten 1. Wiese st. Wiesel; das »und" nach „genannt" ist 

zu streichen, 
n 161, Z. 6 von oben 1. fol. st. oL 

„ 161, Z. 13 von oben ist nach „Weingärten" ein Beistrich zu setzen. 
„ 161, Z. 20 von oben l ebd. st. ebd.. 



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368 

Vereinsabende. 

Das auf S. 227 dieses Heftes der Vereinsblätter veröffentlichte 
Programm der Vereinsabende hat folgende kleine Abänderungen erfahren : 
Freitag d. 21. Jänner. „Ueber Gloggnitz in alter Zeit. I. Der Besitz der 

Formbacher-Benediktiner zu Gloggnitz in Oester- 
reich und Steiermark", von Hofrath M. A. B. v. 
Becker. 

„ „28. „ General-Versammlung. 

» B 11. Febr. „Der älteste Stadtplan Wiens". Vom Archivs- und 

Bibliotheks-Direktor der Stadt Wien K. Weiss. 

„ „ 28. „ Ueber Gloggnitz (Tl. Teil). Von Hofrath M. A. 

B. v. Becker. 

„ n 10. März. „Die Burg Greifenstein". Vom hochw. Hrn. Canon. 

Dr. Ant. Kerschbaume r. 

„ »24. „ Weitere Ergebnisse meiner Forschungen in Still- 
fried. Von Dr. Math. Much. 

u y T* April. Die Presse des Jahres 1848. Von 8r. Excellenz 

Baron v. Hei fort. 



General- Versammlung. 

• 

Freitag den 28. Jänner um 7 Uhr Abends findet die General- 
Versammlung statt (Vereinslokal, I., Herrengasse, ebener Erde links). 
Tagesordnung: Rechenschaftsbericht, Bechnungsabschluss, Voranschlag 
für das Jahr 1876, Wahl von 6 Ausschussmitgliedern. 



|y Zur Erleichterung des gegenseitigen Verkehres und der Ersparung 
von Kosten weiden die P. T. Vereinsmitglieder ausserhalb Wien 
freundlich gebeten, den Jahresbeitrag pro 1876 mit 2 ri. 20 kr. 
ö. W. mit Postanweisung einzusenden 

Die Geschäftsleitunc. 



Die P. T. Vereinsmitglieder werden gebeten, Veränderna- 
gen der Wohnung oder des Wohnorten dem Sekretär (Stadt, Herren- 
gasse, Landhaus) mitzuteilen. 

Die Redaktion. 

Verlag und Eigentum des Vereines. Redakteur : A. Mayer. 

Druck von C. Finsterbeck in Wien. 



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'X 



INHALT. 



Mittheilungen. Seite 
Beck von Leopoldsdorf, die Chronik der Familie. Von Dr. K. Lind. 

129, 22L 229 

Besprechungen : 

a) Geschichte de« Bistums St. Pölten. Unter Mitwirkung der IL IL Adalb. Dangel, 
0. S. B. zu Göttweig, und P. Gottfried Friess, 0. S. B. zu Seitenstetten, heraus- 
gegeben von Dr. Ant. Kerschbanmer, Ehren-Can. etc. L Bd. 1^ iL iL i. Heft 1875. 
Bespr. von Ant. Mayer 43, 358. 

6) Gebirgs-Panorama vom Sonntagsberg, heransgeg. durch die Alpen- Vercins-Sektion 

Waidhofen a. d. Ips etc. Bespr. von Ant. Steinhanser . . . 352 

c) „Da Naz", a niederdsterreichischer Banernbni geht in d' Fremd. Von Jos. Misson. 

£. Aufl. heransgeg. von Karl Landsteiner. Bespr. von Ant. Mayer .... 266 

d) Joseph Haydn, von C.F.Pohl. L Bd. L Abteil. Berlin 1875. Bespr. vonHeinr. Käbdebo 361 

Deutsch-Altenhurg s. Römisches. 

Diensthotenwesen in Niederöstorr. in alter und neuer Zeit und die 

Ordnungen für dasselbe. Von Dr. Jos. Bauer IM 

Entgegnung. Von Dr Th. Wiedemann 39- 

Feldkaninchen als schädliches Wild in Niederösterr., das. Von Dr. Jos. 

Bauer 223 

öeisslerzüge in Waidhofen an der Thaya im XVII. Jahrh. Von Franz 

Eichmayer, Pfarrer 36 

Germanische Wohnsitze und Baudenkmäler in Niederösterreich. Von Dr. 

Math. Much ^ 9i. 165. 252 

Gösing (U. M. B.) in Hinsicht auf die pfarrUchen Verhältnisse und das 

dort bestehende Karmeliterkloster. Von Prof. Adalb. Dun gel . . 306 
Grundbuch der St. Michaels-Pfarrkirche zu Gumpoldskirchen aus dem 

letzten Decennium des XV. Jahrh. Von Dr. Gustav Winter . . 153. 228 
Hartenstein, zur Geschichte der Veste. — Von Franz Eich may er, 

Pfarrer 36 

Juristenschule in der Schulerstrasse in Wien, das Haus der. Von A. 

Gamesina R. v. Sanvitore . 12Z 

Kulturgeschichte in der Zeit Leopold'« des Heiligen, Beiträge zur. Von 

Gymn. Direkt. Arabros Heller 23,111 

Lateinische Bürgerschule in Wiener - Neustadt , die. Von J. Pölzl 

125, 196, 282 

Leopold d. Heilige s. Kulturgeschichte. 

Osterburg in Niederösterreich (V. 0. W. W.), die. Von Gymn. Direkt. 

Ambros Heller 1 

Ortsnamen, (0. M. B.) Erklärung einiger. Von Pfarrer Leop. Kasper 

89, 211, 238 

Dorfstätten , 

Königwald 80 

Fuherin (Firling) SO 

liafedel 21 

Siebenschürfting Iii 

Fünfling Ol 

Schlennzerbof 32 

Soseneck 83 

Pellethof 33 

Schnsterlehen 311 

Bärnkopf 212 

Zillek ZJJi 

Peggstall . ." Z12 

Würnstorf Iii 

Nöchling 213 



Jd by Google 



Seit« 

Ostmark unter Leopold dem Freigebigen, die. Von Gymn. Direkt 

Ambro» Hcllor 161/ 245. 

Petronel s. Römisches.. 

Pratobevera-Wiesborn, Adolf Freiherr von. Nekrolog von A. Mayer . 43 

Römisches aus Petronell und Deutsch-Altenburg. Von F. Kenner . lsu 
Sagen aus der Donaugegend von Niederösterreich. Von Gymn. Direkt. 

Ambros Heller 204, 223 

St. Pölten, 8. Zunftwesen. 

Schmidt Martin Johann, gen. der „Kremser-Schmidt", der Maler. Von 

Ant, Mayer, 55 

Schönbühel in Niederösterr., das Schloss. Von Gymn. Direkt. Ambros 

Heller .71, 186, 211 

Dnterzögersdorf bei Stockerau, der Hügel zu. Von Dr. Alois Wözl . 83 

Vitis, das ehemalige St. Veitskirchleiu zu. Von Jos E ding er . . . 321 

Wachau, die hohe Wand in der. Von Dr. Ant. Kexschba u mer . . 3_18 
Waidhofen a. d. Thaja s. Geisslerzüge. 

Wien, das grosse Festschiessen im Jahre 1563 zu. — Besungen vom 
Augsburger-Pritschenmeister Lienhart Flexel. Von A. Camesina 

R. v. Sanvittore 32, 140, 215, 325 

Wien, die flüchtigen Rathsherru und Bürger von — anno 1529. (Ein 
urkundlicher Beitrag zur Geschichte der ersten Türkeubelagerung; 

Wiens.) Von V. Reuterer 3J8 

Wien s. Juristenschule. 

Wiener-Neustadt s. Bürgerschule. 

Zunftwesen in Niederösterreich zur Geschichte des L St. Pölten. Von 

Dr. Adalb. Horawitz 18, 107, 200, 2S& 

Paradies am Riederberg, das. Vortrag von Dr. Ant. Kersch baumer 78 

Vereinsleben. 

Admiuistrativkarte von Niderosterreich. 

L Kaub» 51 

iL Mistelbach hl 

1. Göstling 5i 

1, Horn und Eggenburg Iii 

5. Orth • |4j 

iL St. Valentin 149 

2. Krem»-<jföhl . 14« 

8. Haag 14? 

2. Hohenau Iii 

lu, Zibterdorf ; III 

LL Dröbing Iii 

ÜL Langentals .... * ltr 

U. Neustadtl Iii 

Ankündigungen * . 150, 151, 22L 3iü 

Auszeichnung 5_2 

Bibliothek 54, 150, flgfi 

General- Versammlung. 

a) Rechenschaftsbericht 4£ 

b) Rechnungsabschluss 42 

Mitglieder 53, 149, 225, 367 

Sommer- Versammlung am 22^ 23. und 21. August in Ips, Bericht 

über die 338 

Spenden 149, 225, 3fifi 



Druck you Carl Finsterbeck in Wien. 



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I. 

I 



t 



Aushalm von flez 
gestorben 
Gemahli 



Az % 
gest. vor 



A lbero I. 
gest. c. 1118. 
Gemahlin: ? 



•er 



apoto von Schön berg. 

gest. c. 1176. 
Gemahlin : unbekannt. 



1 



Otto von Gobatsburg- 
Purchhartsdorf, 
gest. 1183. 
Gemahlin: unbekannt. 

I 



Rapoto und Hadmar 
von Schönberg. 



Rapoto und Heinrich 
von Purchhartsdorf. 



Albero IV. von Ku 
gest. c. 1220 
Gemahlin: unbek; 

I 



der Hund von 
?st. c. 1233. 
n von Neuburg- 



Kinderlos. 



gest 1241. 
ider. 



Eule m ia von Kuenring. 
gest. nach 1283. 
1. Gemahl: Irntrid von Hindberg, 
2. Gemahl: Rudolf von Pottendorf. 



1 



Die Herren von Pottendorf. 



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II. 



-Dürnstein, 



einrieb IV. von Kuenring-Feldsberg, 
geb gebor. 1252, gest. 31. I. 128(5. 
1. Gen 1. Gemahlin: Alheid von Feldsberg, 

gest. 1284. 
2. Gemahlin: Katbarina von Neuhaus, 
2. Gema beide Ehen blieben kinderlos. 



Clara, Joha Leutold 11. 



gest. 1302. GeLiechtenstein. Gemahlin: Sophie von Meissau. 



Leutold ELL 
Dur 
gest. 4. 
Gemahlin: Alh 
Dros 
ohne Nj 



n Wallsee-Drosendorf. Gemahl: Eberhard von 



gebor. 1301, 





Clara. 
Gemahl: Friedrich von 



Elsbet, 
gest. Juni 1379. 



Wallsee-Graz. 



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III. 



a-Seefeld, 



Heinrich V. Marschall 
gest. Juli 1281 zu 
Gemahlin: Elisabet 

I 



liadmar VII. 
gest. 1303, 
nnvermäblt. 



Gei 



Albcro VII. von Kueuring-Weitra-Seefeld, 
gebor, c. 1270, gest. 1342. 

1. Gemahlin: Agnes von Capellen, 

kinderlos gest. 1318. 

2. Gemahlin: Herburga von Pettau. 

Kind dieser Ehe: 

i 



Job an n II. von Kuenring-Seefeld, 

gest. 26. I. 1349. 
Gemahlin. Anna von Wallsee-Enns. 
gest. c. 13«9. 



Nizzo II. von Kuenring-Seefeld, 
gebor. 1346, gest. 1405. 
1. Gemahlin: Margaretha: von Pottendorf, 
gest. 1383. 
2. Gemahlin: Agnes von Wartenberg, 
gest. nach 140(5. 

Vi 



Agnes, 
mahl: Johann von 
Liechtenstein . 



A g n e s, 
(vermutlich aus der II. Ehe). 
Gemahl: Johann von Neiperg. 



riuenring-Seefeld, 



cbaz II c ^(34 
gest. c. l\ a \ mtL von Volkerstorf. 
Gemahlin: Barbara v iarbara von Kreig. 

KTn"derbJ 



Ursula, 
gest. unvermählt. 



Amalia, 
gest. nach 1476. 
Gemahl: Hanns von Kranichberg. 



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IV 



Ehrentrud Ls, 
gest. nach 1505. 
Gemahl : Jakob von Clement 
zu Avberg. 



Wilhelm von Kue ir ^ 
gest. 6. X. w 
1 Gemahlin : Salome - ' Zelkin 
2. Gemahlin : Sibill 6 



Florian, 
17. VI. 1534 ermordet zu Seefeld. 



—'^Mos. 



E 1 i s a b 
gest. vor 1 
Gemahl: Simon Frei 



Johann V. 
gest. vor 1572, 
unvermählt. 



Ladislaus, Magdalena, 
- ^iten Ehe), gest. vor 1594. 

2 31. 1594., Gemahl: Siegmund von Breuner, 
J nes Hauses. kinderlos, 
ome von Pollheim. 



s e (rviT 

1590. 



. ' , ~ d<>n Quellen auch nicht <li« leiseste Andeutung Ündet, wurden 

in der Stamm tu fei nicht u 



sie 



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rössere Dörfer 

nac/i ihrer Gestait 




1 

- 



ZEICHEN ERKLÄRUNG: 

Pf. Jfmrm 

Lk. Zok alten 

Ve. licariate 

AI. Köster 

^ JtffmktrcAen 

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Kaptlhn 

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W.H. 



hölzerne - \ 
Ruinen 
Kirchhofe 
Warnungstafeln 
Wegweiser 
Windmühlen 

Feld brunnin 
Mühlen, 
Mahl Mühle 

Ziegel Ofen 
Jäger- ] 
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